Page images
PDF
EPUB

nete, trat die Bedeutung der Frankfurter Messen für das litterarische Leben aller Welt klar zu Tage. Grund dieses mächtigen Einflusses war die Thatsache, dass die mit dem 16. Jahrh. allenthalben im Volke aufkommende Bildung das Emporkommen von Druckern und Buchführern allerorten ermöglichte und dass aus dem regelmäßigen Messbesuch der Hauptvertreter des Gewerbes eine stattliche allgemein bekannte Organisation, die vornehmste Verkehrsform des gesamten Buchhandels entstanden war, wie sie für die rasche, gleichmäßige und weiteste Verbreitung der neuen Wissenschaft und Litteratur von lebendigster Wirkung sein musste. Soweit der Reuchlinsche Streit in Druckschriften zum Austrag kam, bildeten die Frankfurter Messen die Ausgangspunkte für die Verbreitung. 1511 hatte Pfefferkorn ein offen gedrucktes Schmachbüchlein und Lasterschrift, das er nennt Handspiegel, geübt und männiglichen in nächst verrückter Frankfurter Fastenmesse eröffnet'1; es erschien in einer Auflage von etwa 1000 Exemplaren 2. Reuchlin erklärte die Art Handel, wie er mit dem Handspiegel getricben worden sei, für eine unanständige 3; Pfefferkorn, der getaufte Jude, habe das Buch,selbst umgetragen, verkauft und durch sein Weib in offenem Grempelkram jedermann feil geboten, dass er als ein Büchergrempler viel Geld möcht gewinnen 4. Im allgemeinen herrschte also in Frankfurt ein ehrbarer Handel.

Die Verbreitung der Gegenschrift Reuchlins geschah ebenfalls zu Frankfurt, in der Herbstmesse desselben Jahres"; in Frankfurt wurden auch die folgenden Ergänzungen der Schrift und die Gegenschriften ausgegeben ". Die Verbreitung der beiderseitigen Schriften war eine erstaunlich rasche, und Frankfurt war der Ort, von dem nach allen Seiten diese Schriftchen ihren Weg zu den Gelehrten fanden.

Auch Hans Koberger besuchte die Messe regelmäßig, so traf er dort zur Fastenmesse 1517 mit Hans Froben zusammen, desgleichen Fastenmesse 1518 mit Thomas Anshelm, bei welchem auch der soeben nach Wittenberg berufene Melanchthon sich einstellte, welchen ein Brief Reuch

lins an den Kurfürst Friedrich von Sachsen ankündigte1. Hans Koberger hatte, wie ja schon Anthoni 1506 von seinem Wirte in Frankfurt gesprochen hatte, eine ständige Vertretung in Frankfurt; Cochläus, derzeit als Korrektor der Kobergerschen Ausgabe des Fulgentius 2 in Frankfurt thätig, schrieb am 8. Febr. 1520 an Pirckheimer: jede Stunde erwarte ich Nachricht durch den Wirt der Koburger'.

Cochläus selbst scheint Koberger auch in gewissem Sinne dort vertreten zu haben; so meldete er im April desselben Jahres, als Hans Koberger zur Fastenmesse dort anwesend gewesen war, an Pirckheimer 3: Die neuen Werke, welche Du früher, so wenigstens, nicht gesehen haben wirst, wird Dir der im Brief beigeschlossene Zettel anzeigen; das alles hat Hans Koberger von hier aus schon bestellt. Auch die Briefe Grüningers 1524/25 weisen den regelmäßigen Besuch des älteren und des jüngeren Hans Koberger nach; wie denn der Nürnberger Rat 1527 Kobergers Messbesuch als selbstverständlich voraussetzte. In den Briefen des Erasmus gewinnt die Frankfurter Messe derartige Bedeutung, dass man aus denselben von 1515 ab fast regelmäßigen Messbesuch Frobens und zeitliches Bedingtsein der Verlagserscheinungen durch die Messe nachweisen kann; auch seine mehrfachen Erwähnungen Kobergers in der Mitte der zwanziger Jahre deuten alle auf eine Vermittelung über Frankfurt hin.

