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Deshalb auch nicht als Gegner, bezw. nicht als unbedingte Gegner einer Codion des Kriegsrechts, sondern als mehr oder weniger Zustimmende zu be en. Vgl. Note 11. Ebenso v. Bulmerincq S. 176 und dazu dessen ndlung in Schmoller's Jahrbuch für Gesetzgebung zc., 2. Jahrg. S. 17 ff. " In dieser kurzen Zeit hat dem Völkerrecht bei Weitem nicht eine so gründ vielseitige, ausgereifte und berufene Bearbeitung zu Theil werden können nderen Rechtstheilen; vgl. v. Bulmerincq, Praxis, Theorie und Codifi. 1 des Völkerrechts, S. 171 ff. Auch ist die Entwickelung des Völkerrechts iesem kurzem Zeitraum eine vielfach ungünstige, von unrichtigen Voraus. gen und Strömungen beherrschte, seine wissenschaftliche Behandlung mehrfach alschen Wegen gewesen; ebendas. S. 167, 172, 174 f., 177. 10) S. den folgenden Paragraphen.

11) Vgl. v. Holzendorff a. d. angef. Orten, Bergbohm, Staatsverträge Geseze als Quelle des Völkerrechts 1877, S. 70 ff. S. aber Note 8. Meine eutungen in: Neuester Codificationsversuch auf dem Gebiete des Völkerrechts , die Bergbohm a. a. D. S. 76 für seine Ansicht anführen zu wollen nt, richten sich nur gegen eine verkehrte Art zu codificiren, gegen aprioristisches truiren und können deshalb durchaus nicht gegen die Codifications-Möglichkeit Zulässigkeit schlechthin angeführt werden. Entschieden gegen die Codifinsidee, natürlich mit Ausfällen gegen die auf anderem Standpuncte stehenden treter der Völkerrechtswissenschaft, Rüstow S. 173. Auch die anderen litärschriftsteller sind nach ihrem ganzen, oben berührten Standpuncte der ification nicht günstig, auch Graf Moltke nicht; vgl. seinen oben citirten efwechsel mit Bluntschli. Dagegen spricht der Russische Heerführer Herzog 1 Leuchtenberg sich günstig für die Codification aus (Revue XIII. p. 307 ff.) 12) Für Möglichkeit und Nüßlichkeit einer Codification des Kriegsrechts schon atham, Works coll. b. J. Bowring VIII. p. 538 ff. Sodann Katsche. vsti in Papers read before the Judical Society II., 1863; F. v. Mar3, Der Orientkrieg und die Brüsseler Conferenz (Russisch) 1879, S. 47 ff. Völkerrecht I. S. 195, s. auch seinen Briefwechsel mit dem Herzog von uchtenberg (Revue XIII. p. 309 ff.); Bluntschli (Revue XIII. p. 82 ff.); ore III. 1283 ff. Ferner Laveleye, Des causes actuelles etc. und die von diesem 162 ff. Genannten, Bara, Lucas, La nécessité d'un congrès scientifique ernat. relatif à la civilisation de la guerre et à la codification du droit gens, 1873, und La Conf. de Bruxelles; Farnese, Proposta di un coe di diritto internazionale, Roma 1873, I.; Mancini, Vocazione del nostro olo per la riforma e codificazione del diritto delle genti, 1874; Holland a. D.; Lueder, Neuster Codific. Vers.; Lasson, Princip und Zukunft des lkerrechts, S. 93 f. Auch Löwenthal, Grundzüge und Reform und Codi. ition des Völkerrechts. Vgl. auch Trendelenburg, Lücken, S. 26, 58 ff. zu die gleich weiter unten im § 73 als Verfasser von Codifications. twürfen Genannten einschließlich des Institut de droit international, 3 ebenfalls einen solchen Entwurf ausgearbeitet und damit wie auch sonst seine ellung bezeichnet hat. Auch die Friedensgesellschaften 2c. haben sich für die rstellung eines internationalen Codex bemüht, s. z. B. Laveleye p. 171 in r Note.

18) S. gleich unten § 72, 73.

14) Dabei braucht nicht einmal gefordert zu werden, daß genau und wörtlich le Staaten (natürlich sind so wie so nur alle civilisirten Staaten gemeint, Handbuch des Völkerrechts IV.

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auf die allein es ankommt) den Vertrag geschlossen haben. Eine überwiegende Mehrheit genügt; vgl. Bulmerincq, S. 170, 171. Nur kann natürlich die Minderheit nicht als gebunden betrachtet werden; s. unten § 72.

