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Der Diplomat muß wissen, daß er mehr im Stillen zu wirken und sich mit seinem Bewußtsein zu begnügen hat, als daß er sich durch ein hervortretendes Handeln einen Anspruch auf Unsterblichkeit zu erwerben vermag.

Ueber die Verantwortlichkeit der diplomatischen Agenten hat ein gelehrter Publicist (Flassan) gesagt, und es ist ihm nachgesprochen worden: „man müsse sehr nachsichtig sein gegen die Irrthümer der Politik, wegen der Leichtigkeit, darin zu verfallen." Aber es darf dadurch nicht jede strenge Beurtheilung des Verfahrens der politischen Organe niedergeschlagen werden. Denn die heiligen Interessen, welche ihnen obliegen, erheischen unleugbar auch die höchste Sorgfalt in der Erfüllung ihrer Bestimmung.

Allgemeine Verhaltungsregeln für Unterhändler1.

233. Kommt es auf Unterhandlungen mit einem fremden Staate zu einem gewissen Zwecke an, so hat der damit beauftragte Diplomat sich vor allen Dingen auf das Genaueste von dem Zwecke, den Motiven und anwendbaren Mitteln zu informiren. Er muß Alles beobachten und darüber getreulich berichten, die entstehenden Hindernisse und Zweifel dem Committenten anzeigen, jedoch nicht blos Instruction erwarten, sondern auch selbst Vorschläge zu machen verstehen. An dem fremden Hose wiederum muß er sich vor Allem in ein gutes Vernehmen sehen und jeden Grund zu Mißverständnissen forgfältig vermeiden. Er muß Schlimmes unter einer guten Miene verbergen und sich nicht durch leere Worte oder Fremdartiges hinhalten lassen. In seinen Anträgen sei er bestimmt, in der Discussion der Einwendungen sicher und logisch, überhaupt nie den Zweck aus den Augen verlierend; aber er verfolge ihn mit Mäßigung und ohne

1) Schriften, diesem Gegenstande vorzugsweise gewidmet, find: Le parfait Ambassadeur par Don Antonio de Vera et de Cuniga, par Lancelotte. Par. 1635 u. f. De Callières, de la manière de negocier avec les Souverains. Par. 1716 n. ẻ. II. t. Londr. 1750. Ryswick 1756. Pecquet, de l'art de negocier avec les Souverains. Paris 1736. à la Haye 1738. Mably, Principes de négociation. Ibid. 1737 (später auch Einleitung zu seinem Droit publ. de l'Europe). Die politische Unterhandlungskunst oder Anweisung, mit Fürsten und Republiken zu unterhandeln. Aufgestellt von einem Staatsmanne in der Einsamkeit. Leipzig 1811. 8. Vgl. Mirus § 71 und die Bücherkunde in Absch. II.

Opiniatrirung; er vermeide es, gegen Hindernisse zu kämpfen, welche dennoch nicht sofort beseitigt werden können. Wohl kann es sich in Privatsachen, wo Gesetz und Staatsgewalt schüßend mitwirken, verlohnen, einem Anderen durch Beharrlichkeit Etwas abzutroßen; aber in den Verhältnissen der Staaten, wo auch Verträge meist nur so lange verbindlich bleiben, als man es zuträglich findet, sie zu halten, oder so lange die Uebergewalt des Anderen zu befürchten ist, wird es höchst gefährlich, den Dingen Zwang anthun zu wollen. Klugheit gebietet daher Nachsicht und vorläufige Beruhigung, selbst wo man entschiedene Forderungsrechte hat. Der Diplomat verzichte lieber auf den Triumph, die Verhältnisse besiegt zu haben, wenn er nicht auch dann eines sicheren und dauernden Erfolges gewiß ist. Ein unerwartetes Ereigniß kann oft leicht die Hindernisse beseitigen1.

Writte Abtheilung.

Die Form der Staatenverhandlungen.

234. Die Verhandlungen der Staaten werden entweder mündlich oder schriftlich unter den Repräsentanten geführt, und zwar bald unter den Souveränen selbst, bald durch die diplomatischen Agenten, zuweilen selbst nur einseitig vor dem Publikum. Die Art und Weise dieses Verkehres ist ein Theil der Staatspraxis, und daher sowohl in den allgemeinen auf lettere Bezug habenden Schriften, als auch in ihrer Besonderheit von praktischen Schriftstellern dargestellt worden.

