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des Feuers und zur Unterbrechung des Kampfes schon aus der auch dem Feinde schuldigen Achtung und Treue, zufolge welcher die Aufrichtigkeit und bona fides des Anerbietens eines Blutvergießen ersparenden Ent gegenkommens präsumirt werden muß, und aus der, so weit die Kriegs. nothwendigkeit es zuläßt, zu übenden Menschlichkeit.

Nach abgeschlossener Capitulation hat der Capitulant sich jeder Vernichtung oder Beschädigung des zu überliefernden Kriegsmaterials, der Festungswerke u. s. w. zu enthalten, falls er nicht durch die Capi. tulationsbedingungen dazu ausdrücklich berechtigt ist. Brüche der Capi tulation, insbesondere, troß des Abschlusses derselben, fortgesezte Feindseligkeiten entbinden auch, wie jeder Bruch eines Kriegsvertrages, die Gegenseite von dem Vertrage, und berechtigen sie namentlich zur sofortigen Erwiderung, bezw. Wiederaufnahme der Feindseligkeiten.

Ferner sind hier noch die Schußbriefe (sauvegarde, salva guardia und die Geleits briefe, Ertheilung des sicheren Gleits (sauf-conduit. laisser-passer) zu erwähnen. Die ersteren gewähren Personen oder Sachen Schutz gegen feindliche Behandlung irgend einer Art.14) Sie sehen friedliches Verhalten der geschüßten Personen und Nichtverwendung der Sachen zu kriegerischen Zwecken voraus.15)

Die Geleitsbriefe gestatten den Zutritt zu Pläßen, die sonst ohne abwehrende Gewaltmaßregeln, Verlegungen, Gefangennahme, bezw. Wegnahme und Anwendung der Martialgeseße nicht betreten werden dürfen. Das Vertragsverhältniß besteht in der Gewährung dieser Erlaubniß 16) einer und in der Erfüllung der daran geknüpften Bedingungen anderer seits. Ob die erstere ertheilt werden soll und unter welchen Bedingungen, hängt wieder lediglich von der Willkür der Paciscenten ab.

Die den Personen durch Geleitsbriefe gegebene Erlaubniß gilt nur für die genannte Person innerhalb der bezeichneten Grenzen (Passiren bestimmter Vorpostenlinien, Betreten eines bestimmten Rayons u. s. w.) und kann nicht auf Andere übertragen werden. Sie umfaßt auch andere Personen, falls sie auf solche nicht ausdrücklich in dem Geleitsbriefe ausgedehnt ist, nicht mit, wie z. B. Familienglieder oder Begleiter. Nur die gewöhnlichen Begleiter eines neutralen Diplomaten pflegen, auch wenn sie nicht ausdrücklich genannt sind, als in der Erlaubniß mit enthalten betrachtet zu werden. 17) Die Erlaubniß ist jederzeit widerruflich und kann auch, wenn die Ausführung militärisch bedenklich oder gefährlich erscheinen sollte, unausgeführt gelassen werden. Der Inhaber hat sich den etwa auferlegten beschränkenden Bedingungen zu unterwerfen, sowie überhaupt nicht nur jeder Feindseligkeit, sondern auch jedes sonstigen Mißbrauches der ihm gewährten Freiheit (z. B. zum Spioniren) zu ent halten, widrigenfalls er denselben kriegsrechtlichen Maßregeln verfällt, deren Jeder untersteht. Der Tod oder eine Veränderung in der Stellung der Person des Ausstellers macht dagegen den (Schuß oder Geleitsbrief nicht unwirksam, indem lezterer der amtlichen, militärischen Stelle und nicht der Person des Ausstellers seine Wirksamkeit entnimmt.

Ist der Geleitsbrief nur für eine bestimmte Zeit ausgestellt, so gilt er auch nur für eben diese Zeit. Doch ist billige Rücksicht darauf zu nehmen, wenn der Geleitete, wie es im Kriege leicht vorkommen kann, durch die zwingende Gewalt der Kriegsumstände an rechtzeitigem Vorwärtskommen und am Einhalten der Frist verhindert ist.18)

Bei den geleiteten Sachen ist das Geleit an die Person des Er. werbers des Geleitbriefes oder des Führers der Sachen, wie z. B. des Fuhrmanns, nicht gebunden, sondern kommt den Sachen selbst zu, die des Geleites, auch wenn jene Personen wechseln, theilhaftig bleiben. Nur würde die Uebertragung auf eine verdächtige oder gefährlich er. scheinende Person nicht zugelassen zu werden brauchen. Betrug und sogar schon unrichtige Angaben beim Nachsuchen des freien Geleites, die sich nachträglich herausstellen, machen des Lezteren verlustig.19)

Wenn zur größeren Sicherheit der geleiteten Personen oder Sachen legitimirte Begleitmannschaften beigegeben werden, so sind diese, wie die Parlamentäre, unverleßlich und dürfen unbehelligt zu ihrem Heere zurückkehren, 20) friedliches Verhalten derselben natürlich vorausgesezt, sowie Zurückweisung (und Ersehung durch Soldaten des eigenen Heeres) durch die Gegenpartei vorbehalten.

