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letteren Falle müsse er sein Amt niederlegen, worauf Scheibel erklärte, lezteres hinge von seiner Gemeinde ab.

Noch an demselben Tage (15. Juni) erließ der Oberpräfident an den breslauer Magistrat ein Rescript, worin er demfelben mittheilte, Scheibel sei für eine Ueberzeugung durch Gründe unzugänglich, und er, der Oberpräsident, gäbe daher dem Magistrat diejenigen Einleitungen anheim, welche erforderlich sein dürften, um allen Störungen vorzubeugen, welche für die Einführung der erneuerten Agende und für das damit allgemein zu begehende Fest der Uebergabe der augsburgischen Con= fession aus der beharrlich abweichenden Richtung des Scheibel und der angeblich mit ihm über dieselbe einverstandenen Individuen, die derselbe seine Kirchengemeinde nennt, hervorgehen könnten."

Am 18. Juni hatte Sch. noch ein Gespräch mit dem Generalsuperintendenten Bobertag, über welches ein offizielles Protocoll vorliegt. Laut demselben erklärte Sch., er könne die Agende nicht annehmen, weil er in derselben den wesentlichen Lehrbegriff der lutherischen Kirche nicht wiederfinde; er verspreche, auf alle Art, in seinen öffentlichen Vorträgen so wie in seinem ganzen Verhalten auf Friede und Ruhe zu halten und fern von jeder Aufwiegelei zu bleiben; trage aber bittend darauf an, es möchte in der Elisabeth-Kirche, wo alle Amtsverrichtungen zwischen die einzelnen Geistlichen nach einem gewissen Cyclus vertheilt seien, ein Cyclus bleiben für die altwittenbergische Agende und den damit vereinten lutherischen Gottesdienst. Darauf wurde ihm entgegnet, daß diese Einrichtung einer Settenstiftung ähnlich sei, und daher schwerlich von dem Könige gewährt werden würde.

Am folgenden Tage (Sonnabend, den 19. Juni) Abends würde Sch. zum Superintendenten Tscheggey berufen, welcher ihm ein Rescript des Magistrats vorlegte, des Inhalts, daß er auf 14 Tage suspendirt sein solle.

Sch. bestieg trotzdem am folgenden Morgen die Kanzel zur Frühpredigt, in welcher er auf das Unlutherische in der

neuen Agende hinwies. Er rechtfertigte diesen Schritt damit (1. c. I. S. 222), daß ihm ja kein Termin angegeben sei für den Anfang seiner Suspension. Die Rechtfertigung ist ungenügend, denn wenn ihm seine Suspension auf 14 Tage angekündigt wird, so ist ja selbstverständlich, daß die Ankündigung auch der Beginn der Suspension sei. Eher dürfte er dadurch gerechtfertigt sein, daß er die Befugniß des Magistrats zur Verhängung der Suspension in Frage stellen konnte, und ihm der Superintendent ausdrücklich freigegeben hatte, an den Magistrat noch einmal zu schreiben.

Das that Sch. unterm 21. Juni; er erinnerte den Magistrat daran, daß der Patron einer Kirche landrechtlich nicht befugt sei, zu suspendiren; das breslauer Stadtconsistorium habe zwar diese Macht; der Beschlußz desselben bedürfe aber der zuvor einzuholenden Bestätigung der K. Regierung. Sei aber der Magistrat - wie die Rescripte besagen, der Union und damit der neuen evangelischen Kirche beigetreten, so sei er in diesem Falle für die von ihm verlassene lutherische Kirche nicht mehr kirchliche Behörde mit den ihm blos für diese verliehenen Rechten. Jedenfalls aber solle nach dem Landrecht nur dann, wenn ein Geistlicher einen groben Erceß im Amte begangen habe, mit Suspension gegen ihn verfahren werden. Deshalb könne Sch. die Ausübung seiner hochheiligen Amtspflicht, für welche er dem Herrn und seiner Gemeine, der berufenden Behörde selbst verantwortlich sei, nicht ohne Weiteres aufgeben, und bitte daher die Suspension aufzuheben.

