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juris publici etc. II, ed. 1645. v. Steck, Droit de postl. (in Essais sur plusieurs matières interessantes, Halle 1790). de Torres, De postl., Rom 1655. - A. B. Carpzow, De jure postl., Leipzig 1672. H. Cocceji, De jure postliminii, Heidelberg 1683, und Exercit. curios. I., 46. Dissertationen von Cleef (1706), Bayfius (1749), Krauß (1763), Nelander, De jure recuperationis (1742), De Soria, De bonorum finito bello restitutione (1747). Weitere zahlreiche Dissertationen s. bei Ompteda § 328, v. Kampß § 313. Römisches Recht: s. § 182. Praxis: s. Literaturangaben vor § 184.

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Das Ziel des Friedensschlusses ist, die Lage der Dinge so weit nicht besondere Bestimmungen getroffen wurden und das oben § 175 Gesagte Plaz greift in ihren früheren geordneten Zustand zurückzuführen, Rechtsverhältnisse wiederherzustellen, welche der gewaltthätige Krieg unterbrochen.

Aber auch ohne Friedensschluß können die gestörten Rechtsverhält nisse in ihre früheren Fugen zurücktreten, sobald entweder im Laufe des Krieges selber oder nach formloser Einstellung der Feindseligkeiten (§ 171, 2) die thatsächliche Befreiung eines durch feindliche Macht beseßten Gebietes oder die thatsächliche Entziehung des Besizes einer noch nicht zu Eigenthum erworbenen Sache erfolgt.

In beiden Fällen sprechen wir von dem Wiederaufleben der Rechtsverhältnisse kraft des jus postliminii, das sowohl aus jener im ersten Saze gekennzeichneten Aufgabe des Friedens, wie aus den blosen Thatsachen der Rückeroberung sich ergiebt. Wir können danach das Postliminium oder jus postliminii genauer bezeichnen als

das Recht, kraft dessen Personen, Sachen, Rechts- und Staatsverhältnisse, deren Zustand durch Eroberung gestört ist, nach Befreiung von der feindlichen Gewalt, in den früheren Rechtszustand zurückgelangen. 1) Das Postliminium kann sich auf Personen und Sachen, auf Einrichtungen und Verhältnisse, auf privates und öffentliches Recht beziehen, es läßt alle die früheren Rechts- und Besizverhältnisse wieder aufleben und in ungehemmte Wirksamkeit treten. Wenn aber nun nach den Wechselfällen des Krieges dies geschehen, an die Stelle der Gewalt wieder das Recht treten soll, so bedarf es hierfür besonderer Rechtsregeln. Diese aufzustellen, ist die Aufgabe jener Lehre, welche man gewöhnlich unter dem Worte Postliminium" zusammenfaßt. Das Wort ist den Römischen Rechtsquellen entnommen; über seine eigentliche Bedeutung herrschte aber schon in den ältesten Zeiten Streit. Die Einen betrachten es nur als die substantielle Form der Partikel post, das der Stammfilbe angefügte liminium" nur als eine Verlängerung ohne selbstständige Bedeutung, während eine andere, freilich in ihrer Herleitung sehr viel einfachere und populärere Ansicht das Wort, ähnlich wie postscenium u. A., aus post und limen erklärt und die Beziehung beider Worte in ihrer Vereinigung dadurch bestimmt, „ut quae a nobis alienata sunt cum ad

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hostem pervenerint et ex suo tamquam limine exierint, dein cum redierint post ad idem limen, postliminio videantur rediisse.")

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Das Wort Postliminium ist nun wie der nächste Paragraph zeigen wird zur Bezeichnung der im Folgenden zu behandelnden Lehre gewählt worden, obgleich die Römer ihm eine viel engere, eine ganz andere Bedeutung beilegten. Es ist üblich geworden, dieses Recht der Rückkehr, der Wiederherstellung Postliminium zu nennen.3) Der Ausdruck wird jedoch noch heute in sehr verschiedenem Sinne gebraucht. Eine große Anzahl Gelehrter denkt dabei auch gegenwärtig ausschließlich an den Fall, daß ein Land oder eine Bevölkerung, einzelne Personen oder Güter, welche während des Krieges in feindliche Gewalt gerathen waren, wieder von derselben ohne Friedensschluß befreit werden.") Diese Auffassung, welche sich z. B. auch bei Bluntschli findet, ist eine zu enge; vielmehr ist der richtigen, u. A. von Phillimore, Halled und Calvo vertretenen Ansicht nach der Ausdruck in einem weiteren Sinne anwendbar, nämlich sowohl in dem eben erwähnten Falle, wie für die Lehre, welche die Normen zur Entscheidung der im Friedensschlusse nicht ausdrücklich berührten Rechtsfragen enthält.

