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rung dieser merkwürdigen, aber gewiss vereinzelten Erscheinung nicht aus. In der Regel ist ja das Vorurteil zu beklagen, das entlassenen Sträflingen entgegengebracht wird.

Endlich teilt Schmölder mit, ein Kassenbote habe einen bedeutenden Geldbetrag unterschlagen. Der Täter behauptete, er habe das Geld vergraben, es sei ihm jedoch gestohlen worden. Die letztere Angabe war unrichtig. Das Geld wurde nämlich später zufällig anlässlich eines Strassenbaues aufgefunden. Als der Täter, der sich in Strafhaft befand, von dem Funde Kenntnis erhielt, erhängte er sich in der folgenden Nacht.

Auch dieser Fall scheint mir für die gesetzgeberische Gestaltung der Geldstrafe wenig zu beweisen. Solange dem Gericht die Existenz des Geldes nicht bekannt war, erschien der Täter wohl als mittellos, und es lag keine Veranlassung vor, ihm eine bedeutende Geldstrafe aufzuerlegen. Sobald aber das Gericht das Geld entdeckte, war es für den Täter verloren. Der Fall beweist lediglich, dass Angaben, wie die des Kassenboten über den Verlust des veruntreuten Geldes, mit Vorsicht aufzunehmen sind, und dass es nicht immer gelingt, den Ort, wo der Täter den verbrecherischen Gewinn verborgen hat, aufzufinden. Hätte man hierüber sorgfältigere Nachforschungen angestellt, so hätte man das Geld vielleicht früher und nicht nur zufällig entdeckt. Dass der Kassenbote, der sich als Sträfling musterhaft aufführte, zusammenbrach, als kurze Zeit vor seiner Entlassung seine Hoffnung, sich des Geldes zu versichern, mit einem Schlage vernichtet war, ist psychologisch weder auffallend noch neu.

Die Erörterung über diese drei Fälle führt Schmölder zu dem Ergebnis: „Der Geldstrafe gebührt die ausschliessliche Herrschaft bei den geringfügigsten Straftaten. Ausserdem ist sie neben der Freiheitsstrafe anzudrohen und zwar wahlweise bei den mittleren Straftaten, häufungsweise (und fakultativ) bei den mittleren und schweren Straftaten, hier jedoch in der Beschränkung auf Rechtsbrecher, deren Einnahmen ganz oder überwiegend aus Kapitalbesitz fliessen."

Übertretungen nur mit Geldstrafe zu bedrohen, ist unzweckmässig. Es gibt eine grössere Zahl von Übertretungen, ich nenne z. B. Tierquälerei und sittenpolizeiliche Delikte, die unter Um

ständen mit Freiheitsstrafe zu bestrafen sind. Richtig ist nur, dass bei Übertretungen die Geldstrafe in der Regel die zweckmässige Strafe ist. Geringe Übertretungen sind ausschliesslich, die übrigen mit Geldstrafe oder Haft zu bedrohen. Inwieweit für Vergehen Freiheitsstrafe oder Geldstrafe (alternativ) anzudrohen sei, lässt sich nicht allgemein entscheiden. Einer besondern Strafe für Kapitalisten steht der Satz entgegen, dass alle Bürger vor dem Gesetz gleich sind. Zwar ist zuzugeben, dass der Kapitalist durch die Freiheitsstrafe in seinen finanziellen Verhältnissen weniger berührt wird als der Beamte oder der auf seinen Beruf Angewiesene. Aber auch wenn man dem Grosskapitalisten neben der Freiheitsstrafe eine verhältnismässig hohe Geldstrafe auferlegt, wird damit wenig erreicht.

Berechtigt ist die Forderung Schmölders, die Geldstrafe sei von den vielfachen zivilrechtlichen Anklängen, die ihr noch immer anhaften, zu befreien. Dass es ungerecht ist, eine Geldstrafe in den Nachlass des Verurteilten zu vollstrecken, sollte endlich anerkannt werden. Ferner dürfen Geldstrafen im Konkurse des Verurteilten nicht als Geldschulden behandelt werden. Fraglich ist dagegen, ob die Summe der Geldstrafen bei Zusammentreffen zu ermässigen sei. Meines Erachtens ist die Frage ziemlich unpraktisch, wenn der Grundsatz gilt, dass Geldstrafen auch nach den Mitteln des Schuldigen zu bemessen sind. Denn dann ergibt sich für den Richter von selbst, dass er die Geldstrafe so bemessen soll, dass das Strafleiden im Verhältnis steht zu dem Verschulden des Täters. Dass der Richter ratenweise Zahlung der Geldstrafe zulassen darf, wenn die wirtschaftliche Lage des Verurteilten es angemessen erscheinen lässt, bedarf heute de lege ferenda keiner weitern Erörterung.

