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die Gerichte des fremden Staates ist dagegen kein Gesandter vermöge eigener Autorität berechtiget, schon wegen des obigen Principes (§ 63, V.);

b. in der Ausübung einer freiwilligen Gerichtsbarkeit zu Gunsten der Angehörigen der Gesandtschaft; namentlich also in Aufnahme und Legalisirung von Testamenten, Beglaubigung von Contracten, Siegelanlegungen und dergl.

Sollte diese Gerichtsbarkeit auch noch von anderen Staatsgenossen des absendenden Staates benutzt werden dürfen, so gehört dazu ohne Zweifel ein besonderer Auftrag; der fremde Staat würde sie überdies in den ihn betreffenden Angelegenheiten nicht anzuerkennen haben.

Das Recht einer Streitgerichtsbarkeit ist den Gesandten an Europäischen christlichen Höfen selbst für die Personen ihres Gefolges, so viel bekannt, nirgends eingeräumt', sondern sie vollziehen hier nur etwaige Requisitionen, insbesondere Zeugenverhöre, und zwar Alles dieses nach den Gesezen ihres Heimathsstaates.

Daß jeder Gesandter in Betreff seiner Hausgenossen, welche nicht beigeordnete Beamte sind, wenigstens das Recht einer mäßigen Züchtigung oder eine f. g. Correctionalgerichtsbarkeit habe, ist zwar in älterer Zeit oft als Regel behauptet worden, allein nach den jezigen Staatseinrichtungen entweder überhaupt nicht oder doch nur sehr ausnahmsweise zugegeben2.

Besondere Immunitäten der Gesandten.

217. Zu allen bisherigen Privilegien haben sich, ohne Zweifel durch Ausdehnung des Exterritorialitätsbegriffes und durch Rücksichten der Hospitalität, auch noch manche andere Befreiungen, im Besonderen eine allgemeine Abgabenfreiheit gesellet, wofür jedoch eine innere Nothwendigkeit oder Consequenz des gesandtschaftlichen Charakters nicht erkannt zu werden vermag. Zwar eine Befreiung von allen regelmäßigen persönlichen Staatslasten folgt schon aus der gewöhnlich dem Gesandten anklebenden Eigenschaft eines Ausländers;

1) Das Gegentheil behauptet Graf Garden im Traité compl. de diplomatie III, ch. 21. p. 143. 169. 170 offenbar gegen die moderne Praxis. Vgl. Evertsen p. 377.

2) Vgl. Merlin a. Q. IV, n. 4 f. Martens, Völkerr. § 219. Evertsen p. 379.

allein sie wird auch noch auf indirecte Abgaben ausgedehnt, so daß die Artikel für den Bedarf der Gesandtschaft zollfrei aus dem Auslande von den Gesandtschaften bezogen werden. Inzwischen hat man in neuerer Zeit von Seiten der Regierungen gewisse Grenzen gesett, da eine Verbindlichkeit zur Bewilligung derartiger Privilegien durchaus nicht vorhanden ist. Ein Gesandter kann sich sogar nicht einmal den zur Sicherstellung des Abgabeninteresses nothwendigen Durchsuchungen entziehen, wenn nur sein Hotel und sein Staatswagen unberührt bleibt, und er die Versicherung giebt, daß sich keine Contrebande darin befindet.

In keinem Falle erstreckt sich die Abgabenfreiheit der Gesandten a. auf dingliche Lasten, welche auf den dem Gesandten zugehörigen Grundstücken haften;

b. auf persönliche Lasten für die Ausübung staatsbürgerlicher Befugnisse, welche mit dem gesandtschäftlichen Charakter nichts gemein haben; z. B. auf Abgaben für die Ausübung eines gewissen Handels;

c. auf diejenigen Staats- und Gemeinde- Abgaben, welche insgemein auf der Benutzung gewisser Sachen und Vortheile haften; z. B. Chauffee- und Straßengelder, wofern nicht auch hierin eine gewisse Liberalität und Höflichkeit beobachtet wird; desgleichen Mieths und Wohnungssteuer.

Im Allgemeinen ist jedoch eine völlig gleichförmige Regel bei diesem völkerrechtlichen Privilegium nicht erweislich'.

