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näher zu erörtern, zuerst im Allgemeinen, dann wegen jeder Kategorie noch insbesondere. Ein gemischtes Staats- und völkerrechtliches Verhältniß tritt ein, wenn der diplomatische Agent eines Staates bet einem Anderen Unterthan des Letteren ist. Denn hier bedarf es unter allen Umständen erst der Zustimmung des Lezteren, welche natürlich auch nur eine bedingte oder beschränkte sein kann. Unbedingt schließt sie eine Suspension des bisherigen Unterthansverhältnisses für die Dauer der Mission, wenigstens in allen denjenigen Beziehungen in sich, welche mit dem diplomatischen Charakter und Amt in Collision gerathen'. .

Die Rechte fremder Abgeordneter im Allgemeinen 2.

203. Unleugbar liegt schon in der gegenseitigen Anknüpfung und Gestaltung einer diplomatischen Verbindung die Bedingung, so wie das Zugeständniß, dem Vertreter des anderen Staates diejenige Sicherheit und Freiheit einräumen zu wollen, ohne welche die giltige, ehrenhafte und ungestörte Vollziehung von Staatsgeschäften überhaupt nicht denkbar ist. Die wesentlichen Rechte nun, welche aus diesem im Allgemeinen so zu nennenden Repräsentativcharakter3 der diplomatischen Personen mit einer bestimmten Geschäftsführung herfließen, sind unverlegbarkeit der Person und eine gewisse persönliche Exemtion von den Einwirkungen der auswärtigen

1) Die Praxis mancher Höfe ist daher auch gegen ein solches gemischtes Verhältniß ihrer Unterthanen, z. B. die Französische, obschon nicht ohne alle Ausnahme. Merlin a. D. S. 250. Erst seit Ludwig XVI. ist das Princip der Nichtannahme Französischer Unterthanen als diplomatischer Agenten für fremde Staaten streng festgehalten worden. Ebenso find die Schwedischen Gesetze dagegen. Cod. Leg. Suec. de criminib. § 7. Aus besonderen Rücksichten empfängt der Deutsche Bund keine Frankfurter Bürger als Vertreter Deutscher Souveräne, außer für die Stadt Frankfurt selbst. Die deshalb getroffene Verabredung vom Jahre 1816 s. in Klübers Staatsarchiv II.

2) Eine Kritik der Lehre und Praxis in Betreff mehrerer hier einschlagender Punkte bietet: Evertsen de Jonge, over de grenzen van de regten van gezanten en van secretarissen van legatie van vreemde mogendheden. Utr. 1850.

3) Von manchen Publicisten werden höchst nebelhafte Begriffe mit diesem Ausdrucke verbunden, wie mit Recht von Pinheiro Ferreira zu Vattel IV, 70 gerügt ist.

Staatsgewalt, soweit dadurch die Geschäftsführung des fremden Vertreters gehindert werden würde. Hiermit können aber ferner noch gewisse außerwesentliche Befugnisse und Ehrenrechte verbunden sein, die dem Ceremonialrechte angehören und den f. 8. Ceremonialcharakter diplomatischer Personen constituiren, sei es nach dem allgemeinen Gebrauche der Staatsgewalten oder nach der besonderen Observanz einzelner Staaten. Sie sind verschieden nach Maßgabe der einzelnen Kategorien.

Unverlegbarkeit1.

204. Unverletzbarkeit diplomatischer Abgeordneter für den äußeren Staatenverkehr ist ein so von selbst sich verstehendes Recht, daß es auch von jeher bei allen Völkern, sogar in vorchristlicher Zeit, Anerkennung gefunden hat2. Es besteht darin, daß nicht blos der fremde Staat, an welchen die Mission erfolgt, in seiner Gesammtheit, sondern auch jeder Angehörige desselben sich aller verlegenden körperlichen oder unkörperlichen Angriffe gegen dergleichen Personen enthalten muß, und jede Art von Beleidigung derselben zugleich auch für eine Beleidigung des absendenden Staates zu halten ist3. Nicht einmal Repressalien würden einen Vorwand dazu gewähren, wenn nicht der absendende Staat gerade auch an solchen Personen das Völkerrecht verlegt hat*.

Das Recht beginnt, sobald der Charakter des Abgeordneten gehörig beglaubigt und die Mission nicht etwa wider den ausdrücklich erklärten Willen des anderen Staates erfolgt ist. Es wird nicht allein jedem legitimirten diplomatischen Abgeordneten unmittelbar für

1) Schriften bei v. Ompteda § 252 und bei v. Kampß § 227. Dazu Groot II, 18, 4. Wicquefort I, sect. 2. Bynkershoek, de foro competente legator. c. I. 2) S. schon lex ult. D. de legat. und Cicero in Verr. I, 33. Die innere Rechtfertigung s. bei Ward, Enquiry II, 494. Hert, Opusc. III, p. 419. Hier auch die Ausnahme ubi legatus sanctus non est.

