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Handlung, so ist die Strafe Zuchthaus nicht unter zwei Jahren."

Alinea 2. „Ist das Kind unter zwölf Jahre alt, so ist die Strafe Zuchthaus nicht unter drei Jahren.“

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Alinea 3. Wer eine unzüchtige Handlung aus geschlechtlicher Lust vor einem Kinde unter 16 Jahren vornimmt, wird mit Zuchthaus bis zu sechs Jahren bestraft."

Alinea 4. Ist in den vorhergehenden Fällen der Thäter minderjährig oder ist die That eine besonders leichte, so kann auf Gefängnis nicht unter sechs Monaten erkannt werden."

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4. Zu Art. 115 hinzuzufügen: Ist die Verleitete minderjährig, so ist die Strafe Zuchthaus bis zu sechs Jahren."

5. Einen Art. 115bis einzuschalten:

Verführung Minderjähriger :

Alinea 1. „Wer eine minderjährige Person arglistig durch Missbrauch ihrer Unerfahrenheit oder ihres Vertrauens, insbesondere durch ein Eheversprechen oder durch Berauschung und auf andere ähnliche Weise zu einer unzüchtigen Handlung verführt, wird mit Zuchthaus bestraft, und wenn er zum Beischlaf verführt, mit Zuchthaus nicht unter zwei Jahren."

Alinea 2. „Ist der Thäter minderjährig oder ist die That eine besonders leichte, so kann auf Gefängnis nicht unter sechs Monaten erkannt werden."

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Alinea 3. Hat der Thäter die Verführte geheiratet, dann kann der Richter von Strafe absehen."

6. Zu Art. 118 (Mädchenhandel) hinzuzufügen: Strafe ist Zuchthaus nicht unter fünf Jahren:

Die

wenn die Frauensperson minderjährig ist, selbst wenn der Thäter nicht List, Drohung oder Gewalt anwendete.“

7. Zu Art. 121 (Unzüchtige Schriften, Bilder, Gegenstände) hinzuzufügen: Zu Alinea 1. Neben der Geldstrafe wird auf Gefängnis erkannt, wenn es der Thäter mit seiner Handlung besonders auf Minderjährige absah."

8. Zu Art. 122 (Veröffentlichung von Gelegenheiten zur Unzucht) hinzuzufügen: Satz 2. „Überdies wird auf Gefängnis erkannt, wenn der Thäter besonders Minderjährige zu verleiten suchte."

9. Neu einzufügen: Art. 233bis (Unzucht mit Minderjährigen). „Der Mehrjährige, der mit einem Minderjährigen über 16 Jahre eine unzüchtige Handlung oder den ausserehelichen Beischlaf vornimmt, wird mit Busse bis 500 Franken oder mit Haft bestraft. Die Verfolgung verjährt in einem Jahr."

10. Zu Art. 32 (Einstellung in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit) hinzuzufügen: Alinea 4. Bei einer Verurteilung wegen eines Verbrechens gegen die geschlechtliche Sittlichkeit und Freiheit dauert die Einstellung immer zehn Jahre, und wenn das Urteil auf zwei Jahre Zuchthaus und mehr lautete, lebenslang."

11. Zu Art. 35 (Entziehung der elterlichen oder vormundschaftlichen Gewalt) hinzuzufügen: „Ist jemand wegen eines Verbrechens gegen die geschlechtliche Sittlichkeit und Freiheit eines Minderjährigen verurteilt worden, so entzieht ihm der Richter die elterliche und vormundschaftliche Gewalt dauernd.“

Die Änderungen erklären sich zum Teil schon von selbst. Im besondern aber verweisen wir auf die beigegebene eingehende Begründung unserer Vorschläge.

Begründung

der

Postulate des Bundes schweizerischer Frauenvereine,

gegeben durch

Professor W. Mittermaier in Bern.

I. Bisheriges Recht. Wieweit bisher nach den Strafrechten der einzelnen Kantone Minderjährige geschützt sind, hat Stooss in seinen Strafgesetzbüchern" S. 442 ff. und in den „Grundzügen“ Band II, §§ 99 ff., XIX. Kapitel, sowie vor ihm E. Picot, Les délits contre les mœurs dans les Codes pénaux suisses" (Zeitschrift für Schweizer Strafrecht, II, S. 51 ff.) zur Genüge dargelegt. Seitdem hat im wesentlichen nur Zürich, durch sein Gesetz vom 27. Juni 1897, die Materie geändert, und Appenzell Inner-Rhoden in seinem neuen Strafgesetzbuch von 1899 in den Art. 143-154 die Vergehen gegen die Sittlichkeit" neu geregelt. In allen Rechten sind die Minderjährigen als solche nur selten stärker als Erwachsene geschützt (bei Notzucht und Kuppelei). Zumeist werden nur jüngere Kinder gegen jede unzüchtige Handlung, seltener schon Halberwachsne gegen Verführung in Schutz genommen. Fast nie geht der besondere Schutz über das 16. Lebensjahr hinaus. Und wenn Freiburg Art. 397 Jugendliche bis zu 18 Jahren schützt, so nennt das Stooss in seinen Grundzügen II, S. 231, zu allgemein". Einige Kantone, wie die beiden Appenzell, Zug, Aargau, kennen kaum das Mindeste an Schutz von Kindern. Es zeigt sich überall, dass ein bestimmtes Prinzip des Schutzes nicht besteht. Meist ist es wohl der Gedanke, dass der geschlechtliche Angriff auf ein Kind vor seiner geschlechtlichen Reife zu verbieten sei. Doch ist zu beachten, dass überall wenigstens die Schutzbedürftigkeit Jugendlicher gegen geschlechtliche Angriffe anerkannt ist, selbst in der romanischen Schweiz. Nur über den besondern Grund dieses Bedürfnisses giebt kein Gesetz klare Auskunft.