Am 23. Juni verwaltete daher Sch. wieder sein Amt, und theilte zum letzten Male in St. Elisabeth das h. Abendmahl aus. An demselben Tage erließ der Magistrat an ihn das Antwortsschreiben auf seine Remonstration, welches ihm Tags darauf durch Dr. Tscheggey mitgetheilt wurde, des Inhalts, daß Sch. bis zu dem Zeitpunkt, wo er über seine Bereitwilligkeit, die Agende anzunehmen, eine bestimmte Erklärung abgegeben haben würde, vom Amte suspensirt sein sollte mit der einzigen Ausnahme, daß ihm gestattet sei, Kranken-Communionen

zu verrichten. In seinem betreffenden Erlaß erklärt der Magistrat, er erachte sich zur Suspension Scheibels durch das obenerwähnte Rescript des Oberpräsidenten vom 15. Juni völ lig befugt, denn wenn etwanigen Störungen der Jubelfeier wirksam vorgebeugt werden sollte, so müßte Sch., bei dem ja Gründe nichts fruchteten, für diese Zeit außer Thätigkeit gesetzt werden, zumal da er selbst unbefugter Weise diejenigen Individuen, die sich zu ihm halten, seine Kirchengemeinde nennte. Uebrigens seien hier zwei Dinge scharf zu scheiden, der Beitritt zur Union und die Annahme der Agende; der erstere stehe ihm frei, letztere müsse er annehmen, oder aufhören, Prediger an St. Elisabeth zu sein; denn ihre allgemeine Einführung sei durch den König als obersten Bischof geboten, und sowohl Magistrat als Stadt-Consistorium haben beschlossen, sich dieser Allerhöchsten Willensmeinung zu fügen, in der vollständigen Ueberzeugung, daß die Agende nichts enthalte, was nicht biblisch oder dem rein evangelischen Lehrbegriff entgegen wäre.

An demselben Tage erließ der Magistrat, weil er in Kenntniß gesetzt war, daß Scheibel beabsichtigte, zwei früher gehaltene Abendmahlspredigten, mit Vor- und Nachrede versehen, durch den Druck zu veröffentlichen und am Festtage der augsburgischen Confession zu vertheilen, dieserhalb ein Verbot an Scheibel bei Vermeidung unausbleiblicher fiscalischer Untersuchung", weil dieses Unternehmen offenbar nur aus einer der Union feindlichen Gesinnung hervorginge. Ein gleiches Druckverbot erließ der Oberpräsident gegen eine Schrift des Prediger Thiel, die Scheibel herausgeben wollte, weil sie ebenfalls beabsichtige, der Union entgegenzuarbeiten und so den Frieden zu stören. Scheibel's Protest gegen beite Druckverbote, in deren letzterem er sich über die vom Magistrat verhängte Suspension beschwert, blieben erfolglos. Der Oberpräsident begnügt sich, in seiner Antwort vom 29. Juni sein Bedauern darüber auszusprechen, daß der Magistrat sich zu einer so unerfreulichen Maßregel veranlaßt gefunden habe.

