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solle, nicht aber auf Leistung des Ersatzanspruches; dass also m. a. W. dem Adressaten der primäre, nicht aber der eventuelle Anspruch aus der Obligation zustehe. 1) Die Argumentation von Tinsch ist aber nicht stichhaltig; da der Posttransportvertrag nur die beiden Verpflichtungen, Beförderung an den Destinationsort und Auslieferung an den Adressaten enthält, so ergiebt sich daraus, dass der Dritte im Zweifel nur auf diejenigen Leistungen berechtigt werden soll, welche nach dem Inhalt des Vertrages als ihm gegenüber zu erfüllende übernommen worden sind; d. h. also in unserem Falle nur die Verpflichtung zur Aushändigung, resp. zur Bestellung.

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In überzeugender Weise hat m. E. Hellwig nachgewiesen, dass die Bedürfnisse des Verkehrs insbesondere auf dem Gebiete des Postfrachtrechtes gebieterisch den selbständigen Anspruch des Adressaten gefordert haben. 2) Er hebt hervor, dass es in der ganz überwiegenden Zahl für den Absender ausserordentlich schwierig, ja einfach unmöglich sei, sich als solchen zu legitimieren, um dann gestützt auf den Identitätsnachweis seine Rechtsansprüche gegenüber der Postverwaltung zur Geltung zu bringen. In den allermeisten Fällen sei sogar die blosse Tatsache der Aufgabe der behaupteten Sendung sehr schwer beweisbar, während für die Tatsache, dass eine Sendung bestimmter Art, deren Absender man nicht kenne, am Bestimmungsort liege, der Beweis leicht zu erbringen sei.

Auch Schott 3) ist der Ansicht, dass dem Adressaten ein selbständiges, ja sogar ausschliessliches Recht auf Auslieferung der Sendung zustehe und zwar von dem Momente an, da die Post dem Adressaten die Begleitoder Ablieferungspapiere zugestellt habe. Zu demselben

1) Tinsch, 1. c. p. 12.
2) Hellwig, 1. c. p. 522.
3) Schott, I. c. p. 566.

Schlusse gelangt Mittelstein 1) unter Berufung auf Art. 405 H. G. B. (alt.). In zutreffender Weise widerlegt dieser Autor auch die Behauptung Dambachs, dass der Anspruch des Adressaten nicht auf Art. 405 gestützt werden könne, weil derselbe die Existenz eines Frachtbriefes voraussetze, ein solcher aber bei der Postsendung nicht vorhanden sei.

Unter Zugrundelegung eines Vertrages auf Leistung an Dritte befürwortet endlich auch Meili 2) ein selbständiges Recht des Adressaten; er betont zwar, dass der Rechtsanspruch erst dann zur Entstehung gelange, wenn der Adressat in das Rechtsverhältnis, das der Absender mit der Postverwaltung vereinbart habe, eingetreten sei. Dieser Eintritt liege z. B. dann vor, wenn dem Adressaten ein Avisbrief von der Postanstalt insinuiert worden sei, oder wenn der Destinatär die betreffende Sendung schon von ihr abgefordert habe.

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Der einfache

1) Mittelstein, 1. c. p. 63 ff. und von der Osten: Sachtransport nach deutschem Reichspostrecht" (1884), p. 46 ff. 2) Meili, Haftpflicht, p. 147.

4. Abschnitt.

Die Liberierungsgründe der Postverwaltung.

Im vorliegenden Abschnitt handelt es sich darum, diejenigen Gründe kurz zu erörtern, die nach schweizerischem Postrecht die Postverwaltung ermächtigen, jede Garantieverbindlichkeit aus den mit dem Publikum abgeschlossenen Verträgen abzulehnen.

I. Die Wegbedingung der Haftpflicht bei nicht reglementsmässig erfolgter Aufgabe. 1)

(P. G. Art. 30, litt. a.)

Wir haben im vorigen Abschnitt diejenigen Objekte aufgeführt, die von der Postverwaltung nur bedingt zum Transport zugelassen sind (P. G. Art. 11; T. O. Art. 44). Nimmt die Aufgabepoststelle derartige Objekte zur Beförderung an, so geschieht es nur unter ausdrücklicher Ablehnung jeder Haftpflicht; der Aufgeber hat zudem einen Garantieschein zu unterzeichnen, gestützt auf welchen der Absender für allen Schaden aufzukommen hat, der durch den Transport seines Gutes andern Postsendungen zugefügt wird. 2) Geht die Post mit Bezug auf die erwähnten Objekte bedingungslos den Posttransportvertrag ein, so haftet sie selbstverständlich im Sinne des Postregalgesetzes. Eine eigentümliche Bestimmung enthält in dieser Beziehung § 27, Ziff. II der deutschen Postordnung;

1) Von der Osten, 1. c. p. 39; Meili, Haftpflicht, p. 46 ff.; Wirsing, 1. c. p. 20 ff.

