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Rußland 1787, Schweden 1788, Dänemark 1810 untersagt. Für diese Beschränkung läßt sich sagen, daß die Regel der Aburtheilung durch die Prisengerichte möglichst unberührt bleiben soll. In neueren Seekriegen ist aber der Loskauf überhaupt kaum vorgekommen. Endlich kann das feindliche Schiff, ehe es verurtheilt ist, vom Gegner wieder genommen werden (reprise, recousse, recapture). In diesem Falle muß es logischer Weise jure postliminii dem bisherigen Eigenthümer zurückgegeben werden, denn der Captor hatte es noch nicht erworben, sondern nur mit Beschlag belegt. Erst ein Spruch des Gerichtes konnte ihm das Eigenthum übertragen, und folglich kann der Recaptor nicht mehr Recht, als der Captor selbst hat, dadurch erwerben, daß er ihm die Prise entrissen hat. Gleichwohl ist dieser klärlich gerechte Schluß in der früheren Praxis vielfach verkannt. Das Consolato del Mare bestimmte (Cap. 287), daß, wenn ein feindliches Schiff genommen und ehe es der Captor in Sicherheit (en loch salvo) hat bringen können, wiedergenommen wird, dasselbe dem Eigenthümer gegen eine der Mühe der Wiedernahme ent sprechende Summe zurückgegeben werden soll; ebenso wenn der Captor es aus Furcht oder gezwungen aufgegeben hat und ein Freund sich desselben bemächtigt. Ist dagegen das Schiff vor der Wiedernahme in Sicherheit gebracht, so gehört es dem, der es dem Feinde entrissen hat. (Pardessus IV. p. 312.) Die Französische Ordonnanz von 1584 giebt die Prise dem Recaptor schon, wenn sie 24 Stunden in feindlichen Häfen gewesen ist. Die von 1799 spricht dem Recaptor in diesem Falle ein Drittel des Werthes zu, ebenso das Preußische Landrecht (I. Tit. 9, §§ 203, 208, 210), wenn das Schiff von einem Kaper, welcher derselben Macht wie der Eigenthümer oder einer verbündeten angehört, in einen Hafen gebracht ist; ein Kriegsschiff erhält eine angemessene Belohnung für die Reprise. Diese Auffassung, welche auch die ältere Englische Praxis be folgte, beruht auf der Annahme, daß schon die Wegnahme selbst kraft Kriegsrechts einen Besigtitel gebe. Indeß da alles Recht des Recaptors vom Staate kommt, so mag derselbe ihm wohl einen Lohn für die Mühe und Gefahr der Wiedernahme zusprechen; aber es widerspricht aller Billigkeit, daß der ursprüngliche Eigenthümer, ein Unterthan desselben Staates oder doch eines Verbündeten, durch einen doppelten Gewaltact, von dem der lezte den ersten aufhebt, sein Eigenthum verlieren soll. So sagte Portalis in den Motiven im Falle der „Statira“, einem Nordamerikanischen Schiffe, das von einem Französischen Kaper einem Englischen wieder abgenommen war: „L'état est tenu de défendre la personne et la propriété de tous les citoyens. De là un bâtiment

de l'état, qui reprend sur l'ennemi un bâtiment français, n'exerce qu'un acte de protection, qui ne peut acquérir à la République la propriété de ce navire. Aussi nos lois veulent-elles que dans une telle hypothèse le navire soit rendu au véritable propriétaire." Anders behandelte die Französische Praxis den bei der „Statira" vorliegenden Fall, wo ein Kaper das Schiff wiedergenommen, für den keine solche Schuß

Handbuch des Völkerrechts IV.