Ceremonialverhältnisse der Gesandten.

218. Zu den sogenannten Ceremonialrechten der Gesandten gehört vor allen Dingen eine ihrer Stellung entsprechende Aufnahme in dem fremden Staate. Wie jene eingerichtet werden solle, hängt

1) Vgl. Merlin sect. V, § 5. n. 2. Im Einzelnen vergleiche man die schon oben angeführten gesetzlichen Verordnungen einzelner Staaten in v. Martens, Erzähl. Th. I. u. II. Anhang. Dazu wegen Rußland die Ukas von 1817 in Martens, N. Recueil t. III, p. 96. Wegen Spanien Königl. Decret vom Oct. 1814. Wegen Neapel Königl. Decret vom 22. Febr. 1819. Martens, N. Recueil t. V, p. 346. Wegen Preußen Reglement von 1797. In Stockholm gilt seit 1825 unbeschränkte Befreiung von allen Abgaben. S. auch schon L. 8. C. de vectigal. 4, 61.

an sich von dem Ermessen des letzteren ab. Der Gesandte kann nur verlangen und erwarten, in keiner irgendwie herabseßenden Weise, sondern mit Rücksicht auf den Rang seines Staates und auf die Kategorie des ihm beigelegten Gesandtschaftscharakters, ohne Zurückstellung gegen Andere von gleicher Kategorie, aufgenommen zu werden. Er selbst muß auch dazu die Veranlassung geben, indem er sich vorerst bei dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten meldet und ihn ersucht, die weiteren Einleitungen zu seiner Aufnahme bei dem Souverän zu treffen, namentlich zur Uebergabe seiner Creditive, sofern diese an den Souverän selbst gerichtet sind. Ob nun die Einführung und Audienz bei dem letteren eine besonders feierliche (sogenannte öffentliche) oder private sein soll; mit welchen Förmlichkeiten sie begleitet und beendigt werden soll1: alles dieses hängt von dem speciellen Staats- oder Hofstil, so wie von der Entschließung des fremden Souveräns ab, sofern nur nicht dem angegebenen allgemeinen Principe entgegen gehandelt wird. Die dabei vorkommenden Förmlichkeiten sind aber im Wesentlichen kein Gegenstand des Völkerrechtes.

Lediglich ein Gegenstand der politischen Convenienz sind demnächst auch die von den Gesandten abzustattenden fernerweiten Besuche, wiewohl man auch hier von Rechten gesprochen und selbige geltend zu machen gesucht hat.

Reine Convenienzbesuche, die freilich kaum unterlassen werden dürfen, sind vorab die Besuche oder Vorstellungen bei den Mitgliedern der souveränen Familie in monarchischen Staaten; sodann bei dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten und bei den Mitgliedern des diplomatischen Corps. In der letzteren Beziehung ist sogar von einem Rechte des ersten Besuches die Rede; Gesandte erster Classe haben einen solchen nicht selten von dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten, gewiß von den bereits anwesenden Gliedern des diplomatischen Corps verlangt; dennoch aber beruhet hier Alles auf bloßer Höflichkeit; ein Zwangsrecht ist durch den Gebrauch schwerlich als begründet anzusehen".

1) S. darüber Bynkershoek, Quaest. iur. publ. II, 7. Wicquefort I, c. 19.

2) Vgl. Merlin sect. IV. Das Uebliche bei den Gesandten erster Klasse s. bei § 221.

Specielle Rangrechte 1.

219. Die Aengstlichkeit, womit die Regierungen von jeher ihre Würde zu bewachen suchten, führte auch zu einer ängstlichen Beobachtung der Rangverhältnisse unter den diplomatischen Vertretern. Die größere Geschmeidigkeit der jezigen Zeit und Sitte macht es möglich, sie auf folgende Säße zu beschränken:

I. unter Gesandten derselben Macht entscheidet über den Vorrang die Vorschrift des eigenen Souveräns und stillschweigend die Ordnung in dem gemeinschaftlichen Creditiv;

II. unter Gesandten verschiedener Mächte entscheidet zunächst die höhere Classe ohne Rücksicht auf den Rang der Souveräne;

