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schaft, selten ein reines Königthum, bis der römische Imperatorenstaat, ein Regieren blos nach politischer Convenienz, Alles in sich verschlang;

der germanische Staat des frühesten Mittelalters, oder der grundherrliche und Gemeindestaat;

der romanisch-germanische, nach dem Typus der römischen Imperatorenherrschaft, beschränkt durch Lehnswesen und Gemeinde

kraft;

der absolute Staat, das jezt s. g. ancien regime;

der moderne constitutionelle Staat, oder die Basirung der Staatsgewalt auf wirkliche oder präsumtive Willens - Einheit der Regierenden und Regierten; gegründet entweder auf die Idee der Volkssouveränetät (Volksstaat), oder auf fürstliche Machtvollkommenheit mit garantirten Rechten der Unterthanen (der dynastisch - constitutionelle Staat), oder auf eine parlamentarische Herrschaft bevorrechteter Klassen mit Schatten - Prärogativen der Krone.

Den fruchtbarsten Boden hat das constitutionelle Princip im Westen, Süd- und Nordwest Europa's gefunden. Nebenher stehen unter den monarchischen Staaten vereinzelte republikanische Gemeinwesen, theils von demokratischer, theils von aristokratischer Färbung. Nähere Betrachtungen hierüber gehören dem Staatsrecht an.

18. Das wesentlichste Kennzeichen eines wirklichen Staates be= steht in dem organischen Dasein einer eigenen vollkommenen Staatsgewalt. Ihre Ausschließlichkeit und Unabhängigkeit von äußerem Einfluß ist die völkerrechtliche Souveränetät der Staaten. Jedoch ist lettere nicht immer in gleicher Weise, weder thatsächlich noch rechtlich bei allen Staatengebilden vorhanden; vielmehr lassen sich in dieser Hinsicht folgende Kategorien unterscheiden:

I. Der einfache freie souveräne Staat, ohne sonstigen bleibenden Zusammenhang mit anderen Staaten, außer dem allgemein völkerrechtlichen.

II. Der zusammengesetzte Staat', worunter in der weitesten Bedeutung des Wortes zu begreifen ist:

1) Der gewöhnliche Schulausdruck dafür ist systema civitatum. Vgl. Sam. a Pufendorf, de systematibus civitatum, in f. diss. acad. sel. Lond. Scan. 1675. p. 264. J. C. Wieland, de system. civ. Lips. 1777 (Op. acad. I, n. 2).

a. das Verhältniß halbsouveräner1 Staaten zu demjenigen, von welchem sie sich in bleibender Abhängigkeit wenigstens für ihre äußeren Verhältniffe befinden (§ 19);

b. die Vereinigung mehrerer an sich getrennter Staaten unter einer gemeinsamen Staatsgewalt (unio civitatum), wobei wieder vielfache Verschiedenheiten vorkommen (§ 20).

III. Der Staatenbund (confoederatio civitatum) oder die bleibende Vereinigung mehrerer Staaten zur gegenseitigen Ergänzung und Erreichung gemeinsamer Zwecke (§ 21).

Ueberdies kann selbst der völlig souveräne Staat in feinen äußeren Beziehungen gewissen Beschänkungen unterworfen sein (§ 22).

19. Halbsouveränetät ist zwar ein überaus vager Begriff, ja beinahe ein Widerspruch in sich, da der Ausdruck Souveränetät gerade die absolute Negation jeder äußeren Abhängigkeit anzeigt und eine Beschränkung dieser Negation im Allgemeinen eine unbestimmbare Menge von Abstufungen zuläßt, welche sich nicht auf Zahlenverhältnisse zurückführen lassen. Insofern jedoch die Souveränetät eine wesentlich doppelte Bedeutung und Wirksamkeit hat, eine äußere, anderen Staaten gegenüber, und eine innere, in dem Bereiche des eigenen Staates, wovon lettere freilich auch regelmäßig die Basis der ersteren ist, kann man, wo zwar diese Basis vorhanden, jedoch die äußere Wirksamkeit durch eine höhere Macht gehemmt ist, das Verhältniß der Staatsgewalt eine Halbsouveränetät nennen. Diesem Verhältniß entsprach vormals2 die Deutsche landesherrliche Gewalt3 vor ihrer lezten fast maßlosen Ausdehnung, so lange es noch eine kräftige Reichseinheit gab. Beispiele in heutiger Zeit waren bis vor Kurzem die Herrschaft Kniphausen in Norddeutschland, mit allen

Pölik, Jahrb. der Gesch. und Staatskunst. 1829. I, 620. Chph. Lud. Stieglitz, Quaest. iur. publ. Spec. I. Lips. 1830.

