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Eine bloße Unterbrechung der Functionen und des davon abhängigen officiellen Charakters tritt endlich ein:

wegen ausgebrochener Mißhelligkeiten unter den betheiligten Mächten, die jedoch in keine Feindseligkeit übergehen; desgleichen wenn eingetretene politische Ereignisse und Aenderungen, z. B. ein Regierungswechsel, die fernere Dauer der Mission zweifelhaft oder Modificationen wahrscheinlich machen, wobei eine Suspension der diplomatischen Functionen auch wohl ausdrücklich von der einen oder anderen Seite erklärt wird;

durch den Tod oder sonstigen Regierungsrücktritt des constituirenden Souveräns oder desjenigen, an welchen die Mission in Staatsangelegenheiten erfolgt ist.

Denn ein Erlöschen der Vollmacht kann hier von Rechtswegen nicht angenommen werden; es müßte etwa dieselbe, wie schon gesagt, ausdrücklich nur auf die Personen der Souveräne gestellt sein. Außerdem kann der Regierungswechsel höchstens nur einen Stillstand in den diplomatischen Functionen mit sich führen.

Wirkungen der Suspension oder Beendigung diplomatischer Sendungen.

224. Weder die Suspension, noch auch die Beendigung diplomatischer Sendungen vernichtet sofort die völkerrechtliche Stellung des Beauftragten, und wenn auch vormals die Staatenpraxis besonders im Falle eines ausgebrochenen Krieges nicht selten, ja sogar regelmäßig noch während des Mittelalters schonungslos gegen Ge= fandte verfuhr': so hat sie sich doch längst einer besseren Richtung ergeben. Gesandte fremder Staaten müssen auch unter den Feinden derselben unverletzbar bleiben.

Was nun zunächst den Fall einer bloßen Suspension betrifft, so erstreckt sich diese im Wesentlichen nur auf den Geschäftsverkehr, und kann daher der Regel nach keine Aenderung in den wesentlichen Prärogativen eines Abgeordneten nach sich ziehen.

Hat die Mission selbst völlig aufgehört, so versteht sich für den absendenden Staat unzweifelhaft das Recht, seine Interessen gegen

1) Ward, Enquiry I, 285. Wegen der Saracenischen Praxis ebendas. II, 477. Pütter, Beitr. 167.

2) Grundsatz auch des kirchlichen Rechtes. Can. 2. Dist. 1.

jede eigenmächtige und fremdartige Einmischung sicher zu stellen und das ihm Gebührende unverlett aus dem fremden Lande zurückzuempfangen. Es muß daher sogar bei eingetretener Mißstimmung und Feindseligkeit dem Abgeordneten Zeit und Gelegenheit gegeben werden, sich aus dem fremden Staate ungehindert mit seinen Angehörigen und Effecten zurückzuziehen, überdem auch bis dahin jede wesentliche Rechtszuständigkeit der Abgesandten in ihrer heutigen Entwickelung, nämlich Unverlegbarkeit und Exterritorialität, respectirt werden'. Die Bestimmung der Zeit ist allerdings von dem Ermessen des fremden Staates abhängig; aber eine offenbar zu kurze Frist wäre eine Verlegung des Völkerrechtes. Erst wenn eine billige Frist gesezt und abgelaufen ist, oder der Abgeordnete selbst oder seine Regierung erklärt, daß er ganz in das Privatleben zurücktrete, oder daß sein diplomatischer Charakter gänzlich aufgehoben sei, fällt jede fernere Berücksichtigung desselben fort.

225. Stirbt ein Abgesandter, so besteht zwar in Betreff seiner Beerdigung kein besonderes Ceremonialrecht, wohl aber bringt es seine bisherige Exterritorialität mit sich, daß der Abführung der Leiche nach seiner Heimath keine Schwierigkeit entgegengesetzt werden darf, selbige vielmehr von allen sonst herkömmlichen Lasten an Stolgebühren und dergleichen befreit bleibe, wenn nicht die Beerdigung im fremden Lande erfolgt. Seine Angehörigen und Begleiter genießen bis zu ihrem eigenen Abzuge, oder bis zum Ablaufe der ihnen dazu gesezten Frist*, oder bis zu einer deutlichen Erklärung ihres Eintrittes in das Privatverhältniß die zuvor zuständigen Rechte; die Verlassenschaft muß frei von allen Lasten verabfolgt werden; ihre Regulirung richtet sich nach den Gefeßen der Heimath; selbst an demjenigen Vermögen, was die Erben in dem fremden Staate zurück

1) Bielfeld, Instit. II, p. 179. § 30. Damit wird dann auch billiger Weise Befreiung von Ausgangszöllen verbunden. Vgl. das Königl. Neapolit. Decret vom 22. Februar 1819. Nouv. Rec. V, 346.