III. unter Gesandten derselben Classe entschied sonst der Rang des absendenden Souveräns oder das Verhältniß des fremden Souveräns zu den einzelnen auswärtigen Regierungen. Das Wiener Rangreglement der acht Europäischen Mächte läßt das Datum der amtlichen Bekanntmachung der Ankunft unter den Mitgliedern der= felben Classe entscheiden, vorbehaltlich des Vorzuges, welchen wenigstens katholische Mächte übereinstimmend den päpstlichen Gesandten derselben Classe einräumen. Weder verwandtschaftliche noch sonstige Familienverhältnisse sollen außerdem in Betracht kommen, so wenig als die Benennung eines außerordentlichen Botschafters, Gesandten und dergl. vor den sogenannten ordentlichen einen Vorzug zu geben vermag.

IV. im eigenen Hause und als Wirth giebt man einem Gefandten gleicher Classe jederzeit den Vorrang. Nur Gesandten erster Classe enthalten sich dasselbe in Betreff der übrigen Classen zu thun.

Besondere Vorrechte der Gesandten erster Classe.

220. Specielle Ehrenrechte hat man in der neueren Europäischen Staatenpraxis allezeit den Gesandten erster Classe zugestanden, indem man ihnen vorzugsweise eine Repräsentation der Person ihrer Souveräne zuschrieb. Kraft derselben haben sie an dem fremden Hofe wohl gar den unmittelbaren Rang nach den Prinzen von Kai

1) Chrstn. Guil. Gutschmid (resp. Ferber), de praerogativa ordinis inter legates. Lips. 1755,

serlichem oder Königlichem Geblüt verlangt, desgleichen vor den regierenden Häuptern selbst, falls ihr eigener Souverän denselben vorgehen würde. Dieser Anspruch ist ohne zureichenden Grund, da, wie schon bemerkt ward, die angebliche höchst - persönliche Repräsentation der Gesandten erster Classe eine bloße Fiction ohne innere Wahrheit ist. Der Vertreter einer Person ist niemals die physische Person selbst; ebenso wenig kann ein Souverän sich vervielfältigen und das, was an seiner Person ausschließlich haftet, selbst noch Anderen mittheilen1. Auch der Gesandte erster Classe ist daher im fremden Staate nichts als ein fremder Unterthan ersten Ranges, anderen Unterthanen selbst nur als Organ seines Souveräns voranstehend, dadurch aber nicht berechtiget, den eigenen oberen Organen der fremden Staatsgewalt vorzugehen.

Anerkannte Vorrechte der Gesandten erster Classe sind indeß: a. das Prädicat: Excellenz", dessen sich nur der auswärtige Souverän selbst nicht zu bedienen braucht;

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b. das Recht eines Thronhimmels in ihrem Empfangsfaale;

c. das Recht, sich in Gegenwart des fremden Souveräns zu bedecken, nachdem dieser selbst damit vorangegangen ist2;

d. das Recht mit sechs Pferden und mit Staatsquasten zu fahren; sonst auch gewöhnlich

e. ein besonders feierlicher Empfang3;

f. nach dem gewöhnlichen Gebrauche das s. g. Recht der ersten Visite, d. H. den ersten Besuch von allen schon anwesenden Gefandten, von den Gesandten erster Classe jedoch erst nach vorLäufiger Anzeige der Ankunft, zu erwarten.

Daß man den päpstlichen Legaten und Nuntien, wenigstens an katholischen Höfen, den Vorrang vor weltlichen Gesandten erster Classe einräumt, ist nach der Stellung der Kirche erklärlich; dagegen ist es nicht gelungen, den Cardinallegaten denjenigen Rang zu ver

1) Vgl. H. Cocceji, de repraesentatione legator. und Commentar. zu Groot II, 18, 4.

2) S. Wicquefort I, c. 19. p. 229 und Ward, Enquiry II, 563. 602. Note. 3) Selbst Kanonengruß. Moser, Beitr. III, 187.

4) Gutschmid § 34.

5) Unwidersprochen ist dieses jedoch nicht immer gewesen. Vgl. Moser, Vers. IV, 52.

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