1) Vgl. über die Unterscheidungen Heffter und Fiore a. a. D., ohne je doch dem Lezteren überall beistimmen zu wollen.

2) Hierüber Wurm an der in § 87, Note 5, angef. Stelle.

3) Dies ist zu allen Zeiten, schon im Alterthum und Mittelalter, vom cano. nischen Recht und auch von solchen Schriftstellern anerkannt worden, die sonst in solchen Fragen anders stehen, namentlich von Bynkershoek I., 1. Vgl. Heffter § 141, Bluntschli 679 in der Note, Wheaton IV., 2, 17.

4) Amerikanische Kriegsartikel 106.

5) Amerikanische Kriegsartikel 108, Field, Outlines 830. Vgl. oben § 108. Auch aus diesem Grunde besteht die oben § 107 und Note 23 daselbst erwähnte Verpflichtung der Kriegsgefangenen zur richtigen Angabe ihres Ranges. 6) Vgl. oben § 108, A. M. Bluntschli 613. Ueber die nach been. digtem Kriege geschehenden Gefangenenauswechselungen . weiter unten v. Kirchenheim.

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Früher sehr üblich. Ward, Enqu. II., p. 226 f.

*) Von der Brüsseler Erklärung, Art. 46, ausdrücklich untersagt: „Elles“ (les conditions des capitulations) „ne doivent pas être contraires à l'honneur militaire." Im lezten Deutsch-Französischen Kriege waren die Sedaner Capitulationsbedingungen, die auch für die meisten anderen Capitulationen zum Muster genommen wurden, die folgenden: Uebergabe der Festung nebst Material; Eintritt von Garnison (oder Feldarmee) in die Kriegsgefangenschaft; Befreiung von der Kriegsgefangenschaft für alle Generale, Officiere und in Officiersrang stehenden Personen, welche sich unter schriftlicher Abgabe des Ehrenworts ver pflichteten, in diesem Kriege nicht mehr gegen Deutschland zu fechten und (wie später hinzuzufügen nöthig geworden war, vgl. oben § 108, Note 11) in Nichts

Handbuch des Völkerrechts IV.

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gegen die Interessen Deutschlands zu handeln; Uebergabe des gesammten Kriegsmaterials, einschließlich Adler, Fahnen, Waffen, Schießbedarf; Verbleiben der Militärärzte zur Pflege der Verwundeten. Durch die Meßer Capitulation wurde den Französischen Soldaten das Behalten ihrer Tornister und sonstiger Effecten, sowie der Lagergegenstände, den in die Kriegsgefangenschaft gekommenen Officieren das der Degen neben ihrem persönlichen Eigenthum gestattet. Die allerdings erst am Ende des Krieges abgeschlossene Capitulation von Belfort gewährte der Besayung sogar den Abzug mit kriegerischen Ehren und das Be halten der Waffen, des Fuhrwerks, der militärischen Archive und des der Truppe gehörigen Kriegsmaterials. Von den anderen Kriegen der neuesten Zeit sind die Capitulationen von Nisch (1878), von Plewna (1877) und im Schipkapaß (1878) beachtenswerth. S. die erstgenannten bei Lentner S. 143.

9) Dagegen schon Vattel, jezt allgemein anerkannt. Es geschah das auch mit aus dem Gesichtspuncte, daß von hartnäckigem oder doch unnöthig langem Widerstande abgehalten, bezw. ein solcher bestraft werden sollte. Heutzutage sicht man aber in der tapferen Gegenwehr keinen Anlaß zu harter Behandlung mehr. sondern im Gegentheil einen Grund für anerkennend ehrendes Verfahren. Als im 1870/71er Kriege die Französische Festung Pfalzburg nach langer tapferer Vertheidigung und nach Ablehnung von Capitulationsaufforderungen sich auf Gnade und Ungnade ergab, wurden der Garnison in Anerkennung ihres Berhaltens von dem Deutschen Belagerer besonders ehrenvolle und günstige Bedingungen gewährt. Vgl. Guelle, Précis I., p. 262 f.

