Page images
PDF
EPUB

Grenzen einer sogenannten Hausandacht, mithin nur innerhalb des gesandtschaftlichen Hotels, ohne alles öffentliche Gepränge, namentlich ohne Gebrauch von Glocken und Orgeln und ohne äußerliche, nach der Straße hin sichtbare Zeichen einer besonderen Cultuseinrichtung, 3. B. ohne die Gestalt von Kirchenfenstern, wenn nicht in dieser Hinsicht die auswärtige Staatsregierung eine besondere Concession macht. Im Uebrigen gehört es zu den ausgemachten Befugnissen der Gesandten erster und zweiter Classe, so wie auch der Ministerresidenten, eine eigene Capelle in ihrem Quartier und für den Gottesdienst einen eigenen Geistlichen ihrer Confession zu haben, wenigstens dann, wenn sich am nämlichen Orte keine vollständige Kircheneinrichtung für dieselbe befinden sollte. Ein solcher Geistlicher kann aber nicht von dem Gesandten selbst, sondern nur von seiner Regierung oder mit deren Erlaubniß angenommen werden; ist dieses geschehen, so würde ihm auch die Ausübung von Parochialhandlungen mit bürgerlicher Giltigkeit innerhalb des gesandtschaftlichen Hotels nicht abzusprechen und er als der eigentlich competente Pfarrer falls er nur die hierzu erforderlichen kirchlichen Eigenschaften besitzt in Beziehung auf das gesandtschaftliche Personal zu betrachten sein'. In keiner Weise darf ein solcher Geistlicher öffentlich mit den Zeichen seines Standes erscheinen, oder sonstigen Personen die Theilnahme an dem gesandtschaftlichen Gottesdienste gestattet werden, oder die Aufnahme von Profelhten aus einer anderen Religionspartei erfolgen, es sei denn unter Zulassung oder Connivenz der auswärtigen Staatsregierung.

Das Recht eines solchen particulären Cultus dauert so lange, als der Gesandte seine gesandtschaftliche Qualität beibehält, selbst noch für die Seinigen, wenn er eine Zeit lang von seinem Posten abwesend sein müßte. Es muß jedoch eingestellt werden bei einer wirklichen Suspension des gesandtschaftlichen Charakters und mit diesem selbst völlig aufhören.

3, 37, 45 sqq. J. J. Moser, Vers. IV, 155. Dessen Beitr. IV, 185. v. Martens, Völkerr. Hptst. VII. Klüber § 215. 216. Schmelzing § 355. Wildman I, 129.

4) Ob dergleichen Parochialacte auch an anderen Personen giltig vollzogen werden können, hängt von den auf sie in Anwendung kommenden bürgerlichen Gesetzen ab.

2) Schlözer, Briefwechsel Th. III, S. 76.

c. Befreiung der Gesandten von der Strafgerichtsbarkeit des auswärtigen Staates.

214. Völlig außer Zweifel steht in der heutigen Staatenpraxis, daß keine gesandtschaftliche Person, selbst nicht wegen verübter Vergehen oder Verbrechen der Strafgerichtsbarkeit des auswärtigen Staates unterworfen ist, wiewohl dieses in früheren Jahrhunderten bedenklich gefunden und bestritten worden ist'. Die Praxis selbst bietet bereits aus den letzten drei Jahrhunderten kein Beispiel des Gegentheiles dar. Ebenso ausgemacht ist aber auf der anderen Seite, daß der gesandtschaftliche Charakter nicht etwa das Privilegium giebt, ungehindert sogar die unerlaubtesten oder schändlichsten Handlungen zu begehen, vielmehr steht nicht allein dem mit einem Angriffe bedrohten Privatmanne das Recht der Vertheidigung, und der Polizei des auswärtigen Staates das Recht einer thatsächlichen Intervention gegen beabsichtigte Unordnungen oder Verbrechen zu, sondern es können auch, wenn dergleichen schon begangen sind, unbedenklich alle Maßregeln ergriffen werden, welche die Interessen des verlegten Staates gegen weitere Beeinträchtigung sichern und das Aergerniß entfernen, was durch das Verhalten des fremden Gesandten gegeben worden ist, ohne jedoch dabei die Würde des fremden Staates selbst zu beeinträchtigen, folglich mit größester Schonung.