3) Daher wird auch in den Strafgesetzgebungen die Beleidigung eines Gesandten für ein Staatsverbrechen erklärt; z. B. in 1. 7. D. ad leg. Jul. de vi publica. Allgem. L.-R. für die Preuß. Staaten Th. II. Tit. 20. § 135. 136; jeßt Str.-G.-B. § 80. Bairisches Strafgesetzbuch I. Art. 306.

4) Merlin a. D. Sect. V, § 3.

5) Merlin Sect. V, § 3. n. 3 vgl. mit § 4. n. 14.

seine Person, sondern auch denjenigen zugestanden, welche zu seiner Begleitung in der gedachten Eigenschaft gehören und zu derselben legitimirt werden können. Es erstreckt sich ferner auf einen ungehinderten Brief- und Depeschenwechsel mit dem einheimischen Staate, sei es durch eigene Couriere, die sich als solche ausweisen, oder durch Benutzung der Postanstalten, sofern nur die zur Beförderung übergebenen Correspondenzen durch deutliche Zeichen als diplomatische zu erkennen sind. Allein es kann nicht geltend gemacht werden, wenn der Abgeordnete oder die zu ihm gehörige Person durch ein eigenes rechtswidriges Verfahren eine Reaction und insbesondere eine Sicherungs- und Vertheidigungsmaßregel gegen sich hervorgerufen hat; es kann ferner nicht in Betracht kommen, mindestens zu keiner völkerrechtlichen Ahndung führen, wenn der Abgeordnete sich in ein Verhältniß begeben hat, welches mit seiner völkerrechtlichen Stellung in keinem Zusammenhange steht, wobei er auch nur eine Behandlung als Privatperson erwarten konnte3; endlich aber dann, wenn sein völkerrechtlicher Charakter der ihn verlegenden Gegenpartei unbekannt war. Ist eine Beleidigung der völkerrechtlichen Person eines Abgeordneten wirklich zugefügt, und zwar von Seiten der auswärtigen Staatsgewalt selbst, so ist diese auch zu einer Genugthuung im völkerrechtlichen Wege nach Maßgabe der zugefügten Kränkung in einer der bereits früher bezeichneten Weisen verbunden (§ 102). Ist sie von einem ihrer Unterthanen zugefügt, so kann die Genugthuung nur von diesem nach den Gefeßen seines Staates gefordert und dafür dessen Vermittelung in Anspruch genommen werden (§ 103).

1) Vgl. die obige 1. 7. D. ad L. Jul. cit.

2) Moser, Versuch IV, 140. Beiträge IV, 542. F. C. v. Mosers kleine Schriften 4. Nr. 2. Schmelzing, Völkerr. § 339.

3) So kann ein Diplomat, welcher als Schriftsteller auftritt, durch seinen officiellen Charakter nicht gegen eine Kritik geschüßt sein, welche auch gegen einen anderen Schriftsteller zulässig ist; sogar eine persönlich kränkende wird hier als schlichte Injurie zu behandeln sein, wenn der amtliche Charakter dabei nicht angegriffen wird. Die beim Besuche eines Bordells oder einer gemeinen Gesellschaft erlittene Unbill vermag schwerlich eine völkerrechtliche Ahndung zu begründen. Vgl. 1. 15. § 15. D. de injur. Si quis virgines appellasset si tamen ancillari veste vestitas, minus peccare videtur; multo minus si meretricia veste vestitae fuissent.

4) Vgl. Vattel IV, 82. Merlin V, Nr. 2.

Daß indessen der Abgeordnete selbst sich Recht nehmen dürfe, wie behauptet worden ist, kann wenigstens außer dem Falle einer noch zulässigen Vertheidigung nicht für erlaubt erachtet werden'.

Exemtion von fremder Staatsgewalt.

205. Auch eine Exemtion der diplomatischen Agenten von jedem störenden Einflusse der fremden Staatsgewalt auf ihre Handlungen versteht sich so sehr von selbst, daß sie bereits im Alterthume in einzelnen Beziehungen hervortritt. So wurde im Römerstaate sogar den Abgeordneten einzelner Provinzen oder Städte ein ius domum revocandi zugestanden, d. h. das Recht, während ihres Aufenthaltes in Rom die Einlassung auf Civilklagen aus älteren Forderungen, ja selbst auf Anklagen wegen früherer Vergehen zu verweigern oder sich doch nur vorläufig darauf einzulassen2. Das neuere Völkerherkommen hat dieses bei eigentlichen Gesandten in Verbindung mit der persönlichen Unverlegbarkeit zu einem Exterritorialitäts-Privilegium gestaltet, wovon jedoch kein Schluß auf alle anderen diplomatischen Personen (§ 198) sofort zu machen sein würde, deren Rechtsverhältnisse vielmehr nur aus den natürlichen Postulaten des diplomatischen Verkehres zu erklären und zu reguliren sind.

