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Eine dementsprechende Anweisung wurde in dem Verfahren at law den Geschworenen erteilt.

Das hiergegen eingelegte Rechtsmittel an den höchsten Gerichtshof der Vereinigten Staaten hatte Erfolg. Der Gerichtshof entschied mit 5 gegen 4 Stimmen zugunsten der New Yorker Firma. Es wurde angenommen, daß die Anerkennung eines nichtamerikanischen Urteils in personam nicht bloß voraussetze, daß das Urteil von einem kompetenten Gericht in einem ordnungsmäßigen, den Anschauungen der zivilisierten Staaten entsprechenden Verfahren gefällt sein müsse, sondern daß die Gewährung der Vollstreckung eines ausländischen Urteils auch von der Voraussetzung der Reziprozität abhängig sei, und festgestellt, daß es an der Reziprozität, wie dieses ja bekannt ist, im Verhältnis zu Frankreich fehle. Die Minorität war dagegen der Ansicht, daß den auswärtigen Urteilen ohne Rücksicht darauf, ob in dem betreffenden Staate auch die nordamerikanischen Urteile vollstreckt würden, in den Vereinigten Staaten abschließende Wirkung beizulegen sei, und daher das Rechtsmittel zurückgewiesen werden müsse.

Die Begründung der Ansicht der Majorität ist folgende: Die Wirkung, welche einem fremden Urteile in den Vereinigten Staaten beizulegen sei, beruhe auf demjenigen, was man mit dem allerdings oft kritisierten Ausdruck comitas gentium (comity of nations) bezeichnet habe. Comitas im rechtlichen Sinn sei weder eine absolute Verpflichtung, noch eine Sache reiner Höflichkeit und Gefälligkeit, sie sei vielmehr die Anerkennung, welche eine Nation in ihrem Gebiet den gesetzgeberischen, exekutiven oder richterlichen Akten einer andern Nation gewähre, unter Berücksichtigung sowohl der internationalen Verbindlichkeit und Konvenienz, wie andererseits der Rechte der eigenen Bürger und anderer, unter dem Schutze ihrer Gesetze befindlicher Personen.

Nachdem dann eine Uebersicht über die englische und nordamerikanische Rechtsprechung, sowie über das einschlagende Recht in den Vereinigten Staaten gegeben worden ist, wird folgendes ausgeführt: Aus der Uebersicht ergebe sich, daß es kaum eine zivilisierte Nation gebe, welche allgemein einem

auf die Zahlung einer Geldsumme gerichteten fremden Urteil abschließende Wirkung beilege. In verschiedenen Staaten, so namentlich auch in Frankreich, finde eine Nachprüfung in der Sache statt, in der größeren Mehrheit der Staaten des europäischen Festlandes, sowie in Aegypten, Mexiko und dem größten Teil von Südamerika werde den Urteilen eines fremden Staates die Wirkung beigelegt, welche in diesem Staate die Urteile des eigenen Staates hätten. Die Regel der Reziprozität sei in das internationale Recht fest eingedrungen. Danach wird entschieden, daß das fragliche französische Urteil in den Vereinigten Staaten nicht vollstreckt werden könne. „Wenn wir ein solches Urteil wegen Mangels der Reziprozität nicht für eine abschließende Entscheidung erklären, so richten wir uns dabei nicht nach einer Theorie, nach welcher wegen eines einer Person zugefügten Unrechts eine Retaliation gegen eine andere Person stattzufinden habe, sondern wir stehen auf dem Standpunkt, daß das internationale Recht sich auf Gegenseitigkeit und Reziprozität gründet, und daß nach diesem Recht, wie solches bei den meisten zivilisierten Völkern anerkannt ist, und nach der comitas, wie diese in unserm eigenen Lande aufgefaßt wird und wie wir sie entsprechend unserer richterlichen Pflicht kennen und zur Anwendung bringen müssen, das Urteil nicht als abschließend angesehen werden kann. Wenn wir das Urteil als abschließend ansähen, so würden wir ihm eine Wirkung beilegen, auf welche es, vorausgesetzt, daß der Beklagte die von ihm aufgestellte Behauptung des Betrugs beweisen sollte, in Ermangelung eines besonderen Vertrags kaum in irgend einem christlichen Staate Anspruch haben würde."