2) Ein Schriftsteller in Ludwigs XIV. Zeit machte hierüber die sonderbar geistreiche Bemerkung: dès qu'un Ambassadeur est mort, il rentre aussitôt dans la vie privée!

3) Moser, Versuch IV, 192.

4) Moser, Abhandl. versch. Rechtsmat. VI, 438. Leyser, medit. 5. sp. 671. Engelbrecht, obss. sel. for. sp. 4. Gessner 1. c. p. 39.

gelassen haben, können erst nach Verlauf einer zum Export vorgeschriebenen Zeit Forderungen geltend gemacht und realisirt werden.

Die Versiegelung der Effecten gilt dagegen allgemein als ein Act, welcher der Jurisdiction des fremden Staates entzogen ist, da es zunächst auf Sicherstellung der Interessen des abfendenden Staates ankömmt'. Sie wird daher entweder von einer gesandtschaftlichen Person desselben Staates, oder in deren Ermangelung von dem Abgeordneten eines ihm befreundeten Staates, in Rom von dem etwaigen Cardinal - Protector vollzogen. Nur im äußersten Falle würde sich die auswärtige Staatsregierung auf eine der Achtung des fremden Staates entsprechende Weise der Versiegelung selbst zu unterziehen haben.

226. Wird ein Gesandter zurückberufen, so pflegt es wegen der Verabschiedung vom fremden Hofe, bei dauernden freundschaftlichen Verhältnissen, in ähnlicher Weise gehalten zu werden, wie bei der Ankunft; Gesandte erster und zweiter Classe, auch wohl MinisterResidenten, übergeben ihr Abberufungsschreiben in einer eigenen öffentlichen oder Privataudienz und empfangen hiernächst von dem fremden Souveräne ein sogenanntes Recredentialschreiben zur Bestätigung des von ihnen beobachteten Verhaltens. Aus Höflichkeit fügt man außerdem wohl noch besondere Geschenke hinzu, ohne daß jedoch irgendwie ein rechtlicher Anspruch darauf begründet sein wird 2.

Eine Zurückhaltung des Gesandten, so wie der mit ihm befriedeten Personen und Sachen im fremden Territorium kann unter keinem Vorwande stattfinden, ausgenommen um eine Retaliation zu üben. So lange keine Frist zum Abzuge gesetzt und abgelaufen ist, sind keine anderen gerichtlichen und außergerichtlichen Hoheitsacte gegen ihn für zulässig zu halten, als diejenigen, welche selbst schon während der Ausübung der gesandtschaftlichen Functionen zulässig waren. Insbesondere können auch jetzt keine Schuldklagen förmlich eingeleitet, noch auch Arreste wider die befriedeten Personen und

1) C. F. Pauli, de obsignatione rerum legati ejusque comitatus. Hal. 1751. Moser, Vers. IV, 569.

2) Von dem, was sonst hierin üblich war, s. Moser, Versuch IV, 531. Beiträge 432 ff. Jetzt vertritt meistens die Ertheilung von Orden die Stelle der vormaligen Geldgeschenke. Vgl. Mirus § 180-182.

Sachen angelegt werden. Die fremde Staatsgewalt kann daher lediglich auf einem vermittelnden Wege für das Interesse ihrer Unterthanen hinsichtlich etwaiger Forderungen an den Gesandten und dessen Begleiter sorgen, z. B. durch eine öffentliche Bekanntmachung des bevorstehenden Abganges und durch eine Intercession wegen Berichtigung oder Sicherstellung der etwa liquidirten Schulden; jedoch dürfen die Pässe deshalb nicht vorenthalten werden. Vindicationsklagen, selbst in Ansehung beweglicher Objecte, die sonst zu den befriedeten gehören würden, sind nicht ausgeschlossen, folglich auch nicht die vorläufige Beschlagnahme derselben, soweit sie ohne Antastung der persönlichen Unverlegbarkeit ausführbar ist'.