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pflicht vorlag, wie für die Kriegsschiffe des Staates, sondern der auf seine Gefahr handelt. Sie sprach ihm, offenbar um die Kaper zu er muthigen, das wiedergenommene Schiff ganz zu, wenn es 24 Stunden im Besitz des Feindes gewesen, und wenn nicht: ein Drittel des Werthes. Heute betrachtet wohl nur das Dänische Prisenreglement vom 16. Februar 1864, II., 11, ein wiedergenommenes nationales Schiff als gute Prise. (Dagegen Preußisches Reglement von 1864, § 10, Desterreichische Verordnung von 1866, Italienischer Codice per la marina, Art. 219.) Die Englische Prize Act von 1864 bestimmt Ch. IV. § 40, daß das wiedergenommene Englische Schiff dem Eigenthümer zurückgegeben werden soll, wie lange der Feind es auch besessen und selbst, wenn es vom feindlichen Gerichtshofe als gute Prise erklärt ist; es hat dem Recaptor nur eine Belohnung zu zahlen, die vom Gericht nach Umständen von ein Achtel bis höchstens ein Viertel festzusehen ist. Nur wenn das Schiff vom Captor selbst zu kriegerischen Operationen gebraucht ist, gehört es dem Recaptor. Abweichend von diesem Geseze, welches das jus postliminii auf die Spiße treibt, verfügt die Nordamerikanische Congreßacte vom 30. Juni 1864 die Zurüderstattung an den Eigenthümer für jedes Schiff „not having been condemned as a prize by competent authority before the recapture" gegen angemessene Vergütung, sofern das Eigenthum gehörte „to persons residing in or under the protection of the United States". Ist das Schiff nach der Verurtheilung wiedergenommen, so gilt es als neue Prise; für die Wiedernahme Verbündeter ist Gegenseitigkeit Regel, so in England Rückgabe gegen ein Drittel des Werthes als Vergütung.3) Wird ein wiedergenommenes Schiff nochmals genommen, so hat der lezte Captor Recht auf dasselbe, denn durch die Wiedernahme erlischt das Recht des ersten Captors. (Phillimore III. p. 639.)

3. Das Schicksal der Prisen.

Alle erwähnten Ausnahmen bestätigen nur die Regel, daß erst mit dem Urtheil des betreffenden competenten Gerichtshofes des Captors das Schicksal der Prise entschieden wird. Die Besizergreifung und Wegführung in den Hafen des Captors genügt nicht, im Gegensatz zu der Landbeute, die, wo sie überhaupt legitim ist, durch blose Besignahme vollzogen ist. Schon 1758 stellte die Englische Jurisprudenz den Grundsay auf : „They held the property not changed till there had been a sentence of condemnation", und diese kann nur durch das Gericht des Nehmestaates erfolgen. Das Gericht eines verbündeten Staates kann nicht darüber urtheilen, denn jeder Staat kann nur für die Handlungen seiner eigenen Behörden verantwortlich sein. Allgemein feststehend darf betrachtet werden, daß diese Gerichtsbarkeit nicht von einem der gewöhnlichen bürgerlichen Gerichtshöfe geübt wird, sondern durch einen besonderen, dessen Zusammensetzung Gewähr dafür giebt, daß die ihm angehörenden Mitglieder die betreffenden Fragen kennen. So sagt das Deutsche Gesez, betreffend die Prisengerichtsbarkeit, vom 3. Mai 1884, § 1: Die Ent