1) Diese Benennung ist hauptsächlich erst durch I. J. Moser (f. dessen Beitr. 3. Völkerr. in Friedensz. I, 508) gebräuchlich geworden.

2) Aus der älteren Geschichte lassen sich hierher die abhängigen Bundesgenossen der Athener, dann die von den Römern unterworfenen populi liberi, mit der Bedingung: ut majestatem P. R. comiter conservarent (vgl. L. 7. § 1. D. de captiv.), rechnen. Dagegen ist das Verhältniß der seit 1806 mediatisirten Deutschen Reichsstände, wie es nach der Deutschen Bundesacte Art. 14 regulirt ist, noch bei Weitem keine Halbsouveränetät zu nennen.

3) Günther, Völkerr. I, S. 121.

Rechten der inneren Landeshoheit, des Seehandels und einer eigenen. Flagge, unter dem Schuße des Deutschen Bundes und unter der Hoheit, welche Oldenburg anstatt der ehemaligen Deutschen Reichsstaatsgewalt, jedoch ohne das Recht der Gesetzgebung, auszuüben hatte'; sodann die Wahl-Fürstenthümer der Moldau und Walachei und das Erb-Fürstenthum Serbien unter Türkischer Hoheit, der Barbareskenstaaten nicht zu gedenken3.

Das Recht des vorgesetzten Souveräns wird gewöhnlich Hoheit, Oberhoheit, auch suzeraineté genannt*.

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20. Eine staatliche Einigung (unio civitatum) entstehet entweder durch die zufällige Beherrschung mehrerer Staaten durch einen und denselben Souverain (unio personalis), wobei aber jeder Staat dem anderen rechtlich fremd bleibt und nur Bekriegung des einen durch den anderen fast undenkbar wird, wenn beide gleich selbständig sind und besonders der Souverän beide gleich unabhängig regiert; oder die einzelnen Staaten stehen mit einander selbst in Verbindung, so daß ihre Schicksale ganz oder theilweis gemeinsam werden (unio realis). Die einzelnen Abstufungen dabei sind:

I. Der incorporirte Staat, wo einer nur das Nebenland (accessorium) des anderen ist und der Hauptstaat zugleich über das Schicksal des Nebenstaates völkerrechtlich mit entscheidet. In diesem Verhältniß steht meistens der neuere Colonialstaat zu dem Mutterlande; jezt auch das Königreich Polen zu Rußland ®.

1) Das Verhältniß dieser kleinen Herrschaft ward unter K. Oesterreichischer, K. Preußischer und K. Russischer Vermittelung durch freien Vertrag zwischen Oldenburg und dem leztverstorbenen Besißer, Grafen v. Bentinck, näher regulirt und dieses s.g. Berliner Abkommen d. d. 5. Juni 1825 durch Beschluß des Deutschen Bundes vom 9. Juni 1829 unter die Garantie desselben genommen, vorbehaltlich der wohlbegründeten Rechte dritter Personen. Seit 1854 ist Oldenburg im Besitz der Herrschaft.

2) Die neuesten Bestimmungen über sie sind durch den Pariser Friedensschl. v. 30. März 1856. Art. 22. 28 getroffen. Wegen Serbien s. indeß v. Tkalac, Staatsr. d. Fürstenth. Serb. Lpz. 1858. S. 27, wonach es kein rein halbsouveränes wäre, sondern etwas mehr.

3) Ehedem rechnete man auch den District Poglizza in Dalmatien unter Oesterreichischer Hoheit zu den halbsouveränen Ländern. Allein davon kann wohl jezt keine Rede mehr sein. Neigebaur, Südslaven. Leipz. 1851. S. 165.

4) Eigentlich bedeutet das Wort suzerain den Lehnsherrn.

5) Eine etwas verschiedene Classification findet sich in Klüber, dr. des gens § 27. 6) Vgl. Phillimore I, 89.

II. Die Vereinigung nach gleichem Rechte, es sei nun blos zu einem friedlichen Nebeneinanderbestehen und zu gemeinsamer Kriegführung oder Erreichung anderer einzelner Zwecke, wie z. B. Norwegen mit Schweden' verbunden ist; oder Vereinigung zu einem Gesammtstaat unter einer und derselben gemeinsamen Staatsgewalt, welche wiederum auf verschiedene Weise in rein monarchisch regierten Staaten erscheint, z. B. in den vereinigten Staaten des Desterreichischen Kaiserhauses oder des Bourbonischen Hauses zu Neapel; anders in constitutionellen Staaten, z. B. in dem Verhältniß der drei vereinigten Königreiche England, Schottland und Irland2; anders endlich in dem demokratischen Bundes- oder Föderativstaat3. Beispiele hierzu lieferte bereits die alte Welt, vorzüglich der Achäische Bund, sodann in neuerer Zeit der Nordamerikanische Freistaat*, die Schweiz, der Mexicanische Staatenbund. In dergleichen Unionsverhältnissen ist ein besonderes staatliches Sein dem einzelnen mitvereinigten Staat nicht abgesprochen, wenn er auch abhängig ist von der Centralstaatsgewalt bis zu einer verfassungsmäßigen Grenze. Diese Centralgewalt wird aber oft eine sehr ohnmächtige den einzelnen Staaten gegenüber, sobald diese ihre eigene Kraft fühlen und ein centrifugales Streben beginnen. Die nächste Geburt ist dann meist ein Staatenbund.