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Schmölder gibt seinen früheren Gedanken, es seien für die Bemessung der Geldstrafe Einnahmeklassen" zu bilden, auf, weil das unausführbar sei. Das Norwegische Gesetz hat diesen Gedanken freilich durchgeführt. Schmölder empfiehlt nun, die Geldstrafe zunächst für alle gleichmässig zu bestimmen; der Richter habe aber im einzelnen Fall das Strafmass zu erhöhen, wenn der Verurteilte besser situiert sei, also etwa ein Jahreseinkommen von über 3000 Mark habe. Dabei trifft Schmölder Unterscheidungen auf Grund seiner früheren Einteilung. Diese Vorschläge sind ziemlich verwickelt und wie mir scheint noch

nicht abgeklärt. Interessant ist der Vorschlag, denjenigen von der Ausübung des Wahlrechts auszuschliessen, der mit der Zahlung einer Geldstrafe im Rückstand ist. Von dem Abverdienen der Geldstrafe verspricht sich Schmölder wenig oder nichts. Meines Erachtens sollte es möglich sein, die Geldstrafe so zu gestalten, dass es zu einem zwangsweisen Abverdienen der Geldstrafe unter Freiheitsentziehung nur selten kommt. Denn der Richter soll eine Geldstrafe immer so bemessen, dass sie der (arbeitswillige) Verurteilte ohne Beschränkung des notwendigen Lebensunterhaltes zahlen kann. Dieser Satz sollte vielleicht geradezu in die Bestimmungen über Strafzumessung aufgenommen werden. Kommt der Richter dieser in der Natur der Sache begründeten Anweisung nach, so wird jeder Verurteilte im stande sein, die Geldstrafe zu zahlen, wenn sich seine wirtschaftlichen Verhältnisse nicht etwa nach dem Urteil ungünstiger gestalten. Für diesen letztern Fall lässt der schweizerische Entwurf eine nachträgliche Ermässigung der Geldstrafe zu. Demgemäss rechtfertigt es sich, denjenigen, der die Geldstrafe nicht bezahlt, zum Abverdienen des Betrages anzuhalten. Diese Vollstreckung der Geldstrafe soll das Mittel sein, das auch den Widerwilligen veranlasst, die Geldstrafe zu bezahlen. Das Institut würde sich am besten bewähren, wenn es nicht zur Anwendung käme. Da es Arbeitswillige gibt, die keine Arbeit finden, so sollen Staat und Gemeinde Arbeitsgelegenheiten für solche einrichten, die eine Geldstrafe abverdienen möchten, um dem Einwand zu begegnen, es sei dem Verurteilten nicht möglich, einen Erwerb zu finden. Wenn es sich herausstellen würde, dass diese Einrichtung keinem Bedürfnis entspricht, so wäre es nur erfreulich, weil sich daraus ergäbe, dass es jedem Arbeitswilligen möglich ist, Arbeit zu finden.

Sehr bedenklich ist das Postulat Schmölders: „Liegt ein Attest der Vollstreckungsbehörde vor, nach dem eine frühere Geldstrafe nicht ohne Verschulden (?) des Angeklagten unbetreibbar geblieben ist, so fallen die ordentlichen Strafdrohungen fort, so treten an deren Stelle entsprechende Freiheitsstrafen." Damit wäre der Misserfolg einer Reform der Geldstrafe von dem Gesetze von vornherein zugestanden.

Nur in einem Fall scheint die Umwandlung der Geldstrafe in Freiheitsstrafe unvermeidlich zu sein, wenn nämlich der

Verurteilte mittellos und arbeitsunfähig ist. Ich habe mich auch für diesen Fall gegen eine Umwandlung der Geldstrafe in Freiheitsstrafe erklärt, weil der mittellose Arbeitsunfähige staatlich zu versorgen sei. Da jedoch nicht alle derart wirtschaftlich Invaliden in Anstalten aufgenommen werden können, sondern in manchen Fällen in Familien untergebracht sind, so hat die schweizerische Expertenkommission hier eine Umwandlung der Geldstrafe in Freiheitsstrafe zugelassen.

Union internationale de droit pénal.

Groupe suisse.

Procès-verbal de la réunion tenue à Berne, les 3 et 4 octobre 1902.

Réunion du 3 octobre 1902.

M. Gautier, président du groupe suisse, préside.
M. Zeerleder, secrétaire, tient le procès-verbal.
La séance est ouverte à 8 h. 20 min.

Après quelques paroles de bienvenue, le président donne la parole à M. de Schulthess, procureur général à Zurich, qui développe les thèses suivantes sur les défauts et la réforme de l'instruction, savoir:

I. Die Verhaftung des Angeschuldigten ist begründet, wenn Gefahr vorliegt, dass er die Spuren des Verbrechens verwischen oder sich der Untersuchung oder der Aburteilung durch die Flucht entziehen werde; sie bildet bei schweren Delikten die Regel.

Der Verhaft soll an eine Frist gebunden sein, deren Ausdehnung der richterlichen Bewilligung bedarf; derselbe ist für den Angeschuldigten so milde als möglich zu gestalten; Jugendliche sind in eine Anstalt oder Familie zu verbringen.

II. Der Angeschuldigte ist berechtigt und verpflichtet, dem Untersuchungsbeamten die zum Beweise seiner Nichtschuld dienenden Umstände bekannt zu geben. Das angebliche Recht des Angeschuldigten auf Aussageverweigerung ist somit praktisch bedeutungslos.

Bei ganz schweren Delikten, insbesondere Mord und Totschlag, ist stets der Geisteszustand des Angeschuldigten gerichtsärztlich untersuchen zu lassen; dabei ist die Anwendung von Hypnose zulässig.

III. Die Ausdehnung der amtlichen Verteidigung auf alle Fälle von schweren Verbrechen führt für den Privatanwalt leicht zu Pflichtenkollisionen und ist daher einem öffentlichen Verteidiger zu übertragen. Derselbe hat insbesondere auch die Individualität und den Charakter des Angeschuldigten abzuklären.

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