Allgemeine Schriften über die sogenannte Staatspraxis sind:

3. J. Moser, Einleitung zu den Canzleigeschäften. Hanau 1750.

Chr. v. Beck, Vers. einer Staatspraxis und Canzleiübung aus der Politik der Staaten und Völker. Wien 1754. ed. II. 1773.

Christ. Dan. Voß, Handb. der allgem. Staatswissenschaften Th. IV. Leipzig 1799. Staatsgeschäftenlehre oder Staatspraxis.

Heinrich Bensen, Versuch einer system. Entw. der Lehre von den Staatsgeschäften. Erlangen 1800. 1802. 2 Thle.

Die Staatsgeschäftenlehre in ihren allgem. Umrissen. Wien 1814. 2 Thle.

Fr. C. Moser, Versuch einer Staatsgrammatik. Frankfurt 1749.

1) Bemerkungen im obigen Sinne s. bei Mably a. D. S. 174. 175. Foreign quaterly Rev. XIII, p. 4.

Besondere Schriften über die diplomatische Staatspraxis:

J. S. Sneedorf, Essai d'un traité du style des cours. Goett. 1751. 8. n. édit. par du Clos. Goett. 1776.

Ch. de Martens, Manuel diplomatique. Par. 1822.

Desselben Guide diplomatique. t. I. II. Lips. 1832.

Meisel, Cours de style diplomatique. t. I. II. Dresd. 1823.

S. auch noch v. Kampt, N. Lit. § 146. Mirus, Abth. II, S. 125 f.

Sprache der Verhandlungen überhaupt.

235. Die Sprache ist das Recht jeder Nation, wie sie überhaupt zum Menschen gehört. Ohne Zweifel kann nun jeder Staat oder Souverän auch eine bestimmte Sprache wählen, worin er seinen Willen erklärt und deren sich seine Organe in den öffentlichen Verhandlungen zu bedienen haben. Er kann dagegen aber nicht verlangen, daß auswärtige Staaten mit ihm in derselben Sprache verkehren; er muß ihnen gleichfalls ihre eigene Erklärungsweise zugestehen, und jeder Theil kann erwarten, daß, wenn von ihm eine Erklärung gewünscht wird, der Anlaß dazu auf eine ihm verständliche Art gegeben oder verdolmetschet werde.

Die Unbequemlichkeit, welche mit dem Gebrauche verschiedener Zungen verbunden ist, erzeugt indessen, abgesehen von dem vorausgestellten unleugbaren Princip, das Bedürfniß von Mittheilungen in allgemeinen und für jeden Theil gleich verständlichen Sprachweisen. So kann denn wenigstens unter einzelnen Staaten oder vorübergehend für gewisse Verhandlungen eine gewisse Sprache als diplomatische beliebt werden, wovon sich wieder die Hofsprache unterscheiden läßt, d. i. die Sprache einzelner Höfe in der Privatconversation'.

Der Gebrauch der Staaten und Höfe hat in beiderlei Hinsicht öfters gewechselt, ohne jedoch von dem obigen Princip selbst abgewichen zu sein.

Sprache der diplomatischen Verhandlungen und Urkunden war noch bis in das vorige Jahrhundert hinein meistentheils die Latei= nische2; Hoffprache war früherhin gewöhnlich die Landessprache; so

1) Vgl. Fr. Carl Moser, Abhandl. von den Europäischen Hof- und Staatssprachen. Frankf. 1750. v. Rohr, Einleitung in die Ceremonialwissenschaft. S. 405. 3. J. Moser, Vers. II, 153.

2) Noch die Quadrupel-Alliance zu London von 1718 ist in lateinischer Sprache

lange jedoch König Philipp II. von Spanien lebte, hatte die Spanische Sprache bei einer großen Zahl Europäischer Höfe starken Eingang gefunden. Seit Ludwig XIV. überwog hier fast allgemein die Französische Sprache; sie wurde damit bald auch die Sprache der diplomatischen Verhandlungen, ein Umstand, worin die Französische Politik keinen geringen Bundesgenossen gefunden hat1. Niemals ist gleichwohl durch ein allgemeines Völkergesetz oder durch ein auf der Idee der Nothwendigkeit beruhendes Herkommen die Französische Sprache als gemeinsame Staatensprache wirklich recipirt, sondern, wie oft sie auch in neuerer Zeit gebraucht worden ist, hat man sich meistens von Seiten anderer Staaten gegen etwaige Consequenzen ausdrücklich gewährt, wenn nicht die Französische Sprache selbst auch die hergebrachte Landessprache des anderen Staates ist.