Bleibt eine gesandtschaftliche Person nach gänzlicher Ablegung ihres völkerrechtlichen Charakters in dem auswärtigen Staate, so leben auch alle dadurch gehemmten Rechtsverfolgungen in Ansehung der Civilansprüche auf. Dagegen läßt sich in Betreff der etwaigen Verbrechen und Vergehen, welche sie während ihrer diplomatischen Mission begangen haben könnte, keine weitere Verantwortlichkeit annehmen, indem jene nach dem Princip der Exterritorialität von der gesetzgebenden Gewalt des fremden Staates nicht abhängig waren. Civilansprüche sind durch das Völkerrecht selbst geschützt.

Sweite Abtheilung.

Die diplomatische Kunst2.

Ihr Wesen.

227. Auch die Diplomatie oder die staatsmännische Thätigkeit in auswärtigen Angelegenheiten ist eine Kunst, ein sich bewußtes Können. Aber um dieses wahrhaft zu sein, darf sie weder eines vernünftigen Grundes entbehren, noch auch vernunftwidrige Zwecke verfolgen. Ihr Grund ist nun kein anderer, als das Recht und das Wohl bestimmter Staaten, ihr Zweck nur das rechtliche Interesse

1) Merlin sect. V, § 4. Nr. 6 u. 7. Größere Berechtigungen sucht Evertsen

d. J. der Justizgewalt gegen fremde Abgesandte zu vindiciren.

2) Die bereits zu § 199 angegebenen Schriften berühren diesen Gegenstand ebenfalls, obwohl meist nur in seiner Aeußerlichkeit. S. indessen noch: Kölle, Be= trachtungen über Diplomatie. Stuttgart und Tübingen 1838.

derselben. Niemals also müßte die Diplomatie, ohne zu entarten, ein Werkzeug jener Politik sein, die sich alles Selbst-Zuträgliche erlaubt hält, oder einer unbegrenzten Herrsch- und Eroberungssucht dient, oder eine gänzliche Abschließung gegen andere Staaten bezielt; sie darf sich ebenso wenig selbst als Zweck sezen, geschäftig sein ohne Princip, oder spielen mit der Verwirrung, um daraus Gewinn zu ziehen; sie darf sich endlich nicht als. die Schöpferin des Schicksales der Nationen betrachten, sondern nur als eine Dienerin der Geschichte. Sie muß wissen, daß die Geschicke der Völker einer höheren Ordnung unterworfen sind; daß jedem Staate sein eigenthümliches Leben in der Kette der Dinge angewiesen ist; daß es zwar durch gewaltige Anspannung der Kräfte möglich ist, von dem ge= schichtlich vorgezeichneten Wege abzuweichen und die Bedeutung eines Staates über sein Gleichmaß mit anderen zu erheben; daß indessen jede übermäßige Anstrengung ihr baldiges natürliches Ziel findet, in Erschlaffung übergeht, und dann auch der über Gebühr erhobene Staat unrühmlich in seine vorige Lage, ja oft noch tiefer herabstürzen kann, als er bei natürlicher Benutzung seiner Kräfte fortdauernd behauptet haben würde. Darin eben besteht nun das echte diplomatische Wissen als Voraussetzung diplomatischer Thätigkeit, nämlich in einer gründlichen Auffassung der Geschichte und gegebenen Verhältnisse, nicht etwa um blos Beispiele daraus für das eigene Handeln oder eine Prognose zu erhalten, sondern um das Wirkliche und Nothwendige in den gegebenen Verhältnissen selbst zu erkennen; Aufgabe der Kunst ist es hiernächst, darauf das fernere Verhalten für das Recht und das Wohl des Staates zu bauen, auf sittlichem Wege das Schlechte und Schädliche zu bekämpfen, bis zum letzten Augenblicke endlich die Ehre des Staates aufrecht zu erhalten1. Falsch aber ist es, wenn die Diplomatie sich blos zur Dienerin einer einseitigen Ansicht, einer Kastenrichtung hingiebt; wenn das System, welches sie vertheidigen und durchführen will, nicht aus der Nothwendigkeit hervorgeht, nicht in der Geschichte und der Bewegung des Weltgeistes begründet ist; denn alsdann hat sie das Schicksal, und gewiß nicht unverdienter Weise, daß sie ihre Zwecke nicht nur

1) Sehr gute Bemerkungen in diesem Sinne s. schon bei Mably, Principes des negociations chap. 2, womit auch noch Macchiavelli, del Principe cap. 25 verglichen werden kann.

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