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Es ist daher nicht ausgeschlossen, daß ich mich in einzelnen Punkten irre. Außerdem versteht es sich von selbst, daß die Gerichte, welche in dieser Angelegenheit erkannt haben, die Materie besser beherrschen, als ich. Nicht allein, daß ihnen von den Parteien das in Betracht kommende nordamerikanische Recht vollständig oder zum großen Teil zugebracht sein muß, sie haben natürlich die Sache auch gründlicher studiert, als ich, wie ich denn auch, wenn ich hierüber zu entscheiden gehabt hätte, mich eingehender, als hier geschehen, mit den einschlagenden Rechtsfragen beschäftigt haben würde.

I.

Die Anerkennung eines ausländischen Urteils ist nach § 328 ZPO in gewissen, näher bestimmten Fällen ausgeschlossen. Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist also die Anerkennung als die Regel anzusehen. Sie muß erfolgen, wenn keine von den angegebenen Ausnahmen vorliegt. Ist es zweifelhaft, ob solches der Fall ist, so ist für die Anerkennung zu entscheiden. Der § 723 ZPO regelt die wichtigste Art der Anerkennung, nämlich die Vollstreckung. Er schließt sich an den § 328 an und sieht ebenfalls die Versagung der Vollstreckung als eine Ausnahme von einer allgemeinen Regel an.

Der § 328 ist durch die Prozeßnovelle von 1898 eingeführt. Bis dahin behandelte die ZPO in den §§ 660 und 661 nur die Zwangsvollstreckung aus fremden Urteilen. Das zu diesem Zwecke zu erlassende Vollstreckungsurteil sollte, wie nach § 328, nur in gewissen Ausnahmefällen, die denjenigen des § 328 im wesentlichen entsprechen, versagt werden. Der § 328 unterscheidet sich von den früheren §§ 660 und 661 dadurch, daß er nicht bloß die Erlassung eines Vollstreckungsurteils auf Grund eines ausländischen Urteils, sondern allgemein die Anerkennung eines solchen Urteils regelt, auch insoweit es sich nicht um eine Zwangsvollstreckung im Inlande handelt. Er trifft insbesondere auch den Fall, wo das Urteil bereits im Auslande vollstreckt ist.

Von den Ausnahmefällen, in welchen nach § 328 ZPO die Anerkennung eines ausländischen Urteils zu versagen ist,

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kommen hier die Bestimmungen unter Ziff. 1, 2, 4 und 5 in Betracht. Danach setzt die Anerkennung eines ausländischen Urteils, wenn der unterlegene Beklagte ein Deutscher ist und sich auf den Prozeß nicht eingelassen hat, voraus, daß die den Prozeß einleitende Ladung oder Verfügung ihm entweder in dem Staate des Prozeßgerichts in Person oder durch Gewährung deutscher Rechtshilfe zugestellt ist (Ziff. 2). Abgesehen hiervon wird die Anerkennung eines ausländischen Urteils gewährt, wenn die Gerichte des Staates, dem das ausländische Gericht angehört, nach den deutschen Gesetzen zuständig sind (Ziff. 1), und wenn die Gegenseitigkeit verbürgt ist (Ziff. 5).

Es muß also die Gerichtshoheit des Staates, welchem das ausländische Gericht angehört, nach den völkerrechtlichen Grundsätzen über den Gerichtsstand, wie solche im deutschen Recht formuliert worden sind, begründet sein. Ob die deutschen Bestimmungen über den Gerichtsstand mit den völkerrechtlichen Grundsätzen wirklich übereinstimmen, ist gleichgültig, die deutsche Gesetzgebung will die von ihr niedergelegten Vorschriften im Inlande zur Anwendung bringen. Es ist eine alte Regel, daß Rechtshilfe zur Vollstreckung eines Urteils nur dann gewährt wird, wenn das Gericht, für dessen Urteil die Rechtshilfe verlangt wird, nach den für das requirierte Gericht geltenden Grundsätzen zuständig war. Die ZPO hat einen etwas liberaleren Standpunkt eingenommen. Es soll von der Prüfung, ob das bestimmte ausländische Gericht zuständig war, abgesehen werden, wenn es feststeht, daß jedenfalls ein Gericht desjenigen Staats, welchem das Gericht angehört, zuständig ist1). Man muß diese Bestimmung im Verhältnis zu dem früheren Recht als eine solche ansehen, welche die Vollstreckung ausländischer Urteile erleichtern soll. Es kann daher nicht wohl die Absicht des Gesetzgebers gewesen sein, daß das Urteil eines ausländischen Gerichts nach der Vorschrift, daß die Gegenseitigkeit verbürgt sein müsse, nur dann anerkannt werden dürfe, wenn es in dem betreffenden Staate für die Anerkennung eines deutschen Urteils genügt, daß ein deutsches

1) Vgl. RGZ LI 135 ff.

