Page images
PDF
EPUB

18. Januar 1798 die Confiscation aller neutralen Schiffe, welche Feindesgut geladen, so daß die Ladung die Eigenschaft des Schiffes be. stimmte. Das Consulat hob dies am 20. December 1797 auf. 1800 ward durch die Einsegung des Conseil des prises wieder ein geordnetes Verfahren eingeführt, und Frankreich begann wieder für die Rechte der Neutralen einzutreten, doch schloß Frankreich den Vertrag von Amiens (1802), ohne die Erneuerung des Vertrages von 1786 von England erlangt zu haben. Gleichzeitig schlossen Rußland, Preußen, Dänemark und Schweden einen Quadrupelvertrag, welcher die Grundsäge der be waffneten Neutralität erneuerte und die Unverleßlichkeit der Convoy hinzufügte. Dänemark, Schweden und Preußen traten nur gezwungen durch den Druck Paul's I., der gleichzeitig Embargo auf alles Englische Eigenthum in Rußland legte, diesem Bündniß bei, welches durch die persön liche Feindseligkeit Paul's (wegen der Nichtübergabe Maltas) gegen Eng. Land eingegeben war und sie der Rache des letzteren preisgab. England legte darauf durch Order vom 14. Juni 1801 Embargo auf Russische, Schwedische und Dänische Schiffe, weil le nouveau code maritime qu'on avait voulu établir en 1780 et qu'on cherchait maintenant à faire revivre, était une innovation nuisible aux intérêts les plus chers de d'Angleterre," zumal Rußland durch seinen Vertrag mit England von 1793 darauf verzichtet habe, und Dänemark mußte durch die Seeschlacht von Kopenhagen (2. April 1801) dies büßen. Preußen, das England aus politischen Gründen geschont, hatte sich gleichwohl mit Dänemark verbunden, um die Häfen der Elbe und Weser dem Englischen Handel zu schließen. Aber der Waffenstillstand vom 9. April 1801 suspendirte den Vertrag der bewaffneten Neutralität, der am 23. März erfolgte Tod Paul's I. löste diese Coalition auf, und am 17. Juni 1801 schlo England mit Rußland einen Vertrag, der als die äußerste Grenze be trachtet werden kann, bis zu der England gegen eine befreundete Macht zu gehen gewillt war. Er bestimmte Art. III.:

1. Que les vaisseaux de la puissance neutre pourront naviguer librement aux ports et sur les côtes des nations en guerre.

2. Que les effets embarqués sur les vaisseaux neutres seront libres, à l'exception de la contrebande de guerre et des propriétés ennemies: il est convenu de ne pas comprendre aux nombres des dernières les marchandises du produit, du cru ou de la manufacture des pays en guerre, qui auraient été acquises par des sujets de la puissance neutre et seraient transportées pour leur compte; lesquelles marchandises ne peuvent être exceptées, en aucun cas, de la franchise accordée au pavillon de la dite puissance.

3. Als Gegenstände der Contrebande sollen nur die namentlich auf. gezählten, zum Kriegsgebrauch bestimmten betrachtet werden, mit Aus nahme solcher, welche das Schiff in gewisser Menge für seine eigene Vertheidigung brauchen kann.

4. Als blokirter Hafen soll nur der betrachtet werden, où il y a

par la disposition de la puissance qui l'attaque avec de vaisseaux arrêtés ou suffisamment proches, un danger évident d'entrer."

5. Neutrale Schiffe sollen nur auf Grund „de justes causes ou faits évidents" festgehalten werden dürfen.

Art. IV. giebt dann die oben angeführten Bestimmungen über die Convoy, Art. V. verspricht Entschädigung bei ungerechtfertigter Festnahme und Bestrafung der Schuldigen, sowie Art. VI. unparteiische Justiz.

Dänemark und Schweden, die durch Paul gezwungen waren, der zweiten bewaffneten Neutralität beizutreten, hatten diesem Abfall Rußlands gegenüber keine Wahl und mußten dem Vertrage beitreten, der von der Opposition im Parlament heftig als eine Abschwächung des Britischen Seerechts angegriffen wurde, thatsächlich aber die Durchsetzung der wichtigsten Puncte bedeutete, welche England bisher behauptet hatte.