In bezug auf die Behauptung der nordamerikanischen Firma, das Urteil beruhe auf falschen und betrügerischen Angaben, die die Gegenpartei vor den französischen Gerichten gemacht habe, wird in dem Votum der Majorität bemerkt: Die Entscheidungen der englischen Gerichte erkennten eine derartige Anfechtung eines fremden Urteils als zulässig an. Es sei aber überflüssig zu entscheiden, ob man dieser Ansicht folgen könne gegenüber den Grundsätzen, welche in den Vereinigten Staaten

in bezug auf die Anfechtung einheimischer Urteile wegen fraus anerkannt seien, da die Vollstreckung des französischen Urteils wegen Mangels der Reziprozität abgelehnt werden müsse.

Für die Minorität des Gerichtshofs gab der Vorsitzende (chief justice) die Begründung. Diese stützt sich auf allgemeine Ausführungen, indem aus der Natur der res judicata argumentiert wird. Die Frage, ob die Partei, welche vor einem zuständigen auswärtigen Gericht nach gehöriger Verhandlung der Sache unterlegen sei, eine Wiederholung des Verfahrens verlangen könne, sei nach allgemeinen Regeln zu verneinen. Die Regeln von der res judicata, wie sie für einheimische Urteile gälten, seien auch für auswärtige Urteile anzuwenden und zwar aus dem gleichen Grunde, daß der Streit einmal zu Ende kommen müsse. Die Notwendigkeit der Anerkennung fremder Urteile träte in dem streitigen Falle besonders hervor. Die New Yorker Firma habe in Frankreich eine Niederlassung gehabt und dort Geschäfte betrieben, sie habe sich den dortigen Gesetzen und dem dortigen Prozeßverfahren insoweit unterworfen, ja sie habe sogar Widerklageansprüche erhoben.

In den Vereinigten Staaten stehe es fest, daß die unter einem fremden Recht erworbenen Privatrechte zu respektieren und gerichtlich anzuerkennen seien, insofern nicht etwa die Politik oder das Interesse des nordamerikanischen Staates dieses ausschlösse. Es sei nicht einzusehen, warum nicht der gleiche Grundsatz auch auf Urteile, die in einem fremden Staate erwirkt seien, Anwendung finden solle. Die französischen Gerichte hätten die Sache objektiv und ohne Rücksicht auf die Nationalität der Parteien geprüft und entschieden. Der Votant könne den Satz nicht als richtig anerkennen, daß, weil man in Frankreich den nordamerikanischen Urteilen nicht die Wirkung beilege, welche nach den nordamerikanischen Anschauungen jedem Urteil, wo es auch immer erwirkt sein möge, beizulegen sei, man in Nordamerika in gleicher Weise in bezug auf französische Urteile verfahren müsse. Die Anwendung der Regeln über die res judicata sei nicht diskretionär. Es sei Sache der Regierung und nicht der Gerichte, eine Retorsion zur Anwendung zu bringen, wenn solche als wünschenswert oder als notwendig angesehen

werden sollte. Die Minorität des Gerichtshofs hielt die Berufung auf den in der Sache selbst angeblich in Frankreich begangenen Betrug für unzulässig. Von einem näheren Eingehen hierauf wurde abgesehen, da die Majorität diese Frage dahingestellt gelassen hatte 1).

