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Die Parteien haben sich an dem zur Verhandlung vereinbarten Ort vertreten zu lassen. Wenn nicht schon im Compromiß oder in dem das Schiedsgericht vereinbarenden Vertrage der Termin zur Vorlage der Beweismaterialen durch die Parteien festgesezt ist, bestimmt ihn das Schiedsgericht. Ein Termin zur Entscheidung der Streitsache wird in der Regel nicht festgesezt, war es aber der Fall, so ist eine nach Ablauf desselben gefällte Entscheidung nichtig.

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Das Institut de droit international berieth in zwei Jahressizungen in Genf (1874) und im Haag (1875) ein vom resp. Rapporteur Professor Dr. Goldschmidt ausgearbeitetes Reglement für das internationale schiedsrichterliche Verfahren" (Annuaire de l'Institut de droit international I. 126). Das schließlich festgestellte Reglement wurde den Ministerien des Auswärtigen mitgetheilt. Daß die Staaten von dem selben bereits einen praktischen Gebrauch gemacht, ist nicht bekannt ge worden. Wenn sie es thäten, könnten sie nicht blos die auf Feststellung des Verfahrens im einzelnen Fall verwandte Zeit ersparen, sondern würde auch dann ein gleichmäßiges Verfahren bei internationalen Schiedssprüchen angewandt werden.

Der Schiedsspruch ist inappellabel. Er braucht aber nicht ausgeführt zu werden, wenn

1) das Compromiß ungiltig war oder

2) verlegt wurde;

3) bei Rechtswidrigkeit des Schiedsspruches 5),

4) bei thatsächlicher Unrichtigkeit desselben;

5) wegen eines von den streitenden Staaten oder von den Schieds.
richtern verschuldeten Irrthums;

6) wenn die Parteien nicht oder nicht ausreichend gehört wurden;
7) wenn das Schiedsgericht parteiisch entschieden hatte");
8) wenn es eine Partei arglistig behandelt') oder

9) unredlich) oder derselben

10) etwas Unziemliches auferlegt) z. B. etwas der Ehre oder Unabhängigkeit eines Staates Widersprechendes 10) oder

11) wenn eine Partei Schiedsrichter bestochen hatte 11) oder 12) wenn sie gegen die gegnerische Partei arglistig gewesen.12) Heffter führt außerdem noch Unfähigkeit des Schiedsrichters an, indeß wird diese bei einem gefällten Schiedsspruch wohl nur insoweit in Betracht kommen können, als sie nicht schon bei der Constituirung des Schieds. gerichtes vorhanden war, da ein unfähiger Schiedsrichter überhaupt nicht zur Ausübung des Amtes berufen werden konnte.

Hat ein Schiedsgericht sich nachweislich geirrt rücksichtlich seiner Entscheidung, so muß demselben die Abänderung des Schiedsspruches gestattet sein, wenn auch 1. 19 § 2 und 1. 20 D. IV., 8 sich dagegen erklären. Ein auf einem Irrthum begründeter Schiedsspruch kann nicht Rechtsgiltigkeit beanspruchen. Dagegen gestattet das Römische Recht 12) dem Schiedsrichter bei nicht connexen, seiner Entscheidung unterliegenden

Sachen die Aenderung des Schiedsspruchs, wenn er laut Compromiß alle gleichzeitig zu entscheiden, aber nur eine einzige entschieden hatte. Indeß wird in diesem Falle wohl nicht immer eine Aenderung, sondern nur eine Ergänzung geboten sein.

Das ein Schiedsgericht vereinbarende Compromiß hört auf
1) durch die Fällung des Schiedsspruchs;

2) durch Ablauf des für die Fällung festgesezten Termins;

3) falls die bestellten Schiedsrichter zur Wahrnehmung ihres Amtes unfähig werden;

4) durch einen das Schiedsgericht aufhebenden Vertrag der Parteien;

5) durch Vergleich unter den Parteien;

6) durch Leistung des Streitigen vor Fällung des Schieds. spruches. 14)

1) Ch. de Martens, Guide dipl. I. 19, 3 not. 2.

2) Phillimore III. 4.

3) Grotius, De jure belli ac pacis III. XX. 47.

jure naturae et gentium. V. XIII. § 5.

4) Berner 102.

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5) Vattel, Le droit des gens. Paris 1863. II. XVIII. § 329; Ch. de Martens, Guide diplomatique I. 193; Twiss II. 8.

6) Pufendorf 1. c., Vattel 1. c., Heffter 1. c.

7) 1. 32 § 14 D. IIII. 8. [De Receptis]: qui arbitrium receperint ut sententiam dicant.

) Heffter 1. c.

9) 1. 21. § 7. D. ibid.

10) Martens, Guide 1. c.

11) Pufendorf 1. c.

12) 1. 31. D. ibid. Vgl. Vattel 1. c.

13) 1. 21. pr. D. ibid.

