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keiner Weise eine Haftpflicht für Verspätung der Lieferzeit überbunden.

Man sieht, dass das Publikum bei der Verzögerung von Postsendungen überall sehr schlimm gestellt ist; hier muss entschieden eine energische Haftpflicht der Postanstalten angestrebt werden. Den Gegnern einer derartigen Ausdehnung des Postgarantierechtes möchte ich die nachstehenden Aeusserungen Meilis entgegenhalten:1)

,,Heutzutage kann sich die Postverwaltung mit Grund der Haftpflicht aus Verspätungen nicht mehr entziehen. In der modernen Zeit ist dafür gesorgt, dass die Transportanstalten in der Abwicklung ihrer Pflichten die strengste Pünktlichkeit beobachten, die Posten publizieren ihrerseits die Aufgabezeit, die Ankunftszeit etc., und das ganze Netz des Transportverkehrs ist in den einzelnen Staaten unter der Macht einer einheitlichen Anordnung fein gegliedert und alle Fäden laufen in systematischer Reihenfolge ineinander ein. Liegen gerechtfertigte Ausnahmen der Verspätung vor, so mag die Postanstalt sie konstatieren."

Art. 27, Abschn. 2 P. G. statuiert schliesslich diejenigen zivil- und strafrechtlichen Konsequenzen, die im Falle betrüglicher Ueberdeklaration den Absender treffen. Gelingt nämlich der Postanstalt der Nachweis, dass der Absender in betrügerischer Absicht seine Sendung zu hoch deklariert habe, so verliert der letztere seinen ganzen Anspruch auf Schadenersatz und er wird zudem wegen Betrug bestraft. 2) Die Postverwaltung wird indessen kaum je in der Lage sein, den Beweis eines Betruges zu erbringen, denn der Absender kann im gegebenen Falle sich leicht dadurch aus der Schlinge ziehen, dass er das Affektionsinteresse vorschützt, oder sich auf einen Irrtum beruft.

1) Meili, Haftpflicht, p. 87.

2) Dasselbe gilt nach Art. 9, Ziff. 1 des Uebereinkommens betref fend den Austausch von Briefen und Schachteln mit Wertangabe.

IV. Die Haftpflicht bei den gewöhnlichen Fahrpoststücken. 1)

Die Entschädigungspflicht der Postverwaltung bei den gewöhnlichen Fahrpostsendungen im Verlust-, Beschädigungs- oder Verspätungsfalle ist immer eine reduzierte. Sie erinnert teilweise an die Garantieverbindlichkeit bei den rekommandierten Brietpostsendungen, indem auch hier wieder der fixe und unabänderliche Normalsatz zur Anwendung gelangt. Das Gesetz regelt die Ersatzpflicht der Postverwaltung in nachstehender Weise:

1. Für den Verlust einer Fahrpostsendung höchstens Fr. 15 per kg. (P. G. Art. 25, litt. b.)

2. Für die Beschädigung Vergütung des wirklichen Schadens, höchstens aber des für den Verlust der ganzen Sendung vorgesehenen Betrages. (P. G. Art. 25, litt. e.)

3. Für die Verspätung der Lieferfrist um mehr als 24 Stunden Fr. 15. (P. G. Art. 25, litt. g.)

1. Im Falle des Verlustes einer gewöhnlichen Fahrpostsendung bildet der Normalsatz das Maximum der Entschädigung; der Absender kann daher auch dann keinen höhern Ersatzanspruch als Fr. 15 pro kg. geltend machen, wenn er den Beweis erbringen würde, dass sein Schaden ein weit grösserer gewesen sei. Umgekehrt steht aber hier der Postverwaltung der Beweis dafür offen, dass der Wert der zu Verlust gekommenen Sendung pro kg. geringer gewesen sei, als der Normalsatz von Fr. 15. Diese Beweismöglichkeit zu Gunsten der Postverwaltung ergibt sich klar aus der Fassung von Art. 25, litt. b P. G., an welcher Stelle von einer Entschädigung von höchstens Fr. 15 pro kg." gesprochen wird. Wir haben es also hier, anders als beim Normalsatz rekommandierter Sendungen, mit einer blossen praesumptio iuris zu tun, die durch Gegenbeweis der Post beseitigt werden kann.

1) Cf. darüber Muggli, 1. c. p. 50/51.

Noch bedeutend knapper ist die Ersatzpflicht beim Verlust gewöhnlicher Poststücke im Weltpostvertrag 1) geregelt. Es wird zwar anfänglich gesagt, dass sowohl im Verlust als Beschädigungsfalle der wirkliche Schaden ersetzt werden müsse, nachher aber hinzugefügt, dass die Entschädigung den Betrag von Fr. 25 nicht übersteigen

dürfe.

