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gründete Reclamationen mit wenig Ernst und Eifer betrieben. Hatten doch am 13. Juni 1816 die Städte Zürich und Basel ihre Titel rücksichtlich des Massena'schen Anleihens noch nicht eingesandt, und auch Wallis, obschon dasselbe eine auf die Verträge sich stützende Forderung von Fr. 55,376. 15 für hinterlegte Cautionen stellen konnte, war immer noch stumm geblieben!!

3) Die geraubten schweizerischen Staatsschätze.

Diesen Mangel an Eifer in der Schweiz suchte Herr Haller seinerseits zu ersetzen, indem er selbst Forderungen aufsuchte, die man allfällig stellen könnte. So berichtete er mit Schreiben vom 8. Juli 1816'), er habe, indem er seine Nachforschungen fortgesetzt, unter der Bezeichnung Schatz von Zürich (trésor de Zurich) eine Summe von Fr. 399,050 vom französischen Zahlmeister verrechnet vorgefunden, von welcher vielleicht ein Theil erhältlich wäre, wenn man ihm bezügliche Acten zur Unterstützung einsenden könnte. Aehnlich verhalte es sich mit andern von den Franzosen in der Schweiz geraubten Schätzen und öffentlichen Cassen. Nur dürfe man sich in den betreffenden Reclamationen nicht des Ausdruckes „Contributionen“ bedienen. Herr Haller bemerkt, die Reclamation dieser Schätze sei bereits im Gange; obschon die Verträge solche Ansprachen nicht rechtfertigen, so lasse sich vielleicht auf dem Weg der Verständigung doch etwas erzielen, daher man ihm die bezüglichen Documente zur Unterstützung dieser Ansprachen zusenden solle.

Der Vorort Zürich wollte indessen anfänglich auf diese Insinuationen nicht eingehen und antwortete Herrn Haller, er sei nicht im Falle, diesfalls nähere Ausweise zu ertheilen, halte übrigens dafür, dass jede daherige Reclamation durch die Verträge ausgeschlossen sei.2)

1) Siehe vorörtliches Protocoll vom 15. Heumonat und Actenband Nr. 2038 und 2039 im eidgen. Archiv.

2) Siehe Schreiben des vorörtlichen Staatsraths vom 15. Heumonat 1816.

Haller hatte gleichzeitig erwähnt, der König von Sardinien habe, da diese Reclamationen viele Zeit und Mühe kosten, seinen Commissären 3% für liquide Forderungen und 5% für die beanstandeten Gegenstände zugesagt; er werde sich jedoch seinerseits mit dem begnügen, was man ihm zusprechen werde.

Der Vorort, der über keine schweizerischen Fonds zu verfügen hatte, antwortete demselben, er möge sich diesfalls an die bei diesen Reclamationen Interessirten wenden 1).

In Bern scheint man, wie schon bemerkt, weniger schüchtern als in Zürich gewesen zu sein und weniger scrupulös hinsichtlich des Wortlautes der Verträge, daher schon am 26. März 1816 Haller beauftragt worden war, die im Jahr 1798 geraubten Schätze und Cassen zu reclamiren 2). Am gleichen Tage hatte man von dieser Reclamation dem französischen Gesandten Grafen Auguste Talleyrand Kenntniss gegeben und dabei die Erwartung ausgesprochen, dass der König gerne bereit sein werde, einen Theil der für die fremden Reclamationen ausgesetzten Gelder einem alten Verbündeten zukommen zu lassen, der um seiner Treue willen so schwerer Bedrückung ausgesetzt gewesen sei 3).

Nous avons appris par votre rapport du 8 de ce mois ce que vous aviez découvert concernant l'ancien trésor de Zurich, malheureusement nous ne sommes pas dans le cas de pouvoir vous munir d'aucune pièce qui y soit rélative. Les sommes déposées au trésor ont été enlevées par un abus de force, pillés non par des particuliers, mais par les agents du gouvernement révolutionnaire français, et en partie détournées avant d'arriver au trésor de France. Ce titre du reste ne paraît pas de nature à être présenté ni discuté puisque la convention entre les puissances l'a formellement exclue.

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1) Pour ce qui concerne une indemnité proportionnée à vos frais et à vos peines nous vous engageons à vous adresser directement aux parties interessées.

2) Siehe Geheimraths Manual vom 26. März 1816.

3) Am 26. März 1816 wurde an den Grafen Talleyrand geschrieben: Berne en particulier n'a cessé de donner des preuves de dévouement à la dynastie de St. Louis; elle a été victime de ce dévouement, écrasée sous les décombres du trône que ses fils ont défendu jusq'au dernier moment, et elle

Der geheime Rath von Bern liess sodann durch den Seckelmeister L. B. von Jenner und den Regierungsstatthalter Gottlieb von Jenner in Pruntrut alle Forderungen sammeln, welche über die im Jahre 1798 erlittenen Verluste Aufschluss geben konnten1): Am 1. Mai wurde ein an die französische Regierung gerichtetes Memoire Herrn Haller eingesandt, in welchem der im Jahr 1798 erlittene Verlust zu Livres de France 17,720,000 angegeben ward). Dabei wurden Herrn Haller 10 % Provision von allen Summen versprochen, deren Bezahlung er auswirken werde. Am 21. Juni 1816 aber stellte der geheime Rath dem Herrn Haller eine förmliche Vollmacht aus3), in der er sich bereit erklärte, Alles gut zu heissen, was Herr Haller verhandeln werde1).

