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weit höherer Verkaufspreis festgestellt, als die Verkaufslimite der Vollmacht lautete; dieser fingierte Mehrerlös wird dem vorgeschobenen Käufer abgetreten und damit eine Sachlage geschaffen, bei der der Verkäufer nach dem Wortlaut des Vertrages zur Fertigung gezwungen werden kann, obgleich er die versprochene bare Anzahlung nicht erhält. Mit der Fertigung ist nicht nur die bar anzuzahlende Provision „verdient", sondern auch der Besitz einer leicht zu liquidierenden oder zu verschleppenden Fahrhabe erlangt, und der Verkäufer hat bei der völligen Zahlungsunfähigkeit des Käufers das Nachsehen und sieht sich genötigt, den vom Inventar entblössten Gütergewerb wieder an sich zu ziehen. In andern Fällen ist es in der Tat so weit gekommen.

Im vorliegenden Falle allerdings hat das Einschreiten des Notars das letzte verhindert. Auch ist nach dem Wahrspruch anzunehmen, Wagners haben einen ernstlichen Kauf beabsichtigt, immerhin nur um den Preis von Fr. 102,000, allein zu jener Zeit waren sie tatsächlich insolvent, wenigstens für irgend einen namhaften Betrag.

In diesem Tatbestand sind alle begrifflichen Erfordernisse des Betruges beziehungsweise Betrugsversuchs erfüllt. Es mangelt nicht an der Täuschung und Irrtumserregung, über die Person des Käufers sowohl und dessen Zahlbarkeit als über das Vorhaben. Der beabsichtigte rechtswidrige Vorteil liegt sowohl in der prozentualen Verkaufsprovision, als in der Erlangung des Besitzes; dementsprechend hätte sich der Schaden des Verkäufers gestaltet.

Gewiss war die Vereinbarung eines höhern Verkaufspreises, als die Vollmacht lautete, an sich erlaubt, gewiss war die Zession an sich ein durchaus erlaubtes Rechtsgeschäft, aber im vorliegenden Falle waren sie eben keine ernstlich gemeinten wirtschaftlichen Transaktionen, sondern lauter Schein, um über das Unwahre des Kaufes hinwegtäuschen zu helfen und dem Verkäufer die letzte Abwehr, das Verlangen einer Barzahlung bei der Fertigung, zu verunmöglichen. Auch die Behauptung, der Kaufpreis sei auf Fr. 130,000 und nicht auf Fr. 100,000 angesetzt, war keineswegs bloss eine unrichtige Vertragsauslegung, sondern eine zum voraus beabsichtigte, durch die Vertragsfassung einigermassen vorbereitete Täuschung des Verkäufers, insbesondere auch über den Reichtum des Käufers.

10. Für die Formulierung der Anklage bot dieser Tatbestand hauptsächlich zwei Schwierigkeiten. Einmal ist ersichtlich, wie die Irreführung des Verkäufers nicht in einem entscheidenden, für sich abgeschlossenen Akte vor sich gegangen, sondern in einer Reihe von Handlungen und Vorgängen, die zur Unterzeichnung der Vollmacht, dann zur Unterzeichnung des Vertrages und endlich zum Gang in die Kanzlei behufs Fertigung führten, Handlungen und Vorgänge, die sich gegenseitig bedingten. Aus der Anklagestellung

geht hervor, dass die Staatsanwaltschaft sich den Zufertigungsakt als Moment der Vollendung gedacht; man hätte ebensogut dieses Moment in der Vertragsunterzeichnung erblicken können; denn da war die zivilrechtliche Bindung und damit der Schaden gegeben, das weitere war nur die Geltendmachung der ertrogenen Vertragsrechte, und wenn auch dieselbe neue Täuschungen erforderte, war dies doch mehr ein Bergen des Gewinnes, eine Selbstbegünstigungshandlung über die Verbrechensvollendung hinaus.

