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schaffen, welchen das Ceremoniell des Römischen Hofes, namentlich seit Sixtus V., ihnen bestimmt hatte'.

Familie und Gefolge der Gesandten.

221. Unter die Personen, welche zu der Umgebung eines Gesandten gehören und dadurch ebenfalls bestimmter Rechte und Privilegien, insbesondere der persönlichen Unverlegbarkeit und Exterritorialität mittheilhaftig werden, gehören vorzüglich:

a. Die Gemahlinnen der Gesandten, während ihres Aufenthaltes im fremden Staate.

Eigenthümliche Ceremonialrechte sind ihnen im Allgemeinen zwar nicht zugestanden; man behandelt sie als Fremde von Auszeichnung und weiset ihnen aus Höflichkeit dieselben Ehrenplätze unter den Damen an, welche der Gemahl unter den Männern einnimmt. Nur die Gemahlin eines Botschafters genießt herkömmlich des Titels einer Ambassadrice, so wie meistens des Vorrechtes des Tabouret in Zirkeln der Kaiserinnen und Königinnen2. Einen besonderen Religionscult nach ihrer Confession können sie nicht prätendiren3.

b. Kinder und andere Familienglieder der Gesandten, welche sich bei ihnen befinden.

Diese werden in ceremonieller Hinsicht lediglich wie Fremde gleicher Standeskategorien behandelt.

c. Die Gesandtschaftssecretäre in ihren verschiedenen, meist zweifachen Rangkategorien, deren Bestimmung wie überhaupt ihre Ernennung von dem absendenden Souverän abhängig ist. Anspruch auf ein bestimmtes Ceremoniell im auswärtigen Staate haben sie nicht.

d. Die etwaigen Attachés oder Gentilshommes, Eleven und Pagen der Gesandtschaft, welche zu ihrem Prunkdienste gehören.

1) Vgl. Ward, Enquiry II, 385. 386.

2) Fr. Carl v. Moser, kl. Schriften Bd. 3. In England nehmen die Countesses den Rang vor den Ambassadricen. Gessner, de i. uxoris legati. Hal. 1851. Berliner Revue VI, 181.

3) Daß der Gemahl einen solchen Gottesdienst im Hotel einrichten oder gestatten dürfe, soll nicht bestritten werden.

e. Der Geistliche (Aumonier) und der Arzt der Gesandtschaft, insofern sie diese Eigenschaft nicht blos nebenbei haben;

endlich

f. die Livreebedienten und Domestiken des Gesandten.

In älterer Zeit legte man größeren Werth auf dergleichen Gefolg= schaften, als es jetzt die öffentliche Meinung thut und die Staatsökonomie gestattet. Unfehlbar kann auch der fremde Staat, an welchen die Mission geschieht, einer übertriebenen Vermehrung des Personales Grenzen setzen, desgleichen genaue Mittheilung über die Personalien aus polizeilichen Rücksichten und im eigenen Interesse der Gesandten verlangen', endlich für den Eintritt von Unterthanen in den Dienst eines Gesandten besondere Bedingungen vorschreiben 2.

Außer Zweifel liegt jezt, daß alle vorgenannten Personen, sogar wenn sie Unterthanen des fremden Staates wären, in der Exterritorialität des Gesandten selbst mitbegriffen und dadurch insbesondere von der Straf- und bürgerlichen Gerichtsbarkeit des fremden Staates in gleicher Weise eximirt, mithin der Gerichtsbarkeit des absendenden Staates unterworfen sind, soweit diese nicht dem Gesandten selbst delegirt sein sollte3 (§ 214). Nur bei zahlreich besuchten Congressen hat man sich zuweilen vereinigt, daß die gesandtschaftlichen Diener, welche keine wirklichen Beamten sind, der Ortsobrigkeit untergeben sein sollten. Ueberdies kann ein Gesandter unbedenklich jeden Do

1) Schon die goldene Bulle Kaiser Carls IV. seßte den Churfürstlichen Wahlgesandtschaften hierin bestimmte Grenzen.

2) Vgl. wegen Nordamerika v. Martens, Erzähl. II, 398.

