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dieserhalb getroffen ist. Besteht sie in Mannschaften, so hat der Hilfeleistende ihre Ausrüstung zu besorgen, sie auch vollzählig zu erhalten, wie er sie bei eigenen Unternehmungen vollzählig erhalten würde und zu erhalten im Stande ist'; der Kriegsherr hat dagegen für Unterhalt und Verpflegung zu sorgen; er darf nicht unredlicher Weise die Hilfsmannschaft mit Schonung seiner eigenen Truppenmacht blosstellen. Ueberhaupt muß derselbe so viel als möglich jeden Schaden von dem Hilfsverbündeten abzuwenden suchen, worin der Lettere durch die Erfüllung seiner Bundespflicht gerathen kann, ihm Beistand leisten, wenn der Feind sich auf ihn wirft, vorzüglich auch bei Beendigung des Krieges ihn gegen alle Ansprüche des Feindes sicher stellen und ihn daher in den Friedenszustand einschließen. Zuwiderhandlungen berechtigen den Hilfeleistenden zur Aufhebung des Bündnisses; dagegen aber hat er kein Recht auf die errungenen Vortheile, mit Ausnahme der Beute, so wie eines beschränkten Postliminiums, wovon unten, im Abschn. IV.

117. Sieht man auf das Verhältniß des Feindes zu den Kriegsverbündeten seines Gegners, so kann jenem unmöglich zugemuthet werden, sich eine derartige Verstärkung der Kriegsmacht des Letteren ohne Weiteres gefallen zu lassen und der Verbündeten zu schonen, sofern sie ihm nicht unmittelbar entgegentreten. Es ist unleugbar, daß auch sie an den Feindseligkeiten gegen ihn Theil nehmen, und daher auch unbedenklich, daß er sich ihrer zur ungehinderten Durchsetzung seiner Kriegszwecke zu entledigen befugt sein muß.

Während diese Befugniß nun von Allen zugegeben wird, insofern die Kriegshilfe erst nach Eintritt eines Kriegszustandes oder mit Hinsicht auf einen bestimmt bevorstehenden Kriegszustand übernommen wird, so meint man andererseits sie bestreiten zu dürfen, wenn eine Macht der anderen schon im Voraus für die von ihr zu führenden Kriege, es sei überhaupt oder wegen eines gewissen Gegenstandes, eine particuläre Kriegshilfe ganz allgemein ohne Designation eines bestimmten Feindes zugesagt hat, ja selbst eine allgemeine Kriegshilfe für einen zu führenden Vertheidigungskrieg2. Demungeachtet

1) Zuweilen ist dem Verbündeten die Wahl bedungen, anstatt Mannschaft Geld u. dergl. zu liefern. Hierüber s. J. J. Moser, vermischte Abh. I, 84.

2) S. hierüber de Beulwitz, de auxiliis hosti praestitis more gentium hodierno hostem non efficientib. Hal. Sax. 1747. und Schmidlin, de iurib. gent. mediar. § 10.

kann der Gegner hierdurch nicht gezwungen sein, solchen Hilfsmächten Neutralität zuzugestehen und sie nur da feindselig zu behandeln, wo sie ihm unmittelbar gegenübertreten, wenn ihm nicht die Politik ein solches Verfahren anräth; vielmehr darf er jede ihm nachtheilige Ligue zu sprengen suchen; er darf dem Verbündeten daher die Wahl stellen, entweder von der ihm feindseligen Kriegshilfe abzustehen, oder den Krieg selbst ganz und gar anzunehmen'. Gerechtfertigt ist die Stellung einer solchen Alternative freilich erst dann, wenn der Verbündete des Gegners sich anschickt, die versprochene Kriegshilfe zu leisten; so lange dieses zweifelhaft ist, steht nur das schon früher (§ 30 u. 45) erwähnte Fragerecht zu; wird aber die Antwort unter bedenklichen Umständen verweigert oder verzögert, so ist der Bedrohte unfehlbar befugt, sogar das Prävenire zu spielen2.

Das Kriegsfeld.

118. Sein natürliches Feld findet der Krieg zu Lande in den Staatsgebieten der feindlichen Parteien; der Seekrieg in den feindlichen Territorialgewässern wie auf der offenen See. Neutrales Gebiet darf nur im Falle der Noth ohne Feindseligkeit betreten werden; das nähere Verhalten dabei zeichnet das Recht der Neutralität vor. Das Verhältniß einer Hilfsmacht, auch wenn ihr Neutralität zugestanden ist, schließt wenigstens den Feind von der Verfolgung der gestellten Hilfstruppen in ihr eigenes Gebiet nicht aus; ist sie völlig in den Kriegsstand eingetreten, so theilt sie das Loos der kriegenden Hauptparteien.