Man hat sich den Kobergerschen Messverkehr stattlicher vorzustellen, als ihn die dürftigen Mitteilungen gerade aus der Zeit des entwickelten Messhandels erscheinen lassen, denn gerade die Beteiligung der Nürnberger Kaufleute an der Warenmesse war so hervorragend, dass der Pariser Buchhändler Heinrich Stephanus sagen konnte: 4 Wahrlich wer Frankfurt zur Messzeit geschaut hat, der kann sagen, dass er nicht den kleinsten Teil von Nürnberg damit geschaut habe."

Mit dem Schlusse des ersten Viertels des 16. Jahrhunderts war die Messorganisation im großartigsten Maßstabe vollendet, Frankfurt ein Weltmarkt des Buchhandels, die

Buchhändlermesse selbst nach dem Dafürhalten des Heinrich Stephanus der Warenmesse ebenbürtig 1: ebenbürtig1:,Diese Messen

der Musen übertreffen jene Merkurs nicht nur an Würde, sondern auch, was wunderbarer ist, selbst an Umfang machen sie jenen den Rang streitig.'

9. Sortimentshandel mit humanistischer Litteratur.

Die neue Art des Geschäftsverkehrs der Buchhändler untereinander hing eng mit dem Erstehen des selbständigen, jedoch noch nicht auf den örtlichen Vertrieb beschränkten Sortimentshandels zusammen; auf diesem Gebiete des buchhändlerischen Verkehres entwickelte sich nach Anthonis Tode die Hauptthätigkeit der Koberger. Diesem humanistischen Sortimentshandel, welcher, für die Wissenschaft von höchster Bedeutung, im wesentlichen die Klassiker zum Gegenstande hatte, diente als Verleger in Deutschland vor allen Hans Froben, welcher sich zu diesem Zwecke unter des Erasmus Botmäßigkeit begab; das Hauptverlangen der deutschen Humanisten aber richtete sich auf den Verlag des klassischen Landes der Wiedergeburt des Altertums, nach Italien, wo Aldus seine glänzende Wirksamkeit entfaltete. Die Herrlichkeit des italienischen Humanismus hat nach des Aldus Heimgang nicht lange gewährt; die Zerstörung Roms im Jahre 1527 hat ihm in seinem Geburtslande den Todesstoß gegeben, während er in Deutschland nicht verkam, sondern in der gelehrten Bildung der Reformation aufging 2. Die Beteiligung der Koberger an diesem Handel mit italienischem Sortiment findet, abgesehen von dem allgemeinen Zuge der Zeit, ihren Grund einmal in ihrem engen Verhältnisse zu den Häuptern der humanistischen Partei, besonders in Nürnberg, dann in ihren von alters her gepflegten Beziehungen zum Ausland, auf welches die deutschen DruckerVerleger oft mehr rechneten als auf Deutschland selbst3.

Wie Pirckheimer und Scheurl, die Nürberger Gönner1 des Kobergerschen Geschäfts, die Reformation als eine Äußerung des humanistischen Geistes freudig begrüßt hatten, sich jedoch bald, von ihrem verneinenden und ausschließenden Wesen unangenehm berührt, zu den humanistischen Studien zurückwandten, so blieb die humanistische Richtung die maẞgebende für die Thätigkeit der späteren Koberger. Der Handel mit dem Klassiker-Sortiment italienischer Pressen, gestützt auf direkte Verbindungen mit Venedig, wurde von ihnen in großem Maßstabe betrieben. Die Bedeutsamkeit dieses italienischen Einflusses aber kann nur unterschätzen, wer der Reformation zulieb die Einwirkung des klassischen Altertums auf die wissenschaftliche Entwickelung des 16. Jahrhunderts zu verleugnen bestrebt ist.

