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nach Bewandtniß der Umstände auf eine Genugthuung bei dem abwesenden Souverän zu bestehen; endlich auch bei wirklichen Angriffen und Verletzungen der Staatsordnung vertheidigungsweise, ja selbst feindlich gegen seine Person zu verfahren1. Sogar die Fiction der Exterritorialität kann hiergegen, wie man weiterhin sehen wird, keinen Schutz gewähren; denn das Hausrecht des fremden Staates gegen jede fremdartige Beeinträchtigung bleibt dadurch unberührt.

Dagegen ist Alles, was der Abgeordnete innerhalb der Grenzen feines beglaubigten oder präsumtiven Auftrages gethan hat, auch für den abfendenden Staat verbindlich, dessen Gutheißung und Vollziehung von diesem nicht verweigert werden kann, ausgenommen sofern noch die rechtliche Möglichkeit einer Natificationsverweigerung gegeben ist (§ 87), oder sofern sich der Abgeordnete einer treulosen Benuzung seiner Vollmachten schuldig gemacht hat, oder sofern die vorzulegende Vollmachtbeschränkung von ihm nicht vorgelegt worden ist. Daß der eigene Dolus der fremden Regierung bei der Verhandlung mit dem Abgeordneten ihr kein Recht gegen den absendenden Staat verschaffen könne, versteht sich von selbst.

Die Summe der Pflichten im diplomatischen Verkehre ist Treue gegen den eigenen Staat, Redlichkeit gegen den fremden; nichts also auch widersprechender als ein System gegenseitiger Bestechung der Staatenvertreter. Nicht einmal Geschenke für vollendete Verhandlungen sollten erlaubt oder gebräuchlich sein, so wenig als im übrigen Staatsdienste. Auch die Aussicht auf ein Geschenk kann blenden und das Gewissen über das Staatswohl einschläfern2.

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1) Vgl. Merlin sect. V, § 4. n. 10. 11.

2) Die angeblichen, anscheinend apokryphischen Lois de Charles V. au sujet des ambassadeurs (abgedruckt italienisch in Rousset, Cerim. dipl. I, 481, französisch bei de Real V, 33 und in Martens, Erzählungen I) sagen über Obiges: IX. Le caractère d'Ambassadeur est si respectable, que quand même il feroit un traité contraire aux intérêts du Prince qui l'a envoié, ce Prince n'en serait pas moins tenu d'observer inviolablement le traité. Autrement il violeroit le droit des gens et de la société civile. X. Si un Ambassadeur devient infidèle au Prince qui l'envoie, et s'il le trahit en faveur du Prince, chez lequel il réside, tous les traités qu'il conclura dans cette situation seront absolument nuls, de quelque espèce et nature qu'ils soient. XI. Aucun Prince ne pourra, sans encourir le blâme d'infamie, tenter de corrompre l'Ambassadeur d'un autre, quand même cet autre Prince seroit son ennemi, parcequ'une séduction de cette nature blesse

Verhältniß zu dritten Staaten.

207. Alles Vorbemerkte leidet wesentlich nur Anwendung demjenigen Staate gegenüber, an welchen die Mission erfolgt, nicht aber auch gegen einen dritten Staat. Dieser hat nur solche Rücksichten zu nehmen, welche er überhaupt gegen fremde Unterthanen und insbesondere aus dem absendenden Staate zu beobachten schuldig ist; auch kann seinen eigenen Rechten in anderer Beziehung nichts durch die fremde Mission entzogen werden. Indessen gebietet das allgemeine Interesse an einem ungehinderten diplomatischen Verkehre und die jedem anderen Staate schuldige Achtung, vornehmlich bei friedlichen und freundschaftlichen Verhältnissen, jedem dritten Staate von selbst, sich einer unnöthigen Störung des fremden Durchgangverkehres zu enthalten, ja, das gleiche Interesse fordert, wie durch stillschweigende Convention, zur möglichsten Beförderung solchen Verkehres auf. Gewiß aber existirt kein Zugeständniß der Unverlegbarkeit fremder Gesandten Seitens dritter Staaten', vielmehr haben diese in ein

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le droit des gens. S'il arrive qu'un Ambassadeur devienne infidèle à son prince, le souverain chez lequel il reside doit le lui renvoyer chargé de fers. XII. Qu'il soit défendu à l'Ambassadeur de recevoir des présents du Prince avec lequel il traite, surtout si l'on peut soupçonner que par là ce Prince veut l'obliger à favoriser ses intérêts. Il peut néanmoins selon l'usage établi dans les cours, recevoir, à la fin des négociations l'illustre marque de bienveillance que les souverains ont coutume de donner en pareille conjoncture; mais lorsqu'il est de retour dans sa patrie il doit mettre ce présent aux pieds de son prince et reconnoître qu'il ne le tient que de sa bonté." S. übrigens auch Jo. Chr. Eschenbach, Imperans an factum ministri contra jussum specialem agentis ratum habere sit obligatus? Rost. 1753. Aug. Gtthf. Schmuck (s. Eisler), de contractu legati contra mandatum arcanum valido. Vitemb. 1758.