21. Sehr verschieden von dem zusammengesetzten Staat ist der Staatenbund, bei welchem es keine gemeinsame oberste Staatsgewalt, sondern nur Vertragsrechte und gemeinsame Organe zur Erreichung der vereinbarten Bundeszwecke giebt; eine dauernde Staaten

1) S. den Vereinigungsact v. 31. Juli u. 6. Aug. 1815. Martens, N. Réc. II, 608-615.

2) Eine völlige unio per confusionem nimmt hier Weiß in der Kieler Monatschrift an. S. indeß Bluntschli, Staatswörterb. IV, 457.

3) Polyb. II, 37, 10. 11. Fr. W. Tittmann, Griech. Staatsverf. 1822. S. 673. Ueberhaupt, S. 667 ff. Saint-Croix, des anciens gouvernem. fédératifs. Strasb. 1800. A. E. Zinserling, le systême fédératif des anciens mis en parallèle avec celui des modernes. Heidelb. 1809. Pölit, die Staatensysteme Europa's und Amerika's. Leipz. 1826. 3 Bde.

4) Dessen Verfassung s. in N. Cours de droit politique, par Story, trad. p. Odent, Par. 1843. James Kent, Comment. on the American Law. NewYork. ed. 2. 1832. Deutsch von Bißing. Heidelb. 1836. Phillim. I, 138. 5) Phillimore ebendas. 134.

gesellschaft mit eigenen organischen Einrichtungen für jene Zwecke. Die einzelnen verbündeten Staaten bleiben hier in allen Beziehungen souverän und sind von dem gemeinsamen Willen des Vereines nur in so weit abhängig, als sie sich demselben vertragsweise untergeordnet haben, während sie im Bundesstaat höchstens nur halbsouverän sind. Ein derartiger Staatenbund ist meistens die erste Progression der sich selbst aufgebenden und als ohnmächtig erkennenden Kleinstaaterei, gewöhnlich auch zusammenhängend mit nationalen Stamminteressen; oder, wie bereits vorhin bemerkt, eine Auflösung des Bundesstaates. Wir finden ihn im Alterthum, in den Verbindungen Griechischer und Lateinischer Städte (reine Schutz- und Trugvereine); in neuerer Zeit noch in der Schweizerischen Eidgenossenschaft', in dem vormaligen Freistaat der sieben vereinigten Niederlande, endlich jezt in dem Deutschen Bunde. Der Einfluß des Bundesverhältnisses auf die einzelnen Staaten kann natürlich ein sehr verschiedener sein und dasselbe sich bald mehr bald weniger einem Bundesstaat annähern. Seine Hauptwirksamkeit geht auf das äußere Verhältniß der Verbündeten zu anderen Mächten; nur in so fern ist er selbst auch eine völkerrechtliche Person. Als Hauptarten lassen sich unterscheiden:

der dynastische Staatenbund, wo nur die Regierungen mit einander verbündet sind und in der Bundesmacht zugleich ihre Anlehnung und Verstärkung suchen; dann

der Völker-Staatenbund, welcher auch die beherrschten Stämme selbst organisch mit vereinigt.

Nur der lettere darf auf längeren Bestand rechnen; der reine Regierungsbund ist ein blos mechanisches Gebilde der Politik.

22. Die Modalitäten, deren die Staatssouveränetät fähig ist, ohne sich selbst aufzugeben, sind außer dem eben berührten Bundesverhältniß

I. freiwillige Beschränkungen einzelner Regierungsrechte zu Gunsten anderer Mächte, oder Zugeständnisse bestimmter Vortheile und dauernder Leistungen an andere Staaten, z. B. einer Rente oder eines eigentlichen Tributs als Preises für erlassene Nachtheile;

1) Deren Darstellung s. bei Zschokke, in Rotteck und Welcker Staats - Lexic. V, 625.

2) Man s. weiterhin die Lehre von den Staatsservituten § 43.

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