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Es gibt der Beispiele mehrere, dass in jenen Zeiten derartige Druckfaktoreien bestanden; so hatte Joh. Zainer in Ulm eine solche 1481 in Bologna1, so druckte 1523 zu Zwickau Jorg Gastel, des Schönsspergers Diener'.

Man könnte an ein Abhängigkeitsverhältnis der für die Koberger druckenden Lyoner Meister Sacon oder Klein. denken, aber einmal entfalteten beide auch unter dem eignen Namen eine stattliche Wirksamkeit, dann führen beide. besondere Druckerzeichen 2, endlich war Klein (Jehan Cleyn dit Schwab s. Alemanus) schon seit 1479 und Sacon (Jacobus Zachoni de Romano) schon seit 1488 als selbständiger Drucker in Lyon thätig. Zudem ist anzunehmen, dass Koberger nach Abstellung der eignen Druckerei in Deutschland, nicht in Frankreich eine solche besessen habe. Immerhin bleibt es aber ein bedeutungsvolles Zeichen der Verbindung mit jener Buchdrucker- und Handelsstadt, dass man in Nürnberg die Thätigkeit der Koberger in Lyon als ein besonderes Geschäft auffassen konnte, und es wird neben Basel, Straßburg und andern Stätten des Buchgewerbes insbesondere dieser blühenden Druckstadt zu gedenken sein bei Darstellung von Anthoni Kobergers großem Wirken als Buchhändler.

Mochte auch die Aufgabe der eignen Druckerei und die ausschließliche Beschäftigung fremder Pressen als ein Zeichen der Fortentwickelung des Buchgewerbes zu betrachten sein, für das Kobergersche Geschäft erwies es sich doch als verhängnisvoll, mit der gewerblichen Grundlage den mütterlichen Boden aufzugeben, auf welchem das Verlagshandelsgeschäft des Hauses erblüht war.

ΙΟ

II. VERLAG.

1. Stellung des Verlages zur Litteratur.

Anthoni Koberger war der erste Buchhändler großen Maßstabes nach Erfindung der Buchdruckerkunst; seine Druckerei, welche, soweit bekannt, nie Lohndruckerei für fremde Verleger war, diente ihm nur als Mittel für Verlagszwecke, während er gleichzeitig nicht nur andre Druckereien beschäftigte, sondern namentlich auch den Verlag von andern Druckereien selbständig unternommener Werke vor Beginn des Vertriebes aufkaufte. Eine Würdigung des geistigen Inhalts der Werke, welche die Koberger ans Licht gefördert und in ganzen Auflagen verbreitet haben, würde sich deshalb nicht nur auf die eignen Drucke Anthoni Kobergers und die fremder Pressen, welche seinen und seiner Nachfolger Verlegernamen tragen, zu erstrecken haben, sondern auch, soweit mit Sicherheit nachzuweisen, auf das, was andre im Hinblick auf den Großhandel der Koberger selbständig druckten, um dann den Vertrieb in deren Hände zu geben.

Der Umfang des Verlages war ein so bedeutender, dass Conrad Leontorius 1503, als Anthoni Kobergers eigne Druckwerke vollständig vorlagen, ihn mit Recht als eine Art litterarischen Nährvater seiner Zeit beschmeicheln durfte:

,Allen wohin auch verstreuten nach Lehre hungernden Geistern der christlichen Gemeine hast Du die Nahrungsmittel aufs reichlichste gereicht, welche durch Gebrauch zu

nehmen, durch Verwendung sich vervielfältigen, durch Abnutzung an Ansehen gewinnen u. s. w. Denn als alle Wissenschaft, da unzählige Handschriften zerschlissen und verloren gingen, zu unsrer Zeit mit Einsturz und Untergang drohte, bist Du, Antonius, als der einzige und zugleich hervorragendste erfunden worden, der Du der wankenden Litteratur die Schultern untergeschoben und sie in wunderbarer Ausdauer gestützt hast, indem Du durch schon so viele Jahre makellose Bücher jeder Art Wissenschaft unter glücklichstem Sterne gedruckt hast. Wenn jemand deren Menge, oder besser göttliche Überfülle schätzen wollte, so wird er ersehen, dass Du mit außerordentlichstem Fleiße eifrigst gearbeitet hast.'

Die gesamte Kobergersche Thätigkeit hat sich über zwei volle Menschenalter hinaus erstreckt; die Entwickelung, welche sich in diesem Zeitraume vollzog, bedeutete das Erschaffen einer neuen Wissenschaft und Denkweise; einen treuen Ausdruck dieses Bildungswandels musste die Thätigkeit eines auf der Höhe der Zeit stehenden Buchhändlers geben.

