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Bezüglich der Frage, ob Jurisdiktion vorhanden sei, ist das Urteil des höchsten Gerichtshofs des betreffenden Staats entscheidend. Die Bundesgerichte sind daran gebunden 1).

Wenn Jurisdiktion vorhanden ist, so kann die Vollstreckung des Urteils eines andern Bundesstaats nicht abgelehnt werden, namentlich nicht deshalb, weil sie contra jus publicum desjenigen Staates sei, dessen Gerichte um Vollstreckung angegangen werden2). Das Urteil kann in dem fremden Staate nur wegen

eine andere Korporation aus diesem Staate auf Grund eines in Illinois gefällten Urteils in New York anstellte, wurde nach dieser Bestimmung abgewiesen. Es wurde angenommen, daß den Gerichten in Illinois die Jurisdiktion gefehlt habe. In dem Urteil des höchsten Gerichtshofs heißt es: „Der Gerichtshof des Staates entscheidet, daß der Klagegrund nicht in dem Staate im Sinne des Gesetzbuchs entstanden sei und natürlich folgen wir seiner Auslegung. Im übrigen wurde bemerkt, die Verfassung verlange in der full faith and credit-Klausel nicht, daß der Staat New York seinem höchsten Gerichtshof in einer bestimmten Sache Jurisdiktion gebe. Siehe auch United States Reports 210, S. 230 ff. In United States Reports 211, S. 90 heißt es: „The judicial act of the highest court of the State in authoritatively construing and enforeing its laws, is the act of the State".

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1) Vgl. Wallace, Reports XVI 185; United States Reports 118,

S. 425; 180, S. 587; 209, S. 221.

2) Im Staate Mississippi sind Differenzgeschäfte in Baumwolle für nichtig erklärt und unter Strafe gestellt. Streitigkeiten aus einem solchen Geschäft wurden in einem Falle durch einen Schiedsspruch erledigt. Auf Grund dieses Schiedsspruchs, in welchem das Geschäft als gültig angesehen wurde, erfolgte im Staate Missouri ein verurteilendes Erkenntnis. Der höchste Gerichtshof von Mississippi versagte diesem Urteil die Anerkennung, weil die Gerichtsbarkeit für einen solchen Fall fehle. Eine Nichtigkeitsbeschwerde wegen Verletzung der Verfassung der Vereinigten Staaten wurde an den höchsten Gerichtshof der Vereinigten Staaten eingelegt. Dieser hob das Urteil am 18. 5. 08 auf, indem er annahm, daß die fraglichen Gesetze des Staates Mississippi die Jurisdiktion der Gerichte nicht beseitigen. Der Gerichtshof bemerkte, es sei zwar mitunter schwierig zu unterscheiden, ob ein Gesetz sich auf die Jurisdiktion oder auf das materielle Recht beziehe, der Unterschied sei aber klar. Das eine beziehe sich auf die Befugnisse, das andere auf die Pflichten des Richters. Ein Urteil, welches mit der Pflicht des Richters, das Gesetz richtig anzuwenden, nicht übereinstimme, sei deshalb nicht als nichtig anzusehen. Im Zweifel sei, wenn es sich um einen Gerichtshof mit allgemeiner Jurisdiktion handle, anzunehmen, daß das Gesetz eine Regel des materiellen Rechts habe aufstellen wollen. Die fragliche Gesetzesbestimmung enthalte nur eine Regel für die Entscheidung des Richters. Das Gesetz lautete: Die betreffenden Verträge shall not be enforced by any court". Eine Minorität war abweichender Ansicht. Sie legte das Gesetz des Staates Mississippi so aus, daß es die fraglichen Verträge der Jurisdiktion der Gerichte entziehe (United States Reports 210, S. 230). Man hat also angenommen, daß die Frage, ob Jurisdiktion vorhanden sei, nach dem Recht des Gerichts, welches das fremde Urteil vollstrecken soll, zu beurteilen sei. Nach dem Recht des Staates Missouri war unzweifelhaft Jurisdiktion in dem Falle vorhanden.