Beschränkungen des Kriegsfeldes können nur durch Conventionen oder Politik herbeigeführt werden. Die Geschichte liefert Beispiele von blos particulären Kriegsoperationen gegen einen bestimmten Theil eines Gebietes, anstatt eines sonst die Regel bildenden allgemeinen Kriegszustandes der feindlichen Territorien, und zwar vorzüglich bei Interventionen im Interesse des Europäischen Friedens *.

1) Beispiel: das Verfahren Rußlands gegen Preußen im Anfange des Jahres 1813 in Beziehung auf die Französische Alliance.

2) So verfuhr Friedrich II. von Preußen gegen Chursachsen, bei Ausbruch des 7jährigen Krieges.

3) Wir erinnern an die Intervention Frankreichs, Großbritanniens und Rußlands in den Griechischen Angelegenheiten: Nouv. Recueil t. XII, 1 sqq.; an den

Kriegsrecht im objectiven Sinne. Kriegsmanier. Kriegsraison.

119. Auch der Krieg hat seine bestimmten Rechte und Formen. Dieses ist das eigentliche ius belli im objectiven Sinne. Schon die Alten hatten ein solches'; aber es sette der ungebundenen Willkür nur wenige Schranken. Erst im Mittelalter streiften sich manche Härten ab, theils durch den Einfluß des Christenthumes, theils auch durch den Geist des Nitterthumes2. Die letzten Jahrhunderte haben nach manchen Schwankungen die Menschlichkeit, das Bewußtsein der Gattung, als Regulativ angenommen. Civilisirte Völker erkennen in dem Kriege nur einen Nothstand, ein unvermeidliches Uebel, welches nicht weiter ausgedehnt werden darf, als die Noth es erfordert; wo nicht der Mensch gegen den Menschen zu seiner Vernichtung und so gegen sich selbst, sondern Staat gegen Staat mit den einem Jeden zu Gebote stehenden Kräften und Mitteln kämpft und seinen Willen durch Angriff und Vertheidigung durchzusetzen sucht3.

particulären Feldzug Frankreichs gegen Antwerpen 1832, auf Grund der Verträge mit Großbritannien vom 22. October 1832, und mit Belgien vom 10. Nov. d. J. Ebendas. XIII, 39. 57: an die Intervention in den orientalischen Angelegenheiten: an S. Jean d'Acre. Im 7jährigen Kriege war von einer während des Waffenstillstandes fortzusetzenden Belagerung der Festung Neiße die Rede. Flassan, Dipl. franç. V, 146.

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1) Vgl. Liv. 2, 12. 31, 30: esse enim quaedam belli iura, quae ut facere ita pati sit fas. Polyb. V, 9. 11: οἱ τοῦ πολέμου νόμοι καὶ τὰ τούτου

Sixava.

2) Die einzelnen Momente find hervorgehoben bei Ward, Enquiry von chap. X an. S. auch oben S. 9 f. Schon Polybius hatte übrigens eine edlere Ansicht. V, 11.

3) So Portalis in seiner Rede bei Installation des Conseil des prises am 14. Flor. I. VIII.: „Le droit de la guerre est fondé sur ce qu'un peuple pour l'intérêt de sa conservation ou pour le soin de sa défense veut, peut, ou doit faire violence à un autre peuple. C'est le rapport des choses et non des personnes, qui constitue la guerre; elle est une relation d'état å état, et non d'individu à individu. Entre deux ou plusieurs nations belligérantes, les particuliers dont ces nations se composent, ne sont ennemis que par accident: ils ne le sont point comme hommes, ils ne le sont même pas comme citoyens; ils le sont uniquement comme soldats." Völlig übereinstimmend mit dem Obigen und dem Nachfolgenden äußerte sich auch Talleyrand in einer Depesche an Napoleon vom 20. Nov. 1806:

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Trois Siècles de civilisation ont donné à l'Europe un droit des gens que, selon l'expression d'un écrivain illustre, la nature humaine ne saurait assez reconnaître.

Daher ist auch sein oberster Grundsak, geheiligt eben so sehr durch Vernunft und Menschenliebe, wie durch den eigenen Nußen: füge Deinen Feinden auch im Kriege nicht mehr Uebel zu, als es für die Durchsetzung des Zweckes unvermeidlich ist; während das alte Kriegsrecht den Grundsat befolgte: füge dem Feinde so viel Uebel zu, als Du kannst und nüglich findest. Die von der Sitte im Einzelnen bestimmte rechte Weise des Krieges ist die s. g. Kriegsmanier, auf deren gleichmäßige Beobachtung jeder bei dem anderen rechnet; sie zeichnet die erlaubten Mittel und äußersten Grenzen vor; sie verbannt und ächtet mit dem Fluch der Geschichte jede Unmenschlichkeit und Barbarei. Ihre Ueberschreitung berechtiget jede Nation, alle Verbindung mit der fehlenden abzubrechen. Nur außerordentliche Umstände, nämlich entweder die äußerste Noth oder die Erhaltung der Gleichheit des Kampfes und der Regel selbst, können als s. g. Kriegsraison zu Ueberschreitungen der gewöhnlichen Sitte berechtigen. Regellos ist daher schon an sich jeder Krieg wider Horden und Banden, welche kein Gesetz der Menschlichkeit. über sich anerkennen. Strenger endlich und vernichtender als der Landkrieg ist der Seefrieg; die Marimen desselben haben sich bei dem Mangel eines ge=

Ce droit est fondé sur le principe, que les nations doivent se faire: dans la paix le plus de bien, et dans la guerre, le moins de mal qu'il est possible.