19) Vgl. Geffcken zu Heffter § 142, Note 6, und Bluntschli 699 und Note 1 daselbst. Troßdem erfolgende derartige Abmachungen bedürfen daher, um gültig zu sein, der nachfolgenden staatlichen Ratification. Guelle, Précis I., p. 264, mit einem Beispiele aus dem 1870/71er Kriege, und Phillimore III, § 123, mit Bezug auf ein älteres Beispiel. Freilich ist mit Recht darauf hinge. wiesen (Bluntschli a. a. D., vgl. auch Fiore 1496), daß es dem Ansehen eines Staates nicht förderlich sein kann, wenn von den militärischen Befehlshabern Zusagen gemacht werden, die nachher keine Erfüllung finden. Zu den militärischen Abmachungen ist dagegen der militärische Befehlshaber allein berechtigt, auch Bazaine hatte diese Berechtigung 1870,71.

11) Vgl. Lentner S. 143.

12) Es ist dieses Aufziehen ebenso wie die eventuell nachfolgende mündliche oder schriftliche Proponirung der Capitulationsbedingungen natürlich noch nicht die Vertragsform selbst, sondern nur die Vorbereitung des Vertrages; s. Geffden zu bezw. gegen Heffter § 142, Note 7. Der Abschluß des Vertrages pflegte früher nur mündlich zu geschehen, gegenwärtig ist die schriftliche Form die übliche. 13) S. oben § 104, Note 2.

14) Von Personen kommen namentlich Beamte und Angehörige neutraler Staaten in Betracht. Die Schußbriefe für Sachen anlangend, so wurden sie schen früh namentlich Kirchen, Museen, Kunstsammlungen und derartigen Anstalten gewährt, und dann besonders auch bei Plünderungen wichtig; sie sind dafür aber heutzutage von geringerer Bedeutung, weil das gegenwärtige Völkerrecht den Schuß schon allgemein gewährt. Lezteres gilt auch von anderen Cartells, die früher häufiger abgeschlossen wurden, heutzutage aber nicht mehr nöthig sind, weil das, was für den einzelnen Fall oder Krieg durch sie erreicht werden soll, schon durch allgemein gültige Rechtsfäße des jezigen Völkerrechts gewährleistet ist.

15) Vgl. die oben § 99 und 100 mitgetheilten bezüglich der Sanitätsanstalten und des Sanitätspersonals geltenden analogen Säße.

16) Ein weiter gehender positiver Schuß ist in dem Geleitsbriefe allerdings nicht enthalten (Geffden zu Heffter § 142, Note 1), indem leßterer an sich eben nur die Erlaubniß zum Passiren giebt; aber der Geleitete ist doch gegen die im Text genannten Maßnahmen, die ohne die ertheilte Erlaubniß vorgenommen werden dürften, geschüßt, und in diesem Sinne kann immerhin von einem in der Ertheilung des Geleitsbriefes implicite liegenden Schuße gesprochen werden, wie Fiore allgemeiner § 1498 thut.

17) Würde das Geleit für ganze Personenclassen, z. B. Zeitungscorrespondenten oder fremdländische Officiere ertheilt, so könnte es auch von allen Personen beansprucht werden, die zu diesen Classen gehören.

1) Bluntschli 678, Fiore § 1498.

19) Bezüglich der Sachen vgl. das oben § 87 über die Ertheilung von Licenzen Gesagte und die dort Angeführten, auch Geffcken zu Heffter, 8. Aufl., § 123, Note 3, und § 142, Note 2. Leßterer hebt mit Recht hervor, daß die beschränkten Licenzen in Folge der durch die Eisenbahnen veränderten Verkehrs. verhältnisse in den neuesten Kriegen die frühere Bedeutung nicht mehr gehabt haben. Ueber die Licenzen für Schiffe und Schiffsgüter s. ebenso wie über Loslassungs und Rançonnirungs-Verträge im Seekriegsrecht.

20) Dies wird auch bezüglich der lebenden Sauvegarden (Soldaten anstatt todter Schußbriefe) allgemein behauptet; vgl. Heffter § 142, v. Neumann § 49, Calvo § 2115, Fiore 1499. Vgl. aber das oben § 99, Note 7, und § 100, Note 3, über die Sicherheitsposten bei den Sanitätsanstalten u. s. w. Gesagte.

§ 120.

Der Waffenstillstand insbesondere.

Literatur: Grotius III., 21. Pufendorf VIII., 7, § 3 ff.

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a. a. D. Moser, Grundsäße, S. 248 ff., und Versuche X., 2,1. - Vattel III., 16, § 233 ff. und dazu Pinheiro - Ferreira und Pradier- Fodéré. Strauch, Dissertationes academicae (5), de induciis bellicis 1662. - Weitere ältere Literatur bei v. Ompteda § 648 ff. und v. Kampß § 301. Klüber G. F. v. Martens II., § 293. Heffter. Geffcken § 142. — v. Martiß in v. Holzendorff's Rechtslexikon unter v. Neumann § 49. v. Bulmerincq

§ 277 f.
Bluntschli 687 ff.
„Waffenstillstandsverträge."
S. 376 ff.