scheidung über die Rechtmäßigkeit der in einem Kriege gemachten. Prisen erfolgt durch besondere Behörden (Prisengerichte)." Damit wird der im Wesen der Sache liegende und von allen Seestaaten gleichmäßig anerkannte Grundsah zum Ausdruck gebracht, daß der prisengerichtlichen Entscheidung die Bedeutung und Wirksamkeit eines Rechtsspruches zukommt, welcher einer weiteren Prüfung und Anfechtung der ordentlichen Gerichte entzogen ist; um unparteiisches Urtheil zu sichern, wird regelmäßig eine Appellationsinstanz eingesetzt. In England sind zufolge der Naval Prize Act von 1864 das Admiralitätsgericht und die Vice-Admiralty Courts competent. Appellinstanz ist das Judicial Committee of the Privy Council. In Frankreich urtheilte seit 1815 die Abtheilung des Contentieux du conseil d'Etat über Prisenfragen. Durch Decret vom 18. Juli 1854 wurde das Conseil des prises als erste Instanz eingesezt und der Staatsrath als Berufungsinstanz bestimmt, wobei es geblieben ist. In Preußen wurde zuerst durch Verordnung vom 20. Juni 1864 ein Brisenrath eingesezt, von dem Berufung an den Oberprisenrath stattfand. Das Deutsche Gesez vom 3. Mai 1884, § 2, überläßt die Bestimmung des Sizes des Prisengerichts, seine Bildung, das Verfahren und das Verhältniß zu anderen Behörden der Kaiserlichen Verordnung, ähnlich der Italienische Codice per la marina mercantile vom 25. Juni 1865, Art. 225. Die Amerikanische Verfassung, art. III., sec. 1 und 2 bestimmt ausdrücklich, daß all cases of admiralty and maritime jurisdiction" ausschließlich zur Competenz des höchsten Gerichts und der demselben untergeordneten Gerichte gehören sollen, und auf Grund dieser Bestimmungen. erklärte das Oberbundesgericht die von den während des Mexicanischen Krieges von der Bundesregierung in Californien eingesetzten Prisengerichten abgegebenen verurtheilenden Erkenntnisse für ungiltig. wird dabei betont, daß troß der nationalen Zusammensetzung dieser Gerichte ihre Aufgabe international ist, indem sie nach den Grundsäßen des geltenden Völkerrechts erkennen, wie sie der betreffende Staat als zu Recht bestehend anerkennt. Die speciellen Vorschriften der einheimischen. Gesetzgebung sind als Codification der einschlagenden völkerrechtlichen Fragen anzusehen. So sagte Lord Stowell: This is a court of the law of nations, though sitting here under the authority of the King of Great-Britain. It belongs to other nations than our own; and what foreigners have a right to demand from it, is the administration of the law of nations simply and exclusively of principles borrowed from our municipal jurisprudence." (Phillimore III. p. 632.) Wie bereits erwähnt, kann ein Prisengericht nur im Staate des Kriegführenden, eventuell in dem seines Verbündeten seinen Siz haben. Das Verhältniß zu den Verbündeten wird stets besonders geregelt, z. B. Convention vom 6. Juni 1864 von Desterreich und Preußen, betreffend die Competenz zur Entscheidung über gemeinschaftlich aufgebrachte Prisen und die Vertheilung der Prisenerlöse. Leitender Grundsaß bei verurtheilten Prisen ist, daß, wie zu Lande, so auch zur See, das erbeutete feindliche Eigenthum nicht dem einzelnen

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Captor, sondern dessen Staat gehört. Dieser führt den Krieg, er bringt die Opfer, ihm gehört der Gewinn. Bello parta cedunt reipublicae. Prize is altogether a creature of the Crown (Stowell). Was die Regierung als Belohnung dem Captor zutheilt, ist ihr guter Wille und sie bestimmt diesen Antheil nach Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsgründen. Sie überläßt wohl zur Ermuthigung ihrer Kreuzer denselben die ganze Prise, so Art. 3 der Britischen Verordnung von 1776 (16 George III., cap. 5): „And for the encouragement of the officers and seamen of H. M.'s ships of war, be it further enacted, that the flag officers, captains, commanders, and other commissioned officers in H. M.'s pay, and also the seamen, mariners and soldiers on board, shall have the whole interest and property in all and every such ship, vessel, goods and merchandize, which they shall take (being first adjudged lawful prize in any of H. M.'s Courts of Admiralty) to be divided in such proportions, and after such manner, as H. M. shall think fit to order". aber dies ist guter Wille und jederzeit widerrufbar. Der Staat kann an sich jeden Augenblick, aus Gründen des Rechtes, der Billigkeit und der Politik seinen Anspruch auf die Prise zu Gunsten des Eigenthümers aufgeben. Der Antheil des Captors wird stets durch Verordnung im Vorwege bestimmt und wechselt oft rasch. So sprach die Französische Ordonnanz vom 28. März 1778, Art. 2, der Mannschaft des Schiffes, welches die Prise gemacht, zwei Drittel des Werthes derselben zu; aber schon am 24. Juni 1778 ward dies auf ein Drittel herabgefeßt. Sind Schiff und Waare als Feindeseigenthum anerkannt und fallen nicht etwa in eine der Kategorien allgemein befriedeter Sachen, so ist das Verfahren einfach; der Feind hat keinen locus standi in judicio, Schiff und Waare werden einfach verurtheilt. Streitfragen erheben sich erst, wenn Neutrale behaupten, daß ihnen Schiff oder Ladung gehört, wovon bei der Neutralität.

