Page images
PDF
EPUB

nur eine allgemeine Aufforderung zur gütlichen Ausgleichung statt und die Empfehlung der Vorschläge der Parteien, während der Vermittler selbst Vorschläge macht (Berner 1. c). Staatsschriften unterscheiden beide wiederholt, vermengen sie aber auch, wie weiter unten bei Behandlung der Vermittelung nachgewiesen werden wird. Die Staaten selbst nehmen aber gute Dienste an und lehnen eine angebotene Ver mittelung ab. Schweden wollte 1742 mit Rußland nur unter der Vermittelung Frankreichs unterhandeln, Rußland gestand aber nur gute Dienste Frankreichs zu. (Moser 1. c. 433.) Spanien erbat sich 1823 im Streit mit Frankreich die guten Dienste Englands, dieses erbot sich aber zur Vermittelung, welche indeß wieder Frankreich ablehnte, indem es nur die guten Dienste wollte, denen sich denn auch England unterzog (f. den Notenwechsel hierüber bei Phillimore III. Appendix 758, 763 und 764). Andererseits wurde ein von Frankreich und Großbritannien in Streitigkeiten zwischen Spanien und Marocco im Jahre 1844 angebotener Schiedsspruch abgelehnt, die Vermittelung aber an genommen und führte sie einen Ausgleich herbei. (Calvo II. 538 ff.)

$ 8.

2. Vermittelung.

Literatur: Ch. de Martens, Guide diplomatique, 1851, I. 191.-J. J. Moser, Versuch des neuesten Europäischen Völkerrechts, VIII. 421 ff. Heffter, Völkerrecht, § 88. II. Bulmerincq in v. Holzen. dorff's Rechtslexikon s. v. Vermittelung und in seinem Handbuch des Völkerrechts, § 87, 3.

Berner 1. c.

[ocr errors]

Während die guten Dienste in völlig freier Form geübt werden in Rücksicht auf eine Staatsstreitigkeit, ist für die Vermittelung (médiation) einer solchen eine bestimmte Art des Verfahrens üblich geworden.

Anlaß zu einer Vermittelung zwischen im Streit begriffenen Staaten ist gegeben, falls diese nicht durch Unterhandlung unter einander zu einer gütlichen Ausgleichung gelangen, oder um die Beendigung eines Krieges herbeizuführen oder um den Abschluß eines Friedens zu fördern oder bei Vertragsabschlüssen (Ch. de Martens I. 192.) oder bei Vergleichsabschlüssen.1)

In dem ersten und zweiten Fall wird die Vermittelung in der Regel von dritten Staaten angeboten, in den letteren von einem oder den zum Friedensschluß, Vertrags- oder Vergleichsabschluß geneigten Staaten erbeten. Allem zuvor müssen aber die streitenden Theile sich über die Annahme einer Vermittelung und welchem Staat oder welcher Persönlichkeit sie dieselbe übertragen wollen, geeinigt und dieser oder diese sich zur Uebernahme der Vermittelung bereit erklärt haben. Eine

Vermittelung kann entweder ganz allgemein vereinbart werden für die ganze Streitigkeit oder zum Aufhörenmachen des Krieges überhaupt oder nur zur Herbeiführung eines Waffenstillstandes oder zum Abschluß des gesammten Friedens oder nur für einzelne Gegenstände desselben, oder zur Ausführung eines Friedens.

Die Vermittelung wird bei Streitigkeiten und Friedensabschlüssen erst dann erforderlich werden, wenn zwischen den Staaten Meinungsverschiedenheit besteht über die Art der Ausgleichung oder eine einzelnen Friedensabmachung, während sie, falls sie die Beendigung eines gewalt. samen Verfahrens zum Zweck hat oder den Abschluß eines Vertrages oder Ausgleichs überhaupt, zunächst nur jene Beendigung oder diesen Abschluß zur Aufgabe hat.