Es ist leicht erklärlich, dass Haller sich von Stund an mehr als Bevollmächtigter Berns fühlte, das ihn beauftragt hatte, den geraubten Staatschatz und andere Cassen etc. zu reclamiren, unter dem Versprechen von 10 % Provision, denn als eidgenössischer Liquidationscommissär und Accreditirter des Vororts Zürich, welcher in Betreff des Zürcher Schatzes keine Reclamationen erheben wollte, da dieselben durch die Verträge ausgeschlossen seien, und der ihm überdies keine Entschädigung versprochen hatte!

Wirklich beschwerte sich die Regierung von Basel denn

a perdu le fruit de quatre siècles de travaux et d'efforts. Connaissant la bienveillance éclairée de S. M. Berne croit qu'il sera agréable au Roi de voir retourner à la plus ancienne et la plus fidéle alliée de la maison de Bourbon une partie de ce que la France voue aux réclamations étrangères. 1) Manual des Geheim-Rathes vom 27. April 1816.

2) Manual des Geheim-Rathes vom 1. Mai 1816.

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3) En vous donnant carte blanche pour retirer le plus possible de nos réclamations et en déstinant dix pour cent de toutes les rentrées que vous pourrez procurer pour vous temoigner notre reconnaissance nous devons néanmoins vous observer qu'il nous est impossible de faire aucune avance, pour préparer de bonnes dispositions; nos moyens et notre résponsabilité envers le pays ne nous le permettent pas.

4) Siehe Geheim-Raths-Manual vom 21. Juni 1816.

auch schon mit Schreiben vom 5. November 18161), dass Herr Haller in Betreff des Massena'schen Anleihens nicht die wünschbare Thätigkeit entwickle, was sie wünschen lasse, dass der in Paris auf einer Sendung in Handelsangelegenheiten anwesende Herr Scherer von St. Gallen beauftragt werde, diesfalls dem Herrn Haller geeignete Mittheilungen zu machen.

-Seinerseits hatte Herr Haller indessen am 24. October in einem confidentiellen Schreiben gemeldet: es sei ihm verdeutet worden, für einmal nicht zu drängen, da dies auf andere Unterhandlungen, welche zwischen Frankreich und den Alliirten gepflogen werden, einen ungünstigen Einfluss haben könnte 2). Der Vorort schien indessen dadurch nicht beruhigt und gab dem Herrn Scherer (am 19. November) wirklich den Auftrag, bezügliche Erkundigungen einzuziehen.

Durch Herrn Scherer wurde denn gemeldet (11. December 1816), dass die Anerkennung des Massena'schen Anleihens für den Fall unzweifelhaft sei, als die betreffenden Städte Basel, Zürich und St. Gallen beweisen könnten, dass sie als städtische Gemeinden eine vom Staat getrennte Verwaltung geführt haben. In Folge dessen gab die Stadtgemeinde von St. Gallen die bezügliche Erklärung schon am 20. December 1816 ab3), die Stadt Zürich eine ähnliche am 21. December 1816).

Ende.

Hiemit fanden die Verhandlungen des Vororts Zürich ihr

1) Siehe vorörtl. Protocoll vom 15. Nov. 1816.

2) Siehe vorörtl. Protocoll vom 15. Nov. 1816. Am gleichen 24. October schreibt Herr Haller in einem Postscriptum wörtlich: L'art. 18 du traité du 30 Mai semble proscrire les réclamations que la Suisse aurait à faire, c'est un motif de plus pour adopter mon système; car pour la soustraire à cette éspèce de proscription il faudra bien des connaissances et bien des moyens et je pense qu'avec eux l'affaire peutêtre marchera à bonne fin. Dieses System bestand darin, die Ansprachen der Schweiz an sogenannte „entrepreneurs", wie sie in der Correspondenz heissen, zu verkaufen.

3) Siehe vorörtl. Protocoll vom 21. December 1816.

4) Siehe vorörtl. Protocoll vom 28. Dec. 1816.

B.

Verhandlungen des Vorortes Bern 1817 und 1818.

Mit dem 1. Januar 1817 war die vorörtliche Leitung an Bern übergegangen.

Hatte sich der schweizerische Liquidationscommissär Haller vorher schon mehr als bernischer denn als schweizerischer Liquidationscommissär gefühlt, so war dies während der Jahre 1817 und 1818 in noch höherm Maasse der Fall; daher denn auch sein Hauptaugenmerk darauf gerichtet war, für den im Jahr 1798 geraubten bernischen Staatsschatz eine angemessene Entschädigung auszuwirken.

Dies war nun allerdings keine leichte Aufgabe, denn nicht nur sollten

1) gemäss Art. 18 des Vertrags vom 30. Mai 1814 alle Forderungen als dahingefallen betrachtet werden, welche Regierungen in Folge Vertrags geleisteter Lieferungen oder gemachter Vorschüsse an Frankreich zu stellen berechtigt gewesen wären, sondern es war überdiess

2) durch Art. 4 des Vertrags vom 8. Floreal an 6 (27. April 1798) (zwischen Bern und der französischen Republik) auf die Rückvergütung aller derjenigen Summen verzichtet worden, welche die Regierung von Bern der französischen Republik bezahlt hatte, oder die in bernischen Cassen genommen worden waren, sowie auf alle bis zum 12. Floreal an 7 (3. Mai 1798) geleisteten Lieferungen 1).

Die Convention vom 20. November 1815 verpflichtete aber 3) nur zur Liquidation derjenigen Summen, welche Frankreich

1) Der Art. 4 des Vertrags vom 8. Floreal an 6 (27. April 1798) lautet nämlich :

Toutes les sommes payées par le gouvernement de Berne ou prises dans les caisses et toutes les fournitures faites à l'armée française jusqu'au 12 Floreal courant seront acquises à la république française sans répétition.

I

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