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können uns aber nur gegen dieselbe aussprechen, da sie jedes Rechtsgrundes entbehrt und wohl eher dazu geeignet ist den Krieg herbei. zuführen, als ihn zu vermeiden. Wir wünschen daher, daß sie auch factisch nicht mehr angewandt werde.

F. v. Martens30), von der Erfahrung ausgehend, daß jedes Embargo, sowohl als Repressalie wie als kriegerische Maßregel die Interessen beider Theile schädige und nachtheilig auf den neutralen Handel wirke, behauptet, daß dieses Zwangsmittel von selbst außer Gebrauch gekommen sei. Demnach wären aber nur Opportunitätsgründe, nicht Rechtsgründe maßgebend gewesen, und auf lettere hat sich doch vorzugs. weise, wenn nicht ausschließlich die völkerrechtliche Praxis zu stüßen.

Somit ist denn das Embargo bei drohendem Kriegsausbruch von Hautefeuille energisch verurtheilt, von Geffcken und F. v. Martens als nicht mehr gebräuchlich bezeichnet worden.

3. Das Embargo nach ergangener Kriegserklärung.

Wenn schon das Embargo bei drohendem Kriegsausbruch als völ. kerrechtlich unzulässig zu bezeichnen ist, so ist das unzweifelhaft in Bezug auf das Embargo nach ergangener Kriegserklärung auf Güter von Privaten der Fall. Zwar ist der Grundsaß, daß das Privateigenthum im Kriege frei sei, leider durchweg, namentlich im Seekriege nicht durch. geführt, wohl aber ist das Embargo auf Schiffe und Ladung von Staatsangehörigen des Feindes, welche sich in den Häfen oder Gewässern des Gegners finden, durch die Theorie sowohl als durch die Praxis immer mehr als unstatthaft anerkannt worden.

Heffter 1) hat freilich auch dieses Embargo, welches er als unmittelbare Begleiterin eines eintretenden Kriegszustandes charakterisirt, keiner Beurtheilung unterzogen, sondern wie das vorher bezeichnete als thatsächliches registrirt, indeß bemerkt Geffcken dazu, daß die Beschlagnahme beim Ausbruch des Krieges nicht mehr vorkomme, vielmehr stets eine Frist zur unbehinderten Abwehr (wohl Abreise?) gegeben werde. Auch Calvo32) bestätigt, daß in der Gegenwart solche Embargos durch das internationale Recht verurtheilt seien und daß jede Nation, welche sich selbst achte, dem feindlichen Eigenthum, besonders dem auf der Seefahrt befindlichen einen hinreichenden Termin bewillige, um dasselbe in Sicherheit zu bringen. Bluntschli erfordert als gute Kriegsfitte, daß die feindlichen Handelsschiffe nicht mehr sofort nach dem Ausbruch des Krieges durch unerwartete Wegnahme überrascht, sondern denselben eine Frist gewährt werde, innerhalb welcher sie aus den feindlichen Häfen auslaufen und einen sicheren Zufluchtsort aufsuchen können.

Diese geforderte Rücksichtsnahme wird in Bezug auf Schiffe und Ladung in Verträgen vereinbart und in Verordnungen während des Krieges gewährt.

Schon die Magna Charta enthält die Bestimmung, daß beim Beginn eines Krieges die Kaufleute des Feindes so gehalten und behandelt werden

Handbuch des Völkerrechts IV.

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sollen wie unsere Kaufleute im Lande des Feindes. In einer großen Zahl von Verträgen ist aber eine Bestimmung enthalten für den Fall eines Krieges und eine bestimmte Zeit zur Fortschaffung von Gütern und zur Abreise von Personen gewährt.33) Der Orientalische Krieg hat dann die kriegführenden zur Gewährung bestimmter Gunstfristen (Indulte) für fremde Schiffe veranlaßt.

