Page images
PDF
EPUB

werden sollten, die den symbolischen Büchern der drei in Deutschland herrschenden Religionen entgegen seien. Gegen diesen Antrag erhoben die Evangelischen, insonderheit Kurbrandenburg, Kursachsen und Braunschweig ihren lebhaften Protest, und behaupteten, es könne in keiner Weise der Cognition der katholischen Stände unterliegen, was die Evangelischen hinsichtlich ihrer symbolischen Bücher beschlössen; diese könnten sie eben so wenig dulden, als daß der Kaiser 1778 die Ausweisung des (berüchtigten) Dr. Bahrdt verlangt hätte. Ueber die symbo= lischen Bücher und deren Geltung läßt sich dies von v. Finkenstein und v. Herzberg unterzeichnete Gutachten folgen= dermaßen aus:

,,Die Bekenntnißzbücher der Protestanten haben, nach ihrer Entstehungsart und ursprünglichen Absicht, nur die Bestimmung gehabt, dem Kaiser und katholischen Reichstheile, zur Vermeidung des Vorwurfs der Kezerei, ihren in der Vernunft und Offenbarung gegründeten Lehrbegriff nach den Einsichten der damaligen Zeiten vorzulegen. Man hatte weder die Meinung, dem Verstande und dem Gewissen eine beständige, unveränderliche, mit Zwangskraft versehene Glaubensform aufzubürden, noch alles Forschen, Untersuchen, Prüfen und alle freiwillige Ueberzeugung auszuschließen, noch alle Aufheiterung und Berichtigung dieses Lehrgebäudes nach dem Maße zunehmender philosophischen, phiLologischen, auch kritischen Einsichten zu wehren und vorzubeugen; am wenigsten aber, mit dem katholischen Reichstheile eine Vereinigung darüber und einen Vertrag zu errichten, und sich gegen denselben zu einer beharrlichen Beibehaltung desselben, ohne alle Abweichung und Verbefferung, zu verpflichten. Man kann daher von diesen Bekenntnißzbüchern den Passauischen Vertrag, den Religionsfrieden, den Osnabrückschen Frieden und die darin festgeseßte Gewissens- und Religionsfreiheit die Gerechtsame einer herrschenden Religion, die Gemeinschaft aller Staats- und bürgerlicher Vorrechte der Proteftanten unmöglich abhängig machen und deren Genuß und Dauer auf die Beharrlichkeit bei diesem Lehrgebäude gründen. Es ist unausgemacht, welches dann die eigentlichen symbolischen Bücher der Lutheraner sind. Und bei den Reformirten, welche erst durch den Westphälischen Friedensschluß in die völlige Gemeinschaft aller jener Nechte sind aufgenommen und darin bestätiget worden, kann man weder die Helvetische Confession, noch die

Schlüsse der Dortrechter Synode, noch den Heidelberger Katechismus dafür achten oder als solche ansehen. Uebrigens scheint es uns eine unverwehrliche Sache zu sein, über das Ansehen, die Verbindungskraft, die Absichten, die Dauer, die Nothwendigkeit oder Entbehrlichkeit der symbolischen Bücher Betrachtungen anzustellen und seine Privatgedanken zu eröffnen, wenn es nur nicht auf eine heftige, unhöfliche und schwärmerische Art geschiehet. Berlin, den 18. Februar 1791.

v. Finkenstein. v. Herzberg.“

Es ist auf keine Weise zu verwundern, daß Friedrich Wilhelm III., unter solchen Einflüssen und in solcher Umgebung aufgewachsen, bald nach seinem Regierungsantritt sich für eben so sehr befugt als verpflichtet erachtete, dem Nationalismus weiteren Vorschub zu leisten, und dem Religionsedikt entgegen zu arbeiten dadurch, daß er sich entschieden gegen die frühere Geltung der Bekenntnißschriften aussprach.