Gericht überhaupt zuständig war, ohne Rücksicht darauf, ob gerade die Zuständigkeit des Gerichts, welches erkannt hat, als begründet angesehen werden kann. Sonst würde die Bestimmung ins Umgekehrte umschlagen, sie würde die Vollstreckung ausländischer Urteile nicht befördern, sondern in vielen Fällen, wo sie nach den bisherigen Regeln stattgefunden hätte, ausschließen, nämlich in allen Fällen, in welchen in einem ausländischen Staate das alte Recht in Geltung steht.

II.

Von besonderer Bedeutung ist die Frage, ob die Gegenseitigkeit als verbürgt angesehen werden kann (ZPO § 328, Ziff. 5).

Warum ist diese Voraussetzung aufgestellt? Werden die Urteile der Gerichte eines ausländischen Staats besser, wenn dort ausländische, oder insbesondere deutsche Urteile vollstreckt werden?

Früher scheint man in dem deutschen Rechtsverkehr die Gewährung der Rechtshilfe nicht an eine derartige Voraussetzung geknüpft zu haben. Indessen war schon von Anfang des vorigen Jahrhunderts an in den Rechten einer Anzahl deutscher Staaten die Vollstreckung ausländischer Urteile in verschiedener Weise von der Reziprozität abhängig gemacht 1). In der preußischen allgemeinen Gerichtsordnung (I. T. 24 § 30) wurden die Urteile ausländischer Gerichte für vollstreckbar erklärt, jedoch mit dem Zusatz: Es wäre denn, daß sich wegen der Kompetenz des requirierenden Gerichts oder sonst bei der Sache selbst ein Anstand ereigne. Die preußische Praxis nahm nun an, daß völkerrechtlich eine Verpflichtung, die Urteile eines andern Staates zu vollstrecken, nicht bestehe. Um so weniger könne der § 30 zugunsten der Urteile eines Staates angewandt werden, dessen Gesetze die Gegenseitigkeit ausschlössen. Der preußische Entwurf einer ZPO machte die Vollstreckung ausländischer Urteile nicht von der Gegenseitigkeit abhängig. Es heißt aber in den Motiven (S. 247): „Ein auf die Reziprozität

1) Vgl. Mittermaier, Archiv für zivilistische Praxis, XIV 84 ff. und Motive zum preußischen Entwurf einer ZPO S. 244.

und besondere Staatsverträge sich beziehender Vorbehalt ist, wie in ähnlichen Fällen nicht aufgenommen". Man darf annehmen, daß es nach dem Entwurfe bei der in den alten Provinzen beobachteten Praxis verbleiben, und daß daher die Vollstreckung eines ausländischen Urteils nur dann versagt werden sollte, wenn die Voraussetzung einer Retorsion gegeben sei. Der Grund, aus welchem die Vollstreckung ausländischer Urteile von der Reziprozität abhängig gemacht ist, wird hiernach nicht im Prozeß- oder Privatrecht, sondern in völkerrechtlichen Verhältnissen gefunden.

Der Entwurf unserer ZPO enthielt ebenso wenig, wie der preußische eine Bestimmung, wodurch ausländische Urteile eines Staates, in welchem die Gegenseitigkeit nicht verbürgt sei, für nicht vollstreckhar erklärt wurden 1). Die Bestimmung über die Gegenseitigkeit ist durch die Reichsjustizkommission in den Entwurf hineingebracht. Der Antrag wurde von dem Abgeordneten Struckmann gestellt. Dieser bemerkte in der Sitzung vom 29. 5. 75: Der Grundsatz der Reziprozität entspreche allein „der Ehre und der Würde des Deutschen Reiches" 2).