Zu diesen Maßregeln, welche allerdings nur von der höchsten Staatsgewalt, nicht aber von untergeordneten Behörden ausgehen können, gehört in geringeren Fällen eine vertrauliche Warnung des Gesandten oder eine Beschwerde bei seinem Souverän; in schwereren Fällen die Beantragung seiner Zurückberufung und Bestrafung bei dem absendenden Souverän; in der Zwischenzeit Beaufsichtigung der Person des Gesandten, oder auch Statt dessen, und wenn der beantragten Zurückberufung keine Folge gegeben werden sollte, Wegschaffung des Gesandten über die Grenze; endlich im schlimmsten Falle, wenn der Gesandte sich in eine offene Conspiration oder Kriegsunternehmung gegen die auswärtige Regierung eingelassen haben sollte, eine gleichfalls unmittelbar feindselige Behandlung desselben, nament

1) Die Geschichte dieses internationalen Dogma s. bei Bynkershoek, de iud. comp. legati cap. 24 und 17-19. Vgl. Wheaton, Histoire p. 170 s. Firirt ist die Ansicht hauptsächlich seit Groot II, 18. § 4.

2) Merlin, Questions de droit mot: parlamentair.

lich Gefangennehmung und etwaige körperliche Retention bis zu erlangter Genugthuung oder erfolgter Vertheidigung'.

Steht ein Gesandter auch noch in einem dauernden Unterthansoder Dienstverhältnisse zu dem Staate, bei welchem er als Gesandter einer anderen Macht accreditirt ist, so kann jenem das Recht der Bestrafung durch das gesandtschaftliche Verhältniß schwerlich entzogen sein. Gewiß aber wird zuvor das Interesse des auswärtigen Staates durch genommene Rücksprache mit demselben vor weiterem gerichtlichen Einschreiten sicher zu stellen sein.

d. Befreiung von der bürgerlichen und polizeilichen
Gerichtsbarkeit.

215. Nachdem sich einmal die Fiction einer Exterritorialität der Gesandten aufgethan hatte, konnte deren Eremtion von der bürgerlichen Gerichtsbarkeit in dem bereits § 42, No. VII dargelegten Umfange nicht ausbleiben. Zwar sind die Meinungen hierüber stets getheilter gewesen, als in Betreff der Strafgerichtsbarkeit3; es würde auch, wie wir noch an einer anderen Stelle (§ 202) bemerkt haben, eine gänzliche Exemtion in allen bürgerlichen Streitsachen ohne Unterschied aus der Natur der gesandtschaftlichen Mission nicht zu rechtfertigen sein; indessen giebt es, so viel uns bekannt, zur Zeit kein Land, in welchem noch andere Ausnahmen von der Exemtion der Gesandten statuirt würden, als die mit der Exterritorialität an sich

1) Die obigen Grundsäße find theils aus inneren Gründen, theils aus dem Verfahren der Praxis gerechtfertigt. S. Merlin a. D. sect. V. § 4. Nr. 10—13. Ward, Enquiry II, 486. 506. Unter den neueren Publicisten findet sich nirgends eine abweichende Ansicht. Die ältere Literatur s. bei v. Ompteda § 253 und bei v. Kampß § 228. Der letzte Versuch einer Anklage eines fremden Gesandten wurde 1765 von dem Chevalier D'Eon wider den Französischen Ambassadeur de Guerchy gemacht, indessen scheint die Sache keinen Fortgang gehabt zu haben. Moser, Versuch 419. Ward gedenkt dieses Falles nicht in seiner sonst so sorgfältigen Auseinandersetzung der Frage.

2) In diesem Falle befand sich Wicquefort selbst im Jahre 1675, wie Bynkershoek Cap. 18, § 6 barlegt.

3) Die Erörterung dieses Punktes nach seinen inneren und geschichtlichen Gründen siehe bei Bynkershoek, de iud. compet. und bei Evertsen d. J. a. D., welcher indeß die gesandtschaftliche Immunität zu Gunsten des Privatrechtes sehr zu beschränken sucht, wie auch schon die Neigung der älteren Holländischen Praxis war. Sonstige Schriften findet man bei v. Ompteda § 265 und v. Kampt § 236.

verträglichen'; so daß für jezt jeder Streit unerheblich oder niedergeschlagen sein dürfte. Aus dem theoretischen Standpunkte lassen sich allerdings Bedenken erheben, ob diese allseitige Staatenpraxis nur auf einer precären Convenienz oder auf einer Ueberzeugung von der inneren Nothwendigkeit des Principes beruht; ob nicht also jeder Staat von der bisherigen Observanz ohne Rechtsverletzung gegen die übrigen wieder abgehen dürfe. Gesezt indeß, es wäre zu bejahen, so würde sich die bürgerliche Gerichtsbarkeit wider einen fremden Gesandten immerhin doch in denjenigen Grenzen halten müssen, innerhalb deren sie gegen einen nicht anwesenden Ausländer ausgeübt werden darf, niemals aber bis zu körperlichen Zwangsmaßregeln gegen die Person des Gesandten, oder auf die mit ihm befriedeten Sachen erstreckt werden können.