2) Vide oben p. 116.

darnach kann der Aufgeber einer Sendung die Beförderung derselben auch dann verlangen, wenn sie den Vorschriften über die Aufgabe nicht entspricht, sofern der Einlieferer auf Ersatz und Entschädigung verzichtet und diese Verzichtleistung in der Aufschrift durch die Worte: „Auf meine Gefahr" ausdrückt und unterschreibt. Eine derartige, unter Umständen recht praktische Bestimmung fehlt in der schweizerischen Posttransportordnung.

II. Das Vorhandensein einer Schuld auf Seite des Absenders. 1)

Nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen verliert der Geschädigte seinen Anspruch auf Schadenersatz, wenn ihn selber eine Schuld an dem eingetretenen Schaden trifft; es findet alsdann eine compensatio culpae, d. h. eine Ausgleichung zwischen Schuld und Schaden (Art. 51. 2 S. O. R.) statt. Es ist nun aber wohl zu beachten, dass nur eine solche Handlungsweise des Absenders die Postverwaltung liberiert, welche die Schädigung oder den Verlust der Sendung mit herbeigeführt hat; anders ausgedrückt, die Schuld des Absenders muss zu dem eingetretenen Schaden in einem Kausalzusammenhange stehen. 2) Die Postverwaltung hat demnach den Beweis dafür zu erbringen, dass der Verlust oder die Beschädigung durch eine culpa des Absenders herbeigeführt wurde und sodann, dass diese culpa für den entstandenen Schaden causal gewesen sei. Wäre der Schaden durch die culpa des Absenders sicher eingetreten, ist er aber in Tat und Wahrheit durch einen nachträglich hinzugekommenen casus verursacht worden, so muss die Postverwaltung für den Schaden aufkommen, vorausgesetzt, dass sie überhaupt casus zu praestieren

1) Cf. hierüber Wirsing, 1. c. p. 20 ff. und Meili, Haftpflicht,

p. 53/54.

2) Cf. über den Kausalzusammenhang Windscheid, Pandekten Bd. II, § 258.

hat, dies trifft für das schweizerische Postgarantierecht nur bezüglich des postalischen Personentransportes zu.

III. Das Nichtvorhandensein einer Schuld der Postverwaltung. 1)

(P. G. Art. 30, litt. b.)

Die Entschädigungspflicht für aufgegebene Post-Sendungen fällt weg, wenn die Post nachweist, dass weder sie, noch die von ihr mit der Spedition beauftragte Transportanstalt den Schaden verschuldet hat. Nach dem französischen Text der zitierten Gesetzesbestimmung kann sich die Postverwaltung von ihrer Haftpflicht nur dann befreien, wenn sie den Beweis zu leisten vermag, sie den Schaden nicht veranlasst habe:

,, lorsque la poste prouve que ni elle ni l'entreprise de transport chargée par elle de l'expédition n'ont causé le dommage,

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Da alle drei Texte gleichwertig sind, könnte man gestützt auf den Wortlaut des französischen Textes versuchen auszuführen, das Bundesgesetz habe hier den Boden des Culpaprinzipes verlassen und huldige mit Bezug auf die Haftpflicht der Postverwaltung ganz allgemein dem Kausalitätsprinzip. 2) So erstrebenswert dieses Ziel auch ist, so erscheint der Versuch an Hand der beiden andern Texte doch völlig aussichtslos, denn übereinstimmend mit dem deutschen lautet der italienische Text:

„quando la posta prova che il danno non è colpa sua . . .“

1) Wirsing, 1. c. p. 27 ff.; Dambach, 1. c. p. 61-63; Meili, Haftpflicht p. 48 ff.

2) Auf diesen redaktionellen Unterschied hat zuerst Meili in seiner Abhandlung: „Die juristische Bedeutung der Postempfangsscheine", Monatsschrift für Handelsrecht und Bankwesen von Holdheim Bd. IX, p. 134, hingewiesen.

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