15, Vgl. Bulmerincq S. 171.

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Gründliche und mühevolle Vorarbeiten in verschiedener Richtung, namentlich auch solche wie Bulmerincq S. 179 (vgl. S. 171), auch S. 173 im Auge hat, sind allerdings erforderlich. Sie können aber von unserer Zeit geleistet werden, sind zum Theil schon geleistet worden und übrigens gerade für das Kriegsrecht weniger umfangreich als für andere Theile des Völkerrechts. 17) S. Note 11, 12.

18) v. Savigny, Vom Beruf unserer 3. z. Gesetzgebung.

19) Die Nothwendigkeit der Aufstellung eines festen, durchgreifenden Princips hebt auch schon Savigny, dann Bulmerincq S. 173 hervor.

§ 71.

Die leitenden Grundsäße für die Codificirung und Humanisirung des Kriegsrechts.

Literatur: Die zu § 53 angeführte und die in diesem Paragraphen citirten Werke von Lieber, Lentner, Schmidt. Ernsthausen, Hartmann.

Von gewissen allgemeinen Erfordernissen und Grundsäßen, die bei jedem Gesetzgebungswerke beobachtet werden müssen, ist an dieser Stelle nicht zu handeln. Sie kommen auch hier entweder ohne Weiteres oder mit leichten aus der besonderen Natur und Lage des Völkerrechts und der Völkerrechtswissenschaft sich von selbst ergebenden Modificationen zur Anwendung. Hierher gehören u. A. gründliche und richtig angefaßte Vorarbeiten, zu denen speciell für das Völker- nnd Privatrecht neben der sorgfältigen Beachtung der rechts wie kriegswissenschaftlichen Forschung und Entwickelung und der Staats- und Kriegs-Praxis nament lich die Durcharbeitung der bisher positiv abgeschlossenen Einzelverträge gehört, die bisher noch zu wünschen übrig gelassen hat.') Ferner die richtige Zusammenseßung der internationalen Gesetzgebungscommission, in der neben dem staatsmännischen, militärischen und für gewisse Theile des Kriegsrechts militärärztlichen auch das rechtswissenschaftliche Element eine genügende Vertretung haben muß.2) Es gehört hierher auch eine bei der Natur des Krieges und Kriegsrechts erforderliche besonders sorg. fältige Redaction, eine durch eben diese Natur geforderte besonders bestimmte, kurze, präcise, unzweideutige Fassung, welche den ganzen Coder als eine leicht faßliche und leicht anwendbare Instruction für die zu seiner Anwendung berufenen Militärs erscheinen läßt und mit dieser leichten

Faßbarkeit und Anwendbarkeit zugleich die größte juristische Sicherheit und Schärfe des Ausdrucks verbindet.3) Leßteres um so mehr, als der nach Form und Inhalt vielfach unsichere Charakter völkerrechtswissenschaftlicher Veröffentlichungen und in der neuesten Zeit insbesondere die unpräcise Fassung der Vorschläge zu humaner Codificirung des Kriegsrechts dahin geführt haben, daß eben diesen Vorschlägen eine ungünstige Aufnahme zu Theil geworden, daß der guten Absicht geschadet und der Verwirklichung der Codificirung und Humanisirung ein Hinderniß bereitet ist.4) Dieses vorausgeschickt, ist Zweierlei als unumstößlich festzuhaltender leitender Grundsatz zu beachten.

Erstens muß jedes aprioristische, subjective Construiren, das Aufrichtenwollen eines neuen, vernünftigen" Kriegsrechts, ohne hinlängliche Beachtung des bisher gewordenen und bestehenden Völkerrechts vermieden werden.) Die Aufgabe besteht vielmehr in erster Linie darin, festzustellen, was jezt Kriegsrecht ist, und dies bereits anerkannte, historisch ge. wordene, bereits bestehende Kriegsrecht zu fixiren.") Von dem Seßen, Erfinden, Machen eines neuen Völkerrechts darf keine Rede sein. Erst in zweiter Linie kann in vorsichtigster und besonnenster Weise eine Vervollkommnung, Modificirung, Fortbildung, eine sehr behutsame und allmählige Reformirung, soweit sie begründet ist, versucht werden.")

