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in einem kriegführenden Staate ankaufen und frei abführen können, ohne daß der Feind darauf Anspruch machen darf, wenn nur der Kauf selbst bona fide geschieht und kein bloßes Scheingeschäft ist'.

Ein activer Speditionshandel aus neutralem Lande nach feindlichem Lande sollte, so weit nicht die Grundsätze des Blocaderechtes oder der Contrebande entgegenstehen, dem neutralen Absender rechtlicher Weise niemals sein Eigenthum gefährden.

Rücksichtlich solcher Handelsartikel, welche Kriegs - Contrebande sind, kann zwar der Verkauf im neutralen Lande an Kriegführende an sich nicht für unerlaubt und neutralitätswidrig gehalten werden, wohl aber ist dies der Transport durch Neutrale in ein kriegsständisches Land und daher von den neutralen Regierungen nicht zu dulden2.

Besuchs- und Untersuchungsrecht 3. Ius visitationis. Droit de visite.
Rigt of visit and search.

167. Zur Sicherstellung der Kriegführenden, daß der neutrale Verkehr in seinen nothwendigen oder conventionellen Schranken bleibe, dient hauptsächlich, auch von dem Falle einer Blocade abgesehen, die Anhaltung und ein unmittelbarer Besicht neutraler Schiffe oder sonstiger Transportmittel. Obgleich von mehreren Schriftstellern schon während des vorigen Jahrhunderts den Kriegführenden ein eigentliches Recht hierzu, neutralen Staaten gegenüber, nach dem Princip der Unabhängigkeit und Freiheit aller Nationen, wenigstens in der einen oder anderen Hinsicht, namentlich auf offener See bestritten worden ist: so steht doch die Thatsache unwiderlegbar fest, daß alle

1) Die Englische und Französische Praxis ist auch hierin meist sehr streng gewesen. Vgl. Jouffroy p. 206. Jacobsen, Seerecht S. 694. 741. Phillimore III, 606.

2) Vgl. Pistoye et Duverdy I, 394. So ist auch die Praxis im Kriege von 1854-1855 gewesen. Großes Aergerniß nimmt daran Phillimore III, 321. 3) M. Poehls IV, p. 527 f. Wheaton, Intern L. IV, 3, 19 s. Oke Manning p. 350 f. Pando p. 549. Ortolan II, 202. Hautefeuille I, 86. IV, 427 s. Wildman II, 119. Phillimore III, 417. Untersuchungsrecht besagt für

sich allein zu viel!

4) Besonders ist dies geschehen seit Hübner von der Mitte des vorigen Jahrhunderts an. Einzelne polemische Schriften s. bei Klüber § 293 a. Eine Prüfung der verschiedenen Ansichten findet sich bei Jouffroy p. 213 ff. Vgl. Nau, Völkerseerecht § 216.

Seemächte, welche nur irgend die Mittel dazu besigen, ein solches Heimsuchungsrecht in ihren Kriegen wirklich ausgeübt haben, und daß sie es gleichfalls auch anderen Seemächten in deren Kriegen, theils durch ausdrückliche Convention, theils auch ohne solche und ohne Widerspruch, ausgenommen bei vorkommenden Ueberschreitungen gewisser Grenzen, zugestanden haben'. Es kann daher mindestens nach Lage der bisherigen internationalen Verhältnisse nicht erst noch auf eine innere Rechtfertigung der Untersuchungsbefugniß für jeden kriegführenden Staat ankommen, vielmehr sich nur davon handeln, die Bedingungen, Modalitäten und Grenzen derselben theils aus dem anerkannten Zwecke, theils aus der gemeinsamen Völkerpraxis darzustellen.

168. Als Zweck der Schiffs-Heimsuchung erscheint im Allgemeinen die Ueberzeugung des Kriegführenden, welcher einem Transport in einem denkbaren Zusammenhange mit der feindlichen Partei begegnet, inwiefern solcher wirklich vorhanden sei, um demnächst die ihm zustehenden materiellen Rechte sowohl den feindlichen Staaten als auch den Neutralen gegenüber in Ausübung zu bringen. Eine derartige Nachforschung kann demnach nur Statt finden in dem eigenen Gebiete eines Kriegführenden;

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in dem Gebiete des feindlichen Gegners, sofern man dasselbe besett hält oder doch vorübergehend erreichen kann2; endlich, allgemeinem Gebrauche gemäß, auf offener See. — Unstatthaft ist sie dagegen innerhalb des Souveränetätsgebietes befreundeter oder neutraler Staaten, ja selbst in dem Gebiete der eigenen Bundesgenossen, wofern dieselben nicht ausdrücklich oder stillschweigend dazu die Erlaubniß oder Genehmigung ertheilen. Die in exemten

1) Als uralter Gebrauch erscheint das Heimsuchungsrecht schon in dem zuvor angeführten Consolato del mar; nur über einzelne Punkte hat es Streitigkeiten unter den Völkern gegeben. Eine große Menge von Verträgen, worin das gedachte Recht ausdrücklich zugestanden und näher bestimmt ist, findet sich angegeben bei Nau § 163 und v. Martens, über Caper § 21.