Er schreibt an Wöllner im Jahr 1798:

„Ich selbst verehre die Religion und befolge gern ihre beglückenden Vorschriften, und möchte um Vieles nicht über ein Volk herrschen, welches keine Religion hätte: aber ich weiß auch, daß sie Sache des Herzens, des Gefühls und der eigenen Ueberzeugung sein und bleiben muß, und nicht durch methodischen Zwang zu einem gedankenlosen Plapperwerke herabgewürdigt werden darf, wenn sie Tugend und Rechtschaffenheit unter den Menschen befördern soll. Vernunft und Philosophie müssen ihre unzertrennlichen Gefährten sein; dann wird fie durch sich selbst fest stehen, ohne der Autorität derer zu bedürfen, die es sich aumaßen wollen, ihre Lehrsäge künftigen Jahrhunderten aufzudringen und den Nachkommen vorzuschreiben, wie sie zu jeder Zeit und in jeden Verhältnissen über Gegenstände, die den wichtigsten Einfluß auf ihre Wohlfahrt haben, denken sollen. Wenn Ihr bei Leitung Eures Departements nach ächten lutherischen Grundsäßen verfährt, welche so ganz dem Geiste und der Lehre des Stifters unserer Religion angemessen sind, wenn Ihr dafür sorgt, daß Predigt- und Schulämter mit rechtschaffenen und geschickten Männern besetzt werden, die mit den Kenntnissen der Zeit und besonders in der Theologie fortgegangen sind, ohne sich an dogmatische Subtilitäten zu hängen; so werdet Ihr es bald selbst einsehen lernen, daß weder Zwangsgesetze noch deren Erneuerung nöthig sind, um wahre Religion im Lande aufrecht zu erhalten, und

ihren wohlthätigen Einfluß auf das Glück und die Moralität aller Volksklaffen zu verbreiten“ u. s. w.

=

Der König achtete in dieser Cabinets - Ordré die symbolischen Bücher um nichts geringer, als sie von der weitüberwiegenden Mehrzahl der Geistlichen geachtet wurden. Diese wurden zwar verpflichtet auf dieselben, aber das Hinterpförtchen des Quatenus, welches als ganz gebräuchliche Mentalreservation fich als zu Recht bestehend gebahrte, hatte aller möglichen Schriftauslegung wider die Symbole freien Raum gewährt, und hatte meist stillschweigend, oft aber auch unverholen den objectiv-kirchlichen Bestand so weit unterwühlt, daß man die lange Observanz als Fortschritt verkündigte*) und selbst die Regierungen sich verpflichtet erachteten, diese Fortschrittsbahn zu befördern. War demnach wohl einem jüngern Könige obige Aeußerung zu verdenken, wenn selbst ein Herder in seiner idealistischen Verfallenheit in der Confession nur,,Satungen und Meinungen" fah, während ein inneres Band,,,das der Wahrheit, allein die Menschen vereinige."**)

Zu bedauern war, daß der König sich durch die verderblichen Einflüsse seiner Umgebung dazu bewegen ließ, daß er zwei fromme redliche Männer, die Oberconsistorialräthe Hermes und Hilmer „ohne Urtheil und Recht, und ohne Pension, gleichsam als infam caffirte, blos weil sie im Geruche standen, Finsterlinge zu sein“ ***), — ehrenwerthe Männer, die den Herrn redlich fürchteten und nichts verbrochen hatten, als daß sie einfach ihre Schuldigkeit thaten; eine That, die in der Geschichte des Cäsaropapismus ihres Gleichen sucht" (Nathusius 1. c.).

Nur aus dieser völligen Verkennung und Nichtachtung der den symbolischen Büchern einwohnenden Bedeutung ist es zu erklären, daß in dem Kopf eines frommen reformirten Theologen Sack die Idee entspringen konnte, welche alsbald in dem Herzen des Königs den lebendigsten Anklang fand, — nämlich im Anschlusse an die

*) Krabbe 1. c. S. 6. 7.

*) Rudelb. 1. c. . 617.

***) Nathusius: Zur Verständigung über Union. Halle, bei Mühlmann, 1857. 34.

churbrandenburgische Haustradition eine Union zu versuchen mit gänzlicher Uebergehung der Bekenntnißschriften, welche man in ihrem (damals freilich bis auf das Minimum reducirten) Werthe unangetastet lassen wollte, also daß man, von dem Cultus den Ausgang nehmend, zunächst eine völlige Sacramentsgemeinschaft zwischen beiden Confessionen herzustellen, und also die gänzliche Union beider Kirchen anzubahnen unternahm.