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F. v. Martens II., § 127, S. 541 f. Wheaton § 400 ff. Phillimore III., P. IX., ch. 8, 115 ff. Halleck ch. XXIX. § 3 ff. Hall § 192. Calvo § 2130 ff. und die dort angef. Literatur, namentlich Rutherford, Wildman, Kent, Riquelme. Guelle, Précis I., p. 234 ff., und Guerre continentale, p. 191 ff. FunckBrentano et Sorel p. 300 ff. - Fiore 1484 ff. Amerikanische Kriegsartikel 135 ff. Brüsseler Erklärung, Art. 47 ff. - Im Manuel des Völkerrechtsinstituts findet sich nur die eine allgemeine Bestimmung unter 5: - les armistices doivent être scrupuleusement observés et respectés." Lentner § 25 f. Field, Outlines 773 ff.

Unter Waffenstillstand ist die vertragsmäßige vorübergehende oder vorläufige gegenseitige Einstellung der Feindseligkeiten zu verstehen, eine Einstellung also, welche nicht der Friede selbst ist.1) Sie beruht wie jeder Vertrag auf der freien Uebereinkunft beider Parteien, dem Waffenstillstandsvertrage, pactum induciarum, traité d'armistice; und eine Verpflichtung zum Abschließen eines Waffenstillstandes besteht nicht.*) Es kann aber, wie sich von Alters her in der Kriegführung gezeigt hat, der natürliche Verlauf des Krieges und das Interesse und Bedürfniß beider Kriegsparteien in mannigfacher Weise den Abschluß eines Waffen. stillstandes wünschenswerth oder erforderlich machen. Es kann sich um Einzelvorkommnisse und kürzere Pausen, wie z. B. um Bestattung der Gefallenen, um Aufhebung der Verwundeten, um Abhaltung eines Gottes dienstes, um Verhandlungen wegen einer Uebergabe u. s. w. oder aber um das beiderseitig empfundene Bedürfniß einer Ruhepause oder endlich um die Vorbereitung und Einleitung des Friedensschlusses handeln.

Nach den örtlichen und zeitlichen Verschiedenheiten, welche sich aus diesen verschiedenen Gründen und Anlässen zum Waffenstillstande ergeben, lassen sich mehrere Arten des Waffenstillstandes von einander unterscheiden, namentlich der allgemeine und der besondere oder örtliche Waffenstillstand. Der erstere ist der für alle Theile des Kriegsschauplages, zu Lande und zur See, und für sämmtliche Heeresabtheilungen, die Verbündeten mit eingeschlossen, geltende. Durch ihn wird also der ganze Krieg für den Augenblick unterbrochen. Der besondere Waffenstillstand ist dagegen derjenige, der nur für einen Theil des Kriegsschauplages und der kämpfenden Heere eintritt und folglich den Kampf nur auf einem örtlich begrenzten Theile zum Stillstande bringt.) Unter Waffenruhe (suspension oder cessation d'hostilités) wird die zeitlich beschränkte, d. h. die nur ganz kurze und vorübergehende Einstellung der Feindseligkeiten verstanden, wie sie auf Grund der erwähnten Einzelvorkommnisse abgeschlossen zu werden pflegt. In der Natur der blosen Waffenrube liegt es, daß sie formloser als der längere Waffenstillstand und mit localer, eventuell sehr enger Begrenzung abgeschlossen wird. Nothwendige und unbedingte Erfordernisse sind aber die Formlosigkeit und die örtliche Beschränkung nicht. Möglich ist vielmehr, ebenso wie ein besonderer Waffenstillstand, so auch umgekehrt eine allgemeine Waffenruhe.4)

Zum Abschlusse3) der Waffenruhe und in der Regel auch des be sonderen Waffenstillstandes, welche als militärische Maßregeln erscheinen, sind im Allgemeinen die militärischen Befehlshaber,) bezw. Oberbefehlshaber (das Nähere regelt sich nach den besonderen Einrichtungen der einzelnen Länder) berechtigt. Der allgemeine, in der Regel den Friedens, schluß einleitende Waffenstillstand erscheint dagegen als ein dem Lezteren analoger Staatsact und muß deshalb von der souveränen Staatsgewalt abgeschlossen werden, was natürlich nicht ausschließt, daß Seitens der Lehteren andere Personen zum Abschluß bevollmächtigt werden oder daß

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