3) Die neuere Staatenpraxis ist allgemein dafür. S. wegen England den Parlamentsact von 1709. B. de Martens, Causes célèbr. I, 59; wegen Frankreich und mehrerer anderer Staaten Merlin; wegen Preußen Allgem. Ger.-Ordn. Th. I. Tit. 2. § 63. 67 ff. Königl. Dänische Verordnung vom 8. October 1708 (v. Martens, Erzähl. I, 353), ferner die Nordamerikanische Congreßacte von 1790 (ebend. II, S. 397). Desgleichen die Autorität der gewichtigsten Publicisten. Vgl. Ward, Enquiry II, 553 f. Merlin sect. VI, n. 2 s. Streitigkeiten, welche hierüber noch im Jahre 1790 am Pfälzischen Hofe mit dem Preußischen Minister bei Gelegenheit eines Falles vorkamen, obschon zu keinem Resultat gediehen, s. noch in B. de Martens, Nouv. causes cél. II, 22 f. Dagegen auch wieder einen Fall, wo durch Repreffalien die Exterritorialität der Domestiken aufrecht erhalten ward in Desselben Causes célèbr. I, 247.

4) Dies geschahe am Congreß zu Münster und zu Nymwegen. Wicquefort I, c. 28. Desgl. bei dem Haager Congreß durch Reglement vom 29. Mai 1697.

mestiken, den er im Auslande selbst angenommen hat, durch Wiederentlassung aus seinem Dienste der dortigen Obrigkeit wieder unterwerfen; schwerlich aber kann er auf diesem Wege einen seiner eigenen Landesangehörigen ohne Erlaubniß seines Souveräns der fremden Strafgewalt überliefern'. Ueber diejenigen Personen, welche dem Gesandten von seinem Souveräne selbst beigegeben sind, hat der Gesandte so wenig, wie über die Personen seiner Familie, vermöge der ihnen zustehenden staatsbürgerlichen Garantien, irgend eine derartige Befugniß2.

Daß übrigens auch einer jeden dieser Personen, wenn sie den fremden Staat oder dessen Angehörige thatsächlich verlegt, thatsächlich entgegengetreten werden kann und die Exterritorialität sie nicht gegen Maßregeln der Vertheidigung, so wie gegen augenblickliche Maßregeln zur Handhabung der öffentlichen Ordnung schüßen kann, versteht sich von selbst3.

II. Agenten und Commissarien.

222. Nichts ist nach den Bemerkungen der neuesten Publicisten so unbestimmt, als das Rechtsverhältniß eines mit keinem gesandtschaftlichen Titel charakterisirten Agenten oder Commissarius, welcher in auswärtigen Angelegenheiten an einen fremden Staat gesendet wird. Indessen liegt dabei zum Theil diplomatische Eitelkeit und publicistische Devotion zum Grunde. Zu einer genaueren Feststellung des Rechtsverhältnisses solcher Abgeordneter muß man vorab unterscheiden:

I. Agenten und Commissarien für Privatangelegenheiten eines auswärtigen Staates oder Souveräns, welche gar keinen Zusammenhang mit der völkerrechtlichen Persönlichkeit derselben haben; z. B. um ein Darlehn zu negociiren oder die Verwaltung einer auswärtigen Privatbesitzung zu überwachen, zu übernehmen und dergl. Hier

1) Vgl. Battel IV, § 124, wo nur übersehen ist, daß der Gesandte im obigen letzteren Falle nicht für sich allein handeln darf.

2) Vgl. wegen der Legationssecretäre: Vattel IV, 122. Merlin sect. VI, n. 6. 3) Eine Königl. Portug. Verordnung vom 11. Debr. 1748 erklärte sogar die Hausgenossen der Gesandten ihrer Privilegien verlustig und nach den Gesetzen strafbar, wenn sie die Justiz beleidigen. v. Martens, Erzählungen I, 339.

4) Merkwürdig ist, wie z. B. Wicquefort und Vattel IV, 75 sich drehen und wenden, um eigentlich von den obigen Personen nichts auszusagen.

kann überall nicht von einem öffentlichen Charakter und von damit verbundenen Privilegien die Rede sein.

II. Die sogenannten geheimen Agenten, welche zwar in Staatsangelegenheiten versendet werden, jedoch ohne den ostensiblen Auftrag, mit einem auswärtigen Staate oder dessen Behörden zu verhandeln, sondern lediglich nur, um über gewisse Verhältnisse auf einem nicht verbotenen, oft geheimen Wege Erkundigungen einzuziehen, oder um außerordentliche Eröffnungen zu machen und zu empfangen. Auch Hier findet kein Anspruch auf irgend ein gesandtschaftliches Privilegium Statt.