1) Die im Einzelnen von einander etwas abweichenden Instructionen der Hauptseemächte führt Calvo IV. § 2787-92 an. Das Preußische Prisenregle ment von 1864, § 11, läßt den Schiffer an Bord des Kreuzers kommen. 2) Destroy all your capture, unless in some extraordinary cases that shall clearly warrant an exception“, Hall p. 418. Begründet wird dies nur mit der möglichsten Zerstörung des feindlichen Handels. 74 Englische Schiffe er litten dies Schicksal.

3) An act to prohibit the ransoming of ships or vessels captured from H. M.'s subjects and of the merchandize or goods on board such ships or vessels 1778 (22 George III. c. 25) verbietet auch Englischen Unterthanen ihre vom Feinde genommenen Schiffe und Güter loszukaufen.

4) Fall der „,Santa Cruz" 1796 und Sir W. Scott's Urtheil (Wheaton § 368).

§ 127.

C. Die nothwendige Reform.

Wenn die geschichtliche Entwickelung gezeigt hat, daß die Fortschritte, welche das Kriegsrecht hinsichtlich der Behandlung des feindlichen Eigenthums zu Lande gemacht hat, nur geringe und mittelbare Anwendung auf das zur See gefunden haben, daß vielmehr dasselbe grundsäglich noch der Wegnahme unterliegt, welche nur durch gegenüberstehende Rechte der Neutralen eingeschränkt wird, so ist, wie Klobukowski richtig bemerkt, der Grund ein doppelter. Einmal giebt das Meer der Kriegführung nicht die Stüßpuncte, welche sie auf dem Lande findet, keine Städte und Gebiete, welche man beseßen und erobern kann. Man kann wohl seine Küsten und Flotten angreifen, aber man wollte auch vor Allem seinen Handel zerstören. Sodann aber fehlte es bis auf die neueste Zeit an dem politischen Gleichgewicht unter den Seemächten, welches sich zu Lande schon seit lange ausbildete. Fortwährend übte eine Macht die Vorherrschaft auf dem Meere aus, und diese strebte, ihre Rechte so weit wie möglich auszudehnen.

Aus der Darstellung des geltenden Rechtes aber ergiebt sich, wie verwickelt und theilweise willkürlich dasselbe ist und voraussichtlich bleiben wird, so lange man die Wegnahme des feindlichen Privateigenthums zur See grundsäßlich zuläßt. Der Kriegführende strebt naturgemäß danach, sein Recht möglichst auszudehnen und dem Feinde die Möglich. keit abzuschneiden, sich der Wegnahme zu entziehen. Wie die Hansa und die Holländer zur Zeit ihrer Macht das Recht der Kriegführenden auf die Spize trieben, so hat es später England gethan, und die Vereinigten Staaten, welche früher lezteres darin bekämpften, haben im Bürgerkriege es vielfach überboten. Der Ausweg bietet nur die Freigebung des Privateigenthums und zwar nicht blos etwa aus Humanitätsgründen. Obwohl der große Unterschied vom Landkriege bestehen bleibt, daß derselbe nicht auf Zerstörung oder Wegnahme von Privateigenthum aus. geht, sondern diese nur zuläßt, wenn der Zweck der militärischen Operation sie erfordert, ist gewiß zuzugeben, daß es an sich ebenso berechtigt erscheint, den Handel des Gegners zu zerstören, wie seine Heere und Flotten.) Im Landkriege sind Requisitionen nicht zu vermeiden. Belagerungen und Schlachten bringen weit größeres Mißgeschick über das Land als die Wegnahme von Kauffahrteischiffen und Waaren, bei der kaum je Blut vergossen wird. Aber das, worauf es ankommt, ist, daß das Mittel seinem Zweck nicht entspricht und die Pariser Declaration eine unhaltbare Halbheit ist, welche die Kriegführenden selbst in erster Linie schädigt. Indem sie die neutralen Waaren und Schiffe von der Wegnahme ausschließt, wirft sie bei jedem Kriege den Handel der Krieg. führenden in die Hände der nicht gefährdeten Neutralen. Als 1859

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