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nationale Geltung erhielten. Noch compacter ward die Reaction gegen Ende des vorigen Jahrhunderts, während des Nordamerikanischen und Französischen Revolutionskrieges. Frankreich ging 1778 mit einem neuen Reglement zu Gunsten der neutralen Schifffahrt voran; bald nachher schuf 1780 eine nordische Minerva mit Panins Hilfe das System der bewaffneten Neutralität1 und erlangte auch in Kurzem den Anschluß mehrerer Seemächte daran, zur Handhabung bestimmter Grundsäge2 dem Britischen Dreizack gegenüber, wodurch ihm, wenn auch die Verbindung in ihrer ursprünglichen Integrität wieder gelöset ward, dennoch einige vertragsmäßige Zugeständnisse abgerungen sind3. Den lezten Kampf wider das Britische System

1) Die Kaiserin soll es zwar selbst la nullité armée genannt haben; aber einem Genius gelingt auch wohl mit Ironie eine große That.

2) Der ersten Erklärung des Russischen Hofes vom 28. Februar 1780 gemäß sind es diese:

1. Que les vaisseaux neutres puissent naviguer librement de port en port sur les côtes des nations en guerre;

2. que les effets appartenans aux sujets des dites puissances en guerre soient libres sur les vaisseaux neutres à l'exception des marchandises de contrebande;

3. que l'Impératrice se tient quant à la fixation de celles-ci à ce qui est énoncé dans l'Art. X. et XI. de son traité de commerce avec la Grande-Bretagne en étendant ces obligations à toutes les puissances en guerre;

4. que pour déterminer ce qui characterise un port bloqué on n'accorde cette denomination qu'à celui, où il y a par la disposition de la puissance qui l'attaque avec des vaisseaux arrêtés et suffisamment proches, un danger évident d'entrer;

5. que ces principes servent de règle dans les procédures et dans les jugements sur la légalité des prises.

de Martens, Rec. III, p. 158. Dazu kamen später in den darnach abgeschlossenen Verträgen noch einige andere Bestimmungen. Die weiteren Schicksale dieses Systemes, seine Weiterverbreitung durch Verträge, seine Wiederaufgebung von Seiten einzelner Mächte, seine Erneuerung im Jahre 1800 und Wiederverlassung, sind summarisch nachgewiesen von Klüber, Dr. des gens § 303-309. Wheaton, Histoire S. 223. 311 f. (I, 358. II, 83. éd. 2). Ueber die Stellung, welche der Nordamerikanische Congreß dazu nahm, s. Trescot, the diplomacy of the revolution. N. York 1852. p. 75. Die Specialschriften findet man angezeigt bei v. Kampß § 258.

3) Nämlich durch die Convention vom 5/17. Juni 1801 (Martens, Rec. VII, 260), welcher nachher auch Dänemark am 23. October 1801 und Schweden am

führte Napoleon durch Aufstellung des Continentalsystemes', was gewiß, wenn es mit Strenge nach Außen und mit weiser Mäßigung gegen die Verbündeten durchgeführt worden wäre, wenn es eine wahre innige Vereinigung aller Continentalmächte geworden wäre, das rechte Kampfmittel war und nur durch seine häßliche, parteiische, ja verkäufliche Vollziehung, durch gleichzeitige Erdrückung aller Freiheit im Leben des Continentes eine schlechte Gestalt in der Geschichte angenommen hat. Aber die Idee war die eines großen Mannes! Es giebt vielleicht kein anderes Mittel, Englands Seeherrschaft zu zügeln. Ganz neuerlich hat nun auch das Britische Verlegenheitsbedürfniß eines herzlichen Einverständnisses mit Frankreich zu den so wichtigen seerechtlichen Bestimmungen der Pariser Conferenz im April 1856 geführt, welchen sich, wie schon gedacht worden ist, alle übrigen Seemächte mit Ausnahme von Nordamerika unbedingt angeschloffen haben.

Darlegung der einzelnen Fragen.

153. Da im Allgemeinen den Neutralen das Recht des Handels im Kriege nicht bestritten wird, sondern nur die Begrenzung desselben: so kommt es hauptsächlich auf Untersuchung folgender Punkte an, die sich aus einer Collision der Rechte der Kriegführenden mit dem Handel der Neutralen ergeben:

1. Welche Rechte stehen den Kriegführenden gegen die Neutralen im Falle einer Blocade feindlicher Gebiete oder Gebietstheile zu?

II. Welche Art von Verkehr kann ein kriegführender Theil den neutralen Staaten oder deren Unterthanen mit dem Feinde untersagen?

III. Welche formalen Rechte haben die kriegführenden Staaten gegen die Neutralen zur Handhabung und Vollstreckung ihrer materiellen Rechte?

18/30. März 1802 beigetreten ist. Sie war gewissermaßen das bisherige Britische Ultimatum. Vgl. Wheaton a. D. S. 314 f.

