Page images
PDF
EPUB
[graphic]
[ocr errors]
[ocr errors]

BIBLIOTHECA

n

Spaniens Verhandlungen mit dem römischen Stuhle.

Von Prof. Dr. Hergenrother in Würzburg.

Einleitung.

Kaum ist eine Forschung auf dem Gebiete der früheren Rechtszustände der katholischen Kirche in den verschiedenen Ländern Europa's und der Stellung der Souveräne zu dem päpstlichen Stuhle so instructiv und interessant zugleich, als diejenige, zu der im Nachstehenden einige Beiträge geliefert werden sollen. Das streng katholische Spanien bietet in seinen Verhandlungen mit Rom ein ganz eigenthümliches Bild dar, das mit den gleichzeitigen Erscheinungen anderer Staaten grosse Verwandtschaft, aber auch wieder viel Besonderes und Unterscheidendes aufzeigt; der Absolutismus seiner Beherr scher, ihre misstrauische, von eigenem Interesse und doch auch hin und wieder von grossen, auf das Allgemeine gerichteten Gedanken geleitete Politik mit ihrer steifen Schroffheit, mit ihrer ängstlichen Geheimnisskrämerei, zeigt sich auf dem religiösen Gebiete nicht weniger als auf den anderen und ihre Zähigkeit wusste Schritt für Schritt dem päpstlichen Stuhle, der sich nur in der Defensive halten konnte, mit beharrlichen Gesuchen wie durch aggressives Vorgehen eine Concession um die andere abzutrotzen, ohne dadurch grössere innere Festigkeit und Stärke zu erlangen, wie man vergebens gehofft; ja wie die rasch erbeuteten Schätze der neuen Welt bald zerronnen waren und die gesteigerte Machtentfaltung nach Aussen nur die innere Ohnmacht vergrösserte, so trugen auch die zahlreichen kirchlichen Prärogativen des Monarchen wesentlich mit zum Verfalle Spaniens bei und brachten auch seinen Klerus in eine Lethargie und Kraftlosigkeit, aus der nur die gewaltigsten Erschütterungen ihn wieder

erwecken sollten.

Unsere Darstellung hatte mit nicht geringen Schwierigkeiten zu kämpfen; trotz des uns vorliegenden reichen Materials fanden wir noch viele Lücken in den Quellen. Neben den historischen Werken,

Archiv für Kirchenrecht. X.

1

neben den Arbeiten spanischer Canonisten (besonders Diego und José Covarruvias, A. Barbosa, Selvagio, Aguirre, Murillo Velarde, Caparros), neben den im Bullarium, in anderen Sammelwerken und in Zeitschriften vorfindlichen Documenten, waren für unsere Arbeit besonders folgende Werke von Bedeutung: 1) der Commentar des Joh. B. Riganti zu den Kanzleiregeln 1), 2) die in Madrid 1848 anonym erschienene Sammlung der spanischen Concordate seit dem Concil von Trient. Diese Schrift, bestimmt für Vorlesungen über Kirchenrecht zur Grundlage zu dienen, gibt folgende Aktenstücke: a) die Concordia Facheneti von 1640; b) die concordirte Bulle Innocenz' XIII. von 1723; c) das Concordat von 1737; d) das von 1753 das einzige, das Münch3) mitgetheilt hat, jedoch ohne jede historische Erläuterung e) das concordirte Breve Clemens XIII. von 1766 über die Facultäten des Nuntius in Madrid; f) das gleichfalls vereinbarte Breve Clemens XIV. von 1771 über die Rota der spanischen Nuntiatur. Uebrigens gibt diese Schrift von den sub a) und f) genannten Aktenstücken keinen vollständigen Text, sondern nur einige Stellen, gleichwie auch yon dem Breve des letztgenannten Papstes über die Reduction der Asyle von 1772 und den Verhandlungen unter Pius VII. über Klosterreform nur kurze Uebersichten gegeben werden. Die beigegebenen Erläuterungen zeigen den so genannten regalistischen, anticurialen Standpunkt, jedoch in gemässigten Formen und Ausdrücken. 3) Das Werk des Senators Don José del Castillo y Ayensa über die Beziehungen Spaniens zum heiligen Stuhle seit 18324). Der Verfasser, von 1844 bis 1847 spanischer Gesandter in Rom, der Carlistenpartei durchaus entgegen, aber strenger Katholik, scharfsinnig, klar, praktisch, gewöhnt Alles mit staatsmännischem Geiste zu erfassen, gibt die Geschichte des von ihm am 27. April 1845 mit Cardinal Lambruschini abgeschlossenen, aber vom Madrider Hofe unerwarteterweise