Eine Englische Declaration vom 29. März 1854 bewilligte den Russischen Handelsschiffen, welche in einem Britischen Hafen stationirt waren, eine Frist von sechs Wochen vom Tage der Bekanntmachung, um ihre Ladungen einzunehmen und ohne daran verhindert zu werden, ihre Fahrt wieder aufzunehmen zu einem nicht blocirten Hafen. Diese Con cession wurde indeß nicht Russischen Schiffen gewährt, welche vor dem 29. März 1854 einen Britischen Hafen verlassen hatten oder welche innerhalb der sechs Wochen einen neutralen Hafen mit Destination für einen nicht Britischen Hafen verließen. Dagegen waren Russische Schiffe, welche vor der Publication einen fremden Hafen mit der Desti nation zu einem Britischen Hafen verlassen hatten, ermächtigt in diesen Plag einzulaufen und ihre Ladungen zu löschen und wieder ohne irgend ein Hinderniß zu irgend einem nicht blocirten Hafen sich zu begeben.34)

In gleicher Weise gewährten Frankreich mittelst Declaration vom 27. März 1854 den Russischen Schiffen eine Frist von sechs Wochen, um aus Französischen Häfen auszulaufen und ihre Ladung zu vervoll. ständigen, und Rußland mittelst Declaration vom 6. April 1854 Eng. lischen und Französischen Handelsschiffen, welche sich in Russischen Häfen befanden, eine Frist von sechs Wochen, um ihre Ladung einzunehmen und fie ohne Hinderniß zu einem fremden Hafen zu verbringen. Dieselbe Vergünstigung wurde später den Schiffen Sardiniens zu Theil.35)

Während des Desterreichisch-Sardisch-Französischen Krieges gestattete die Desterreichische Regierung mittelst Verordnung vom 11. Mai 1859 den in Desterreichischen Häfen befindlichen Sardischen und Französischen Handelsschiffen auszuladen und die Häfen zu verlassen.35)

Die den Commandanten von Flottenescadren und Kriegsschiffen ertheilten Französischen Instructionen vom 25. Juli 1870 gewähren. aber den feindlichen (Deutschen) Handelsschiffen einen Termin von nur dreißig Tagen, um aus den Französischen Häfen auszulaufen, sei es, daß sie sich damals dort befanden oder später, ohne Kenntniß vom Kriegszustande, eingelaufen waren. Ja, es sollten sogar die feindlichen Handelsschiffe, welche vor der Kriegserklärung Ladungen nach Frankreich und für Französische Rechnung eingenommen hatten, ungehindert ihre Ladungen in den Französischen Häfen löschen.37) In beiden Fällen werden den wieder auslaufenden feindlichen Handelsschiffen nach Französischer Publication vom 20. Juli 1870 Geleitbriefe ausgereicht, um frei in ihre Heimathshäfen oder Bestimmungshäfen sich begeben zu können.

Endlich beschloß der Norddeutsche Bundesrath im Jahre 1870, daß im Fall des Ausbruches des Krieges mit Frankreich Französischen

Kauffahrteischiffen, welche sich bei Beginn des Krieges in Deutschen Häfen befinden oder welche später, bevor sie von dem Ausbruch des Krieges unterrichtet waren, in solche Häfen einlaufen, gestattet werden solle, bis zum Ablauf von sechs Wochen, vom Tage des Ausbruchs des Krieges gerechnet, in dem Hafen, in welchem sie sich befinden, zu verbleiben und ihre Ladungen einzunehmen, beziehungsweise zu löschen. Dieser Beschluß wurde mittelst Verfügung vom 17. Juli 1870 bekannt gegeben. 38)