Was von der bürgerlichen Gerichtsbarkeit gilt, leidet im Wesentlichen auch auf die polizeiliche Gerichtsbarkeit Anwendung. Zwar kann sich ein Gesandter der Beobachtung der polizeilichen Anordnungen in Betreff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in und außer seinem Hotel nicht entheben; jedoch kann er im Falle der Contravention nicht zur Verantwortung gezogen werden, vielmehr leidet hier nur der Weg Anwendung, welcher im vorhergehenden Paragraphen in Ansehung leichter Vergehungen als der geeignete bezeichnet worden ist.

e. Selbstgerichtsbarkeit der Gesandten.

216. Aus der isolirten Stellung der Gesandten im Auslande, aus der Fiction der Exterritorialität in Betreff ihrer und ihrer Angehörigen, endlich aus der Vorstellung, daß die Gesandten, wenigstens die der ersten Classe, die persönlichen Vertreter des Souveräns seien, konnte leicht die Ansicht entstehen, daß denselben eine eigene Gerichtsbarkeit innerhalb des exterritorialen Bereiches ihrer Mission gebühre3;

1) Den Nachweis suchte schon Merlin sect. V, § 4. Nr. 1-9 und Ward, Enquiry II, 497 zu liefern. S. übrigens auch Wildman I, 93.

2) S. auch Pinheiro Ferreira zu Vattel IV, § 92 u. ff.

3) Verschiedene Ansichten hierüber und Versuche einer Jurisdictionsattribution s. bei Bynkershoek a. D. c. 15 u. 21. Merlin sect. V, § 6. n. 2 und IV, n. 4 s. Comte de Garden, Traité compl. de diplom. II, 169. 143. Gegen eine solche Gerichtsbarkeit erklärt sich Evertsen d. J. p. 374.

und es fehlt auch nicht an geschichtlichen Beispielen, daß sogar die Ausübung der höchsten Strafgerichtsbarkeit, nämlich eines Blutgerichtes, in einzelnen Fällen versucht oder behauptet worden ist', wie man sie in der älteren Zeit jedem Souverän als über die Seinigen nach eigenem Ermessen zuständig vindiciren wollte; um wie viel mehr also die bürgerliche Gerichtsbarkeit. Diese Ansicht hat sich indessen nie zu einer wirklichen Praxis erhoben. Auf alle Fälle würde es dazu einer ausdrücklichen Delegation der Gerichtsbarkeit von Seiten des absendenden Souveräns bedurft haben und noch bedürfen; die Verhängung von Criminalstrafen aber würde einem Botschafter in seinem Hotel ebenso wenig von dem auswärtigen Staate, worin er sich befindet, nachgesehen werden, als man jene einem fremden Souverän selbst gestatten würde. Nur in den muselmännischen Staaten des Orientes ist meistens den Europäischen Abgeordneten eine umfassende Gerichtsbarkeit, besonders in Straffachen „gemäß den Gebräuchen der Franken" bewilligt, so wie man den muselmännischen Gesandten an Europäischen Höfen eine unbeschränkte Gerichtsbarkeit über ihre Leute gestattet oder nachgesehen hat. Unter den Europäischen Mächten selbst hingegen ist sie nur auf eine sehr untergeordnete Thätigkeit beschränkt und dem vaterländischen Staate die volle Gerichtsbarkeit vorbehalten.

Jene Thätigkeit besteht

a. in Criminalfällen, woran sich ein Angehöriger der Gesandtschaft betheiligt, in der Festnahme des Verdächtigen oder Nachsuchung seiner Auslieferung; in der Constatirung des Thatbestandes, so weit sie in der gesandtschaftlichen Localität möglich ist, eventuell in desfallsigen Requisitionen an die auswärtigen Behörden, sodann in der Vernehmung der zur Gesandtschaft gehörigen Zeugen, hiernächst in der Ablieferung an die Behörden der Heimath zur weiteren Verfügung; überhaupt also in dem Rechte des s. 8. ersten Angriffes und weiterhin in der Ausführung der Requisitionen der heimathlichen Gerichte. Zur Auslieferung an

1) Memoires de Sully VI, 1 und darnach B. de Martens, Causes célèbr. II, 370.

2) Moser, Beitr. IV, 256. v. Steck, Versuche über verschiedene Materien. Berlin 1783. Vers. XII, S. 88. Wegen Preußen: Stengel, Beitr. zur Kenntniß der Justizverfassung in den Preußischen Staaten XIII, S. 292. Mirus § 355,

« PreviousContinue »