Die andere Schwierigkeit lag in der Erfassung dessen, was mit den verschiedenen Vorkehren der Täter beabsichtigt war. Es mochte auf den ersten Blick scheinen, als ob die Täter es auf die grosse Verkaufsprovision aus Mehrerlös abgesehen hätten. Dann wäre eigentlich der Käufer der Betrogene gewesen; allein die Tatsachen, dass die Käufer ganz insolvente Leute waren und dass ihnen der Anspruch auf Mehrerlös unentgeltlich abgetreten wurde. zeigen deutlich, dass gerade dieser Anspruch kein ernstlicher, sondern ein behufs Täuschung in anderer Richtung zum Scheine erhobener war. Es bleibt daher nur die oben entwickelte Annahme.

Nun enthält aber die Anklagefassung wirklich alle dem Betrugsbegriffe eigenen Momente:

Das Vorbringen unwahrer Tatsachen: Zusicherung einer grossen Baranzahlung, von der alle Beteiligten genau wussten, dass sie weder beabsichtigt war, noch auch möglich sein werde, Vorbringen der unwahren Tatsache, dass der Käufer einen höhern Kaufpreis zahlen wolle, und Geltendmachung der Abtretung einer fingierten Forderung zur Verschleierung der Unzahlbarkeit des Käufers (,,indem sie es unternahmen, die Fertigung herbeizuführen unter Verrechnung der Anzahlung mit einer künstlich und extra zu diesem Zwecke konstruierten Gegenforderung aus Vermittlung");

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Den Irrtum, der hieraus hervorgegangen: Der Käufer sei ein solventer Mann";

Die Schadenszufügung, in unbestimmtem, Fr. 500 übersteigendem Betrage", kausal vermittelt dadurch, dass es gelingt, den Verkäufer zur Fertigung zu bewegen; im vorliegenden Versuchsfalle war wenigstens Möglichkeit und Vorsatz vorhanden;

Die Behauptung, dass die Absicht auf Erlangung eines rechtswidrigen Vorteils gegangen.

Die Anklageschrift hat nicht alle vorgekommenen täuschenden Handlungen und Unterlassungen aufgezählt, sie enthält keine Ausführungen darüber, was eigentlich als Schaden oder als Vorteil anzusehen sei, was übrigens meistens in der Klagestellung unterlassen wird, aber das, was darin enthalten ist, deckt sich durchaus mit der gesetzlichen Begriffsbestimmung des Betruges.

12. Ferner wird eingewendet, es seien die eingeklagten Handlungen lediglich Vorbereitungshandlungen. Erst die Geltendmachung

des höhern Kaufpreises vor dem Richter wäre Versuch im Sinne des Gesetzes gewesen. Auch diese Einwendung ist unrichtig; die Anklage geht nicht davon aus, dass durch die Anfertigung falscher Urkunden oder anderer Beweisstücke eine Täuschung des anzurufenden Richters beabsichtigt und vorbereitet worden sei; sie steht vielmehr auf dem Standpunkte, dass eine Täuschung des Geschädigten selber im Vorsatz des Täters gelegen. Dieser Versuch ist jedenfalls zum vollendeten Versuche gediehen; es ist nicht einzusehen, was die Täter noch weiter hätten tun können, um die Täuschung zu bewirken. So sehr ist der Vorsatz der Täter durch ihre auf Betrug abzielenden Handlungen in die Aussenwelt getreten, dass eher daran gezweifelt werden kann, ob nicht der Versuch schon zur Vollendung gediehen, war ja doch in der Erlangung der Unterschrift zum Kaufvertrage ein ganz bedeutender Erfolg schon erzielt worden.