fraus (fraud) angefochten werden, und zwar muß sich die fraus auf das Verfahren beziehen. Soweit es sich materiell um ein betrügerisches Verhalten einer Partei handelt, ist das Urteil des Gerichts, welches erkannt hat, entscheidend. Es kommt auch nicht darauf an, ob das Urteil, um dessen Vollstreckung es sich handelt, auf einem Irrtum beruht, insbesondere mit einer Entscheidung des höchsten Gerichtshofs der Vereinigten Staaten in Widerspruch steht 1). Die Anfechtung wegen fraus kann nur im Wege eines selbständigen Verfahrens, nicht beiläufig als Einwand gegen den Anspruch auf Vollstreckbarkeitserklärung erfolgen 2). Dieses tritt im nordamerikanischen Recht besonders hervor, da hier im Anschluß an das englische Recht ein Verfahren at law, in welchem die rein gesetzmäßigen Ansprüche verhandelt werden, von einem solchen in equity, das insbesondere auf die Verwirklichung des materiellen Rechts gerichtet ist, unterschieden wird. Die Vollstreckbarkeitserklärung erfolgt in dem Verfahren at law, die Anfechtung wegen fraus in dem Equity-Verfahren 3).

1) Vgl. United States Reports 212, S. 311 ff.
2) Vgl. Wallace, Reports V 290 ff.

3) Im englischen Recht findet sich ein Unterschied zwischen Law und Equity. Unter Equity versteht man im allgemeinen das natürliche Recht oder die Billigkeit im Gegensatz zu dem strengen Gesetz (law). Man kann die Equity vielleicht am besten mit der früheren exceptio doli generalis oder mit den Grundsätzen von Treu und Glauben vergleichen, welche auch bei uns neben den gesetzlichen Vorschriften zur Anwendung kommen, diese im einzelnen Falle ergänzen und für unanwendbar erklären können. Die Equity ist dadurch entstanden, daß die Parteien sich gegen die Urteile der Gerichte an den König wandten, welcher die Entscheidung dem Kanzler überließ. Die Equity zeigte sich zuerst unter der Herrschaft Eduards I. als ein förmliches System von Rechtsgrundsätzen, welches von einem von den bestehenden Gerichtshöfen verschiedenen Gericht, dem Court of Chancery angewandt wurde. Vor dem Court of Chancery wurde in einem eigentümlichen Verfahren verhandelt. Geschworene wurden nicht zugezogen. Diese Grundsätze galten auch zur Zeit der Unabhängigkeitserklärung in den nordamerikanischen Kolonien. Später ist ein besonderer Court of Chancery nur in einigen Staaten erhalten geblieben. Bei den Bundesgerichten und in anderen Staaten werden die Equity-Sachen nicht vor besonderen Gerichten verhandelt, man unterscheidet sie aber auch dort noch von den Sachen at law (Equityside und Lawside bei den Courts). In einer dritten Kategorie von Staaten ist ein gleiches Verfahren für die Sachen at law und für die in equity eingeführt. Der Unterschied zwischen Equity und Law ist bezüglich des materiellen Rechts bestehen geblieben. In einigen Staaten, z. B. in Kalifornien, ist nicht bloß das Zivilprozeßrecht, sondern auch das materielle Privatrecht kodifiziert. Dennoch wird auch hier zwischen dem Verfahren at law und in equity unter

V.

Die full faith and credit-Klausel bezieht sich nur auf die Urteile der Gerichte der nordamerikanischen Staaten, nicht auf solche aus Staaten, die zu dem nordamerikanischen Bunde nicht gehören. Die Frage, ob und unter welchen Umständen Urteilen. aus fremden, nicht zu dem Bunde gehörigen Staaten full faith and credit einzuräumen sei, ist erst im Jahre 1894 bei dem höchsten Gerichtshof der Vereinigten Staaten zur prinzipiellen Entscheidung gelangt. Indessen ist auch schon vorher in einzelnen Staaten die Vollstreckbarkeit außeramerikanischer Urteile von Staatsgerichtshöfen anerkannt; so von den Gerichtshöfen der Staaten New York (in den Jahren 1862, 1872 und 1893), Maine (1866-1868) und Illinois (1876) 1). In dem Staate