1) Commentaria in Regulas, constitutiones et Ordinationes Cancellariae Apostolicae. Opus posthumum tom. 4. fol. Romae 1744.

2) Coleccion de los Concordatos y demas Convenios celebrados despues del Concilio Tridentino entre los Reyes de Espana y la Santa Sede, illustrada con notas y observaciones y precedida de una introduccion histórico-canonica sobre la materia, ordenada para servir de testo en las aulas de derecho eclesiástico especialmente en las del 5o ano de jurisprudencia. Por un catedrático que ha sido de esta asignatura. Madrid 1848. Imprenta de D. José C. de la Pena.

3) Münch, Concordate Thl. I. S. 443-487.

4) Historia crítica de las negociaciones con Roma desde la muerte del Rey D. Fernando VII. escrita por D. José del Castillo y Ayensa, de la Real Academia Espanola, Senador del Reino, y Ministro Plenipotenciario de S. M. C. que ha sido cerca de los sumos Pontífices Gregorio XVI. de buena memoria y Pio IX. que felizmente reina. Madrid 1859. Imprenta de Tejado á cargo de Rafael Ludena. tom. 1. et 2.

nicht ratificirten Concordates sammt den seit 1832 stattgehabten Verhandlungen und vielen Documenten, und das Alles mit einer Treue und Genauigkeit, die es nur bedauern lässt, dass für die frühere Zeit nicht ähnliche gründliche Arbeiten vorliegen. Leider haben wir nur die zwei ersten Bände, nicht den am Schlusse des zweiten verheissenen dritten Band erhalten, ja nicht einmal Gewissheit darüber erlangen können, ob dieser letzte Band wirklich erschienen ist. Hier erst sollte das sonst nicht bekannt gewordene Concordat von 1845 seine Stelle finden, das durch das spätere von 1851, das von eben Denjenigen, die jenes verworfen, unter weit ungünstigeren Bedingungen abgeschlossen ward, jedenfalls überholt wurde; der Hauptinhalt der Stipulationen von 1845 ist übrigens aus den vorgängigen Verhandlungen wohl ersichtlich. Auch über frühere wie über spätere Verhandlungen verbreiten Castillo's Mittheilungen und Bemerkungen vieles Licht.

Wir werden nun in einer Reihe von Artikeln die wichtigsten Verhandlungen der spanischen Regierung mit dem päpstlichen Stuhle, soweit es das vorhandene Material gestattet, mit möglichster Kürze und Vollständigkeit darzustellen suchen. Wenn wir nun auch im Stande sind, manche Ergänzungen und Berichtigungen zu der früher im Archiv 1) veröffentlichten Arbeit des von uns in seinen wissenschaftlichen Leistungen hochgeschätzten Herrn Prof. Hüffer zu liefern, dem eben viele einschlägige Werke nicht zugänglich waren, so schmeicheln wir uns doch nicht, dass diese unsere Erörterung nicht auch ihrerseits noch viele weitere Ergänzungen nach und nach finden wird, zumal da in den spanischen und römischen Archiven noch viele Documente begraben liegen, die für unseren Gegenstand von hoher Bedeutung sind. Es würde sicher für das Kirchenrecht wie für die Geschichte desselben kein geringer Gewinn sein, wenn einmal alle diplomatischen Correspondenzen, alle officiellen Denkschriften und sonstige Aktenstücke über die kirchlichen Verhältnisse aller einzelnen Staaten genau vorliegen würden; die interessantesten Vergleichungen und Erörterungen würden dadurch ermöglicht und eine Geschichte der Concordate käme zu Stande, die dem Staatsmanne, dem Juristen und Theologen die erspriesslichsten Dienste leisten müsste. Diese grosse Aufgabe, die erst in späterer Zeit ganz befriedigend gelöset werden kann, haben wir hier im Auge; für sie soll das hier Gebotene nur eine Vorarbeit sein.