Die Lehre vom sogenannten Postliminium bietet daher zunächst erstens die für den Fall der thatsächlichen Rückeroberung allein maßgebenden Rechtssäße, denen dieselbe Bedeutung zukommt, wie allen völkerrechtlichen Normen; die in dieser Lehre entwickelten Säße bilden aber zugleich zweitens das Auslegungsmittel für alle Entscheidungen hinsichtlich jener Wirkungen des Friedens, die nicht ausdrücklich im Friedensinstrumente festgesezt sind; insofern aber diese Säße aus allgemeinen Rechtsgrundsäßen sich ergeben, können sie auch drittens als allgemeine Richtschnur für die theoretische und praktische Bestimmung der Wirkungen des Friedens dienen.

Nach allen diesen Richtungen, für alle diese Fälle ist die innere Natur der Rechtssäße die nämliche. Das Postliminium fommt nicht nur außerhalb des Friedensschlusses, es kommt auch, abgesehen von den Friedensbestimmungen, zur Anwendung. Der Grundgedanke, welcher die Lehre vom Postliminium trägt, ist für beide der erwähnten Fälle der gleiche. Immer handelt es sich darum, daß Personen, Sachen oder Verhältnisse von der Gewalt des Feindes befreit sind und in ihre alte Ordnung zurückkehren. In dem einen Falle ist die Rückkehr nur eine thatsächliche, und das wechselnde Kriegsglück kann möglicherweise zu er neuter Störung der Rechtsordnung führen; in dem andern Falle ist durch den Friedensschluß die allgemeine Wiederherstellung der Rechtsordnung ausgesprochen, und es handelt sich darum, das allgemeine Princip des Friedens im Einzelnen zur Geltung zu bringen, auch für die Verhältnisse, welche nicht ausdrücklich geregelt werden konnten oder sollten. Immer aber ist der Grundgedanke der, daß wohlerworbene Rechte durch keine einseitige Willkür, durch keine feindliche Gewalt ver nichtet werden können, daß die Gewalt allein dauernde Rechte nicht zu zu begründen vermag, daß Staatsgewalt wie Privateigenthum nur nach

bestimmten Formen und Regeln des Völkerrechts erworben werden können.3) Der Staat kann vorübergehend in der Ausübung seiner Gewalt be schränkt, der einzelne Bürger aus seinen im Occupationsgebiete belegene n Gütern verdrängt werden das Recht selbst bleibt ihm, es ist gestört und gehemmt, aber nicht verloren und vernichtet; so bald die äußeren Hindernisse beseitigt, ersteht es wieder in voller Kraft; freilich lebt nur das Recht als solches wieder auf, nicht wird das in der Zwischenzeit vom Feinde thatsächlich Entzogene wiedererlangt.

Dies ist die Bedeutung des jus postliminii. Der Streit, ob das. selbe eine „Fiction" sei, ist ein ziemlich gleichgültiger. Man hat sich daran gewöhnt, es so zu bezeichnen, da im Römischen Rechte es regelmäßig mit der fictio legis Corneliae zusammen genannt wird, auch schon die Institutionen von einer Fiction sprechen (,,fingit eum" etc., Inst. I., 12, 5). Für die Lösung praktischer Fragen ist dies bedeutungslos. Ob man dies Recht als Ausnahme von einer Regel betrachten, ob man leztere festhalten und eine Fiction annehmen, oder ob man vielleicht mit Javolenus (fr. 23, Dig. de a. vel o. p.) von einem jus singulare sprechen will, der juristische Kern der oben entwickelten Säße ist niemals der, daß das während der Occupation Erworbene überhaupt nicht erworben sei, sondern daß hier der justus titulus fehlt und darum ein Vindicationsrecht des ursprünglich Berechtigten besteht.

1) Holzendorff (Encyklopädie S. 1245) nennt Postliminium „die Gesammtheit der die Thatsache der feindlichen Gewalt negierenden Wirkungen."