Der zwischen Portugal und Brasilien am 29. April 1825 unter Vermittelung Großbritanniens abgeschlossene Friedensvertrag sanctionirte die Abtrennung Brasiliens von Portugal und anerkannte dessen Unab hängigkeit (M. N. R. VI. 176). Wir erwähnen ferner die Friedensvermittelungen: Großbritanniens und Preußens vom 4. August 1791 zu einem Friedensvertrage zwischen Oesterreich und der Türkei (M. R. 2. V. 253), und die Convention Desterreichs und Frankreichs vom 30. Juni 1813 zur Vermittelung des Friedens durch Oesterreich (M. N. R. I. 586). Endlich vermittelte Großbritannien wiederholt zwischen Staaten anderer Welttheile und auch unter Stämmen derselben. So z. B. zwischen Texas und Mexico laut Vertrag vom 11. Novbr. 1841 (M. N. R. G. IV. 609) und unter Stämmen und Chefs der Arabischen Küste des Persischen Golfes am 4. Mai 1853 (M. N. R. G. XVI. 2. p. 123).

Zur Vermeidung aller Zweifel über das Anerbieten oder die Aufforderung zur Vermittelung und über die Aufgabe derselben, sowie über die Vermittelungsvorschläge und den Vermittelungsabschluß sind alle diese Acte schriftlich abzufassen, wenn auch die erste Einleitung zu einer Vermittelungsübung, zu den Vermittelungsverhandlungen und zum Vermittelungsabschluß durch die Bevollmächtigten der zur Vermittelung auf. geforderten Staaten mündlich geübt werden kann. Insbesondere wird aber auch eine beabsichtigte Vermittelung in einem nur diese behandelnden Vertrage vereinbart, wie im geheimen Vertrage zwischen Frankreich und Desterreich vom 30. Juni 1813) die Vermittelung Desterreichs zur Herbeiführung des Abschlusses eines allgemeinen oder continentalen Friedens. Andererseits findet die Annahme einer Vermittelung auch in Verträgen anderen Hauptinhaltes statt, wofür der zwischen Frankreich und Rußland am 7. Juli 1807 abgeschlossene Tilsiter Friedensvertrag in den Art. 13 und 23 einen zwiefachen Beleg darbietet, da im Art. 13 der Kaiser Napoleon I. die Mediation des Kaisers von Rußland zur Unterhandlung und zum Abschluß eines definitiven Friedensvertrages zwischen Frankreich und England und im Art. 23 der Kaiser von Rußland die Vermittelung des Kaisers Napoleons I. zum Abschluß eines Friedens zwischen Rußland und der Pforte annimmt.3)

Ohne vertragsmäßige Vereinbarung besteht kein Zwang zum Anerbieten, zur Annahme und zur Execution eines Vermittelungsspruches, selbst wenn eine Vermittelung gehörig angeboten, von den Betheiligten und den Vermittlern angenommen und durch die Vermittler endgiltig und unter Zustimmung der Betheiligten festgestellt wäre, denn nur ein internationaler Schiedsspruch muß unbedingt ausgeführt werden. Indeß wird einer gehörig geübten Vermittelung wohl auch die Folgeleistung nicht versagt werden können, da sonst insbesondere die aufgeforderten vermittelnden Staaten sich verlegt fühlen müßten. Ebenso können auch die Vermittler nur aus triftigen Gründen die Uebernahme einer Vermittelung versagen und von einer übernommenen Vermittelung nur zurücktreten, falls entweder ihr Versuch zur Vermittelung fehlgeschlagen oder sie ihren Vermittelungsact vollständig durchgeführt hatten, d. h. der ihrer Vermittelung gesezte Zweck erreicht wurde.

Anders verhält es sich dagegen mit dem Anerbieten, der An nahme und der Beendigung einer Vermittelung, wenn einer dieser Acte von und für bestimmte Staaten vertragsmäßig für den Fall einer Streitigkeit festgesezt war. Denn dann sind Vermittler und Vermittelte völkerrechtlich zum Anerbieten, zur Annahme und zur Uebung der Vermittelung verpflichtet. Diese Verpflichtung kann zwar ebenso wie bei den guten Diensten für Staaten der internationalen Rechtsgemeinschaft aus dieser selbst gefolgert werden zur Bewahrung des Rechts- und Friedensstandes, indeß wird eine vertragsmäßige Vereinbarung ein besseres Forderungsrecht begründen.