Nach Inhalt der vorstehend referirten Bestimmungen der bedeutendsten Seestaaten Europas unterliegt es daher keinem Zweifel, daß feindliche Handelsschiffe, welche sich nach der Kriegserklärung in den Häfen des Feindes befinden, eine meist sechswöchentliche Frist zum Ausladen, Einladen und Verlassen des Hafens genießen, somit weder die Schiffe, noch die Ladung dem Embargo durch den Feind unterliegen. Dagegen würde das Auslaufen und Einlaufen von Schiffen in einen Hafen einer kriegführenden Macht wohl verboten werden können, um die Verbreitung von Nachrichten über den Vertheidigungszustand des bezüglichen Hafens zu verhindern. Es erscheint daher das gleich nach Ausbruch des DeutschFranzösischen Krieges im Juni 1870 an die Schiffe aller Nationen ergangene Verbot, aus dem Kieler Hafen von einem bestimmten Zeitpunkt ab aus oder in denselben einzulaufen, im Interesse der Sperrarbeiten und der Geheimhaltung der Sperreinrichtungen, wohlbegründet39) und nicht minder, wenn das Anlaufen dennoch zu befürchten wäre, die Verhängung eines Embargo auf Schiff und Ladung und die Zurückhaltung der Schiffsmannschaft, da in diesem Fall gerade eine der Mannschaft zugestandene freie Bewegung und Abreise zu behindern wäre.

1) Wurm, Völkerrechtliche Selbsthülfe, in Rotteck und Welcker's Staatslexikon 1848. XII. Bd. 126,

2) Fiore II. 663.

3) F. G. v. Martens II. § 268.

4) Heffter § 112.

5) Siehe § 33 am Anfange.

6) Calvo II. 609.

7) Oppenheim S. 245.

8) Phillimore III. 44, 48.

9) Ortolan I. 350.

10) Twijs II. 21.

11) Woolsey § 118.

12) Perels 166.

13) v. Holzendorff 1. c. S. 678.

14) Fiore II. 663.

15) Klüber § 234.

16) Manning 143.

17) Oppenheim S. 296.

18) Carnazza-Amari II. 610.

19) Hautefeuille III. 409.

20) Twiss II. 22.

21) Heffter § 112.

22) Vattel II. § 342.

23) F. G. v. Martens II. § 268.

24) Hautefeuille III. 411.

25) Wheaton I. 277; Phillimore III. 44 ff.; Calvo II. § 1586.

26) Twiss II. 22.

27) Twiss 1. c.

28) Fiore II. 664.

29) Phillimore III. § 25.

30) F. v. Martens II. S. 472.

31) Heffter § 112.

32) Calvo II. § 1583.

33) Phillimore III. § 28.

34) Bulmerincq, Prises maritimes. Gand. 1880. 25.

5) Bulmerincq 1. c. 164.

36) Bulmerincq 1. c. 78.

37) Bulmerincq 1. c. 79 ff. Actenstücke in Bezug auf Handel und Schiff. fahrt während des Deutsch-Französischen Krieges im Jahre 1870 in der Beilage zum Staatsarchiv 1870. Nr. 32.

38) Die citirten Actenstücke 3a.

39) Perels, Internationales Seerecht S. 166. 3.

IV. Die Friedensblocade.

Literatur: Hautefeuille, Des droits et des devoirs des nations neutres. Paris 1868. II. 183, 259 ff. Cauchy, Le droit maritime international. Paris 1862. II. 426. Pistoye et Duverdy, Traité des prises maritimes. Paris 1855. I. 376. Paris 1882. G. 38 ff. Calvo II. 612, IV, 186 ff. Woolsey, Internat. law. § 119. Hall, International law. § 121. Heffter, Völkerrecht

Fauchille, Du blocus maritime.

§ 112. Perels, Internationales öffentliches Seerecht, 167. - Gessner, Le droit des neutres sur mer. Berlin 1876, 234. Bluntschli, Das moderne Völkerr. 1878, § 507. Neumann, Grundriß des heutigen Euro. päischen Völkerrechts. Wien 1885. S. 96. Westlake in der Revue de droit international. 1875. 611. De Burgh, The elements of maritime international law. London 1868. S. 121 n. 2. Fiore, Droit international public. II. 668. Carnazza Amari, Droit international. II. 622. F. v. Martens, Völkerrecht II. 473 ff.