14) Vgl. 1. 32. § 3 u. 5 D. ibid.

§ 12.

Gegenstände der Schiedssprüche und Schiedsspruchsfälle.

Die Gegenstände, über welche internationale Schiedssprüche, ohne vorgängige sog. schiedsrichterliche Commissionen, entschieden haben, find sehr verschieden. Wird die Forderung erhoben, daß nur besondere Kategorien von Streitigkeiten schiedsrichterlich entschieden werden, so müssen sie genau festgestellt werden, was nach Lorimer1) angeblich Moun

tagne Bernard, in einem Brief an die „Times", für unmöglich er. klärte. Calvo2) aber schließt Streitigkeiten aus, bei welchen die nationale Ehre oder Unabhängigkeit direct in Mitleidenschaft gezogen ist und welche aus innerstem oder persönlichem Gefühl entstanden sind, über welches ein dritter Staat nicht richten kann, indem jede Nation allein über ihre Würde und die Rechte, welche deren Bewahrung gewährleisten, zu richten habe. Lord Stafford Northcote hält aber gerade solche Fälle für durch Schiedsspruch entscheidbar.3) Wir anerkennen zwar die Schwierigkeit der Feststellung der für den Schiedsspruch sich eignenden Kategorien und bezweifeln die allgemeine praktische Bedeutung, wenn solche blos etwa von der Theorie unternommen wird. Indeß erscheint es möglich, daß vorläufig einzelne Staaten sich mit einander darüber verständigen und zwar mit Berücksichtigung der bisher durch Schiedsspruch entschiedenen Kategorien, weshalb wir nachstehend eine Classifica. tion versucht haben, insoweit wir von neueren Fällen dazu genügende Kenntniß hatten.

Ganze Kategorien von Fällen, wie Calvo vorschlägt, auszuscheiden, halten wir aber nicht für geeignet, da die Grenze schwer zu ziehen wäre und auch der Praxis widersprechend, da bei dem einzelnen Fall wohl schwerlich die Vorfrage erhoben ist: in wie weit die Ehre oder Unabhängigkeit eines Staates durch jenen berührt sei, und eine sichere Beantwortung derselben wohl schwer fallen würde.

Im Großen und Ganzen können wohl zwei Kategorien unterschieden werden: solche, welche die Staaten als solche betreffen, und solche, in welchen die Staaten nur Ansprüche ihrer Angehörigen vertreten. Die eigentlichen Schiedssprüche, nicht die der s. g. schiedsrichterlichen Commissionen, beziehen sich meist auf die ersteren, während die letteren meist durch schiedsrichterliche Commissionen entschieden werden.

Schiedssprüche wurden gefällt:

1. Ueber staatliches Eigenthum.

a) In der Streitigkeit zwischen Großbritannien und Portugal wegen des Eigenthums an der Insel Bulama, einer der Bissago-Inseln, fällte im Jahre 1870 der im Jahre 1869 dazu erwählte Präsident der Vereinigten Staaten einen Portugal günstigen Schiedsspruch. 4) b) In der Streitigkeit zwischen denselben Staaten vom Jahre 1823 über den Besiz der Territorien von Tembé und Maputo und der Jnijakund Elephanten-Inseln beschlossen beide Staaten am 15. September 1872 die Sache dem Schiedsspruch des Präsidenten der Französischen Republik zu unterwerfen, welcher einen solchen am 24. Juli 1875 zu Gunsten Portugals abgab.5)

2. Ueber Staatsgrenzen.

a) In der Streitigkeit zwischen Großbritannien und den Vereinigten Staaten von Nordamerika wegen Regulirung der nordöstlichen Grenzen

beider Staaten fällte der in Gemäßheit des Vertrages vom 29. Sep. tember 18276) im Jahre 1828 zum Schiedsrichter bestellte König von Holland am 10. Januar 18317) einen Schiedsspruch, welcher indeß von beiden (?) Parteien zurückgewiesen wurde, weil der Schiedsrichter eine conventionelle Grenze in Vorschlag gebracht, anstatt die seiner Entscheidung unterbreitete Frage zu regeln. 8) b) Im Streit zwischen denselben Staaten über die Interpretation behufs praktischer Ausführung des Art. 1 des Washingtoner Vertrages vom 15. Juni 18469) betreffend die Festsetzung der Grenze zwischen nordöstlichen Territorien beider Staaten entschied auf Aufforderung der selben der Deutsche Kaiser am 21. October 1872 zu Gunsten der Vereinigten Staaten. 10)

c) Zur definitiven Feststellung der Italienisch Schweizerischen Grenze bei der Alpe Cravairola fällte nach der Convention beider Staaten vom 31. December 187311) der Gesandte der Vereinigten Staaten in Rom Marschall als Obmann zu Mailand am 23. September 1874 einen Schiedsspruch, dessen Durchführung laut Protokoll in Bern vom 17. Mai 1875 durch specielle Delegirte erfolgte. 12)