Die Napoleonische Zeit war vollends eine Periode. rücksichtslosester Gewaltherrschaft, in der es eine Neutralität nur so weit gab, als es der Macht paßte, dieselbe zu achten. Es genügt, an die Ergreifung des Herzogs von Enghien auf neutralem Boden, an die Erschießung Palm's und die Aechtung Stein's zu erinnern. Zur See überboten England und Frankreich sich in Gewaltmaßregeln.

Nachdem durch Vertrag vom 15. Februar 1806 Preußen zugesagt, die Mündungen der Elbe und Weser in dem ihm von Napoleon geschenkten Hannover den Engländern zu verschließen, erklärte England durch Order vom 16. Mai 1806 alle Häfen, Küsten und Ströme von der Elbe bis Brest blokirt, also eine Papierblokade im weitesten Sinne. Napoleon antwortete hierauf mit der Continentalsperre. Das Berliner Decret vom 21. November 1806 erklärte, da England das Völkerrecht nicht anerkenne, so mache sich Jeder, der mit ihm Handel treibe, zu dessen Mitschuldigen, man müsse den Feind mit seinen eigenen Waffen bekämpfen, demgemäß: „Les Iles britanniques sont declarées en état de blocus. Tout commerce et toute correspondance avec les Iles britanniques sont interdites. Les lettres ou paquets adressés ou en Angleterre ou à un Anglais écrites en langue anglaise n'auront pas cours aux postes et seront saisis. Tout sujet anglais dans les pays occupés par la France ou ses alliés est déclaré prisonnier de guerre. Toute propriété anglaise est déclarée de bonne prise. Le commerce des marchandises anglaises est défendu, tout vaisseau ayant touché l'Angleterre est exclu des ports occupés par la France." England erließ hierauf die Orders in Council vom 7. Januar 1807, welche alle Häfen und Pläge Frankreichs und seiner Verbündeten als blokirt und jedes nach einem solchen Hafen fahrende Schiff als gute Prise erklärten. Das Mailänder Decret vom 17. Sept. 1807 führte in seinen Motiven auf, durch jene Orders habe England die Schiffe aller Europäischen Völker entnationali sirt, alle Souveräne aber seien gleichmäßig an der Erhaltung der Selbstständigkeit ihrer Flagge betheiligt, es würde Schwäche sein, den Engländern zu gestatten, ihr angemaßtes Recht zu befestigen; es soll daher

von den Ausnahmemaßregeln für alle Regierungen abgesehen werden, die vermögen, die Englische Regierung zu zwingen, daß sie ihre Flagge respectire; dagegen wurde die Confiscation jedes Schiffes verfügt, das die Durchsuchung eines Englischen Kreuzers geduldet, zugestimmt sich nach England zu begeben, oder der Britischen Regierung eine Contribution gezahlt. Das Decret vom 13. October 1810 endlich verfügte die Verbrennung aller in Frankreich und den verbündeten Staaten gefundenen Englischen Waaren. Rußland verkündete, nachdem Alexander in Tilsit mit Napoleon Freundschaft geschlossen, von Neuem im Manifest vom 7. Nov. 1807 die Grundsäße der bewaffneten Neutralität, dieses Denkmals der Weisheit der Kaiserin Katharina's, und verpflichtete sich, diesem System niemals zuwider zu handeln. Gleichwohl erschien, noch nicht zwei Jahre nach diesem Gelöbniß, am 1. August 1809 ein Ukas, dessen Art. 2 verfügte: Schiffe, die theilweise mit feindlichen Waaren befrachtet, anzuhalten und lettere zu confisciren, sowie auch ersteres, falls die Waaren mehr als die Hälfte der Ladung ausmachten.

