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wohl in Zivil- als Militärangelegenheiten zu unterhalten. Für Staats- und Regierungszwecke eingerichtet, sollte der cursus publicus ausschliesslich nur diesen Zwecken dienen; Privatpersonen und Privatangelegenheiten waren daher von Anfang an ausgeschlossen.

Was nun die römischen Posteinrichtungen in Helvetien anbetrifft, so bestanden solche vorzugsweise in Rätien mit Rücksicht auf die Verbindung über die Alpenpässe mit Italien. 1) Es ist äusserst interessant, den ganzen Organismus der römischen Staatspost, welche Gegenstand besonderer Fürsorge der Provinzialstatthalter war, kennen zu lernen. Die Post war der Hauptsache nach Fahrpost, aber mit verschiedenem Fahrzeug und verschiedener Bespannung. Das Fahrzeug war nämlich entweder zweirädrig (birota) oder vierrädrig (reda, carrus); die Bespannung bestand in Maultieren, Pferden, Eseln oder Ochsen und da sie dem Staate von den anwohnenden Grundbesitzern gestellt wurde, so war ihre Beschaffenheit mehr oder weniger davon abhängig, welche Zugtiere in der betreffenden Gegend leichter aufzutreiben waren. In Rätien brachten es wohl die starken Steigungen der Gebirgsstrassen mit sich, dass auf denselben nur vierrädrige Fahrzeuge in Gebrauch waren und dass ferner das Ochsengespann, sowie auch die Saumpferde häufiger als im Flachlande benutzt wurden. 2)

Für den Postbetrieb waren die Reichs- oder Militärstrassen in Stationen und zwar teils in Haupt- oder Raststationen, teils in Neben- oder blosse Wechselstationen abgeteilt. An den Wechselstationen (mutationes) wurde bloss die Bespannung gewechselt; 3) die Raststationen dagegen (mansiones) waren zwar immer auch Wechselstationen, unterschieden sich aber von den letztern dadurch,

1) Cf. hierüber Planta: „Das alte Rätien." (Berlin 1872).
2) Planta, 1. c p. 178/179.

3) Der Name Muttenz in Baselland kommt sehr wahrscheinlich her von einer solchen mutatio (Sonntagsblatt des „Bund“ 1875, Nr. 18).

dass sie zugleich eine öffentliche Herberge (mansio) besassen, in welchen die Postreisenden Unterkunft und Unterhalt fanden. Nach der Tabula Peutinger und dem Itinerar. Anton 1) betrug die Entfernung der Stationen in Rätien sechs bis neun Wegstunden, wobei diese rätischen Stationen wohl als mansiones zu taxieren sind. Als selbstverständlich darf man es betrachten, dass sowohl die mansiones als auch die mutationes in bewohnte Ortschaften verlegt wurden. Dass man die Hauptstationen in verkehrsreichen Orten einzurichten liebte, oder dass sich solche Ortschaften um die Poststationen bildeten, beweist der Umstand, dass in der spätern Kaiserzeit in den Hauptstationen oft auch das Rathaus des betreffenden Stadtbezirks, wohl auch ein kaiserlicher Palast, ja selbst ein Bischofssitz sich befand. Dies trifft gerade zu für Curia Rætorum (Chur), das eine Hauptstation war, ferner wie es der Name „Curia" andeutet, ein Rathaus, wahrscheinlich auch einen kaiserlichen Palast hatte und endlich Sitz eines Bischofs wurde.

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Die Oberaufsicht über das Postwesen in der Provinz führte, wie wir bereits erwähnt haben, der Statthalter; ihm lag der Unterhalt und die Verproviantierung der Stationsgebäude ob, und damit er ja seiner Pflicht genüge, wurde er von Rom aus durch einen Kursinspektor (curiosus) beaufsichtigt, der jährlich die Provinz bereiste und dem die Pflicht oblag, jeder missbräuchlichen Benutzung der Postanstalten mit aller Strenge entgegenzutreten.")

Wie genau überdies der ganze Organismus funktionieren musste, beweisen die zahlreichen, auf die Post bezüglichen Verordnungen der spätern Kaiserzeit. So bestimmte das Theodos. Gesetzbuch, dass an den zweirädrigen

1) Planta, l. c. p. 179.

2) Cf. hierüber Mommsen: „Römisches Strafrecht" p. 321. Hirschfeld: „Untersuchungen auf dem Gebiete der römischen Verwaltungsgeschichte Bd. I, p. 98 ff. und Karlowa: „Römische Rechtsgeschichte" Bd. I, p. 563 und 874.

Wagen drei Maultiere (oder Pferde), an den vierrädrigen Pferdewagen bis zehn Maultiere (oder Pferde) und an den Ochsenwagen zwei Paar Ochsen gespannt werden sollten.') Ja selbst das Maximum ¡der Lasten, womit die Postfuhrwerke und Postpferde beschwert werden durften, war genau angegeben; ein zweirädriger Wagen sollte nicht mit mehr als 200 römischen Pfund,2) ein einrädriger mit Maultieren oder Pferden bespannter Wagen beim Transport von Geld oder feiner Kleidung und Wäsche für den kaiserlichen Gebrauch mit nicht mehr als 1000 römischen Pfund und ein Reitpferd mit nicht mehr als 30 römischen Pfund beschwert werden.3)

