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fiftorialräthe citirt, und ihre Kinder durch Zwangsmaßregeln zur Taufe gebracht. Man berief sich dabei auf ein Edikt von 1802, wonach einem Kinde, welches nach sechs Wochen ungetauft geblieben war, ein Vormund gesetzt werden solle, der für die Taufe des Kindes zu sorgen habe, weil Eltern, die ihr Kind so lange ungetauft ließen, für wahnsinnig anzusehen feien. So geschah es denn auch in einzelnen Fällen, daß Kinder, welche bereits von den Eltern getauft worden waren, in einer abermals vollzogenen Taufe eine Wiedertaufe erfuhren. Bei den dieserhalb veranstalteten Verhören scheinen sich etliche altrationalistische Geistliche hier und da vor den separirten Gemeindegliedern auch wohl dogmatische Blößen gegeben zu haben, durch welche diese letteren in dem Selbstgefühl des Märtyrerthums bestärkt werden mußten.

Die Vorgeladenen stellten das Factum, daß sie ihre Kin der selbst getauft hätten, nicht in Abrede, entschuldigten es aber durch die vorhandene Noth; einer erklärte, daß er auch das h. Abendmahl verreichen würde. Scheibel selbst berichtet, daß er einem solchen von Laien verwalteten Abendmahl mit vieler Andacht beigewohnt habe.

Die Folge aller dieser Ordnungswidrigkeiten war, daß die Privat-Gottesdienste in den Häusern (welche Scheibel unter andern auch dadurch als berechtigt erklären zu können glaubte, weil ja zur Zeit der egyptischen Gefangenschaft und der Apostel auch solche Privatkirchen gewesen seien, und der Herr Christus selbst Conventikel gehalten habe) durch die Polizei verfolgt wurden, daß diejenigen, welche den Gottesdienst hielten, polizeilich in Geldstrafen genommen, die ärmeren unter ihnen durch Execution und Pfändung verfolgt wurden. Zum Defteren traten an Sonn- und Festtagen Polizei-Commissarien in die Versammlungsorte, doch ohne die Versammlung gerade zu stören und aufzuheben; fie blieben ruhige Zuhörer.

Bergeblich versuchten die Separirten polizeiliche Erlaubniß zu ihren Laien-Gottesdiensten zu erlangen; das Polizei - Präftdium suchte zwar diese Erlaubniß beim Consistorio nach, aber ohne Erfolg.

Da dieser Zustand auf die Dauer völlig unerträglich wurde, drang Scheibel mit allem Fleiß auf die definitive Erledigung seiner Angelegenheit. Er wandte sich dieserhalb unterm 7. Oct. an den Cab. - Rath Albrecht, unterm 10. Novbr. und dann wieder unterm 12. Decbr. an Conf. Rath Fischer, und unterm 12. Jan. 1832 an den Minister selbst.

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In diesem letteren Schreiben beschwert er sich darüber, daß man seine Sache hinzuhalten suche; man würde aber dadurch nicht erreichen, was man zu beabsichtigen scheine, denn der Wunsch der Gemeinde nach lutherischer Verfassung, Sacramentsverwaltung, Gesangbuch, Agende und Predigt sei bereits erreicht; das alles habe die Gemeinde schon; deshalb werde man durch Scheibel's fortgesette Suspension auch keineswegs die Auflösung der lutherischen Gemeinde erzielen. Er als Dr. theol. habe von seinem Recht, responsa theologica zu ertheilen, Gebrauch gemacht, und habe seinen Rath,,nur nach dem Kirchenrecht der göttlichen h. Schrift" ertheilt, daß die Gemeinde sich selbst helfen sollte mit Verwaltung von Predigt und Sacrament. Diese Untersuchungen führten mich dann weiter zu der Ueberzeugung, wie nach der h. Schrift die lutherische Gemeinde in Schlesien nach der Verfassung des h. Geistes“ von aller weltlichen Behörde getrennt sein sollte. Ich habe auf ihr Verlangen diese Ideen den Repräsentanten der Gemeinde mitgetheilt und diese haben sie biblisch gefunden“ . . . „Ich muß also von Ew. Excellenz binnen drei Wochen Entscheidung erheischen, widrigenfalls mir kein anderer Weg zur Rettung meiner Ehre und Wirksamkeit übrig bleibt, als der dann auch mit der größten Gewissenhaftigkeit einzuschlagende, nämlich laut meiner theologischen Amtspflicht mein gewissenhaftes Verhalten vor dem deutschen Publikum zu rechtfertigen, damit ich demnächst unmittelbar mit Ehren meinen Abschied aus preußischen Diensten fordern kann, der jeßt ohne Weiteres gefordert, mich in einem falschen Lichte der Welt vorstellen würde."