1) Auch dieses ist klar und einfach in den Hauptpunkten dargelegt von Klüber § 310-316. Oke Manning p. 330. M. Poehls 1147. Die darauf bezüglichen Schriften s. bei v. Kampß § 257. Nr. 113 ff. Jetzt auch noch das Buch der Geschichte. Ergänz.-Bd. Altona 1854. I, 1.

Zum Theil stehen diese Fragen unter einander selbst wieder in wesentlicher Verbindung, so daß sie erst vollständig durch eine Beleuchtung aller beantwortet werden können.

In den publicistischen Erörterungen derselben ist man meist von einem vorangestellten allgemeinen Princip ausgegangen. Die Einen von dem Princip absoluter Unabhängigkeit der neutralen Staaten, die Anderen von einem Coordinations-Systeme oder von den Regeln der Rechtscollisionen. Es wird sich aus dem Nachfolgenden ergeben, ob es solcher Anlehnungen bedürfe und nicht vielmehr die schon vorgetragenen einfachen Grundsäße über die Rechtsverhältnisse der Staaten unter einander genügen.

Zusas. Die reichhaltige Literatur dieses Gegenstandes, welche großentheils aus Gelegenheits- und Parteischriften besteht, worin bald die Rechte der Kriegführenden, bald die der Neutralen vertheidigt sind, ist genauer nachgewiesen bei v. Kampt § 257. Die frühesten Bemerkungen finden sich bereits bei Alb. Gentilis, de iure belli I, 21, sodann bei Groot III, 1, 5. 9, 4. 17, 3. H. Cocceji, de iure belli in amicos (Exerc. cur. II, p. 19), bei Bynckershoeck, Quaest. iur. publ. I, cap. 10 sq. Hiernächst in den Streitschriften, welche sich auf die Praxis Großbritanniens in den Seekriegen vor dem Pariser und Hubertsburger Frieden (1763) bezogen, dargelegt im Discourse on the conduct of Great Britain in respect to neutral nations during the present war. By Charles Jenkinson (nachherigem Lord Liverpool). Lond. 1757 (2. ed. 1794. 3. ed. 1801); außerdem die bei v. Kamptz Nr. 17-21 erwähnten Staats- und Privatschriften, welche die Streitigkeit zwischen Großbritannien und Preußen (im Jahre 1752) betrafen; dann im Allgemeinen die schon S. 243 angeführte Schrift des Spaniers D. Carlos Abreu von 1758, am meisten die Schrift des Dänischen Publicisten Martin Hübner: De la saisie des bâtiments neutres etc. à la Haye. 1759. (Deutsch ebendas. 1789.) für die Freiheit der Neutralen! (Ueber s. System vgl. Wheaton, Histoire p. 159 s. u. I, 273. éd. 2). Nachhall fand dieses in Jo. Ehrenreich de Behmer † 1777. Observations du droit de la nature et des gens touchant la capture et la détention des vaisseaux et effets neutres. Hamb. 1771, und lateinisch im nov. ius controv. Noch lebhafter wurde indeß der Kampf während des Nordamerikanischen Befreiungskrieges. Hauptwerke aus dieser Zeit sind, im Geiste der bewaffneten Neutralität und darüber hinaus:

Ferd. Galiani, Dei doveri etc. (s. oben § 144. Note 4).

Lampredi, Del commercio dei popoli neutrali in tempo di guerra. Fiorenze 1788. Franz. par Penchet. Par. 1802.

In Deutschland:

Totze, la liberté de la navigation. Lond. et Amst. 1780. Aus der Zeit der Französischen Revolutionskriege stammen: de Steck, Essais sur div. sujets. 1799.

D. A. Azuni, Sistema universale dei Principii del diritto marit. 1795. Franz. 1805.

Büsch, über das Bestreben der Völker neuerer Zeit, einander in ihrem Seehandel recht wehe zu thun. Hamb. 1800.

Prof. Schlegel, sur la visite des bâtiments neutres. Copenh. 1800. und die Gegenschriften der Englischen Publicisten Alex. Croke und Rob. Ward. Rayneval, de la liberté des mers. Par. 1801.

Jo. Nic. Tetens, Considérations sur les droits réciproques des puissances belligérantes et des puissances neutres. Copenh. 1805 (zuerst Deutsch 1802).

Jouffroy, le droit des gens maritime. 1806.

Zulezt noch:

(Biedermann) Manuel diplomatique sur le dernier état de la controverse concernant les droits des neutres. Leipz. 1814.

Vgl. wegen dieser Literatur auch Jacobsen, Seerecht S. 521 f., jetzt vorzüglich das Werk von Reddie (oben S. 267. Note 1), desgl. das schon oft genannte von Hautefeuille; über die neuere Gestalt der Dinge: E. W. Asher, Beiträge zu einigen Fragen über die Verhältnisse des Seehandels in Kriegszeiten. Hamb. 1854. und Ldw. Geßner, das Recht des neutralen Seehandels. Bremen 1855.