schieden. Das Equity-Verfahren ist bestimmt, Abhilfe gegen ein Unrecht zu gewähren, gegen welches ein Rechtsmittel at law nicht vorhanden ist, es ist subsidiär. Wie bemerkt, findet in diesem Verfahren eine Mitwirkung der Geschworenen nicht statt. Es wird sogar angenommen, daß, wenn eine an sich vor die Geschworenengerichte gehörende Streitsache so beschaffen ist, daß sie von den Geschworenen nicht gut entschieden werden kann, das Verfahren in equity eingeleitet werden darf, indem der Kläger nur auf diese Weise zu seinem Recht kommen kann. Eine andere Verschiedenheit der beiden Verfahren besteht darin, daß in dem Verfahren at law nicht die wirkliche Erfüllung eines Vertrags, sondern nur Schadensersatz verlangt werden kann, während im Equity-Verfahren die Erfüllung (specific performance) erzwungen wird. Die actio rei judicatae ist natürlich in dem Verfahren at law anzustellen. Ueber das gegenwärtige Verhältnis von Law und Equity in England siehe Gerland, Die englische Gerichtsverfassung I 301 ff.

1) In dem Falle Konitzky/Meyer entschied der Appellhof des Staates New York im Jahre 1872, daß ein Urteil des hanseatischen Oberappellationsgerichts, welches den Beklagten als Bürgen zur Zahlung verurteilt hatte, in dem späteren Prozeß des Bürgen auf Schadloshaltung gegen den in New York wohnenden Hauptschuldner, welchem die deutsche Prozeßladung insinuiert worden war, die gleiche Kraft habe, wie wenn das Urteil gegen den Bürgen von einem New Yorker Gericht erlassen worden wäre (Schnitzler, Wegweiser für den Rechtsverkehr zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika, 2. Aufl., S. 144 ff.). Im Jahre 1892 erklärte der Appellhof von New York in Sachen Dunstan/Higgins ein englisches Urteil für vollstreckbar. Es heißt in dem Urteil: „Die anerkannte Rechtsregel in diesem Staate ist, daß ein fremdes Urteil in der Sache abschließend ist. Es kann nur angefochten werden durch den Nachweis, daß der Gerichtshof, von welchem es gefällt ist, keine Jurisdiktion über den Gegenstand oder über die Person des Beklagten hatte, oder daß es durch Betrug erwirkt war". Es wird hinzugefügt, daß die Regel im Verhältnis zu den andern Bundesstaaten auf der full faith and credit-Klausel beruhe, den Urteilen aus ausländischen Staaten werde die Wirkung auf Grund der comitas gentium, welche einen Teil des einheimischen Rechts bilde, beigelegt. Der Beklagte hatte angeführt, daß er in England in der Verteidigung in unzulässiger Weise beschränkt worden sei. Dieser Zeitschrift f. Intern. Recht. XXII. 3

Ohio scheint die Praxis geschwankt zu haben. In Louisiana scheint die Anerkennung fremder Urteile auf einer besonderen gesetzlichen Vorschrift dieses Staates zu beruhen (United States Reports 159, S. 1951).

Es ist natürlich, daß die full faith and credit-Klausel auch auf die Behandlung nichtamerikanischer Urteile von Einfluß gewesen ist. Die einzelnen Bundesstaaten stehen einander in jurisdiktioneller Beziehung an sich im wesentlichen ebenso gegenüber, wie den ausländischen Staaten. Sie liegen zum Teil in großer Entfernung voneinander, die in ihnen herrschenden Rechtsanschauungen sind, wie ihre Gesetzgebung erweist, sehr verschieden. Dasselbe gilt von den sozialen Verhältnissen. Die full faith and credit-Klausel gewöhnte nun die nordamerikanischen Juristen daran, fremde Urteile den einheimischen als gleichwertig zu behandeln, so verschieden auch die Verhältnisse in dem Staate, in welchem das Urteil ergangen war, von den einheimischen sein mochten. Die Ansicht von der Ueberlegenheit der einheimischen Jurisprudenz und ein Miẞtrauen gegen die Unbefangenheit und Unparteilichkeit der fremden Gerichte konnte nicht zum Durchbruch kommen. Für die Unterscheidung zwischen einem amerikanischen und einem nichtamerikanischen Urteil lag in den Verhältnissen kein durchschlagender Grund. Mochte man auch vielleicht die Gerichte in den nichtamerikanischen Staaten nicht für gleichwertig halten, so sah man doch diesen Mangel als aufgewogen durch den großen Uebelstand und die Unzuverlässigkeit an, welche mit einem wiederholten Beweisverfahren verbunden sind. Dem