Juzwischen machte auch der Generalsuperintendent Bo

bertag in einem unterm 23. Juni ausgefertigten Briefe noch einen recht wohlgemeinten, aber überaus schwächlichen Versuch, Scheibel zu einer Sinnesänderung zu bewegen. Ohne irgend welches Verständniß für die kirchlichen Interessen, die Scheibel vertrat, erinnert er ihn an den redlichen Willen des Königs, der ja als oberster Bischof dann erst zur Anfertigung einer neuen Agende geschritten sei, als die aus Geistlichen zusammengesetzte liturgische Commission in Berlin nichts zu Stande gebracht hätte. Der König habe ja expreß auch die Wünsche der Geistlichen gehört und durch die gegebenen Nachträge zur Agende nach Möglichkeit berücksichtigt. Die Union werde freilich durch die neue Agende eingeleitet und befördert; allein wenn Scheibel sich gegen dieselbe erklärte, so möchte er doch noch einmal prüfen, ob Joh. 6 wirklich vom heiligen Abendmahl handle, ob denn nicht die reformirte Abendmahlslehre möglicher Weise auch die richtigere sein könne, man müsse doch an seiner Privatmeinung nicht so starr festhalten. Luther sei ja doch auch nur ein Mensch und dürfe nicht über Christum gestellt werden. Wenn er jetzt lebte, so würde er gewiß der Union beipflichten; die evangelische Kirche müsse doch einig sein gegen ihre Gegner. Handelte es sich um Sicherung heiliger Rechte, so würde er, Bobertag, auch rathen: Setzen sie das Aeußerste ein, um diese Rechte zu retten, aber hier handle es sich ja doch nur um individuelle Ansichten, auf die man nicht so hartnäckig bestehen müsse.

Eine Begründung der Unionsjache durch solche haltlose Argumentation mußte natürlich Scheibel in seiner Anschauung von der Schwäche dieser Sache selbst nur bestärken, so wie es seine Meinung, die lutherische Kirche sei von ihren Oberbehör den verlassen worden, nur befestigen mußte, wenn der Generalsuperintendent seiner Provinz die lutherische Abendmahlslehre zu einer Privatmeinung herabsetzte, welche möglicher Weise ja auch falsch sein könnte. Scheibel wußte zu gut, daß es sich in seinem Widerstande wirklich um heilige Rechte handle, darum war er auch entschlossen, das Aeußerste daran zu setzen. Ein

herzliches, aber eben so schwach begründetes Schreiben seines Collegen Gerhard hatte den gleichen Erfolg.

So stand also die Sache: Die ursprünglich nur auf vierzehn Tage verhängte Suspension Scheibel's war auf unbestimmte Zeit verlängert worden, bis derselbe hinsichts der Annahme der neuen Agende eine Erklärung abgegeben haben würde, die er nimmermehr abgeben konnte. Scheibel war also und blieb, mit Ausnahme der Erlaubniß zu Privat-Communionen, suspendirt, bis später seine Suspension in Absetzung verwandelt wurde.

Wir machen hier einen Halt, um uns über die Situation zu orientiren.

Das Verfahren des Breslauer Magistrats können wir nur als ein nach jeder Seite hin völlig unberechtigtes bezeichnen. Gab es denn, wenn es sich durchaus darum handelte, Scheibel für den Tag der Jubelfeier unschädlich zu machen, kein ander Mittel dazu, als eine vierzehntägige Suspension? Der Oberpräsident hatte ja, sich selbst die Rückzugslinie offen haltend, seine Worte weislich genug gestellt, so daß er zwar seine Wünsche durchblicken ließ, daß aber doch dem Magistrat, falls nicht dessen Wünsche mit diesen zusammenfielen, noch völliger Spielraum zu freier Handlung verblieb. Wäre es nicht völlig ge= nügend gewesen, Scheibel, wenn man wirklich bei seiner früher kundgegebenen Taktlosigkeit Störung des Festes fürchtete, einfach an jenem Jubelfesttage selbst die amtlichen Funktionen zu untersagen? Aber man hatte sicherlich Anderes im Sinne. Man fürchtete, wenn man Scheibel nicht auch vorher den Mund bände, so würden Biele vielleicht abgewandt werden von ter Union, und bände man ihn nicht nachher, so möchten die vielen Lutheraner, die sich bereits deutlich genug für Scheibel erklärt hatten, an der Zahl noch wachsen. Aber mit welchem Rechtstitel wollte man denn das Factum der Suspension beschönigen? Man sprach deutlich genug aus, der einzige Rechtstitel sei die Sorge um die Union. Aber heißt das, die Union zu einer Sache des freien Entschlusses machen, wenn man dem dissen

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