Nach Nürnberg zuerst war der italienische Humanismus gedrungen. Des Äneas Sylvius hervorragendster deutscher Schüler Gregor von Heimburg hatte dort schon vor Mitte des 15. Jahrhunderts gewirkt. Kobergers Verbindung mit Hartm. Schedel, Peter Dannhäuser, Sebald Schreyer, die sich alle durch höhere humanistische Bildung auszeichneten, weist in frühe Zeit zurück. Einzelne frühe Drucke Kobergers nach italienischen Vorlagen setzen Beziehungen zu Italien voraus, wie solche ja in großartiger Weise durch Hans Koberger in Lyon gepflogen worden sind. In gedruckten Briefwechseln findet sich meist nur eines privaten Bezugs der Gelehrten durch Vermittelung von Studenten und Kaufleuten aus Nürnberg Erwähnung gethan. Als Wilibald Pirckheimer zu Padua studierte, hatte er stets seinem Vater Joh. Pirckheimer zu berichten, was Neues an klassischen Werken erschienen sei2. Ein Werk des Marsilius Ficinus, nach dem dieser sich mehrfach erkundigte, erschien kurze Zeit darauf bei Koberger. Wilibald Pirckheimer wiederum beauftragte Albrecht Dürer 3, Anthoni Kress und andere mit seinen Bücherwünschen.

Albrecht Dürer, welcher 1506 vergeblich nach neuen griechischen Werken gefragt hatte, hielt in gutem deutschen Selbstgefühl nicht allzuviel von der Sucht, nur in Italien

Gutes zu suchen: ,man kauft zu Frankfurt bessere Dinge zu geringem Geld denn zu Venedig, und der Bücher halben, die ich Euch bestellen sollte, das haben Euch die Im Hoff ausgerichtet; aber bedürft Ihr sonst etwas, das lasst mich wissen, das will ich Euch mit ganzem Fleiß ausrichten.'

Das Verlangen nach italienischen Klassikerausgaben wurde zu Beginn des 16. Jahrhunderts fast zur Modesache. Glareanus1 verspottete mit der Laune, welche das eben vorangegangene Lesen der Dunkelmännerbriefe und eine besondere Freude am Ziccaviacus erregt hatte, die Aldinomanie seiner Zeit schon 1516. Was nur an guten Büchern (d. h. in Aldinischer Letter) nach Basel kommt, so sind dreißig da, welche es, kaum dass sie nach dem Preise fragen, an sich reißen: so groß ist die Begierde der Leute und die rasende Sucht (denn es ist eine Raserei) bei einigen, denen diese Bücher nicht zu Nutz sind, und die sie nicht verstehen: haben aber wollen sie dieselben und möglichst oft stramm toll sein wollen sie noch lieber." Gerade am meisten unter allen deutschen Humanisten betonte die Nürnberger Richtung, wie sie Pirckheimer vertrat, die italienische humanistische Bildung, und ihre litterarische Nahrung war eine wesentlich italienische, wenn sie auch rasch in deutsches Fleisch und Blut umgesetzt wurde.

Die Beziehungen Venedigs zu Nürnberg waren so mannigfaltige, wie zu keiner andern deutschen Stadt, vielleicht Augsburg ausgenommen. Die buchhändlerische Verbindung ging deshalb den direkten Weg 2, selbst dann noch, als schon Frankfurt anerkannter Messplatz geworden war. Ja, der Bezug italienischer Verlagswerke erfolgte von Frankfurt aus 1520 noch am schnellsten über Nürnberg. Cochläus schrieb, und es war, da dessen Verhältnis zu Hans Koberger in dieser Zeit genauer bekannt ist, wohl an dessen Vermittelung gedacht, den 12. Juni an Pirckheimer 3: Vor wenigen Tagen schrieb Fabr. Capito zweimal an mich aus Mainz, er verlangt im letzten Briefe, ich solle ihm Ciceros sämtliche Werke im handlichen Format aus der Aldinischen Letter schicken. Ich forschte hier nach, aber vergeblich. Ich weiß wirklich keinen

« PreviousContinue »