[ocr errors]

"

Die Maßregeln Napoleons, durch welche er strebte à dominer la mer par la terre" haben dem Festland sehr viel mehr Schaden durch die Zerstörung alles Seehandels gethan, als dem Englischen Handel, der zur See thatsächlich ein Monopol übte und gerade in diesen Jahren sich gewaltig entwickelte. Hinsichtlich jener Orders in Council berief sich die Englische Regierung darauf, daß sie nur ein Act der Nothwehr gegen das Berliner Decret waren, wie dies im Eingang derselben ausdrücklich bemerkt war: Da die Französische Regierung gewisse Befehle erlassen hat, welche, im Widerspruch mit dem Kriegsgebrauche, darauf zielen, allen Verkehr neutraler Nationen mit den Gebieten Sr. Majestät zu ver bieten, und die besagte Regierung es auf sich genommen, Sr. Majestät Gebiete in Blokadezustand zu erklären, in einem Augenblick, wo die Flotten Frankreichs und seiner Verbündeten durch die überlegene Macht Sr. Majestät in ihren eigenen Häfen eingeschlossen sind, so u. s. w." Dieser Character der Nothwehr in consequence of the unparalleled aggressions of the enemy," wie Canning in einer Note vom 23. September 1808 an den Amerikanischen Gesandten in London sagte, wurde auch stets von den Englischen Richtern festgehalten; so erklärte Lord Stowell: „These orders were intended and professed to be retaliatory against France; without reference to that character they have not and would not have been defended". Dies ist richtig, aber dabei wird vergessen, daß die Blokade von der Elbe bis Brest ebenso wenig zu rechtfertigen war, und dies übersieht auch Phillimore, der den retaliatory character der Orders nicht als Rechtfertigung gelten läßt, wenn er sagt: „France was the first wrong-doer, Great-Britain the second" (III. p. 313). Amerika antwortete 1809 auf beide Maßregeln mit der Non-intercourse Act", durch den es seinen Angehörigen den Verkehr mit Frankreich und Eng. land untersagte, so lange diese ihre Absperrungsmaßregeln aufrecht hielten.

[ocr errors]
[ocr errors]
[ocr errors]

Das System der Willkür ward gekrönt durch die beiderseits er

theilten Licenzen, d. h. die ausnahmsweise ertheilte Erlaubniß, ein Geschäft zu betreiben, das allgemein bei den schwersten Strafen verboten war, so daß die Contrebande im Kleinen mit dem Tode bestraft wurde, die Regierung sie dagegen im Großen betrieb.

Die schwächeren Europäischen Staaten mußten sich in dieser Periode der Gewalt fügen. Rußland schwankte je nach seiner augenblicklichen Politik haltlos zwischen Gegensägen hin und her. Die Vereinigten Staaten dagegen wollten sich nicht den Anmaßungen der kriegführenden Mächte unterwerfen und vertheidigten gegen dieselben das gute Recht der Neutralen. Schon in ihrem ersten Vertrage mit Frankreich vom 6. Fe bruar 1778 hatten sie den Grundsaz „Frei Schiff, frei Gut" anerkannt und die Contrebande auf wirkliche Kriegsartikel beschränkt; sie waren der bewaffneten Neutralität beigetreten und hatten die Freiheit des Privateigenthums in dem erwähnten Vertrage mit Preußen von 1785 anerkannt. Aber sie waren ebenso bereit, ihre neutralen Pflichten anzuerkennen und zu erfüllen; als Frankreich im Revolutionskriege in Amerika Kaper ausrüstete, und auf Jefferson's desfällige Beschwerde, der Französische Gesandte behauptete, es gehöre zu den gewöhnlichen Befugnissen Französischer Consuln, in fremden Häfen Kaperbriefe auszugeben, erwiderte der Staatssecretär, that the granting of military commissions within the United States by any other authority than their own is an infringement of their sovereignty, and particularly so when granted to their own citizens to lead them to commit acts contrary to the duties, they owe to their country" (June 5, 1793), und als es sich zeigte, daß die Geseze nicht ausreichten, um die Ausrüstung von Kapern wirksam zu hindern, sezte Washington mit dem Aufgebot seiner ganzen Autorität die Neutralitätsacte von 1794 durch, welche dies verbot.

