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aber die Commissäre eine dritte Person als Schiedsrichter oder Ob. mann für den Fall ihrer Meinungsverschiedenheit bezeichnen. In gleicher Weise soll auch nach der Convention zwischen denselben Staaten vom 1. Juli 18637) Art. 1 zur schiedsrichterlichen Entscheidung von Land. reclamationen der Landwirthschaftscompagnie der Hudson- und Pugetbai von jedem Staat je ein Commissär ernannt werden und ein Obmann. Einigen sich die Commissäre nicht über die Person des Obmannes, so entscheidet nach dem ersteren Vertrage das Loos, während nach letzterem der König von Italien ihn ernennt.8) Nach dem Washingtoner Ver trage derselben Staaten vom 8. Mai 1871, Artikel 129) sollen un erledigte Rechtsforderungen von Corporationen, Compagnien oder von Bürgern der Vereinigten Staaten an die Großbritannische Regierung und vice versa dreien Commissären zur Entscheidung anheim ge. geben werden, von welchen je einer durch jeden der beiden Staaten ernannt wird, und der dritte durch beide gemeinschaftlich. Hat diese Ernennung aber nicht in drei Monaten nach der Vertragsratification stattgefunden, so hat sie der bei den Vereinigten Staaten accreditirte Spanische Gesandte zu vollziehen. Es genügt aber die Majorität der Commissäre nach Art. 13 zu einem Ausspruch (award). Außer den Commissären hat jede Regierung das Recht eine Person zu er nennen, welche auf die gegen sie vorgebrachten Ansprüche zu antworten competent ist und sie überhaupt in allen mit der Untersuchung und Entscheidung verbundenen Sachen repräsentirt. Nach der Schlußsentenz dieser Commission vom 25. September 187310) hatten die Vereinigten Staaten der Britischen Regierung 1,929,819 Dollars zu zahlen, wäh. rend die durch die Vereinigten Staaten vertretenen Rechtsforderungen zurückgewiesen wurden. In gleicher Weise wurde durch die Art. 22 und 23 zur Bestimmung des Betrages einer durch die Vereinigten Staaten zu zahlenden Compensation für die den Amerikanischen Bürgern hinsichtlich Fischereien gewährten Privilegien eine Commission gebildet, nur sollte der dritte Commissär, falls er nicht in dem bestimmten Termin ernannt wurde, durch den Desterreichischen Gesandten in London ernannt werden.

Wenngleich in den schiedsrichterliche Commissionen bestimmenden Conventionen die Entscheidungen derselben als endgiltige und unan= fechtbare bezeichnet werden, so ist doch solche Anfechtung in dem lezt. erwähnten Fall vorgekommen, rücksichtlich dessen der Britische und der designirte dritte Commissär: der Belgische Gesandte in Washington, am 23. November 1877 entschieden, daß die Regierung der Vereinigten Staaten die Summe von 5,500,000 Dollar der Britischen Regierung zu zahlen habe. Der Commissär der Vereinigten Staaten erklärte nämlich dagegen, daß die Großbritannien durch den Washingtoner Vertrag zukommenden Vortheile größer seien als die den Vereinigten Staaten zukommenden und daß er demnach den Schlußfolgerungen seiner Collegen nicht beitreten könne. Auch halte er es für fraglich: ob es in Ge mäßheit des Vertrages dem Schiedsgericht zustände, einen Spruch anders

als mit Einstimmigkeit seiner Glieder zu fällen.11) In der That war hierüber in Bezug auf die Entscheidung dieser Sache keine Bestimmung getroffen. Ein Beispiel einer Nichtanerkennung selbst eines nicht commissarischen Schiedsspruches bietet der Protest des Nordamerikanischen Gesandten im Haag gegen den Schiedsspruch des Königs der Niederlande über streitige Punkte zwischen den Vereinigten Staaten und Großbritannien in Bezug auf den die gegenseitigen Grenzen betreffenden Artikel des Vertrages von Gent (1814) vom 12. Januar 1831.12)