2. Bei einer Beschädigung muss der wirklich eingetretene Schaden vergütet werden, es ist aber zu berücksichtigen, dass die Entschädigung Fr. 15 pro kg. der ganzen Sendung nicht übersteigen darf. Die Höhe des Schadens hat der Absender darzutun, dies ergiebt sich aus allgemeinen Beweisgrundsätzen; natürlich steht aber auch hier der Postverwaltung der Beweis offen, dass der Wert der Sendung den Betrag des Normalsatzes nicht erreiche.

Bezüglich der Berechnung des Schadenersatzes entsteht nun die Frage, ob entweder die ganze Sendung als ein unteilbares Ganzes angesehen, oder ob blos das Gewicht der einzelnen beschädigten Objekte ins Auge gefasst werden solle. 2)

Entscheidend ist jedenfalls, dass der Aufgabepoststelle nicht gewisse Bestandteile eines Paketes zum Transport übergeben werden, das Paket muss vielmehr als einheitliche Sendung an den Destinationsort befördert werden; das Gesetz sagt auch ausdrücklich, die Entschädigung werde gewährt in Rücksicht auf die ganze Sendung. Der aufgeworfenen Streitfrage kommt indessen eine grössere Bedeutung nicht zu, weil durch die niedrige Fixierung des Normalsatzes der Absender im einen wie im andern Falle um weit mehr geschädigt wird, als der Normalsatz beträgt.

Für den Fall der Verzögerung der Lieferfrist bei den gewöhnlichen Fahrpost-Sendungen gelten dieselben 1) Vertrag, betreffend die Auswechselung von Poststücken, Art. 13, Ziff. 1.

2) Cf. das Nähere bei Meili, Haftpflicht, p. 90-92 und Wirsing, 1. c. p. 71.

Sätze, wie wir sie bezüglich der Verspätung valorierter Sendungen angeführt haben.

Trotzdem der Normalsatz, der im Beschädigungs- und Verlustfalle gewöhnlicher Fahrpoststücke zur Anwendung gelangt, für das Publikum eine offenbar unzureichende Entschädigung bedeutet, so darf man dieser Fixierung postalischer Haftpflicht dennoch die Existenzberechtigung nicht absprechen. Wie bei den einfachen Briefpostgegenständen durch das Mittel der Rekommandation, so hat es hier der Absender in der Hand durch Valorierung des Fahrpoststückes sich vor einem allfälligen empfindlichen Schaden zu schützen. Legt er das Hauptgewicht auf ein geringes Porto, so muss er eben mit der kargen Entschädigung vorlieb nehmen, wenn sein Vertrauen, das er der Postanstalt für eine sorgfältige Geschäftsbesorgung entgegengebracht hat, getäuscht wird. Hält man allerdings daran fest, dass die Postverwaltung, wie jeder Privatmann oder jede Privatgesellschaft für die Folgen einer kontraktwidrigen Erfüllung ihrer vertraglichen Verpflichtungen tenent sein solle, so ist die Ersatzverbindlichkeit bezüglich der Fahrpostsendungen ohne Valorangabe eine ungenügende und ungerechte; Meili erblickt in dieser postsonderrechtlichen Normirung sogar ein weitgehendes Attentat auf die allgemeinen Rechtsgrundsätze. 1) Richtiger wäre es jedenfalls gewesen, man hätte mit dem Normalsatz nur das Minimum der Entschädigung fixiert und dann dein Absender das Recht eingeräumt, einen höhern oder weitern Schaden, jedoch nicht über den gemeinen Wert der Sendung hinaus, nachzuweisen.

Wird bei gewöhnlichen Fahrpostsendungen ein Schaden durch die widerrechtliche Handlung eines Dritten herbeigeführt, so kann der geschädigte Absender, gestützt auf die generelle actio culpae (S. O. R. Art. 50) vom Dritten vollen Ersatz des Schadens beanspruchen; der Be

1) Meili, Haftpflicht, p. 94.

klagte ist also nicht befugt, sich auf die reduzierte Entschädigungspflicht der Postverwaltung zu berufen. 1)

Wir wollen endlich nicht unerwähnt lassen, dass nach Art. 26 P. G. der Absender eines Fahrpoststückes, einer rekommandierten Sendung, eines Einzugsmandates oder einer mit Nachnahme belasteten Sendung im Verlustfalle von der Postverwaltung die Rückerstattung der bezahlten Posttaxen verlangen kann. Wir haben aber in anderem Zusammenhang ausgeführt, dass es durchaus nur Rechtsund Billigkeitsrücksichten entsprechen würde, wenn die Restituierung der Portoauslagen im Verlustfalle ganz allgemein Anerkennung fände. Nach dem Washingtoner Weltpostvertrag gilt dies nur beim Verlust von Poststücken 2) und valorierten Sendungen. 3)

1) Damhach, 1. c. p. 85; Meili, Haftpflicht, p. 93/94.

2) Vertrag betreffend die Auswechslung von Poststücken, Art. 13, Ziff. 1.

$) Uebereinkommen betreffend den Austausch von Briefen und Schachteln mit Wertangabe, Art. 12, Ziff. 1.

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