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Die Praxis der Friedensblocade.

Eine Friedensblocade (blocus pacifique) d. h. eine von einem Staat gegen die Häfen oder Küsten eines anderen Staates, mit welchem er sich im Friedenszustande befindet, verhängte Blocade ist in diesem Jahrhundert wiederholt von Seestaaten, am häufigsten von England und Frankreich geübt worden.

Drei Friedensblocaden sind bei Gelegenheit von Unabhängigkeitskriegen erklärt worden. Die eine während des Griechischen, die andere während des Belgischen und die dritte während des Neapolitanischen. Indeß sind diese Kriege nur die entfernte Ursache jener Blocaden und kann auch hier der Zweck das Mittel nicht heiligen.

Im Jahre 1827 blocirten England, Frankreich und Rußland die Küsten Griechenlands in den durch Türkische Truppen beseßten Gegenden unter dem Vorwande, daß ihre Vermittelung zwischen der Türkei und Griechenland nicht angenommen worden sei. Dieser Vorwand war indeß nichtig, denn es kann die völkerrechtliche Vermittelung nur zwischen zwei Staaten ausgeübt werden, und Griechenland war damals noch kein unabhängiger Staat; wenn es sich auch selbst dafür erklärt hatte durch das organische Gesetz von Epidaurus vom 13. Januar 1822, so wurde diese Unabhängigkeit doch erst durch die die Blocade verhängenden Staaten vermittelst von Griechenland und der Pforte angenommenen Protokolles vom 3. Februar 1830 anerkannt.

Mit richtigem Ausdruck hat Hautefeuille1) diese angebliche Mediation als „Intervention" bezeichnet. Aber selbst, wenn sie eine Mediation gewesen wäre, so konnte sie doch als solche nicht gewaltsam erzwungen werden. Ebensowenig konnte die Blocade als Repressalie wider die Türkei geübt werden, denn diese hatte nicht die Rechte irgend einer der drei Mächte verlegt. Da nun die drei Mächte die Blocade, ohne völkerrechtlich dazu berechtigt zu sein, übten und da sie, selbst nach Vernichtung der Türkischen Flotte bei Navarin troßdem erklärten, mit der Türkei nicht im Kriege zu sein, so fand ihre Blocadeerklärung während des Friedenszustandes keine Begründung im Völkerrecht und konnte in keiner Weise diese damals neu eingeführte Art der Blocade rechtfertigen.

Ebensowenig kann die Friedensblocade während des Belgischen Unabhängigkeitskrieges gerechtfertigt werden. Im Jahre 1833 blocirten England und Frankreich die Küsten Hollands, obgleich sie angaben, mit diesem Staat im Frieden zu sein, um den König von Holland zu ver anlassen, daß er sich nicht mehr der Lostrennung Belgiens widerseze. Die Union dieser beiden Länder beruhte aber auf dem Wiener Vertrage vom 31. Mai 1815, welcher von der einen Seite von den Niederlanden, von der anderen von Großbritannien, Desterreich, Preußen und Rußland abgeschlossen war. Wie konnte daher England als einer der Vertrags. contrahenten ermächtigt erscheinen, durch eine Gewaltmaßregel wie die Blocade die durch Vertrag begründete Union zu brechen? Freilich war auf der Londoner Conferenz der fünf Großmächte im December 1830 die Trennung Belgiens von Holland ausgesprochen und auf derselben Conferenz am 28. Januar 1831 Belgien als unabhängiger Staat an erkannt worden, indeß war dieser Act seitens derjenigen Mächte, welche die Union vertragsmäßig mitbegründet hatten, vollständig widerrechtlich, so lange nicht die Niederlande ihre Zustimmung gegeben hatten, was erst im Vertrage vom 19. April 1839 (Artikel 3) geschah. Die Blo

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