2) Daß Caper nach dem gewöhnlichen Brauche der Seeftaaten nicht in die Flüsse des Feindes innerhalb der durch Seetonnen bezeichneten Grenzen eindringen und Schiffe angreifen dürfen, wenn sie nicht als Seeräuber behandelt werden sollen, behauptete noch v. Martens, über Caper § 18. S. indeß oben S. 242, Note 2. 3) Vgl. Jacobsen, Seerecht S. 585.

Gebieten dennoch gemachten Prisen müssen auf die Reclamation des verletzten Gebietstaates wieder heraus gegeben werden'.

Sachen, welche visitirt werden dürfen, find alle Arten von Transportmitteln, denen keine vollkommen unverfängliche oder ausschließliche Bestimmung zu gewissen erlaubten, mit dem Feinde in gar keinem Zusammenhange stehenden Zwecken deutlich und unverkennbar anklebt. Befreit sind namentlich alle Kriegsschiffe der neutralen Staaten, soweit sich deren Qualität unzweideutig kund giebt2; unterworfen dagegen alle Privatschiffe und solche Transportmittel, deren Qualität und Eigenthum oder unverfängliche Bestimmung nicht von selbst in die Augen springt.

Specielle Zwecke der Nachforschung sind zunächst:

das etwaige Dasein feindlichen Eigenthumes, es sei in Betreff des Transportmittels oder in Betreff der Ladung;

das etwaige Dasein feindlicher Personen;

die etwaige Zufuhr von Contrebande oder anderen verbotenen Artikeln;

die beabsichtigte Communication mit blokirten Orten.

Demnach ist zu ermitteln:

die Nationalität des Schiffes;

die Beschaffenheit, Herkunft und Bestimmung der Ladung; die Nationalität der Bemannung, wofern nicht etwa diese vertragsweise durch die Nationalität des Schiffes gedeckt wird3.

Im Uebrigen kann selbst die Maxime: „Frei Schiff, frei Gut,“ das Recht der Nachforschung zu Gunsten der Neutralen nicht ausschließen, da wenigstens immer eine Nachfrage und Nachsuchung nach Contrebande, desgleichen nach der Nationalität des Schiffes vergönnt werden muß*.

169. Berechtiget zur Vornahme einer Schiffs-Heimsuchung 1) Jacobsen, Seerecht S. 584.

2) Die Militärflagge allein kann einem Schiffe schwerlich schon den unzweifelhaften Charakter eines Kriegsschiffes ertheilen. Verhandlungen über diese Frage finden sich in v. Martens, Erzählungen merkwürdiger Fälle. Bd. II, S. 1 u. f. S. übrigens auch Oke Manning p. 370. Pando 564.

3) Verträge dieser Art sind unter anderen von der Krone Frankreich geschlossen. So zuletzt mit der Republik Texas im Jahre 1839.

4) Vgl. die richtigen Bemerkungen in dem Urtheil von Sir William Scott in Robinson, Adm. Rep. I, p. 340. Wheaton, Intern. L. II, p. 250 (186 éd. fr.).

sind allein die von den kriegführenden Staatsgewalten hierzu beru= fenen oder autorisirten Personen, insbesondere die Befehlshaber der bewaffneten Land- und Seemacht, und zwar selbst ohne ausdrücklichen speciellen Auftrag, sodann die mit giltigen Markebriefen versehenen Caper, wofern nicht auf den Gebrauch derselben gegen einzelne Staaten verzichtet ist. Das gewöhnliche Verfahren der Anhaltung und Untersuchung selbst ist nach der Mehrzahl der hierüber geschlossenen Verträge, welche sich vorzüglich dem Pyrenäischen Frieden Artikel 17 als Muster angeschlossen haben, dieses2: der kriegführende Theil nähert sich dem zu besichtigenden Schiffe auf Kanonenschußweite, nachdem letzteres durch ein bestimmtes Signal (coup d'assurance, semonce) zum Innehalten seines Laufes aufgefordert worden ist. Der anhaltende Theil sendet dann eine Schaluppe mit einer geringen Zahl von Leuten an Bord des fremden Schiffes, oder er begnügt sich, den fremden Schiffer mit den Seebriefen zu sich kommen zu lassen. Von wesentlicher Wichtigkeit sind hierbei folgende Papiere:

die Pässe und etwaigen Ursprungscertificate über Schiffe und Ladung,

die Connoissements und charte partie,

das Schiffsmannschaftsverzeichniß,

endlich

das Reisejournal*.