13. Endlich die behauptete Verletzung gesetzlicher Prozessformen, weil das ganze gerichtliche Verfahren auf einer gemäss § 777 des Gesetzes betreffend die Rechtspflege unstatthaften Wiederaufnahme einer eingestellten Untersuchung beruhe. Die Vorschrift dieser Gesetzesstelle, wonach eine eingestellte Untersuchung wieder aufgenommen werden könne, sobald sich neuer Stoff für dieselbe ergibt", hat nach ihrem Wortlaute nur den Sinn, dass der Sistierungsverfügung die Rechtskraft einer Freisprechung abgesprochen wird. Aber auch wenn man, in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung, in dem Nebensatze eine Einschränkung des im Hauptsatze Gesagten, eine gesetzliche Voraussetzung der Wiederaufnahme erblicken wollte, so genügte denn doch die Tatsache, dass durch das Bekanntwerden neuer Fälle betrüglicher Liegenschaftskäufe seitens Schlagintweit und Genossen das Planmässige und Gewerbsmässige in ihrem Vorgehen klar geworden, um anzunehmen, es habe sich neuer Stoff für die Untersuchung ergeben. Übrigens hat das Kassationsgericht im Falle Bolliger, Urteil vom 24. Juni 1895, sich dahin entschieden, dass die Kassationsbeschwerde sich nur auf Mängel im gerichtlichen Verfahren berufen dürfe, weil die Beschwerden über Anordnungen der Untersuchungsbehörde dem gerichtlichen Instanzenzuge entzogen und an die Oberbehörden des Untersuchungsamtes gewiesen seien. Gestützt hierauf hat

das Kassationsgericht gefunden und erkannt:

Die Nichtigkeitsbeschwerde ist unbegründet und wird abgewiesen.

7. Urteil vom 3. Juli 1900 in Sachen des Melchior Auer von Heudorf, Oberamt Stockach, Grossherzogtum Baden, Landwirt in Altwi-Rümlang, betreffend Betrug.

1. Der Kassationskläger, Melchior Auer, war des einfachen Betruges im Betrage von Fr. 695 angeklagt worden. Der Tatbestand war in der Anklageschrift folgendermassen umschrieben:

„Der Angeklagte hat, um sich einen rechtswidrigen Vorteil zu verschaffen, den Möbelhändler A. Steiner-Schellenberg in Zürich II dadurch beschädigt, dass er durch das wissentliche Vorbringen der falschen Tatsache, er sei beauftragt, einem früheren Kunden Möbel zu liefern, und er werde demnächst aus einem Liegenschaftenverkauf einen bedeutenden Gewinn machen, und durch Unterdrückung der wahren Tatsache, dass er die zu verkaufenden Möbel nicht weiterverkaufen, sondern an eine alte Schuld an Zahlungsstatt hingeben werde, und dass ihm zur Einlösung des für den Kaufpreis ausgestellten Wechsels per 22. August 1899 alle Mittel fehlen, bei Steiner einen Irrtum erregt, durch welchen derselbe bewogen wurde, ihm am 22. Juni für Fr. 695 Möbel auf Kredit zu verkaufen."

2. Durch Urteil des Schwurgerichtes vom 15. Mai 1900 wurde Auer, gestützt auf den Wahrspruch der Geschworenen, wegen einfachen Betruges im Betrage von Fr. 695 schuldig erklärt und zu 6 Monaten Arbeitshaus, sowie Fr. 50 Busse verurteilt.

3. Gegen dieses Urteil erhebt Kassationskläger Nichtigkeitsbeschwerde gestützt auf § 1091, Ziffern 4-6, des Gesetzes über die Rechtspflege.

Inhaltlich wird zur Begründung der Beschwerde folgendes vorgebracht: Am Tage der Schwurgerichtsverhandlung seien die beiden von der Anklagebehörde angerufenen Zeugen Theodor Weiss und Louis Rosenthal nicht erschienen. Sobald der Verteidiger hiervon Kenntnis erhalten, habe er gegen die Weiterführung der Verhandlung Einsprache erhoben und Verschiebung verlangt, bis diese Zeugen zur Verhandlung erscheinen können, da die Einvernahme derselben in der Voruntersuchung nach verschiedenen Richtungen im Interesse des Angeklagten der Ergänzung bedurft hätte. Dieses Verschiebungsgesuch sei abschlägig beschieden und dadurch die Verteidigung beeinträchtigt worden.