Einwand wurde verworfen, er hätte in England vermittelst eines Rechtsmittels geltend gemacht werden müssen (American States Reports XXXIV 431; vgl. auch Knauth in Rhein. Zeitschrift für Zivil- und Prozeßrecht I 96). Eine gleiche Auskunft über das im Staate New York geltende Recht findet sich bereits in einem Zeugnis des vorsitzenden Richters des superior court in New York, welches in einem Urteil des Oberappellationsgerichts in Jena aus dem Jahre 1871 mitgeteilt ist (Blätter für Rechtspflege in Thüringen und Anhalt XIX 72 ff.). Bei den andern Urteilen scheint es sich um die Vollstreckung englischer Urteile gehandelt zu haben.

1) Die ausländischen Urteile haben dort die Wirkung einer Novation (Schnitzler a. a. O., S. 144). In Louisiana gilt bekanntlich nicht das englische common law, sondern das französische und also das römische Recht (civil law) bildet die Grundlage des dortigen Rechts.

praktischen Sinn der nordamerikanischen Richter mußte sich dieses besonders aufdrängen, zumal dort oft die Beweisaufnahme und die Entscheidung über die Tatsachen im Schwurgerichtsverfahren erfolgt.

Im Jahre 1894 kam die Frage, ob das Urteil eines ausländischen Gerichts als verbindlich anzuerkennen sei, gleichzeitig in zwei Fällen vor dem höchsten Gerichtshof der Vereinigten Staaten zur Entscheidung. Die Sache wurde wegen ihrer großen Bedeutung vor dem vollbesetzten Gerichtshof von 9 Mitgliedern einer besonders gründlichen Prüfung unterzogen. Es handelte sich einmal um den Fall Hilton/Guyot: Fortin & Co., französische Staatsangehörige, hatten in Paris gegen die Handelsgesellschaft Stewart & Co., deren Inhaber, Hilton und Libbey, nordamerikanische Staatsangehörige waren, und welche eine Niederlassung in Paris gehabt hatten, in Paris geklagt. Die Beklagten waren von dem Handelsgericht und dem Appellhof in Paris zur Zahlung einer großen Geldsumme verurteilt. Der Liquidator der Firma Fortin & Co. namens Guyot klagte nun in New York bei dem Bundesgericht at law auf Vollstreckung des Urteils. Die Beklagten, Hilton etc., klagten dagegen in equity darauf, daß dem französischen Urteil die Wirksamkeit abgesprochen werde, insbesondere auch deshalb, weil die Kläger sich ein betrügerisches Verhalten hätten zuschulden kommen lassen und die französischen Gerichte getäuscht hätten. Der angebliche Betrug bezog sich auf die Sache selbst, nicht auf das Verfahren. Die letztere Klage wurde von dem Gerichtshof für unbegründet erklärt. Der Gerichtshof nahm an, daß ein ausländisches Urteil eines zivilisierten Staates, wenn das ausländische Gericht Jurisdiktion gehabt habe und die Parteien geladen oder im Prozesse erschienen seien, abschließend wie ein einheimisches Urteil sei. Bezüglich des behaupteten Betrugs wurde angenommen, daß ein fremdes Urteil zwar wegen fraus anfechtbar sei, aber nicht weiter, als ein einheimisches. Die Anfechtung könne deshalb nicht darauf gestützt werden, daß in dem früheren Verfahren falsche Zeugenaussagen gemacht, oder gefälschte Urkunden vorgelegt seien 1). 1) Federal Reporter XLII 249 ff.

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