Ein Abweichen von diesem leitenden Gedanken würde das Unternehmen von vornherein aussichtslos machen und auf den entschiedensten Widerstand bei den maßgebenden Factoren stoßen.

Die bisher von Seiten der Völkerrechtswissenschaft gebotenen Codificationsvorschläge haben vielfach den hier aufgestellten Grundsatz verleugnet oder doch nicht genügend beachtet und dadurch troß sonstiger Verdienste der ganzen Idee Erschwerung, Mißtrauen und Schaden verurjacht.)

Sodann ist derselbe Grundsat äußerster Vorsicht und Selbst= beschränkung im Besonderen festzuhalten bezüglich der Humanitätsbestrebungen, der Humanisirung des zu codificirenden Kriegsrechts. In besonders hohem Grade haben der Erreichung des Zieles die zu weit gehenden hyperhumanen, den realen Verhältnissen nicht gerecht werdenden Forderungen und Vorschläge geschadet, welche von den betreffenden Seiten gemacht worden sind. Von den Congressen, Vereinen, Schriftstellern ist häufig viel zu viel und Unerfüllbares verlangt und dem Kriege, sowie den berechtigten Ansprüchen der Heerführer nicht genügend Rechnung getragen worden. Dadurch ist die erwähnte an den praktisch maßgebenden Stellen vorhandene mißtrauische Abneigung gegen die Codificirung und Humanisirung überhaupt, die ohne guten Grund gewiß nicht vorhanden sein würde,9) genährt, zum Theil wohl erst hervorgerufen, das Zustandekommen von humanen Codificationen erschwert und gefährdet, die Meinung der „Praktiker", daß mit den hier in Rede stehenden Bestrebungen doch nicht zu pactiren sei, bestärkt worden.

Hier ist deshalb ein klar erkanntes leitendes Princip und eine scharfe

Grenzfeststellung nöthig, durch deren strenge Festhaltung jene Abneigung überwunden und ein Erfolg allgemein gesichert werden kann. 10)

Dieses Princip hat sich als Consequenz aus der Natur des Krieges bereits oben 11) ergeben. Es kann danach als Hauptgrundsaß für die humanisirende Codificirung des Kriegsrechts nur lauten: die Humanität kann im Kriege nur so viel Berücksichtigung verlangen, wie Natur und Zweck des Krieges es gestatten und mit der vor allem Andern nothwendigen Erreichung des Sieges über den Gegner nicht in Widerspruch steht. Krieg und Kriegszweck, kriegerische Maßnahmen und militärische Nothwendigkeit sind im Kriege nun einmal die Hauptsache und können ihrer Natur nach keine sie ein. schränkenden Fesseln tragen.12) Die Humanität muß im Kriege gegen den Krieg selbst zurücktreten und kann im Fall eines Conflictes, einer Unver einbarkeit der beiden Factoren Krieg und Humanität keine Berücksichtigung beanspruchen. Die humanitären Ansprüche dürfen deshalb nie so weit gehen, daß sie irgend mit der Natur und dem Zweck des Krieges nicht im Einklang Stehendes forderten; und selbst von den wünschens. werthesten und segensreichsten Einrichtungen, wie z. B. von der Genfer Convention, müßte ganz oder in einzelnen Bestimmungen abgesehen wer den, wenn oder soweit sie mit dem Kriege unvereinbar wären. 13)

Es bleibt aber auch bei dieser Begrenzung, wie bereits im § 53 hervorgehoben ist, noch ein weites Feld und ein großer Spielraum für das Walten der Humanität über, 14) so daß namentlich an ein Aufgeben von Verträgen, wie die Genfer Convention, in der That nicht gedacht zu werden braucht; und innerhalb dieses Spielraums hat die Humanisi rung, wie ebenfalls bereits in §§ 53 und 70 hervorgehoben ist, vollste Berücksichtigung zu beanspruchen: soweit Natur und Wesen des Krieges es irgend gestatten, müssen und dürfen die Forderungen der Humanität mit allem Nachdruck zur Geltung ge. bracht werden.15)