II. Dem gegenüber enthält der Entwurf eines Strafgesetzbuches weitgehende und überaus dankenswerte Neuerungen. Aber leider zeigt der Kommissionalentwurf von 1896 gegenüber dem Entwurf von 1894 wieder bedeutende Abschwächungen.

a) Dieser frühere Entwurf strafte in Art. 99 die gewaltsame Unzucht und Notzucht gegenüber noch nicht 16 Jahre Alten erhöht. Art. 102 nannte die Verführung eines minderjährigen Mädchens unter Missbrauch seiner Unerfahrenheit und seines Vertrauens und strafte erhöht, wenn die Verführte noch nicht 16 Jahre alt ist. Den gleichen Erschwerungsgrund nennt Art. 103 bei der Verführung von Pflegebefohlenen. (Die der Kommission vorliegende Fassung des Entwurfs hat den Schutz der vom Thäter abhängigen Minderjährigen verselbständigt, siehe Protokolle, Bd. II, S. 180, Art. 110.) Art. 105 bedrohte das Überliefern eines Minderjährigen zur Unzucht, auch wenn nicht List, Gewalt oder Drohung angewendet werden. In Art. 100 war die Unzucht mit Kindern bedroht.

b) In den Kommissionsberatungen wurde nach den Protokollen der Gedanke, den Minderjährigen erhöhten Schutz angedeihen zu lassen, kaum hervorgehoben. Die darauf hinzielenden Eingaben wurden nicht weiter besprochen. Nur die erste Lesung ergiebt für uns einige Anhaltspunkte:

1. Beim jetzigen Art. 112, unzüchtiger Missbrauch von Kindern, hob Stooss als Grund der Bestimmung hervor, die geschlechtlich Unreifen seien zu schützen. (Dieser Gedanke allein wird auch von dem Redaktor in seinem Motivenbericht II, 1901, S. 25, vorgetragen.) Gretener, Gabuzzi, Cornaz und Correvon verlangten absoluten Schutz bis zu 14, bezw. 12 Jahren, von da bis zu 16 Jahren nur der Unverdorbenen" (Protokolle, Band II, S. 175-179).

2. Dass im Art. 115 (früher Art. 102) nicht nur Minderjährige gegen Ausbeutung geschützt werden, wurde in der ersten Lesung schon beschlossen, um hauptsächlich den Arbeiterinnen Schutz zu gewähren. Aber dafür lehnte die Kommission mit 10 gegen 6 Stimmen die Strafdrohung gegen Verführung Minderjähriger ab, obwohl verschiedene Mitglieder eine solche befürworteten: man glaubte, es sei dann keine feste Abgrenzung und eine zu grosse Ausdehnung des strafrechtlichen Gebietes

vorhanden. (Vgl. Stooss in seiner Zeitschrift, Bd. IX, S. 229, und im Motivenbericht II, 1901, S. 24 f. Protokolle, Bd. II, S. 183-187.)

3. Beim Art. 121 (unzüchtige Schriften etc.) wünschten Zürcher und Correvon eine Strafschärfung bei Verbreitung solcher Gegenstände unter der Jugend, aber man fürchtete eigentümlicherweise, dass das Hervorheben dieser Qualifizierung gerade zur Begehung anreize. Obwohl der Redaktor eine Erwägung des Gedankens zusagte, verwertete er ihn später doch nicht (ibidem, S. 202).

4. Dass in Art. 124 nur der Minderjährige gegen widernatürliche Unzucht geschützt wird, wurde erst in zweiter Lesung beschlossen (ibidem, S. 593 s.).

c) Danach ist in dem System des jetzigen Entwurfes der Schutz Minderjähriger nicht stark betont, obwohl er sehr gut nach dem Gedankengange des Entwurfes mehr hätte hervorgehoben werden können. Der Entwurf nennt nämlich:

1. Angriffe mit Gewalt, Art. 108, 109, oder mit List und Drohung, Art. 118 (Mädchenhandel).

2. Angriffe auf Schwache: Art. 110, 111 (Schändung), Art. 112 (auf Kinder bis 15 Jahre), Art. 115 (Ausbeutung der Not oder Abhängigkeit), Art. 124 (widernatürliche Unzucht mit Minderjährigen).

3. Benützung eines Unterwerfungsverhältnisses, Art. 113. 4. Beförderung der Unzucht: Kuppelei, Mädchenhandel u. dgl., Art. 116-119 und Art. 122.

5. Gefährdung der Sittlichkeit, Art. 120, 121 und 123.

6. Verletzung des Sittlichkeitsgefühls, Art. 125 (Leichenschändung1), 232, 233. Man erkennt, es ist im wesentlichen der Gedanke massgebend, dass jeder sein Geschlechtsleben frei regeln könne, dass er aber gegen Angriffe zu schützen sei, die er allein wegen seiner Schwäche oder wegen ihrer Übermacht nicht abwehren kann (ad 1, 2, 3). Aber mit vollem Recht geht der Entwurf weiter: Da das regellose, unzüchtige Leben eine schwere Gefahr der Gesellschaft ist, so muss jeder abgehalten

1) Der Artikel fällt wohl hoffentlich weg!
Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht. 15. Jahrg.

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