Dies Schreiben Scheibels hatte denn nun den endlichen Entscheid des Ministers zur Folge, welcher in einer Antwort

vom 28. Febr. 1832 ertheilt wurde. Der Minister verweist Sch. die Ungehörigkeit, die darin von ihm begangen sei, daß er, während die ordnungsmäßigen Maßregeln gegen seine Renitenz doch sistirt worden seien, doch von Jahre langen Leiden und Verfolgungen rede, sowie daß er erst kürzlich noch seine Confirmanden durch das Wort: „Ziehet nicht am fremden Joch mit den Ungläubigen" vor der Gemeinschaft mit evangelischen Glaubensgenossen wie vor Gößendienern gewarnt hätte; er for dert ihn sodann zu einem nochmaligen ruhigen Rückblick auf die ganze Angelegenheit auf, und zu der Erwägung, ob er nicht beruhigt über die Besorgniß, daß ihm die Union aufgedrungen werde, unter Beibehaltung des lutherischen Glaubensbekenntnisses und des zugesicherten bisherigen Gebrauchs bei den Sacramenten, es selbst für Gewissenssache halten müsse, der Gemeinde zu der gestörten Ruhe wieder zu verhelfen dadurch, daß er sein Amt nach den bestehenden kirchlichen Vorschriften der neuen Agende verwaltete. In der Hoffnung, daß Sch. zur Besinnung zurückkehren würde, übergehe der Minister jest die in vieler Hinsicht so verwerfliche Eingabe vom 12. Jan., habe aber für den Fall, daß Sch. sich weigere, seine amtlichen Funktionen an St. Elisabeth nach den Vorschriften der Agende zu verrichten, das Consistorium angewiesen, mit der Disciplinaruntersuchung vorzuschreiten.

Unter demselben Datum erging der Ministerial-Erlaß an die Repräsentanten.

In diesem Rescript werden die letzteren darauf verwiesen, wie sie anfänglich davon ausgegangen, sich nur in ihrer bisherigen confessionellen Lage zu erhalten, allmählich zu immer weitergehenden Forderungen sich haben hinreißen lassen, die aller Begründung entbehrten. Deshalb würde ihnen noch einmal gesagt, daß der Beitritt zur Union leinerlei Glaubens- oder Confessions-Veränderung in sich begreife, sondern nur die factische Erklärung sei, daß man mit den Genossen der anderen evangelischen Confeffionen Kirchengemeinschaft halten wolle und diese nicht für etwas Gewissens

widriges ansehe. Weder unirte Gemeinden, noch ihre Geistlichen und die ihnen vorgesetzten Behörden haben durch ihr Anschließen an die ehrwürdige Sache der evangelischen Kirchenvereinigung ihren Glauben geändert. Dieser Grundsaß ist bei den Aufforderungen zur Union und bei der Annahme derselben immer klar und deutlich ausgesprochen und festgehalten worden.“ Für die Einzelnen, die der Union nicht beitreten wollten, sei Fürsorge getroffen durch Einrichtung einzelner Abendmahlsgottesdienste mit dem früheren Ritus. Sie hegten ferner die Ansicht, als ob die Agende für die Union gegeben sei und indirect zu derselben führe und nöthige. Auch diese Ansicht wird durch die offenen Erklärungen über den Geist und Zweck der Agende, durch die Geschichte ihrer Entstehung, und durch die Prüfung, der sie unterworfen worden, sattsam widerlegt." — Mehr als 5000 Geistliche und Gemeinden hätten die Agende viel früher als die Union angenommen, und diese könne man doch nicht der Unkenntniß und der Gewissenlosigkeit zeihen. Indeß würde man den Petenten außer der Beibehaltung des bisherigen Abendmahlsritus auch noch die Beibehaltung der alten Taufformulare gestattet ha= ben, wenn sie nicht dies selbst abgelehnt hätten.