Mehrere Mächte bestehen fortwährend auf dem Grundsaße, daß ihnen jede officielle Communication in ihrer Sprache gemacht oder wenigstens mit einem Translat begleitet werde. So der Deutsche Bund durch Beschluß von 12. Juni 1817. Andererseits bedienen sich auch Gesandte an fremden Höfen mit Recht ihrer eigenen Sprache, aber, wie sich von selbst versteht, mit der Verpflichtung zu einem Translat, wenn sie die Mittheilung im eigenen Interesse machen.

abgefaßt. Einzelne Mächte, z. B. die päpstliche Curie, bedienen sich in ihren völkerrechtlichen Urkunden noch jezt bisweilen derselben Sprache.

1) Ein Beispiel liefert die Verfassung des Pyrenäischen Friedens, worüber die Memoiren von Brienne nachzusehen sind. (Schiller, allgem. Samml. histor. Mem. Abth. II. Bd. 17. S. 143.)

2) Einen sehr allgemeinen Vorbehalt enthält in dieser Beziehung die Wiener Congreßacte Art. 120 mit den Worten: „La langue française ayant été exclusivement employée dans toutes les copies du présent traité il est reconnu par les puissances qui ont concouru à cet acte, que l'emploi de cette langue, ne tirera point à conséquence pour l'avenir; de sorte que chaque puissance se réserve d'adopter, dans les négociations et conventions futures, la langue dont elle s'est servie jusqu'ici dans ses relations diplomatiques, sans que le traité actuel puisse être cité comme exemple contraire aux usages établis."

3) Der Minister Canning befahl allen Englischen Agenten im Auslande, sich keiner anderen Sprache als der Englischen bei diplomatischen Communicationen zu bedienen. Die Pforte communicirt in Arabischer Sprache, gewöhnlich aber mit Lateinischem, jezt auch wohl Französischem Translat. Sie hält keinen Tractat für verbindlich, der nicht auch in ihrer Sprache abgefaßt worden.

Was den mündlichen förmlichen Verkehr betrifft, z. B. in feierlichen Audienzen, so gilt auch hier ein gleiches Princip; der fremde Gesandte redet oder kann wenigstens in seiner eigenen Sprache reden, während ein Dolmetscher die Uebertragung unternimmt. Der Souverän antwortet in der seinigen. Das Umständliche eines solchen Verkehres führt indessen von selbst zu häufiger Milderung des Princips. Der dem Range nach Geringere giebt hier meist dem Verbindlicheren den Vorzug, oder man verständiget sich überhaupt, eine beiden Theilen geläufige Sprache anzuwenden, wie zur Zeit besonders die Französische dazu dienet.

Diplomatischer Stil.

236. 3ft der Stil, wie man gesagt hat, der Mensch, der sich darin seinen Ideen gemäß ausspricht, so muß auch gleicher Maßen der Stil, wenn der Staat redet, seinem Wesen entsprechen, mithin das ihn vertretende Organ sich der eigenen Individualität entäußern und eine Form wählen, welche die Bedeutung des Staates als eines Trägers der Gesammtvernunft erkennen läßt. Muß irgend eine Ausdrucksweise sich von allem Niedrigen entfernt halten, so ist solches ganz besonders von der diplomatischen zu erwarten und zu fordern. Freilich kann sie sich von dem Menschlichen nicht lossagen, sie kann keine Sprache der Götter sein; aber sie hat den Gedanken klar und in reiner edler Form darzustellen, gemessen und ernst, fern von Pathos und ohne Wortput. Sie muß die reine Objectivität der Dinge in sich tragen, die leichte Hülle einer logischen Gedankenfolge sein; sie verträgt sich weder mit metaphysischen Spizen, noch auch mit der Sprache des Redners1.

Das Gewicht, was auf diplomatischen Erklärungen ruht, die Achtung, welche der andere Theil seiner völkerrechtlichen Stellung nach fordern kann, bringt unstreitig die Verpflichtung mit sich, jeder

1) Treffend sagt darüber Flassan in seinem Discours préliminaire zur Hist. de la dipl. franç.: Le style diplomatique à quelque sujet, qu'il s'applique, ne doit pas être celui de l'academicien mais celui d'un penseur froid, revêtant d'une expression pure et exacte une logique non interrompue. La chaleur qui fait presque toujours le succès de l'éloquence doit en être exclue."

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