1) In den angeblichen Gesetzen von Carl V. heißt es zwar unter Nr. XV.: "Lorsque les Ambassadeurs devront passer par d'autres souverainetés que celles où leur maître les a envoyés, il faudra qu'ils soient munis de Passeports pour éviter tous fâcheux accidents, car à leur passage, ils ne peuvent prétendre d'autres égards que ceux qui sont accordés par le droit des gens et aux étrangers selon leur rang et leur fortune; mais la correspondence mutuelle des nations veut qu'un caractère si éminent soit respecté partout." Eine ähnliche Ansicht stellte Vattel auf IV, 84. Allein es ist Alles nur guter Wille des dritten Staates. Die richtige Ansicht s. bei Merlin V,

zelnen Fällen stets den Grundsaß, daß sie den Charakter des fremden Abgeordneten nicht zu respectiren haben, sobald ihr eigenes Recht damit in Conflict kommt, behauptet. Ja, man hat durchreisende Gesandte einer fremden Macht, mit welcher man im Kriege befindlich war, arretirt', desgleichen Personalarrest wegen civilrechtlicher Verbindlichkeiten gegen sie verfügt2. Ebenso wenig kann bezweifelt werden, daß gegen den Abgeordneten wegen Verbrechen, womit er dem dritten Staate verhaftet ist, eine Arretirung, Untersuchung und Bestrafung zulässig sei. Kein diplomatischer Agent darf sich endlich in die Angelegenheiten eines dritten Staates mit dem anderen mischen, bei welchem er angestellt ist, sofern ihm dazu kein Auftrag ertheilt ist, widrigenfalls gegen ihn auf zurechtweisung bei der absendenden Regierung angetragen werden kann3. Geschützt bleibt dagegen die völkerrechtliche Person des Abgeordneten in dem Staate, bei welchem er accreditirt ist, selbst wenn er hier in die Hand einer dritten Macht geräth, sofern er nur selbst keine Feindseligkeiten wider lettere verübt hat*; desgleichen seine Correspondenz auf neutralen Schiffen aus neutralem Lande nach dem Mutterlande.

1. Arten und Rechtsverhältnisse der charakterißirten Gesandten.

208. Obgleich an und für sich kein wesentlicher Unterschied unter den Abgesandten der Staatsgewalten bestehet, so hat doch das Ceremoniell der Höfe und die gemeinsame Staatenpraxis gewisse Rangklassen angenommen und bei einzelnen Kategorien außerdem noch ordentliche und außerordentliche Abgeordnete unterschieden, welche Letteren noch etwas mehr bedeuten sollten als die Ersteren, was indessen gegenwärtig kein allgemeines Herkommen weiter für sich hat.

§ 3. n. 4 und § 5. n. 14. Ward, Enquiry II, 556 s. Wheaton, Intern. L. III, 1, 11 (20 éd. fr.).

1) Wie dem Marschall Belleisle 1744 widerfuhr. v. Martens, Erzähl. I, 152. B. de Martens, Causes célèbres I, 285.

2) So gegen den Grafen Wartensleben 1763. v. Martens, Erzähl. I, 170. 3) Ein Beispiel f. in B. de Martens, Causes célèbres I, 311.

4) Dies war der Fall des Grafen Monti in Danzig. B. de Martens, ibid. I, 210.

5) Wheaton, Intern. L. III, 1, 20 (19 éd. fr.).

Die erste Classe bilden nach dem neuesten Herkommen:

die päpstlichen Legaten a oder de latere1 und Nuntien, desgleichen die Ambassadeurs2 oder Botschafter der weltlichen Mächte. Die zweite Classe:

alle mit dem Titel eines Internuntius3, Gesandten oder Ministers oder bevollmächtigten Ministers bei fremden Souveränen beglaubigten Diplomaten.

Die dritte Classe:

die bloßen Geschäftsträger, welche nur bei den Ministerien der auswärtigen Angelegenheiten beglaubigt sind, und zwar ohne Unterschied, ob ihnen noch der Titel eines Ministers gegeben ist oder nicht. Eben dahin würden auch die mit diplomatischen Functionen beauftragten Consuln zu rechnen sein, wogegen die mit dem Titel eines Minister - Residenten bei fremden Höfen Angestellten eine Mittelclasse zwischen der zweiten und dritten ausmachen sollen.