Ein solches Forderungsrecht ergiebt sich denn aus dem weiter oben. (Seite 20) angeführten Art. 8 des Pariser Vertrages vom 30. März 1856, indem nach demselben, freilich nur bei Differenzen der anderen Vertragscontrahenten mit der Türkei, vor der Anwendung von Gewalt die Streitenden die anderen contrahirenden Theile in Stand sehen müssen, diesem Aeußersten durch ihre Vermittelung zuvorzukommen. Durch diese Bestimmung sind die streitenden Theile verpflichtet, die beim Streit nicht betheiligten anderen Contrahenten des Pariser Vertrages zur Ver mittelung aufzufordern, und diese verpflichtet sie zu leisten. In dem einen und anderen Fall besteht ein Forderungsrecht auf eine Seitens der Streitenden zu erhebende Beanspruchung der Vermittelung und auf Uebung der Vermittelung durch die nicht im Streit begriffenen anderen Contrahenten.

Ein Beispiel einer unter einer weit größeren Zahl von Staaten vereinbarten Vermittelung bietet die Generalacte der Berliner CongoConferenz: cap. III. Art. 12, indem für den Fall, daß ein ernster Zwiespalt in Bezug oder innerhalb der Grenzen der im Art. 1 erwähnten, unter das Regime der Handelsfreiheit gestellten Territorien zwischen den diese Acte unterzeichnenden Mächten ausbrechen sollte, diese Mächte fich verpflichten, ehe sie an die Waffen appelliren, ihre Zuflucht zur Vermittelung einer oder mehrerer befreundeter Mächte zu nehmen.

Freilich beschränkt sich die Verpflichtung zur Beanspruchung und Leistung der Vermittelung hier nur auf bestimmte Gebiete der Mächte.

Die Vermittelung fann entweder ein Staat oder können mehrere Staaten gemeinschaftlich oder eine einzelne angesehene Persönlichkeit, gewöhnlich ein Staatshaupt, übernehmen, wenn sie auch unmittelbar durch dessen Gesandte oder Bevollmächtigte laut ihrer Vollmacht1) und nur mittelbar in dessen Namen geübt wird. Twis35) giebt der Vermittelung durch Mehrere den Vorzug, weil es einem einzelnen Vermittler nicht immer leicht sein wird, die streitenden Parteien von der Reinheit seiner Absichten zu überzeugen und bei Aufforderung der einen Partei zur Ermäßigung ihrer Ansprüche sich einen unparteiischen Charakter zu wahren. Die nothwendigste Eigenschaft der Vermittler ist aber, daß sie unparteiisch sind; die unparteiische Stellung eines Staates ist freilich bei den mannigfach coincidirenden oder collidirenden Interessen der Staaten der Gegenwart nicht leicht vorhanden.

Zur Vermittelung wird in der Regel nur ein mächtigerer Staat oder ein besonders angesehenes Staatshaupt aufgefordert werden; indeß wird wegen der anzunehmenden größeren Unparteilichkeit das monarchische Haupt eines neutralisirten Staates, wie z. B. Belgiens, sich besonders dazu eignen. Das hohe Ansehen des Papstes veranlaßte in früheren Jahrhunderten die christlichen Staaten ihn zum Vermittler aufzufordern. Indeß hielt er sich im Interesse der Friedensstiftung und der Erhaltung und Vermehrung seines Ansehens schon selbst für dazu berufen oder er sandte auch zur Verhinderung drohender oder zur Beendigung geführter Kriege Legaten, welche besonders in den Englisch-Französischen Kriegen zu vermitteln suchten. Später wurden die weltlichen Fürsten Vermittler) und blieben es bis in die neueste Zeit. Die Vermittlung des Papstes ist, wie derselbe in der Carolinenstreitsache im Breve an den Fürsten Reichskanzler vom 31. December 1885 es selbst bezeugt, seit langer Zeit nicht in Anspruch genommen worden, obwohl es fast nichts gebe, was dem Geiste und Wesen des Römischen Papstthumes so vollkommen entspräche". Die Note des Fürsten Bismarck vom 1. October 1885 in Bezug auf den Carolinenstreitfall erwähnt, daß die Spanische Regierung dem Vorschlage, die Frage der Entscheidung des Papstes zu unterbreiten, dahin entgegengekommen sei, daß sie die Vermittlung Seiner Heiligkeit angenommen und daß der Papst bereit sei, dieselbe eintreten zu lassen. In dem Antwortschreiben des Fürsten Bismarck an den Papst auf das obenerwähnte Breve führt Ersterer aber dennoch aus, daß er den Papst gebeten, das edle Schiedsamt in dem Deutsch-Spanischen Streit zu übernehmen und der Spanischen Regierung vorgeschlagen habe, daß sie an das Urtheil des Papstes appelliren. Weiter aber bezeichnet Fürst Bismarck den Papst als erhabenen Vermittler. Der Papst selbst nimmt aber in seinem Breve nur in Anspruch, daß die Uebereinkunft wegen der Carolineninseln unter jenen Bedingun gen getroffen worden sei, die er vorgeschlagen habe. In der That