1) Wie der Entwurf sich zur Frage der Gegenseitigkeit stellen wollte, ist nicht klar. Es heißt in den Motiven, das Erfordernis der Gegenseitigkeit sei hier nicht zu berühren; dieser Punkt liege außerhalb der materiellen Voraussetzungen für die Zwangsvollstreckung aus einem ausländischen Urteile und sei Gegenstand besonderer gesetzlicher Bestimmung. Reichsgesetzliche Bestimmungen, welche hier einschlagen, gab es nicht und gibt es nicht. Daß es aber die Absicht gewesen ist, die landesgesetzlichen Vorschriften in Kraft zu lassen, ist kaum anzunehmen. In den Verhandlungen der Reichsjustizkommission erklärte der damalige Vorstand des Reichsjustizamts, v. Amsberg, am 29. 5. 75, man sei allgemein von der Annahme ausgegangen, daß die deutschen Urteile auch im Ausland vollstreckt werden würden; im übrigen stehe es Deutschland wohl an, den anderen Staaten in der Aufstellung großer Grundsätze voranzugehen. Danach scheint es die Ansicht des Bundesrats gewesen zu sein, daß ausländische Urteile unabhängig von der Voraussetzung der Gegenseitigkeit vollstreckt werden sollten, und daß, wenn gegenüber einem solchen Verhalten inländische Urteile in einem ausländischen Staate nicht vollstreckt würden, Retorsionsmaßregeln gegen diesen Staat in Erwägung zu ziehen seien.

2) Allerdings scheint Struckmann auch der Ansicht gewesen zu sein, daß die Vollstreckung deutscher Urteile in einem fremden Staate einen bessernden oder veredelnden Einfluß auf die Rechtsprechung dieses Staates üben müsse. Die Ansicht, daß die Vollstreckung ausländischer Urteile von der Reziprozität abhängig zu machen sei, wurde in der Kommission nicht allgemein geteilt. Insbesondere sprachen sich die Abgeordneten Marquardsen und Gneist, die beiden Mitglieder der Kommission, welche am meisten mit

Die Voraussetzung der Gegenseitigkeit beruht nach der unwidersprochen gebliebenen Ansicht des Antragstellers nicht auf Rechtsgründen, sondern auf politischen Rücksichten. In der Tat läßt sich die Bestimmung auch nur durch völkerrechtliche Rücksichten rechtfertigen, denn auf die Güte der Urteile kann sie nach vernünftigem Ermessen keinen Einfluß äußern.

Es ist ein anerkannter Grundsatz für völkerrechtliche Verträge, daß die Verpflichtungen darin immer formell gegenseitig übernommen werden, auch wenn tatsächlich der Zweck ist, daß nur der eine Staat gegenüber dem andern sich verpflichten soll. Diese Form ist ein Ausfluß der im Verkehr unter den Staaten herrschenden Courtoisie. Darin liegt die Erklärung für die obige Vorschrift. Wir haben es mit einer Bestimmung von politischem Charakter zu tun, durch die die Anwendung des Rechts gehemmt wird, vorausgesetzt selbstverständlich, daß man sich auf den Standpunkt der ZPO stellt, wonach die ausländischen Urteile im allgemeinen zu vollstrecken sind, also die Vollstreckung (natürlich beim Vorhandensein der übrigen Voraussetzungen) als ein Gebot der Gerechtigkeit angesehen wird.

Mit dieser Auffassung steht die durch die Novelle von 1898 eingeführte Bestimmung des zweiten Absatzes des § 328 ZPO in Uebereinstimmung. Danach soll von dem Erfordernis der Gegenseitigkeit abgesehen werden, wenn das Urteil einen nicht vermögensrechtlichen Anspruch, also namentlich Familienverhältnisse, betrifft, und nach den deutschen Gesetzen ein Gerichtsstand im Inlande nicht begründet war. Der Grund für diese Vorschrift liegt selbstverständlich nicht darin, daß derartige Urteile von geringerer Bedeutung seien, als solche über Vermögensrechte, und daß deshalb bei jenen von den Garantien abgesehen werden könne, die für letztere erforderlich seien;

ausländischen Rechtsverhältnissen bekannt waren, gegen eine solche Beschränkung aus und verwiesen eventuell auf Ergreifung von Retorsionsmaßregeln. Hierauf bemerkte Struckmann, die Retorsion könne nur für künftige Fälle helfen, nicht denen, welche einmal geschädigt seien und deren Schaden zu der späteren Wiedervergeltung Anlaß gebe.

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