Wir haben schon betont, dass die römische Staatspost, zum Unterschied von den Postanstalten unserer Zeit nur rein staatlichen, oder vielmehr fiskalischen Zwecken diente und so erklärt es sich auch, dass der cursus publicus zu einer wahrhaft drückenden Last des Volkes wurde, nur Beamte und Bedienstete des Staates hatten Zugang zur Post, nur ihre Güter wurden befördert; die ausserhalb jener Kreise liegenden Schichten der Bevölkerung hatten daran keinen Anteil, man wälzte vielmehr mit unerhörter Selbstsucht die ausserordentlichen Kosten der Anstalt auf die Schultern derjenigen, die davon gänzlich ausgeschlossen blieben. Wer mit der Staatspost befördert werden wollte, musste sich zu diesem Zweck besonders legitimieren. Der Reisepass, welcher zur Benützung des cursus publicus berechtigte, führte den Namen diploma, später auch evectio1); er wurde vom Kaiser selbst oder von den obersten Reichs- und Provinzialbeamten (dem præfæctus. prætorio, vicarius, rector oder dux) erteilt. Von den Reisepässen scheint besonders auch die Geistlichkeit lebhaf

1) Codex Theod. de cursu publ. VIII, 5, l. 15, l. 23, 1. 34, 1. 35, 1. 36.

2) Ein römisches Pfund hatte 327,5 gr.

3) Codex Theod. de cursu publ. VIII, 5, 1. 28, 1. 47. Flegler, 1. c. p. 10.

4) Hartmann, 1. c. p. 63 ff. Flegler 1. c. p. 11 ff.

ten Gebrauch gemacht zu haben, denn ohne dieses Transportmittel der kaiserlichen Staatspost hätte sie sich kaum so oft, als wie es damals geschah, in Synoden und Konzilien vereinigen können. 1) Mit der freien Fahrt war für die Amtspersonen auch freier Unterhalt in den Stationsherbergen verbunden, für andere nur insoweit, als sich die Fahrbewilligung ausdrücklich darauf erstreckte. Die Freibriefe wurden nach und nach in das Unermessliche vermehrt und von solchen erteilt, die dazu gar nicht ermächtigt waren und von andern benutzt, denen jeder rechtliche Anspruch darauf abgieng. Zahlreiche Verordnungen der spätern Kaiser entsprangen lediglich dem Streben, die Staatspost durch Beschränkung der Erteilung von Reisepässen zu erhalten. Wie weit der Missbrauch gegangen sein muss, erhellt aus der Thatsache, dass mit den Fahrbewilligungen förmlich Handel getrieben wurde, dass ferner die kontrollierenden Beamten, wie die curiosi, sich des nämlichen Unfugs schuldig machten, wie die kontrollierten und durch die masslosen Frohnleistungen, die sie zu Gunsten der Postanstalten von den belasteten Grundbesitzern verlangten, die letztern zu Grunde richteten. 2) Der kostbare Unterhalt der kaiserlichen Rasten, der Hauptund Nebenstationen samt der grossen Zahl der daselbst in Bereitschaft gehaltenen Tiere blieb nämlich den Provinzen aufgebürdet. Aber nicht genug damit, wo die Lastund Zugtiere nicht ausreichten, da hatten ausserdem die Gemeinden und Grundbesitzer noch die Verpflichtung zur Vorspann. Wie drückend alle die erwähnten Lasten für die Provinzen gewesen sein mussten, bezeugt der Umstand, dass als Italien von denselben befreit wurde, zur Erinnerung daran eine Münze geprägt wurde mit der Inschrift:

1) Planta, 1. c. p. 181.
2) Planta, 1. c. p. 182.

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Vehiculatione Italiæ remissa." 1)

Aus der Thatsache, dass einzelne Provinzen von den drückenden Lasten, die ihnen durch die Staatspost erwachsen waren, befreit wurden, darf man wohl auch schliessen, dass wiederholt einzelne Kaiser sich bemühten, dem bedrückten Volke Erleichterungen zu verschaffen. 2)

Dies ein flüchtiges Bild des römischen cursus publicus, wie er schon vor mehr als anderthalb Jahrtausenden auch in den helvetischen Gauen organisiert war. So kann es uns nicht ernstlich auffallen, dass um das Jahr 300 p. Chr. ein römischer Feldherr viel schneller, sicherer und bequemer mit der kaiserlichen Reichspost von Chur nach Genf gelangen konnte, als dies zu Ende des XVIII. Jahrhunderts der Fall war; die Tatsache ermangelt aber nicht eines gewissen Interesses vom Gesichtspunkte der Verkehrsgeschichte.

Hartmann, der ausgezeichnete Kenner der Geschichte des Postwesens, widmet dem römischen cursus publicus die folgenden zutreffenden Aeusserungen:3)

„Es war die Ausführung eines grossartigen Gedankens, der wert gewesen wäre, bessere Früchte von der Zukunft zu ernten, wenn nicht schon in dem Grundgedanken und in der innern Einrichtung der Keim der Krankheit verborgen gewesen wäre, denn nicht um eines volkswirtschaftlichen Zieles wegen wurde der cursus publicus errichtet, sondern der Egoismus. des Cäsars und dessen eiserner Wille schufen den leitenden Gedanken. Daher überall, wo der Gedanke

1) Le Quien de la Neufville: „Origine des Postes (Paris 1708) p. 49. Le revers de ce monument représente deux mules paissantes, l'une à droite, l'autre à gauche d'un chariot, dont le timon est levé. On lit à la légende: Vehiculatione Italiæ remissa.“

"

2) Hartmann, 1. c. p. 87.

3) Hartmann, 1. c. p. 86.

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