Auch die Rechtsforderungen von Bürgern der Vereinigten Staaten an die Mexicanische Regierung wurden durch Vertrag zwischen beiden Staaten vom 11. April 183913) vier, zu je zwei von ihnen ernannten Commissären übertragen, und sollten etwaige Differenzpunkte mit ihren Motiven der Entscheidung des Königs von Preußen unterworfen werden. Der König fällte, vertreten durch seinen Gesandten in Washington, die Entscheidung, 14) ausgeführt wurde dieselbe aber erst durch Vertrag vom 2. Februar 1848.15) Zwischen denselben Staaten wurde am 4. Juli 1868 eine Convention zu Regelung der gegenseitigen Reclamationen durch eine Commission am 4. Juli 1868 abgeschlossen (M. N. R. G. II. Sér. I. 5) und deren Entscheidungstermin mittelst Conventionen vom 19. April 1871 (ibid. I. 8) und vom 29. April 1876 (ibid. IV. 545) hinausgeschoben. Zur Re gelung Englischer Reclamationen vereinbarten eine Commission England und Mexico am 26. Juni 1866 (M. N. R. G. XX. 586) und zur commissärischen Regelung bestimmter Reclamationen Frankreich und die Vereinigten Staaten von Nordamerika am 15. Januar 1880 (M. N. R. G. 2. Série VI. 493). Die Schlußsentenz der letzteren Commission erging am 31. März 1884 (Arch. dipl. II. Sér. XI. 1884. 5 ff.)

Schiedsrichterliche Commissionen wurden ferner vereinbart von den Vereinigten Staaten mit Neu-Granada vermittelst Convention vom 10. September 1857 (ratif. 1860) und mit Costa Rica mittelst Convention vom 2. Juli 1860 (ratif. 1861,16) mit Paraguay vermittelst Convention vom 4. Februar 185917) in Bezug auf Reclamationen der Vereinigten Staaten für die aus Bürgern derselben gebildete Paraguay. Schifffahrtscompagnie wider die Regierung von Paraguay. Zur Festsezung des Betrages der Entschädigung wurde je ein Commissär und für den Fall ihrer Meinungsverschiedenheit ein Obmann be. stimmt, wenn die Staaten sich aber über diesen nicht einigen sollten, hatten ihn die bei den Vereinigten Staaten accreditirten Gesandten Rußlands und Preußens gemeinschaftlich zu wählen. Indeß erklärte der Commissär der Vereinigten Staaten troß ihrer Kriegsvorbereitung als. bald, daß dieselben von Paraguay nichts zu fordern hätten. Auch wurde zwischen Chile und Frankreich zur Begleichung der den Franzosen durch die Operationen der Chilenischen Truppen während des Krieges gegen Peru und Bolivia geursachten Schäden eine Convention abge schlossen am 2. November 1882 (M. N. R. G. II. Sér. IX. 704) zur Errichtung eines tribunal arbitral" oder einer Commission mixte inter

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nationale. Eine gleiche Commission wurde wegen gleicher Schäden Englischer Unterthanen aus demselben Kriege Chiles errichtet mittelst Convention zwischen England und Chile vom 4. Januar 1883 (ibid. 445), und ebenso wegen Schäden Italienischer Unterthanen mittelst Convention zwischen Italien und Chile v. 7. Decbr. 1882 (M. N. R. G. II. Sér. X. 638). Endlich sind noch zu erwähnen der Schiedsspruch der Wiener Commission vom 26. März 1816 über die Reclamationen der Fürsten und Staaten als Gläubiger der auf dem Rheinoctroi ruhenden Renten18) und der durch Frankreich und die Niederlande in Bezug auf die Zinsen der Holländischen Schuld gebildeten Commission vom 16. October 181619) und die nach dem Schlußprotokoll der internationalen Commission Desterreichs und Rußlands zur Regelung der Theilung der Immobilien und Capitale der alten Diöcese Krakau vom 21. Juni 187420) und anderer auf die Convention vom 17./29. April 1828 begründeter Reclamationen aus Bevollmächtigten und Assistenten beider Staaten gebildete Commission.