Sad spricht sich in seinem unterm 13. Juli 1798 eingereichten Promemoria*) folgendermaßen aus:

„Schon seit vielen Jahren ist in dem ganzen protestantischen Deutschlande das Bedürfniß einer verbesserten Liturgie empfunden worden, indem die bisher sowohl in der reformirten als in der lutherischen Kirche üblichen Formulare einer vernünftigen christlichen Erbauung cher hinderlich als beförderlich geworden. So brauchbar und zweckmäßig fie auch zu der Zeit waren, als sie verfertigt wurden, und so vortrefflich hin und wieder einige Stücke auch noch sind: so sind doch wieder größtentheils eine Menge ganz unverständlicher theologischer Ideen darin enthalten; von manchen Ausdrücken der heiligen Schrift ist eine so seltsame und zum Theil so unrichtige Anwendung gemacht; die ganze darin herrschende Vorstellungsart ist den seit der Zeit der Reformation Gottlob immer mehr geläuterten Einsichten in der christlichen Religion so wenig angemessen, daß von sehr vielen gutdenkenden Christen die Klage immer lauter wird: daß ihre Andacht gerade bei denjenigen Religionshandlungen, die ihnen die wichtigsten und feierlichsten sind, z. B. bei der Taufhandlung und dem heiligen Abendmahl, nicht auf eine bessere und würdigere Art befördert werde.

Aus diesem Grunde ist denn auch in mehreren Gegenden Deutschlands, und auch außerhalb dem deutschen Reiche, mit Erust daran gedacht worden, eine neue verbesserte Agende einzuführen. Alle Wissenschaften und Künste haben seit zweihundert Jahren ungemeine Fortschritte gemacht. Nur die Form kirchlicher Erbauung ist unverändert dieselbe geblieben.

Inzwischen wird allerdings Behutsamkeit nöthig sein, um nicht zu Unruhen, Klagen und Trennungen Anlaß zu geben. Zwang und Ges walt würde ohne Zweifel den Geist des Widerspruchs erwecken, und das abgezweckte Gute eher hindern, als befördern.

*) Vollständig mitgetheilt in Schulz: Vollg. St. S. 40-43.

Meine unmaßgeblichen Gedanken über die beste Art der Einführung einer neuen Agende sind folgende:

1. Daß von dem geistlichen Departement, mit allergnädigster Genehmigung Seiner Majestät, einigen ernsthaften und dazu in jeder Rücksicht brauchbaren Männern anfgetragen würde: eine Sammlung von kirchlichen Gebeten, und Tauf-, Trauungs- und Abendmals-Formularen, mit Benuzzung der schon vorhandenen und allgemein geschätzten Agenden, zu veranstalten.

2. Wenn diese Arbeit vollendet und von der Behörde gebilligt worden, so würde der Druck derselben verordnet, und, wie es mit dem Gesetzbuchhe gehalten worden, eine Zeitlang abgewartet: ob die allgemeine Stimmung des Publikums die Arbeit zweckmäßig oder unbrauchbar fände, ob also der öffentliche Gebrauch von den Verständigern gewünscht oder widerrathen würde.

Findet die neue Agende einen allgemeinen Beifall, und wird die Einführung derselben von den mehresten Predigern und Gemeinen verlangt: so würde

3. Durch ein Rescript aus dem geistlichen Departement allen Behörden bekannt gemacht, daß der öffentliche Gebrauch derselben erlaubt werde, ohne den Gebrauch der bisherigen Agenden geradezu zu verbieten; indem es jeder Gemeine, und bei Taufen und Trauungen den Eltern oder dem Brautpaare freistehen müßte, von ihren Predigern zu verlangen, daß sie das alte Formular gebrauchen, sobald sie dadurch ihre Erbauung besser befördert zu sehen meinen.

Auf diese Weise glaube ich, daß in wenigen Jahren die neue beffere Agende sich von selbst empfehlen und allmählig einführen würde; da hingegen durch plötzliche Abschaffung der alten und durch obrigkeitliche Zwangsmittel ohnfehlbar Mißvergnügen und Beschwerden erregt werden würden. Ich nehme mir die Freiheit, noch einen Wunsch bei dieser Gelegenheit zu eröffnen, deffen Erfüllung, wie es mir scheint, vielen redlichen Christen im Lande sehr viel Freude machen würde.

Auch das lutherische Oberconsistorium beschäftigt sich jetzt mit Ueberlegungen: wie eine bessere Agende, ohne Zwang, am besten zu empfehlen und einzuführen sei. Der alte würdige Spalding und der selige Oberconsistorialrath Dieterich haben daran schon vor mehreren Jahren sehr viel vorgearbeitet, welches aber bisher ohne weiteren Gebrauch liegen geblieben ist. Die beiden protestantischen Kirchen in den Preußischen Ländern sind durch die weise Toleranz der Landesherren

« PreviousContinue »