Darüber hinausgehende Ansprüche aber würden nicht nur unberech tigt und zugleich (weil ohne alle Aussicht auf Beachtung) nußlos sein, sondern sogar aus den bereits angedeuteten Gründen durch Gefährdung auch des Erreichbaren positiv schaden, wie sie bereits geschadet haben. Es sind deshalb bei der Humanisirung und der humanisirenden Codifici rung des Kriegsrechts alle übertriebenen, d. h. jene Grenzen überschreitenden Anforderungen auf das Strengste zu vermeiden. Sie würden unfehlbar eine weitere Abschreckung der maßgebenden Gewalten, der Re gierungen u. s. w. von dem ganzen Gedanken herbeiführen, während gerade ein maßvolles Vorgehen allmähliges Vertrauen und allmähligen Erfolg erwarten darf und zu weiteren humanitären Fortschritten führen wird. Es ist deshalb auch eine Forderung der Klugheit, daß der aufge. stellte Grundsaß und in der Verfolgung des Zieles der Humanisirung und darauf beruhender Codificirung des Kriegsrechts eine weise Selbstbeschrän kung beobachtet werde, die allein die Möglichkeit eines Erfolges in sich birgt.16)

Uebrigens würde eine die Verfolgung des Kriegszweckes und damit die Herbeiführung des Kriegsendes störende Humanität nicht einmal wahre Humanität sein. Denn das Allerinhumanste ist ein Hinziehen des Krieges. Die wahre Humanität fordert eine möglichst energische und rüdsichtslose Kriegführung; und den Krieg um augenblicklicher Milde und Humanitätsrücksichten willen sich länger hinziehen lassen, wäre nur der Schein und das Gegentheil wahrer Humanität. 17) Es würden in Wahrheit die ungeheuren Leiden, Störungen, Nachtheile, welche der Krieg mit sich bringt, nur verlängert werden, während die Humanität ihre möglichst schleunige Beseitigung fordert. Das Kriegsrecht darf deshalb nicht einmal, auch wenn es könnte, durch Rücksichten auf die Humanität den Krieg in der Verfolgung seines Zieles hemmen wollen.

Es kann, soll nicht die weitere Humanisirung des Kriegsrechts und alle Aussicht auf Codificirung gefährdet werden, mit der unentwegten Festhaltung des aufgestellten Grundsages nicht ernst genug genommen werden. Und namentlich darf selbst da keine kriegsrechtliche Bestimmung davon abweichen oder vielmehr abzuweichen vergeblich ver suchen, kein entgegenstehender Vorschlag gemacht werden, wo die rückhaltlose Anerkennung des Princips zu Inhumanitäten, ja Grausamkeiten zu führen scheint oder für den Augenblick wirklich führt, sofern diese Inhumanitäten oder Grausamkeiten nur nicht etwa unnöthiger Weise be gangen, sondern von dem Zwecke des Krieges gefordert werden. 18)

1) Vgl. Note 11 im vor. Paragraphen und die dort wie in den anderen Noten des vor. Paragraphen angegebenen Stellen bei Bulmerincq, namentlich 6. 171, 175.

*) Vgl. Lueder, Genfer Convention, S. 257, 422, Bluntschli, Das moderne Völkerr. § 580 N. 3 a. E., Bulmerincq, Cod. des Völkerr., S. 170 (vgl. daj. auch S. 173, 176). Auch Schmidt-Ernsthausen, Princip der Genfer Convention, S. 57. Der Mangel einer genügenden Vertretung des rechtswissenschaftlichen Elementes hat sich sehr fühlbar in Genf gemacht bei Errichtung der Genfer Convention, während in Brüssel besser gesorgt war, s. unten §§ 90 ff.

3) Vgl. Lueder S. 421 ff. und die das. in den Noten auf S. 422 Angef., namentlich Bulmerincq. Auch Lueder, Genf. Conv., S. 309. Dickleibige Co. dices, wie z. B. die Field'schen Outlines, sind nicht zweckentsprechend, es ist das Princip der Kürze, wie es die Brüsseler Declaration und das Manuel des Völkerrechtsinstituts befolgt haben, zu adoptiren.

1) Bulmerincq S. 168. Vgl. auch Lueder, Genfer Conv., sowie auch b. Holzendorff in dies. Handb. Bd. I. § 36.

5) Vgl. Lueder, Neuester Codificationsversuch, S. 9 f., Bulmerincq 6. 177 f.

*) Vgl. Hälschner in Füllner's Deutschen Blättern 1872, S. 26. Für die Erkenntniß und Fixirung eines bereits bestehenden Rechts bieten die unter den Staaten abgeschlossenen Verträge mehr und eine reichere Erkenntnißquelle, als vielfach angenommen wird, so auch Bulmerincq S. 180.

7) Vgl. vorigen Paragraphen und Lueder, Neuester Cod. Vers., S. 9.

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