1) Archiv VII., 364 ff.

I. Die Stellung Spaniens zum römischen Stuhle bis zum Tode Philipps II.

Die spanische Monarchie als solche ist zunächst durch die Vermählung Ferdinand's von Aragonien mit Isabella von Castilien (1469), durch die Beseitigung der bis dahin bestandenen Schranken der königlichen Gewalt, durch die Eroberung von Granada und die Entdeckung der neuen Welt (1492) gegründet und befestigt worden. Von der Regierungszeit dieser beiden Herrscher an haben wir hier den Ausgang für unsere Betrachtung zu nehmen, so dass die frühere spanische Geschichte 1) nur insoweit sie die Vorgänge seit dieser Zeit erläutert in Betracht zu ziehen ist. Denn es bietet dieselbe keine wesentliche Verschiedenheit von den im Mittelalter allgemein herrschenden Zuständen und Erscheinungen dar, wenn wir absehen von den Folgen des grossen nationalen Kampfes mit den seit 712 den Süden in grösserer oder geringerer Ausdehnung beherrschenden Mauren. An den römischen Stuhl schlossen sich die Spanier auf das Engste an, so dass auch seit Gregor VII. die mozzarabische Liturgie von der römischen verdrängt ward. Auf der hohen Schule von Bologna erhielten seit dem 12. Jahrhundert viele Würdenträger der spanischen Kirche ihre Bildung und viele Spanier zeichneten sich in hohen Aemtern bei der römischen Curie aus; die enge Verbindung mit dem Stuhle Petri wurde noch durch den von dem Spanier Dominicus geftifteten Predigerorden wie durch die geistlichen Ritterorden des Landes vielfach gehoben und gestärkt. Das von Ferdinand III. dem Heiligen (1217 -1252) und seinem Sohne Alphons X. dem Weisen (1252-1284) für Castilien und Leon gegebene Gesetzbuch Las Partidas, hatte viele Bestandtheile der kirchlichen Gesetzgebung und insbesondere des gratianischen Decrets in sich aufgenommen und benützt; auch waren im Mittelalter die spanischen Synoden noch ziemlich zahlreich. Oftmals hatten die Päpste durch Briefe und Legaten innere Streitigkeiten in den spanischen Reichen geschlichtet. Die Kämpfe derselben mit den spanischen Fürsten betrafen theils deren Privatleben, besonders uner

1) Vgl. Mariana Historia de rebus Hispaniae (oft gedruckt, auch Mogunt. 1605) A. Schotti Hispania illustrata. Francof. 1603. Ulloa Cronica generale di Spagna e del regno di Valenza Venezia 1556. J. de Ferreras Historia chronol. Hispan. Matriti 1700 seq. (auch französisch und deutsch vorhanden.) Giustiniani storia generale della monarchia spagnuola. Venezia 1764. C. F. Masdeu Historia crítica de Espana. Madrid 1787. (ital. Florenz 1788.) - L. Bossi, Storia della Spagna antica e moderna. Milano 1821. Gaetano Moroni, Dizionario di erudizione storico-ecclesiastica. Venezia 1854. t. LXVIII. V. Spagna p. 24 ss. dazu die spanische Conciliensammlung des Cardinal d'Aguirre und die neueren deutschen Geschichtswerke von Lembke und Schäfer.

« PreviousContinue »