4. Die Kassationsbeschwerde ist aus allen vom Kassationskläger bezeichneten rechtlichen Gesichtspunkten unbegründet. Inwiefern der abschlägige Bescheid des Präsidenten eine förmliche Verfügung ist nach dem Protokoll nicht erlassen worden eine Verletzung materieller Gesetzesvorschriften enthalten soll, ist nicht ersichtlich. § 948 des Gesetzes über die Rechtspflege, der hier unrichtig angewendet worden sein soll, enthält eine Prozessvorschrift und keine materielle Gesetzesvorschrift. (§ 1091, Ziffer 6.)

5. Aber auch als Prozessvorschrift aufgefasst sind die Bestimmungen des § 948 nicht verletzt worden (§ 1091, Ziffer 5); denn in denselben ist zunächst als Regel die Vorschrift aufgestellt, dass der Gang des Verfahrens nicht unterbrochen werden dürfe. Dem Vorsitzenden ist ausnahmsweise gestattet, eine Unterbrechung anzuordnen, aber die Vorschrift ist nicht so gefasst, dass daraus den Parteien ein Recht auf Unterbrechung unter gegebenen Umständen gewährleistet wäre; gegenteils könnte eine Beschwerde nur dann

erhoben werden, wenn der Präsident ohne dringende Veranlassung eine Unterbrechung anordnen würde. Ebensowenig liegt aber auch in der Verlosung der Protokolle über die Einvernahme der Zeugen an Stelle ihrer persönlichen Vernehmung vor den Geschworenen eine Verletzung von Prozessvorschriften, vielmehr war das Verfahren durchaus den Bestimmungen von § 968, Ziffer 1, entsprechend. 6. Es kann sich daher lediglich fragen, ob durch das Vorgehen des Präsidiums nicht ein Recht der Verteidigung (§ 1091, Ziffer 4) verletzt worden sei. Gewiss wäre eine solche Verletzung als vorhanden anzunehmen, wenn die Verteidigung mit einem erheblichen Zeugenbeweise ausgeschlossen worden wäre. Das ist nun aber nicht der Fall. Einmal ergibt sich aus dem Protokoll und der Vernehmlassung des Schwurgerichtspräsidenten, dass ein Antrag vor oder während der Verhandlung gar nicht gestellt worden ist. Erst im mündlichen Parteivortrag habe der Verteidiger sich über die Abwesenheit der genannten Zeugen beschwert und Kassationsklage in Aussicht gestellt. Das war nun allerdings nicht ein Antrag auf Verschiebung behufs persönlicher Einvernahme der Zeugen; es liegt aber in der Natur der Sache, dass das Recht, mit einem Antrage gehört zu werden, nur dann verletzt worden sein kann, wenn der Antrag gestellt worden ist. Übrigens ist auch der Beweissatz, für dessen Feststellung die beiden Zeugen nochmals hätten einvernommen werden sollen, kein erheblicher. Kassationskläger wollte nämlich nach seinen Ausführungen nachweisen, dass kein Barkauf, sondern ein Kreditkauf abgeschlossen worden sei. Nun geht die Anklageschrift selber dahin, dass der Angeklagte durch falsche Angaben und Verschleierung von Tatsachen einen Kreditbetrug begangen habe. Auch ergibt sich aus den Akten, dass der Angeklagte schon in der Voruntersuchung alle wesentlichen Anklagetatsachen zugestanden hatte.

Demnach hat das Kassationsgericht beschlossen:

Die Kassationsbeschwerde ist unbegründet.

8. Urteil vom 16. Februar 1900 in Sachen Franz Ackermann
betreffend Hehlerei.

2. Das Bezirksgericht, dessen Erwägungen vom Obergericht genehmigt worden sind, legt seinem Urteil den § 184 des Strafgesetzbuches zu Grunde, d. h. es nimmt an, dass der Angeklagte Ackermann vom Angeklagten Landis Sachen käuflich erworben habe, die der letztere mittelst Diebstahls erlangt hatte, und dass er das nicht bloss des eigenen Vorteils wegen getan habe, sondern auch, dass er von dem unrechtmässigen Erwerb seines Verkäufers gewusst habe. Unter diesem „Gewusst haben“, führt das Bezirks

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