Ist in Verträgen nichts Genaueres festgesetzt, was für Papiere vorgelegt werden sollen und welche Beschaffenheit sie haben müssen, so ist unbedenklich als Grundsatz zu befolgen, daß es nur auf die moralische Ueberzeugung von der Unverfänglichkeit eines neutralen Schiffseigenthumes und feiner Ladung ankomme, und daß dabei nicht etwa fubtile Beweisgrundsätze entscheiden können; ja, die eigenen Landesgesetze des untersuchenden Theiles müssen in diesem Sinne

1) Dies war der Fall in den Verträgen Großbritanniens mit den nordischen Mächten vom Jahre 1801 in Bezug auf convoiirte Schiffe (§ 170).

2) v. Martens, über Caper § 20. 21. Hautefeuille IV, 2.

3) Nach Phillimore III, 429 wäre die Britische Praxis nicht unbedingt für diese Form.

4) Ueber alle diese Papiere, die dabei anzuwendende Vorsicht, die Praxis der Engländer und Franzosen vgl. Jacobsen, Seerecht S. 22. 67. 87. 410 f. Pando 566.

verstanden werden'. Erst wenn sich aus den Papieren selbst oder aus dem Verhalten der Mannschaft der Verdacht einer Unrichtigkeit in der einen oder anderen Hinsicht ergiebt, darf der Untersuchung eine weitere und schärfere Ausdehnung gegeben werden2.

Schußmittel gegen die Untersuchung durch Convoiirung 3.

170. Um den Beschwerlichkeiten der Untersuchung zu entgehen, ist man vorlängst auf ein Auskunftmittel bedacht gewesen, welches den Kriegführenden die Sicherheit gewähren sollte, daß auf gewissen Schiffen keine verbotenen Waaren, Feindes Güter oder Mannschaften versendet würden, mithin die gewöhnliche Untersuchung selbst entbehrlich machte. Dazu ist nun die Convoiirung der Handelsschiffe durch (bewaffnete) Staatsschiffe der neutralen Nationen bei verschiedenen Gelegenheiten und Veranlassungen in Gang gekommen, nachdem man schon früher das Convoiiren der Handelsschiffe als allgemeines Schutzmittel gegen Handelsbeeinträchtigungen, Seeraub und dergl. gebraucht hatte (vgl. § 174). Der Gedanke von jener speciellen Anwendung des Convoirechtes suchte sich besonders in der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts geltend zu machen; namentlich ergriffen und vertheidigten ihn die Holländer. Indessen wurde er

1) Zu Grundsätzen dieser Art hat sich vorzüglich die Französische Prisenpraxis neuerer Zeit unter dem Einflusse der so noblen, wie billigen Requisitorien von Portalis bekannt. S. übrigens auch v. Martens, über Caper § 21. Not. m. Für die Gesetzgebung der einzelnen Staaten ist es außerordentlich wichtig, Formen und Beglaubigungen festzustellen, welche das Schiffs- und Waareneigenthum ihrer Nation gegen Anfechtung sichern können. In der Britischen Praxis wird hierbei großer, leider zu viel Werth auf den Eid gelegt. Ueber die vorkommenden Betrügereien, insbesondere über das s. g. Neutralisiren vgl. M. Poehls IV, 530. S. 1180 ff. Hautefeuille IV, 27. Die Britischen Grundsäße lernt man aus Wildman II, 84. 100. Phillimore III, 606.

2) So sollte es freilich sein und dahin hat die Publicistik zu wirken. In der Praxis ist es freilich anders und ein Unterschied zwischen dem in jeder Weise berechtigten Schiffsbesuch und Besicht (droit de visite) und andererseits einer willkürlichen Durchsuchung (recherches) noch immer nicht gehörig firirt. Sehr beachtungswerth sind hierüber die Ausführungen von Hautefeuille III, 427. IV, 121.

3) S. am besten Jouffroy p. 237 f. Vgl. Nau, Völkerseerecht § 169 f. Wheaton, Histoire p. 93 f. M. Poehls p. 532. Oke Manning p. 355. Ortolan II, 215 s. Hautefeuille I, 68. IV, 62.

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