[ocr errors]

In dem Vertrage vom 19. November 1794 mit England gaben zwar die Vereinigten Staaten zu, daß alle Feindesgüter auf neutralen Schiffen verfallen sein sollten, wogegen Schiff und übrige Ladung freizugeben sei, weil es nichts genügt hätte, England gegenüber daran festzuhalten, daß die Flagge die Ladung decke, und sie England nicht zwingen konnten, auf seinen Anspruch zu verzichten; sie gaben ferner darin nach, auch Lebensmittel als Contrebande gelten zu lassen, aber mit dem ausdrücklichen Vorbehalt, daß dieselben nur gegen Entschädigung weggenommen werden könnten. Frankreich gegenüber hielten die Vereinigten Staaten daran fest, daß der Grundsah „Frei Schiff, frei Gut“, so wünschenswerth seine allgemeine Annahme sei, bis jezt noch nicht als völkerrechtlich feststehend angesehen werden könne, sondern nur für solche Staaten gelte, welche ihn ausdrücklich angenommen, weshalb die Vereinigten Staaten sich nicht gegen England beschweren könnten, wenn es Feindes. gut auf neutralen Schiffen wegnehme. Im Uebrigen verlangte die Amerikanische Regierung, daß für ihren Handel der Grundsatz geachtet werde, wonach ein Krieg anderer Staaten die Neutralen nur in Bezug auf Contrebande und Blokade beschränke. Sie weigerten sich, sich Englands

sonstigen Uebergriffen zu fügen, und erklärten ihm 1812 den Krieg, namentlich weil sie nicht dulden wollten, daß England ihre Schiffe daraufhin durchsuche, ob sich Englische Militärpflichtige oder Ausreißer darauf befänden. Dieser Stellung der Vereinigten Staaten entsprachen die Erkenntnisse ihrer Gerichte, die dipomatischen Actenstücke ihrer Staats. männer und die Ausführungen ihrer völkerrechtlichen Schriftsteller.

1) Russische Erklärung. S'il y a des puissances auxquelles leur situation ne permet pas de faire cause commune contre l'ennemi de la sûreté des nations, il est juste qu'elles y concourent par d'autres moyens qui sont dans leur pouvoir et nommément par celui de l'interruption de tout commerce et de toute communication avec les perturbateurs du repos public.

§ 135.

E. Neuestes Recht seit 1856.

Es ist bereits bemerkt, daß die Verträge von 1814-15 die Fragen neutraler Rechte und Pflichten unberührt ließen. Von großer Wichtig keit aber war die dauernde Neutralisirung der Schweiz, der als Ergänzung die von Chablais und Faucigny zur Seite trat. Es war das erste Beispiel, daß durch einen großen Collectivact im gemeinsamen Interesse ein Staatsgebiet als dauernd befriedet erklärt wurde, das zweite wurde Belgien bei seiner Trennung von Holland.

England hielt auch nach dem Frieden seinen Anspruch fest, andere Handelsschiffe daraufhin zu untersuchen, ob sich Englische Militär pflichtige auf ihnen befänden, und wollte dies auf die des Sklavenhandels verdächtigen Schiffe ausdehnen, weil jener Handel nur so unterdrüdt werden könne. Frankreich, die Vereinigten Staaten und andere Regierungen widersetzten sich dem beharrlich und gaben auch die 1841 von England aufgestellte Unterscheidung von visit und search nicht zu, sondern hielten daran fest, daß im Frieden die Polizei über Handelsschiffe nur von deren eigenen Regierung geübt werden könne, wenn nicht vertragsmäßig einer anderen Regierung Befugnisse eingeräumt seien, und 1858 gab England seinen Anspruch als unhaltbar auf.

Der Krimkrieg brachte die bereits erwähnte Anerkennung der Rechte der Neutralen zur See. Frankreich war durch zahlreiche Verträge ver pflichtet, Feindesgut auf Freundesschiffen frei zu lassen. Englands Grundsäße vertrugen sich nicht mit der Wegnahme von Freundesgut auf Feindesschiffen, wozu Frankreich durch viele Verträge berechtigt war; nur indem jede der beiden auf dasjenige verzichtete, was den Neutralen lästig war, ließ sich ein Ausgleich herbeiführen, und dieser wurde durch die Erklärung des Pariser Congresses vom 16. April 1856 definitiv:

« PreviousContinue »