Der älteren Praxis waren diese Unterscheidungen fremd; man kannte nur Botschafter (Ambassadeurs) und Agenten. Allmählich wurden dann aber bei einzelnen Höfen die übrigen Titel und Qualificationen mehr oder weniger üblich. In Ansehung der gesandtschaftlichen Geschäfte selbst, der Fähigkeit dazu und ihrer Giltigkeit, ist der ganze Rangunterschied völlig ohne Einfluß. Nur die Eigen

1) Es ist ein Irrthum, daß zwischen den legati a und de latere ein Unterschied bestehe, wie Bielfeld, Institut. politiq. T. II, p. 272 zu behaupten scheint. Nur zwischen Legaten a (oder de) latere und den Nuntien besteht der Unterschied, daß jene nur aus der Zahl der Cardinäle sind, lettere nicht.

2) Spanisch: embaxadores, Italienisch: ambaciatori. Vielleicht von dem Deutschen Ambacht = Amt, oder aus dem Spanischen: Embiar, absenden. Eine seltsame Etymologie des Wortes giebt Pinheiro Ferreira zu Vattel IV, 70.

3) Desterreich hat sie seit Leopold I. (1678) in Constantinopel. Vehse, Geschichte des Desterreichischen Hofes VI, 121.

4) Die neuesten Regulative hierüber sind während des Wiener und Aachener Congresses getroffen worden, nämlich in dem Protokoll der Bevollmächtigten der acht hauptsächlichen Unterzeichner der Congreßacte vom 19. März 1815 und in dem der Bevollmächtigten der fünf Großmächte, d. d. Aachen, 21. November 1818. S. die Anlagen. Wegen der successiven Ausbildung der obigen Classification vgl. Merlin a. D. Sect. I. Schmelzing, Völkerr. § 281, und wegen der MinisterResidenten: Wurm, in der Zeitschrift für Staatswissensch. X, 558. Gutschmid (resp. Ferber), de praerog. ord. inter leg. § 39.

schaft einer persönlichen Vertretung des Souveräns wird den Botschaftern im höchsten Grade oder vorzugsweise beigelegt1.

Modalitäten der Ernennungen.

209. Die Wahl der Person des Gesandten hängt lediglich von dem Willen des Absenders ab. Weder Geschlecht, noch Geburt oder Rang begründen an sich ein Hinderniß. Rathsam ist nur, eine dem auswärtigen Souverän angenehme Person zu wählen, da derselbe, wie schon bemerkt (§ 197), in keinem Falle verpflichtet sein kann, eine ihm unangenehme Person persönlich zu empfangen oder eine specielle Unterhandlung mit ihr beginnen zu lassen. Nach Beschaffenheit der Größe und des Charakters der Mission können auch mehrere Gesandte zugleich für denselben Zweck abgeordnet werden, es sei nun mit gleichem Rechte und Range oder mit ungleichem, was der Absender näher zu bestimmen hat. Ein Gesandter kann ferner bei mehreren Höfen zugleich oder auch von mehreren Höfen bet einem anderen accreditirt werden.

Zu welcher Rangclasse die Gesandten gehören sollen, hängt ebenfalls von dem Willen des Senders ab. Indessen besteht hierbei die Maxime:

a. Man schickt einander meist nur Gesandte derjenigen Classe zu,

welche man auch von dem anderen Theile zu empfangen gewöhnt ist. Kleinere Mächte richten sich hierbei nach ihren Mitteln.

b. Mächte mit Königlichen Ehren senden an Souveräne von ge= ringerem Range niemals Gesandte erster Classe und empfangen dergleichen auch nicht von ihnen.

Schwerlich kann man indessen beweisen, daß das Recht, Botschafter zu ernennen, nur ein Königliches Recht sei3. Gewiß ist es schon 1) Vielleicht nach dem Vorgange der Cardinal - Legaten, welche als Cardinäle in der Nömisch-katholischen Kirchensprache als Söhne des Papstes gelten.

2) Beispiele weiblicher Abgesandten bei Merlin sect. III, n. 3.

Mirus

§ 127. 128. Vgl. indessen Berliner Revue Bd. VI, 133, wonach nur die Marschallin v. Guebriant hierher gehören würde, auch Gessner, de i. uxoris legati atque legatae. Hal. 1851. p. 42 s.

3) S. schon Vattel IV, 78. Vers. III, 5 und Beitr. III, 7.

Vgl. auch in gemeinschaftlicher Beziehung Moser,
Merlin sect. II, § 2. n. 1.

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