In der Natur der Sache ist nun ein Mehreres nicht begründet, als daß alle diplomatischen Personen, wenn ihre Function gehörig beglaubigt und anerkannt ist, sogar in ihren eigenen persönlichen Angelegenheiten mit einer besonderen Rücksicht behandelt werden müssen, damit das ihnen aufgetragene Geschäft nicht unterbrochen oder beeinträchtigt werde3. In welcher Weise dergleichen Störungen indessen zu entfernen seien, würde in Ermangelung conventioneller Bestim=

1) v. Pacassy, Gesandtschaftsrecht S. 167. Klüber, Droit des gens § 203. Note e., woselbst die entgegenstehende Ansicht v. Römers angeführt ist. Eine Menge Beispiele von Verletzungen gesandtschaftlicher Personen und dafür gegebenen Genugthuungen s. in B. de Martens, Causes célèbr. II, 390. 439 f. Mirus § 340. 2) L. 2. § 3-6. 1. 24. § 1. 2. l. 25. D. de judiciis. L. 12. D. de accusation, und dazu Bynkershoek, de iudice comp. c. 6. Merlin V, § 4. Die Hauptansichten der neueren Publicisten sind auch dargestellt in Wheaton, Histoire p. 170 (I, 290).

3) „Ne impediatur legatio“, „ne ab officio suscepto legationis avocetur“ ist auch der Grund der obigen Vorschriften des Römischen Rechtes,

mungen von den Gefeßen und Anordnungen jeder Staatsgewalt abhängen, in deren Bereich sich jene Personen befinden; die natürliche Regel des Völkerrechtes widersetzt sich nur jedem Acte der Staatsgewalt, es sei in Justiz- oder Verwaltungssachen, womit die persönliche Unverletzbarkeit eines fremden Abgeordneten und die Würde des von ihm vertretenen Staates nicht zusammen bestehen könnte, so daß insbesondere kein persönliches Zwangsverfahren gegen ihn angewendet werden darf1.

Pflichtverhältniß der diplomatischen Personen im fremden Staate und Rechte desselben gegen sie.

206. Das Hauptmotiv, welches das Verhalten eines Abgeordneten in dem fremden Staate bestimmen muß, ist die Pflicht einer treuen Vertretung aller Interessen des absendenden Staates nach den Zielen und in den Grenzen des empfangenen Auftrages, dessen Erklärung und Auffassung selbst wieder nur durch die Sorge für das Heil, die Würde und den Bestand des vertretenen Staates geleitet werden muß. Andererseits ist es die dem fremden Staate und seinem Rechte gebührende Achtung, welche die zur Erreichung des Zweckes dienlichen Mittel normirt. Der Abgeordnete hat sich daher jeder Kränkung des auswärtigen Staates und seiner Institutionen zu enthalten, desgleichen aller Einmischung in die Verwaltung mit Anmaßung von befehlender Gewalt und Form2. Er hat sich lediglich auf Anträge und Verhandlungen zu beschränken, so wie auf thatsächliche Behauptung seiner Stellung im Wege der Vertheidigung. Ueberschreitet er die Grenzen seiner Stellung, so hat die fremde Regierung das Recht, ihn auf dieselben zurückzuweisen und überdies

1) Eine gänzliche Befreiung von der auswärtigen Gerichtsbarkeit in persönlichen Sachen der Gesandten kann aus der Natur des Gesandtschaftsverhältnisses allerdings wohl nicht hergeleitet werden, wie solches noch neuerdings wieder von Pinheiro Ferreira zu Vattel IV, 92 ff. und schon von vielen Aelteren bemerkt, auch nicht allezeit in der Praxis der einzelnen Staaten angenommen ist. Freilich aber eine Gerichtsbarkeit ohne die Möglichkeit einer Zwangsrealisirung hat sehr wenig Bedeutung, und die Grenze, bis wohin sie dennoch gehen kann, ihre großen Schwierigkeiten. Daher erklärt sich die Aufnahme der Exterritorialitätsfiction in die neuere Staatenpraxis.

2) Wicquefort, l'Amb. II, c. 4.

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