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So Boethius, Comm. 1. IV. Ueber die Ableitung war schon zu Ciceros Zeiten Streit. Cic. Top. 8, vgl. Grotius III., 9, Annotata zu § 1. Zu den Anhängern der ersteren Ansicht, welche die Endsilbe „liminium“ etwa wie das „timus" in legitimus" betrachteten, gehörte der Jurist Servius. Pris. part. XII. vers. Aen. III., 69; Plutarch, Quaest. Rom., c. V.; Dirksen, Manuale, p. 735; Forcellini, Lexicon, ed. de Vit (1868), IV., p. 756. Ueber weitere Erklärungen in dem Sinne, daß zunächst eine locale Bedeutung, demnächst eine rechtliche angenommen wird, s. Göttling, Gesch. der Röm. Staatsverfassung, S. 117. Weitere Nachweise in den im nächsten Paragraphen angef. Schriften von Hase S. 9, von Young S. 56.

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3) Treffend Hall, Intern. law, § 162: The above rule is based upon what is called, by an unnecessarily imposing name, the right of postlimin., from a samewhat distant analogy to the jus postlimin. of Roman law. Properly it is difficult to see that the so called right has any ground for claiming existence as such" etc.

4) Bluntschli, Vattel, Martens (Bergbohm S. 546), Kent für die engere Fassung des Begriffes. Dagegen bes. Phillimore § 539, Calvo § 2937, Halled XXXV. § 4, wo S. 768 der enge Zusammenhang zwischen Friedensschluß und Postliminium betont wird.

5) Hall a. a. D. Eine treffende juristische Ausführung, daß der Eroberer selbst — durch die Friedensbedingungen, wonach er ein Gebiet „sich abtreten läßt“ —, zugiebt, daß er zum Erwerbe noch eines Rechtstitels bedarf, finden wir in

den Protokollen der Deutschen Bundesversammlung 1838, E. 656 . Bgl. auch Bando, de Rayneval, Phillimore S. 785, N. 9. Leber die im Uebrigen jehr verschiedenen Versuche das Postliminium zu begründen Blicht der Staaten, das Eigenthum zu schüßen, souveraineté des nations etc. i. Battel a a. D., Calvo § 2978; richtig Heffter, Pasquale Fiore. S. and Halleck c. 35, §2.

§ 181.

Geschichte des Begriffes. Das Römische Recht.

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Literatur und Verweisungen: Cujacius, Obs. IV. 9, XI. 23, XXVI. 2, XXVII. 3 u. j. w. — Puchta, Institut. II., §§ 220, 223, 241. Sohm, Institut., §§ 24, 51. Dirksen, Verm. Schriften I., 218. Bruns, Al. Schriften I., 48. Pernice, Labeo I., S. 358-380 sehr reichhaltig). Haje, Das jus postliminii (1851). Young, De jure postliminii quod ad res pertinet (Dissert. Berlin 1854). — Bechmann, Das jus postliminii (1872, behandelt nur das persönliche Postliminium). — Quellen: Gajus L, § 29, Inst. I., 12 § 5, II., 1 § 17, Dig. XLI.X, 15, Cod. VIII., 51, Cod. Theodos. XV., 4. Verzeichniß der Quellen bei Haje S. 243 ff. (wozu fr. 10 Dig. XXVIII., 3 hinzuzufügen ist).

Es ist hier nicht möglich, eine ausführliche Dogmengeschichte in Bezug auf das Postliminium zu geben. Immerhin dürfte einleitungsweise auf die Grundsäße des Römischen Rechts hingewiesen werden müssen. Dieselben finden zwar bekanntlich im heutigen Völkerleben keine Anwendung mehr, die Lehre jedoch hat sich im Anschluß an dieselben entwickelt.