In dem andern Falle, Ritchie/Mac Mullen, handelte es sich um die Vollstreckung eines kanadischen, auf Zahlung einer Geldsumme gerichteten Urteils. Das Bundesgericht (Circuit Court) entschied im Jahre 1890, daß dem kanadischen Urteile dieselbe Wirkung beizulegen sei, wie dem Urteile des Gerichts eines fremden nordamerikanischen Staats. Es wurde ausgeführt: Zwar habe man früher, vor etwa 50 Jahren, den ausländischen Urteilen nur die Wirkung eines prima facie Beweises beigelegt. Diese Ansicht sei aber später, wie in England, so auch in Nordamerika aufgegeben. Den ausländischen Urteilen müsse eine abschließende Wirkung beigelegt werden, wenn sie von einem zuständigen Gerichte in einem unparteiischen Verfahren gefällt seien, und dem Beklagten Gelegenheit, sich zu verteidigen, gegeben sei, denn dem Streit müsse einmal ein Ende gesetzt werden. Der Gerichtshof machte also, ebenso wie in dem vorigen Fall der Bundesgerichtshof von New York, die Vollstreckbarkeit ausländischer Urteile nicht von der Reziprozität abhängig. In der Begründung des Urteils wurde anerkannt, daß das ausländische Urteil angefochten werden könne, wenn das Verfahren den Mangel der fraus habe (if the proceedings were tainted with fraud). Der Beklagte hatte vor dem kanadischen Gericht behauptet, der Vertrag, auf welchen Kläger seine Ansprüche stütze, sei nur zum Schein geschlossen (accommodation contract). Er wiederholte diese Behauptung vor dem nordamerikanischen Gericht. Der Einwand wurde indessen nicht für begründet angesehen, obgleich er auf den Vorwurf eines betrügerischen Verhaltens des Klägers hinauszukommen scheint 2).

Das hiergegen eingelegte Rechtsmittel wurde von dem höchsten Gerichtshof unter Bezugnahme auf die Entscheidung in dem Falle Hilton/Guyot zurückgewiesen, indem angenommen

1) United States Reports 159, S. 113 ff.
2) Federal Reporter XLI 502 ff.

wurde, daß im Verhältnis zu Kanada Reziprozität vorhanden sei. Es heißt: Nach dem englischen Recht, welches in Kanada gilt, würde einem Urteil, welches unter gleichen Umständen in Nordamerika gefällt wäre, volle und abschließende Wirkung beigelegt werden. Der höchste Gerichtshof sieht es also für die Reziprozität als genügend an, wenn ein gleiches Urteil des nordamerikanischen Gerichts in dem fremden Staate vollstreckt wird; es wird nicht allgemeine Reziprozität verlangt. Was die Anfechtung wegen fraus anlangt, so ist in dem Urteil Hilton/Guyot dahingestellt gelassen, ob ausländische Urteile nur wegen einer fraus im Verfahren oder auch wegen einer andern angefochten werden können. In diesem Falle wurde die Berufung auf fraus aus formellen Gründen zurückgewiesen, indem angenommen wurde, daß eine bestimmte fraus behauptet werden müsse, und daß in dem klägerischen Vorbringen nicht einmal die allgemeine Behauptung einer fraus zu finden sei1). Der höchste Gerichtshof hielt es also in bezug auf die Reziprozität für gleichgültig, ob die Anfechtung eines Urteils wegen fraus in England und in Kanada in einem weiteren Umfange als in Nordamerika gestattet sei. Weiter können in England und Kanada ausländische Urteile angefochten werden, wenn sie mit allgemeinen Rechtsanschauungen in Widerspruch stehen, „contrary to natural justice" sind. Dieses ist als unerheblich angesehen, obgleich eine Anfechtung aus einem solchen Grunde in den Vereinigten Staaten nicht zulässig ist. Die Entscheidung steht auf einem freieren Standpunkt, als das Urteil des RG vom 19. 5. 822).

VI.

In der Entscheidung des höchsten Gerichtshofs ist ausgesprochen, daß die Urteile der Gerichte der nichtamerikanischen Staaten in den Vereinigten Staaten vollstreckbar sind, wenn die Reziprozität vorhanden ist. Die Frage, ob die ausländischen Urteile in einem weiteren Umfange wegen fraus angefochten werden können als diejenigen aus den nordamerikanischen

1) United States Reports 159, S. 235.

2) RGZ VII 406 ff.

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