Aus der vorstehenden Uebersicht ergiebt sich für die schiedsrichterlichen Commissionen Folgendes. Sie werden gebildet aus Commissären der streitenden Staaten, welchen auch Vertreter derselben zur Seite treten, um deren Ansprüche vor der Commission geltend zu machen, oder ausnahmsweise auch aus Commissären und Schiedsrichtern. Den Vertretern werden die Declarationen der Commissäre und die Verhandlungen zugestellt. Für den Fall der Meinungsverschiedenheit der immer von jeder Seite in gleicher Zahl bestellten Commissäre hat ein Obmann, welcher in der Regel keinem der beiden Staaten angehört, die Entscheidung und kann auch, falls die lehteren sich über den Obmann nicht einigen, oder auch sofort, eine dritte Macht oder deren Vertreter denselben denominiren. Der Ausspruch der Commissäre, eventuell des Obmanns ist endgiltig. Die Entscheidungen sind nach Stimmenmehrheit oder auch mit Stimmeneinheit zu fassen, insbesondere mit letterer der Schiedsspruch, welcher indeß auch nach Stimmenmehrheit gefaßt wird. Entschieden werden soll nach Recht, Billigkeit, Völkerrecht oder nach Verträgen der streitenden Staaten. Gegenstand der Verhandlungen und Entscheidungen waren staatliche Ansprüche auf Land, und Wassergebiete, Regelung von Gebirgshöhen und Feststellung der Mitte von Flüssen, Regelung und Theilung von Immobilien und Capitalien, Rechtsforderungen oder Reclamationen von Corporationen, Gesellschaften und Privaten des einen streitenden Staates an den anderen, endlich Schuldförderungen, Verluste und Schäden einzelner Staatsangehöriger, welche gegenüber einem anderen Staat im Frieden oder aus Kriegen geltend gemacht werden. Das Verfahren ist entweder mündlich oder schriftlich. Die Commissäre leisten Allem zuvor einen Eid, daß sie die Streitfrage mit Sorgfalt und Unparteilich= keit prüfen und entscheiden wollen. Weigern sich dieselben, oder entschuldigen sie sich oder versäumen sie absichtlich als Commissäre zu fungiren, so haben sie den streitenden Staaten darüber motivirt zu berichten und übergeben dann diese die Berichte einem zu dem Zweck von

ihnen erwählten befreundeten Staat oder Souverän, damit dieser über Weigerung, Entschuldigung oder Versäumniß entscheide. Ein ausführliches Reglement über eine schiedsrichterliche Commission vereinbarten die Vereinigten Staaten und Spanien für die Commission zur Ent. scheidung der Ansprüche der Bürger der ersteren wider Spanien am 12. Februar 1871.21)

Daß durch die immer zahlreicheren schiedsrichterlichen Commissionen wie durch die Schiedsgerichte nicht blos Streitigkeiten beendet, sondern bisweilen auch kriegerische Feindseligkeiten verhütet wurden, läßt sich nicht in Abrede stellen, und deshalb können diese Commissionen nur anerkannt werden.

Es kann fraglich sein:

Ob solchen Commissionen, an deren Stelle ein einzelner Schiedsrichter tritt, falls die Glieder der Commission sich nicht geeinigt, welchenfalls einer dritten unparteiischen Person eventuell die Entscheidung übertragen ist, der Vorzug vor sofort zu bestellenden Schiedsgerichten gebühre. An und für sich ist nichts dagegen einzuwenden, daß Streitig. keiten zwischen Staaten zunächst von ihnen selbst durch ihre eigenen Staatsangehörigen zu erledigen versucht werde. Indeß haben die Com. missionen erfahrungsmäßig sich nicht immer bewährt. Sie haben wieder. holt ihre Verhandlungen nicht in kurzer Zeit beendet oder sind auch resultatlos wieder aufgelöst worden. Auch haben die streitenden Staaten nach wesentlichem Zeitverlust schließlich doch zu einem Schiedsspruch eines dritten ihre Zuflucht nehmen müssen. Endlich ist mindermächtigen Staaten kaum anzurathen mit mächtigeren Commissionen zur Entschei dung ihrer Streitigkeiten zu bilden, da die letteren Staaten wohl nicht immer geneigt sein werden, von ihrer Uebermacht abzusehen und nur dem Recht sich zu unterwerfen. Jedenfalls können aber schiedsrichterliche Bestimmungen nicht ohne Weiteres auf die sog. schiedsrichterlichen Commissionen, welche wohl besser vermittelnde benannt würden, übertragen werden, und find daher auch in den eine solche Commission errichtenden Conventionen nähere Bestimmungen über Bildung derselben, deren Verfahren und Entscheidung enthalten.