Die Koberger standen auf der Höhe, sie haben sich an dieser Entwickelung wesentlich bethätigt, und dennoch zieht sich die Pflege Eines Buches von dem Beginne ihrer Wirksamkeit bis zu deren letztem Nachklange hin. Es ist dies die Bibel, welcher die philosophische Gelehrsamkeit des Mittelalters und die altdeutsche Theologie der Gottesfreunde, die philologische Kritik der neuerblühten Altertumswissenschaft und die volkstümlich religiöse Begeisterung des erneuten Glaubens freudig dienten, in welcher Scholastik und Waldensertum, Humanismus und Reformation sich begegneten. Die Ansprüche der Gegenwart sind in Ansehung der erstaunlichen Erfolge der großen Bibelgesellschaften hochgespannt, dennoch richtet sich der Blick mit gerechtem Erstaunen auf ein Handlungshaus der Wiegenzeit der neuen Kunst, aus dessen Pressen, kurz nach erfolgter Verbreitung der Buchdruckerkunst anhebend bis zum Schlusse des 15. Jahrhunderts, fünfzehn verschiedene Ausgaben der Bibel her

vorgingen, dessen gesamte Verlagsthätigkeit über dreißig Folioausgaben, darunter vielbändige Bibelwerke, umfasste. Eine ähnliche Fruchtbarkeit in der Herausgabe von Bibeln hat nach den Kobergern unter den alten Drucker-Verlegern nur Chr. Froschauer 1 in Zürich, Zwinglis Drucker seit 1524, und Hans Lufft 2 in Wittenberg, Luthers Drucker, von 1534 ab entfaltet.

Der erste Vorläufer der Kobergerschen Bibelausgaben dürfte der lateinische Psalter mit den Hymnen Alten und Neuen Testamentes' aus der Urzeit des Geschäftes sein; der Psalter allein ist später noch dreimal von 1483-1497 in der Ausgabe des Würzburger Bischofs Bruno mit gesammelten Aussprüchen von Gelehrten bei Koberger erschienen.

Die ersten Bibeldrucke gaben den lateinischen Text der Vulgata in der Fassung des heiligen Hieronymus, von der zweiten Ausgabe ab mit Kanons und den Konkordanzen der Evangelisten. Kobergers acht lateinische Textausgaben, zu Lob und Ehr der heiligen Dreieinigkeit und der unbefleckten Jungfrau Maria gedruckt, fielen in die Zeit von 1475-1483, nach dieser Zeit fanden dieselben wohl eine Ergänzung durch die lange Reihe der Bibeldrucke Amerbachs von 1479-1489 und von 1491 ab Frobens, denen Koberger vermutlich nicht fern gestanden hat; nur von 1501 liegt noch eine einfache Textausgabe mit den Konkordanzen vor; dagegen enthielt der Verlag eine große Zahl von Ausgaben mit erläuternden Zuthaten; die vierbändige Ausgabe mit den Postillen des rabbinisch gelehrten Minoriten Nikolaus von Lyra († 1351) druckte er von 1481-1497 fünfmal, sowie ein Repertorium hierzu besonders, später erwarb er mehrfach die Baseler Ausgaben dieses Werkes. Verschiedene großartige Bibelwerke ließ Anthoni Koberger von vornherein auswärts herstellen, die gewaltige vierbändige Bibel mit den seit Jahrhunderten üblichen Kommentaren, der Ordinarglosse des Walafrid Strabo (849) und der Interlinearglosse des Anselm von Laon (1117) in Straßburg 1478-1480, die sieben- und sechsbändige Ausgabe der Bibel mit den Postillen des Hugo von St. Victor 1498-1504 in Basel, zehn Bibelausgaben von 1512-1522 in

Das

Lyon, nämlich vier Ausgaben von Castellanus, vier von Johannes de Gradibus, zwei mit Konkordanzen und Excerpten aus Josephus. Zu Kobergers Verlag gehörte noch eine ganze Reihe von Baseler Bibelwerken der verschiedensten Art, Ausgaben der Glossa ordinaria und der Konkordanzen. Die größeren Bibelkonkordanzen ließ Koberger 1485 allein erscheinen; von den Bibelpostillen wurden die des h. Hugo zum Psalmen einzeln veröffentlicht, die des Lyra abgesondert vom Bibeltexte; auch die Postillen des Guillermus über Evangelien und Episteln sind wohl von Koberger gleich andern Werken dieses Verfassers gedruckt worden. große dreibändige Bibellexikon des Petrus Berchorius von Poitiers 14. Jahrh.) wurde dreimal aufgelegt, desgleichen ein ähnliches kleineres Werk desselben Verfassers veröffentlicht. Wenn auch Luther2, von seinem höheren Standpunkte aus mit Recht, wegwerfend über alle Glossen urteilte,also wird durch so viel Komment und Bücher die liebe Bibel begraben und verschorren, dass man des Textes gar nicht achtete', und deshalb nur darauf Gewicht legte, ein guter Textualis zu sein, so hat er doch selbst die große Baseler Ausgabe von 1509 mit vollem Apparat für den Zweck seiner Übersetzung von Anfang bis Ende durchgearbeitet 3; da die Kobergerschen Briefe an Amerbach gerade in diesem Jahre abbrechen, ist es nicht erwiesen, ob auch diese von Luther zu Grunde gelegte Bibelausgabe, wie die Baseler Ausgaben bis zu diesem Jahre, Koberger als Verlag zuzuweisen ist, doch bleibt Bezug durch die Koberger wahrscheinlich, da Luther später ausdrücklich sagte, dass der Baseler Druck nicht hereinkomme nach Wittenberg, wie der Nürnberger. Jedenfalls lag doch in derartigen Ausgaben das wissenschaftliche Streben jener Zeit, dem der Buchhändler zu dienen berufen war.

Der Humanismus wandte eine Art philologischer Kritik auf die Bibel an. Erasmus gab einen nach Handschriften verbesserten kritischen Text des griechischen Neuen Testaments heraus, Reuchlin suchte in der Form der Worte seiner hebräischen Bibel einen wunderbaren geistigen Gehalt zu erkennen. Die

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