liegt nur ein Vermittelungsvorschlag des Papstes vor und nicht ein Schiedsspruch. Denn der Papst schlägt vor, daß das neue Abkommen an die Form des Protokolls sich halte, welches hinsichtlich des Sulu-Archipels am 7. März 1885 zu Madrid zwischen den Ver tretern Großbritanniens, Deutschlands und Spaniens abgeschlossen wurde und daß man bestimmte von ihm angeführte Puncte annehme. In Folge dessen wurde denn auch von den beiderseitigen Gesandten der zu vermittelnden Staaten am 17. December 1885 ein solches Protokoll unterzeichnet. Auch bestimmte der Art. 6 dieses Protokolles, daß, wenn die Regierungen von Spanien und Deutschland ihre Zustimmung zu dem gegenwärtigen Protokoll binnen acht Tagen nicht verweigern sollten oder wenn sie demselben vor Ablauf dieses Termines durch ihre bezüglichen Vertreter zustimmten, die gegenwärtigen Erklärungen“ unverzüglich Geltung erlangen sollten. Demnach erledigen erst diese Erklärungen und nicht ein päpstlicher Spruch die Sache. Endlich erstattete der Deutsche Ge sandte im Namen des Deutschen Kaisers dem Papst Dank für „die weise und wohlwollende Vermittelung". -- Nach Inhalt und Vergleich der vorstehend referirten Actenstücke kann es keinem Zweifel unterliegen, daß hier weder materiell noch formell ein Schiedsspruch des Papstes, der ja auch inappellabel und unbedingt zu befolgen gewesen wäre, vorliegt und daß der Fürst Bismarck, da man von demselben eine Verwechselung zwischen so verschiedenen internationalen Rechtsmitteln wie dem Schiedsspruch und der Vermittelung in einem und demselben Schreiben nicht annehmen darf, weil er Spanien einen Schiedsspruch vorgeschlagen, dem Papst gegenüber zuerst diesen Vorschlag erwähnte, sodann aber, weil Spanien diesen Vorschlag nicht annahm, den Papst als Vermittler bezeichnete. So kann man sich wohl auch erklären, daß die Tagespresse bald vom Schiedsspruch, bald von der Vermittelung des Papstes in der Carolinenstreitsache gesprochen. Auffällig ist es dagegen, wenn Lentner, welcher in seiner Schrift „Das internationale Colonialrecht" (Wien, 1886) sich das Verdienst erworben, die auf den Carolinenstreit bezüglichen Actenstücke abzudrucken, wenn auch die Bismarck'sche Note vom 1. October 1884 (?) nur auszugsweise und das Bismarck'sche Danksagungsschreiben an den Papst ohne Datum in kurzer Aufeinanderfolge (S. 131) vom Schiedsspruch und Vermittelungsvorschlage spricht und zwar unter der jedenfalls incorrecten Rubrik: Carolinen. schiedsspruch. Dennoch erklärt Lentner den Vermittelungsvorschlag des Papstes" für eine Bereicherung des christlicheuropäischen Völkerrechts und für alle Zukunft von guter Vorbedeutung für die ersprießlichen Werke des Friedens und der gegen. seitigen Verständigung unter den Staaten. Wir können dem Vorschlage nur eine politische Bedeutung beimessen, denn unserer Ansicht nach beruht der Vorschlag nicht auf Rechtsgründen, welche wir vielmehr nur in den entgegenstehenden Ausführungen der Deutschen Reichsregierung zu entdecken vermögen, nach denen die Souveränetät Spaniens über die

[ocr errors]
« PreviousContinue »