Blocaderecht1.

154. Schon oben (§ 112 u. 121) ist das Recht der Blocade gegen feindliche Häfen, Festungen, ja ganze Küsten2 als ein legitimes Recht der Kriegführenden unter einander aufgestellt worden; alle Mächte, die dazu die Mittel haben, üben es; auch Neutralbleibende können es daher den wirklich Kriegführenden nicht streitig machen und müssen folglich die Rückwirkungen dieses Rechtes auf sich selbst anerkennen. Es ist ein Act der Occupation eines Theiles des feindlichen Gebietes, auf offener See aber ein Act der Prävention3, den ein später Kommender ohne Kränkung nicht stören darf (§ 73). In

1) Groot III, 1, 5. Bynckershoeck, Quaest. I, 11. v. Steck, Handelsvertr. S. 188 f. Nau, Völkerseer. § 200 f. Jouffroy, Dr. marit. p. 159. Jacobsen, Seerecht S. 677 f. Wheaton, Intern. L. IV, 3, 25. Desselben Histoire des progrès p. 84. M. Poehls, Seerecht IV, 1142. § 523 f. Oke Manning p. 219. Pando p. 497. Ortolan II, 287. Hautefeuille III, 1. Wildman II, 178. Phillimore III, 238.

2) Hautefeuille III, 54. 55. Phillimore III, 382–416.

3) Nicht ganz richtig möchte Ortolan II, 291 die Blocade als eine Substitution d'une souveraineté à l'autre qualificiren. Auf freiem Meere ist überhaupt von keiner Souveränetät die Rede. S. dagegen auch Hautefeuille III, 14. 21.

der That besteht nun darüber nicht der mindeste Zweifel, daß ein effectiver Blocadestand, d. h. insofern ein im Kriegsstande begriffenes Gebiet durch feindliche Kriegsmacht wirklich eingeschlossen ist, es sei zur See oder zu Lande, den Neutralen die Verbindlichkeit auferlegt, sich jeder Störung dieser kriegerischen Maßregel und der darin begriffenen Zwecke zu enthalten'; der wesentliche Zweck ist aber die Abschließung des blokirten Ortes von jedem auswärtigen Verkehre und von jeder auswärtigen Unterstüßung, welche nicht nur durch Zufuhren von Lebensmitteln, sondern auch durch Mittheilung von Nachrichten und Versendungen nach Außen geleistet werden kann2. Wer dennoch hiergegen handelt, es sei durch Ein- oder Auslaufen3, stört nicht nur die Aufmerksamkeit der blokirenden Kriegsmacht, sondern läßt auch eine Vereitelung der Blocadezwecke befürchten, oder macht fich offenbar zu einem Gehilfen des Feindes; er kann sich also dann keiner anderen Behandlung getrösten, als dem Feinde selbst zu Theil werden würde. Wegnahme der Schiffe oder sonstiger Transportmittel mit allem darauf Befindlichen, und dann ferner nach Umständen eine Appropriation dieser Gegenstände, so wie Repressalien gegen die Führer und Mitschuldigen erscheinen demnach im Allgemeinen ganz als eine kriegsrechtliche Consequenz, welche sich auch die Staaten bisher und wechselseitig ohne allen Einspruch zugestanden haben. Dennoch fehlt es in der Ausübung dieses an sich unstreitigen Rechtes nicht an Zweifeln, Controversen und Uebertreibungen3.

1) Wenn man sogar neutrale Ströme in Blocadezustand erklärt hat, wie im Jahre 1803 wegen der Französischen Besetzung Hannovers, so findet dieses allenfalls eine Rechtfertigung in der Gemeinschaftlichkeit eines Flusses. Gewiß sind aber hier besondere Modificationen zu Gunsten der Neutralen zu statuiren. Dennoch ist dieses nicht immer geschehen. Vgl. Jacobsen S. 707. Hautefeuille III, 50. 2) Jouffroy detaillirt S. 160 die einzelnen Zwecke der Blocade näher; jedoch scheinen die daran geknüpften unterschiedlichen Wirkungen nicht begründet, auch find sie in der Praxis nicht angenommen.

3) Wildman II, 200. Phillimore III, 383.

4) Die neuere Britische Praxis gestattet indessen dem Eigenthümer der Waare den Beweis einer Nicht- Complicirung. Oke Manning p. 320. Phillimore 406. 5) Eine der ältesten und wichtigsten Urkunden für das neuere Europäische Blocaderecht ist das Edict der Generalstaaten der vereinigten Niederlande von 1630 (commentirt von Bynkershoek in Quaest. publ. I, 11), worin sich in der That schon die Grundadern der späteren Praxis in ihrer ganzen Exorbitanz zeigen. Vgl. darüber Wheaton, Histoire p. 86 s. (I, 163). Nach gesunkener Macht haben die Niederlande ihre Sprache freilich geändert!

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