D'après la maxime que la guerre n'est point une relation d'homme å homme, mais une relation d'Etat à Etat, dans laquelle les particuliers ne sont ennemis qu'accidentellement, non point comme hommes, non pas même comme membres ou sujets de l'Etat, mais uniquement comme ses défenseurs, le droit des gens ne permet pas que le droit de guerre, et le droit de conquête qui en dérive, s'étendent aux citoyens paisibles et sans armes, aux habitations et aux propriétés privées, aux marchandises du commerce, aux magasins qui les renferment, aux charriots qui les transportent, aux bâtiments non armés qui les voiturent sur les rivières ou sur les mers, en un mot à la personne et aux biens des particuliers.

Ce droit né de la civilisation en a favorisé les progrès. C'est à lui que l'Europe a été redevable du maintien et de l'accroissement de prospéritė, au milieu même des guerres fréquentes qui l'ont divisée etc.“ (Moniteur univ. du 5. Debr. 1806.)

1) S. außer der schon oben S. 51 Not. 1 angeführten Schrift von Struben, Groot III, 1, 19. 18, 4. Pufendorf II, 3, 23. J. J. Moser IX, 1, 111 f. Bynckershoeck, Quaest. I, 3 und die Schriften bei v. Ompteda § 300. v. Kampt § 282 f.

hörigen Gleichgewichtes der Seemächte noch bei Weitem nicht zu einer gleichen Parallele mit dem des Landkrieges erhoben'; zur Hälfte war er noch immer ein Raubkrieg, wie sich weiterhin ergeben wird.

Anfang des Krieges.

120. Ehe zu wirklichen Feindseligkeiten geschritten wird, muß, wenn bisher ein gegenseitiger freundschaftlicher Verkehr bestand, dem Gegner, welchen man mit Krieg überziehen will, eine Kriegserklärung gemacht werden. Es würde keine Treue und Glauben unter den Nationen Statt finden, sondern ein System der Isolirung und Furcht Plat greifen, wenn eine unerwartete Kriegsüberziehung in jedem Augenblicke befürchtet werden müßte. Das Alterthum beobachtete

dabei besonders feierliche Formen2; der ritterliche Geist des späteren Mittelalters hielt dergleichen ebenfalls für erforderlich3; die Gewohnheit feierlicher Kriegserklärung dauerte bis in das achtzehnte Jahrhundert. Seit der zweiten Hälfte desselben aber hat man sich von bestimmten Formen mehr und mehr entbunden. Man begnügt sich, jeden diplomatischen Verkehr mit dem Gegner abzubrechen* und auf einem der Publicität nicht entzogenen Wege, z. B. durch s. g. Kriegsmanifeste, die Absicht einer Kriegsunternehmung zu erklären, oder sofort zu einer solchen factisch zu schreiten, ohne eine unmittelbare Benachrichtigung des Gegners noch für nöthig zu halten, wiewohl sie immer etwas geziemendes sein wird. Gewiß bedarf es nach der Natur der Sache keiner näheren Erklärung bei Vertheidigungskriegen wider einen bestimmt schon erklärten oder doch wahrscheinlichen An

1) Vgl. Hautefeuille, Droits des nat. neutres. I, p. 318.

2) Die Römische Sage leitete sie von den Aequicolern ab. Liv. I, 32. 3) Bei Privatfehden wie bei öffentlichen Kriegen. Ward, Enquiry II, 207 f. 4) Daß die Zurückberufung der Gesandten den Anfang des Krieges an sich darstelle, kann nicht behauptet werden. In Verträgen ist jedoch dieser Moment mehrmals für entscheidend erklärt worden. v. Martens, Völkerr. § 262. Not. g. Martens, Supplem. VII, 213. X, 870. XI, 471. 483. 613.

5) S. besonders Bynckershoeck, Quaest. iur. publ. 1, 2 und daneben die Schriften bei v. Ompteda § 295 vgl. mit v. Kampß § 275, sodann Vattel III, § 51. Emerigon, Traité des assurances I, 12. 35. v. Martens § 262. Schmalz S. 223. Klüber § 238. Wildman II, 5. Phillimore III, 75. Sehr dagegen ist Hautefeuille, Droits des nations neutres. I, 295.

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