Endlich

III. solche Agenten und Commissarien, welche mit bestimmten ostensiblen Vollmachten an die auswärtige Staatsgewalt, obgleich ohne einen recipirten völkerrechtlichen Titel in öffentlichen Angelegenheiten abgesendet werden, weil vielleicht die Umstände noch keine ordentliche oder dauernde Verbindung gestatten, oder auch weil es auf eine minder förmliche Abmachung eines einzelnen bestimmten Geschäftes ankömmt. Bei Personen dieser Art läßt sich wenigstens der allgemeine Anspruch auf Unverlegbarkeit und Exemtion, wie er bereits oben (§ 204 f.) dargelegt worden ist, nicht verkennen1; der Mangel eines bestimmten Namens kann dem Wesen des Auftrages nichts von seinen Wirkungen entziehen; auch ist bekannt, daß es in älterer Zeit außer den Botschaftern blos Agenten gab, deren diplomatische Eigenschaft jedennoch nie verkannt wurde. Nur eine vollständige Exterritorialität ist hier nicht üblich2.

Eine besondere Stellung nehmen die Consuln ein, auf welche wir weiterhin gelangen werden (§ 244).

1) Selbst Vattel a. D. muß dies zuletzt einräumen. Bei den Staaten von Holland war das Princip durch eine Ordonnanz vom 29. März 1651 anerkannt. Vgl. auch Moser, Beitr. IV, 530. Allerdings scheint jedoch die Praxis aller Staaten nicht darüber entschieden zu sein. Frankreich bewilligte wenigstens vormals den Agenten der Hansestädte für ihre öffentlichen Handelsangelegenheiten keine völkerrechtlichen Prärogativen. Merlin sect. I, No. 5 a. E. Jetzt ist dieses anders!

2) So hatten die Zollvereinscommissarien, welche sich die Deutschen Vereinsstaaten wechselseitig zusenden, zwar eine Befreiung von der ausländischen Gerichtsbarkeit, aber keine Befreiung von den Staats- und Communallasten an ihrem Stationsorte. Jeßt, seit den Conferenzbeschlüssen von 1854, haben sie auch letztere.

Beendigung und Suspension der diplomatischen Functionen.

223. Jede diplomatische Stellung endet nach der rechtlichen Natur jedes Auftrages

mit der Vollziehung des Geschäftes;

mit dem Ablaufe der vorbestimmten Zeit;

mit dem Tode des Abgeordneten;

durch den Widerruf des ertheilten Auftrages von Seiten des Machtgebers; es geschehe derselbe ausdrücklich oder mittelbar durch Bestimmung des Abgeordneten zu anderen, mit seiner bisherigen Mission unvereinbarlichen Verrichtungen; mit dem Tode des Constituenten, so wie desjenigen Souveräns, an welchen die Mission gerichtet war, insofern es sich nur um persönliche Angelegenheiten handelt, oder sofern die Vollmacht ausdrücklich nur an die Person eines bestimmten Souveräns gerichtet ist1;

sie wird wirkungslos und daher ebenfalls beendet bei eingetretener Unmöglichkeit, das beabsichtigte Ziel noch zu erreichen, namentlich

durch den Ausbruch eines Krieges unter den betheiligten Mächten, wofern nicht die Function auch auf diesen Fall berechnet ist2; desgleichen

durch die Weigerung der Staatsgewalt, an welche die Mission erfolgt ist, den Abgeordneten ferner zuzulassen oder mit ihm zu verhandeln, so wie durch eine ausdrückliche Zurücksendung, eine ihrer Natur nach feindselige Maßregel, welche entweder zur Retorsion veranlaßt, oder falls sie mit einer kränkenden Behandlung verbunden war, auch noch zu besonderer Genugthuung verpflichten kann, vorausgesetzt, daß nicht der Abgeordnete selbst durch sein Verhalten die Maßregel provocirt hat3.

1) Dies ist der gewöhnliche Fall bei Gesandten erster und zweiter Classe, desgleichen bei Minister - Residenten. Geschäftsträger erhalten ihre Vollmacht vom Minister des Auswärtigen in seiner amtlichen Eigenschaft, verlieren also durch sein Abtreten nicht ihren eigenen officiellen Charakter. S. Pinheiro Ferreira zu Vattel IV, 76.

2) Vgl. Wicquefort, l'Amb. I, sect. 30. p. 445.

3) Beispiele solcher Zurücksendungen s. bei Wicquefort a. D. S. 443. F. C. Moser, kl. Schriften VIII, 81. IX, 1. B. de Martens, Causes célèb. II, 485. Bei Consuln vertritt die Zurücknahme des Exequatur die Stelle der Zurücksendung.

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