3. Ueber Ausübung der Amtsgewalt staatlicher Autoritäten gegen Angehörige anderer Staaten.

a) In der Streitigkeit zwischen Großbritannien und Brasilien wegen Verhaftung dreier Officiere des Englischen Schiffes La Forte" durch die Brasilianischen Autoritäten am 7. Juni 1862 erfolgte ein Schiedsspruch des Königs von Belgien im Jahre 1863, wonach die Handlung der Brasilianischen Autoritäten keine Beleidigung der Englischen Marine involvirte.13)

b) In der Streitigkeit zwischen Großbritannien und Peru wegen des Englischen Unterthans Sir White, welchen die Peruanischen Autori täten gefangen gehalten und hierauf aus dem Lande vertrieben hatten, erklärte ein Schiedsspruch des Hamburger Senats vom 2. April 1864 den Anspruch Englands auf Entschädigung Whites mit 4500 Lstr. wegen schlechter Behandlung während seiner Haft, wegen Verzögerung des Urtheils wider ihn und wegen dessen Vertreibung für vollständig hinfällig und unzulässig.14)

In der obenerwähnten Sache Pelletier und Lazarus wider Haiti (5.9) wurde Schadloshaltung wegen durch die Autoritäten von Haiti gegen die Person und das Eigenthum der Genannten begangener Acte beansprucht.

4. Ueber Tödtung der Angehörigen anderer Staaten.

In einem Streit zwischen China und Japan im Jahre 1875 in Anlaß von Tödtungen Japanischer Unterthanen durch Chinesen auf der Insel Formosa ward durch die Bemühungen Großbritanniens und der Vereinigten Staaten ein Schiedsspruch herbeigeführt, welchen der Groß

britannische Gesandte Wade in Peking dahin fällte, daß die Chinesische Regierung der Japanischen eine Geldentschädigung zu leisten hätte.

5. Ueber Beschlagnahme fremder Güter und Schiffe. a) In Reclamationen der Vereinigten Staaten von Nordamerika zu Gunsten ihrer Bürger gegen Chile zur Erlangung eines Theiles des Geldertrages aus durch die Amerikanische Brigg Macedonian transportirten Waaren, welcher auf Anordnung des Chilenischen ViceAdmirals mit Beschlag belegt war, wurde die Entscheidung durch Vertrag vom 10. November 1858 dem König der Belgier übertragen. Der Schiedsspruch erfolgte zu Gunsten der Amerikaner am 15. Mai 1863.15) b) Die zwischen Frankreich und Mexico abgeschlossene Convention vom 9. März 1839, 16) welche in Folge des Bombardements des Forts Ulloa durch die Französische Flotte den Krieg zwischen beiden Staaten beendete, überließ dem Schiedsspruch einer dritten Macht die Entscheidung der Fragen: ob Mexiko berechtigt sei, von Frankreich eine Restitution oder Compensation des Werthes der nach Uebergabe des Forts fortgenommenen Mexicanischen Kriegsschiffe zu fordern, und ob die Mexicaner zu entschädigen seien, welche von den nach jener That erfolgten Feindseligkeiten zu leiden gehabt hatten, sowie die Franzosen, welche durch das Austreibungsgesetz der Mexicanischen Regierung beeinträchtigt waren. Die zur Schiedsrichterin erwählte Königin von England entschied am 1. August 1844 durch Schiedsspruch, daß die Handlungen der beiden Staaten durch den Kriegszustand gerechtfertigt seien.17)

c) In Veranlassung der 1823 resp. 1824 von der Französischen Flotte zu Prisen gemachten Schiffe Veloz Mariana und Victoria und der durch einen Spanischen Caper zur Prise gemachten Französischen Fregatte Vigie wurde im Jahre 1851 die Fällung eines Schiedsspruchs durch den König von Holland herbeigeführt, welcher am 13. April 1852 erfolgte. Indeß wurde die Angelegenheit jener Schiffe in Gemäßheit jenes Schiedsspruche erst durch eine Convention zwischen Frankreich und Spanien vom 15. Februar 186218) regulirt. Nach dem Schiedsspruch sollte für das Schiff Victoria kein Schadens. ersag geleistet werden, wohl aber für das Schiff Vigie durch Spanien und für das Schiff Veloz Mariana durch Frankreich. 19) d) Im Streit zwischen Japan und Peru wegen Beschlagnahme des Schiffes Maria Luz durch Japanische Autoritäten und wegen der Behandlung der Mannschaft und Passagiere durch dieselben, weshalb die Peruanische Regierung die Japanische für alle sich daraus ergebenden Consequenzen verantwortlich machen wollte, wurde laut proto= kollarischer Vereinbarung der Bevollmächtigten beider Regierungen vom 13. bis 25. Juni 1873 der Kaiser von Rußland Alexander II. zum Schiedsrichter gewählt und entschied derselbe, daß die Japanische

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