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Was nun insonderheit ihre Ansichten in Bezug auf Bildung eines abgesonderten Kirchensystems betreffe, von welchen fie behaupteten, dieselben widerstritten nicht der bisherigen Ordnung, so möchten sie ihre Anträge nur einfach mit den bisher bestandenen kirchenrechtlichen Verhältnissen vergleichen, um sich vom Gegentheil zu überzeugen. „Ohne auf den völlig unhaltbaren Antrag, daß Sie mit Ihren Anhängern eine geduldete Kirchengesellschaft ausmachen wollen, einzugehen, bemerkt das Ministerium nur, daß es zu einem solchen Antrage Ihrerseits einer ganz anderen Legitimation bedurft haben würde, als das bloße Anführen, daß die lebrigen mit Ihnen einverstanden seien. Wenn fest stände, es sei bei diesen zu ernster Erwägung gekommen, daß Sie als geduldete Kirchengesellschaft, mit den Mennoniten und Israeliten auf gleicher Linie stehend, nach

den gesetzlichen Bestimmungen des Allg. Landrechts Th. II. Tit. 11, §. 20-26 beurtheilt werden würden, daß Sie nächst dem Verluste bisheriger Rechte auch neue, zur dauerhaften Bestreitung der firchengesellschaftlichen Bedürfnisse auf gerichtlichem Wege sicher zu stellende Verpflichtungen zu übernehmen hätten, so würde sich dieser jegt ganz unbegründete Antrag mehr haben. beurtheilen lassen. Wenn aber dieser für Sie selbst und Ihre Familien, so wie für den Frieden in der evang. Kirche so höchst bedenkliche Schritt als ein Mittel betrachtet werden sollte, dem Diaconus Scheibel, wenn er in Folge einer wegen beharrlich verweigerten Gehorsams anzustellenden Untersuchung von seinem Amt entfernt werden müßte, die Ausübung geistlicher Funktionen bei der neuen Kirchengesellschaft zu übertragen, so muß das Ministerium Ihnen erklären, daß dies in keinem Falle gestattet werden würde."

Nachdem in Folge dieses Ministerial - Entscheides das Kgl. Confiftorium unterm 8. März Scheibel aufgefordert hatte, seine Funktionen an St. Elisabeth nach der neuen Agende anzutreten, nachdem hierüber eine Erklärung eingefordert war, in deren Folge seine Suspension aufgehoben werden würde, mit dem Zusaß, daß, falls diese Erklärung nicht binnen vierzehn Tagen erfolge, die Disciplinar Untersuchung eingeleitet werden müßte, so führte Scheibel selbst durch ein Schreiben an den Minister vom 14. März den Abbruch des weiteren Verfahrens herbei.

Er verwahrt sich gegen den Vorwurf, als ob er im aufgereizten Zustande Ungebührliches verlangt habe, er sei vielmehr mit seinem Begehren in völliger Uebereinstimmung mit Schrift und Symbol. Also, wenn auch selbst lutherische Abendmahlshandlung demnach mit lutherischen Formularen erlaubt wird: so ist doch ein solches Abendmahl in und neben der reformirten Kirche und ihrem Abendmahl nie ein wahrhaft lutherisches, weil dieses laut allen symb. Büchern unserer Kirche jedes andere Abendmahl und irgend eine Gemeinschaft mit der Kirche, in welcher falsches Abendmahl ist, vollkommen ausschließt.

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