1) M. R. 2. V. 642.

2) Lawrence, Note pour servir à l'histoire des arbitrages internationaux in Rev. d. dr. intern. VI. 1. 118.

3) M. N. R. II. 76.

4) M. N. R. VI. 66.

5) Derselbe ist enthalten in dem oben genannten Vertrage vom 12. Juli 1822. 6) M. N. R. XVI. 1. 491.

7) M. N. R. G. XX. 488.

) Lawrence 1. c. 126.

9) M. N. R. G. XX. 698.

10) M. N. R. G. II. Sér. I. 37.

11) M. N. R. G. Sér. IV. 531.

12) M. N. R. X. 317.

13) M. N. R. VI. 2. 624.

14) Lawrence 1. c. 123.

15) M. N. R. G. XIV. 7. art. 13-15.

16) Lawrence 1. c. 126. Beide Verträge fehlen in Mart. Rec.

17) M. N. R. G. XVII. Ie. μ. 255.

18) M. N. R. IV. 225.

19) ibid. 263.

20) M. N. R. G. II. Sér. I. 506.

21) M. N. R. G. II. Sér. I. 19.

§ 11.

Aufforderung zum Schiedsrichteramt und Annahme desselben, Entscheidungsnormen, Ort, Termin und Rechtskraft des Schiedsspruches, Aufhören des Compromisses.

Die Aufforderung zum Schiedsrichteramt und die Annahme dieses Amtes wird in der Regel diplomatisch vermittelt.1) Durch die Annahme ist Beginn und Fortführung des schiedsrichterlichen Amtes gesichert. Wenn, wie Phillimore) meint, zur Fortführung kein Zwang bestehen soll, so ist doch schon durch die Uebernahme auch jene bedingt, da ein übernommenes Amt nicht anders als aus triftigen Gründen wieder aufgegeben werden kann und als solche wohl die oben angeführten gelten können, welche für Privatpersonen die Uebernahme behindern. Daß dritte Staaten oder Souveräne, falls sie während der schiedsrichterlichen Verhandlung mit einer der Parteien in Feindschaft gerathen, ihr Schieds. richteramt nicht fortsehen können, ist selbstverständlich.

Die Entscheidungsnormen des völkerrechtlichen Schiedsspruches find bald die des Rechts, bald die der Billigkeit. Daß das erstere nur Völkerrecht sei, läßt sich nicht statuiren, da die erhobenen Recla mationen nicht immer völkerrechtlicher Natur sind und daher auch nicht nach diesem Recht zu entscheiden sein werden. Bei Forderungen des Civilrechts wird dieses, bei solchen aus dem Criminalrecht dieses die Entscheidungsnorm abgeben. Auch bei völkerrechtlichen Streitigkeiten wird es nicht immer möglich sein, dieselben nach Völkerrecht zu entscheiden, falls die Normen dafür fehlen. Solchenfalls und in Fällen der Festsetzung des Betrages von Schadensersaßsummen wird nach Billigkeit (equity) entschieden werden müssen. Bedenken können dagegen um so weniger geltend gemacht werden, als ja das Völkerrecht überhaupt diese Art der Normen anerkennt, wenn auch nicht alle Staaten in dem Maße wie die Völkerrechtsautoren Englands und die der Vereinigten Staaten. Es ist daher weder richtig, daß das Recht im Zweifel3), noch überhaupt stets1) die Entscheidungsnorm abgeben soll. Bei lepterer Forderung müßten viele Staatsstreitigkeiten unentschieden bleiben.

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