Das Altrömische Kriegsrecht erkannte den Grundsaß an, daß dem Feinde gegenüber die Occupation von Personen und Sachen im vollsten Umfange erlaubt sei. War doch dies die Anschauung, die das ganze Alterthum, Orientalen, Griechen und Römer beherrschte.') Der gefangene Feind wurde Sklave, die genommene Sache verfiel dem Sieger zu unbeschränktem Eigenthum. Die scharfe und folgerichtige Anwendung dieses Sahes mußte auf Schwierigkeiten stoßen, wenn das wechselnde Kriegsglück eroberte Sachen wieder in die Gewalt der Römer, gefangene Bürger zu den heimathlichen Penaten zurückführte. In diesem Falle nahm man an, daß der befreite Römer, sowie daß bestimmte Gegenstände in ihren früheren Zustand zurückkehrten, gleich als ob er niemals unterbrochen gewesen wäre. Das Recht, wodurch der freigewordene Gefangene seine frühere Stellung, bestimmte Sachen ihren früheren Herrn wieder erhielten, nannte man Postliminium. Zunächst bezeichnet postliminium redire lediglich die Rückkehr nach Rom oder in die Heimat mit der daran geknüpften Folge, daß Alles wieder in den alten Stand kommt. Der Freie wird wieder frei, der Deportirte wieder deportirt, die

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gestohlene Sache wieder res furtiva und usucapionsunfähig.2) Dem zurückgekehrten Bürger werden alle Rechte restituirt, an Sachen leben alle Rechte wieder auf, kurz, der Zwischenzustand wird als nicht vorhanden angesehen. Es erfolgte also nicht nur Zurückgabe, sondern das Postliminium übte eventuell auch rückwirkende Kraft. Entschieden ist jetzt durch die Heimkehr, was als in der Schwebe" befindlich betrachtet werden konnte, daher man auch die Folgen der Kriegsgefangenschaft mit der hereditas jacens zusammenstellte.) Die Folgen dieser Rückkehr sind aber keine durch Fictionen künstlich hergestellte. Sie regeln sich vielmehr aus den Grundsäßen des Römischen Staatsrechts und aus dem am Schluß des vorigen Paragraphen angedeuteten Gedanken, daß dem Erwerb durch occupatio bellica der justus titulus fehle. Erst seit der Zeit Julians tritt der Gedanke der Fiction in den Vordergrund, welchen die Justinianische Gesetzgebung aufgenommen hat.4)

Am genauesten hat Paulus das Wesen des Römischen Postliminium gekenntzeichnet:

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,Postliminium est jus amissae rei recipiendae ab extraneo et statum pristinum restituendae inter nos ac liberos populos regesque moribus ac legibus constitutum. Nam quod bello amisimus aut etiam citro bellum, hoc si rursus recipiamus, dicimus postliminio recipere. Idque naturali aequitate introductum est, ut, qui per injuria ab extraneis detinebatur, is, ubi in fines suos rediisset, pristinum jus suum reciperet."

Hierin ist zugleich gesagt, daß das Postliminium nur im Kriege mit anderen Völkern, nicht z. B. im Bürgerkriege, Anwendung findet.3)

Im Einzelnen war nun die Wirkung des Postliminium eine sehr verschiedenartige und hat zu mannigfachen Untersuchungen Anlaß gegeben, die uns hier zu weit führen würden. Es mögen jedoch die Grundzüge der Lehre mit ein paar Worten hervorgehoben werden. Die Quellen bieten eine reiche Auswahl von Entscheidungen, welche uns die wiederbelebende Kraft des Postliminium zu vergegenwärtigen geeignet sind. Diese äußert sich zunächst hinsichtlich der Person, indem sich das Postliminium auf die Standesrechte, Familienrechte u. s. w. erstreckt.) Kehrt der gefangene Hausvater zurück, so lebt die patria potestas wieder auf, mit allen ihren vermögensrechtlichen Wirkungen; kehrt der Haussohn zurück, so erfolgt der juristisch sehr viel einfachere Wiedereintritt in die väterliche Gewalt; kehren Vormund oder Mündel zurück, so lebt die Vormundschaft wieder auf, aber ohne rückwirkende Kraft. Aber auch Sachen werden von diesem Rechte der Rückziehung ergriffen, und zwar sind uns verschiedene Verzeichnisse solcher überliefert; Grundstücke fielen in das -am leichtesten nachweisbare Eigenthum des früheren Herrn zurück, aber auch alle dinglichen Rechte daran (Pfandrecht, Servituten) lebten wieder auf. Von beweglichen Sachen kehren in das Eigenthum zurück: Kriegs- und Transportschiffe (naves longae et onerariae), Saumthiere, Pferde und das Heergeräth, selbstverständlich auch Sklaven und Skla

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