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gericht aus, sei nicht nur eine positive Kenntnis über die Herkunft der Ware, sondern auch der Fall zu verstehen, wo der Käufer den Umständen nach wissen musste, dass die ihm zum Kauf anerbotenen Sachen durch eine strafbare Handlung erlangt worden seien, und dieser Fall liege hier vor.

Diese Rechtsauffassung widerspricht nun keineswegs dem § 184 des Strafgesetzbuches, sondern enthält eine von jeher von der Praxis gebilligte Interpretation desselben. Die Nichtigkeitsbeschwerde selbst bekämpft diese Rechtsanschauung auch nicht, sondern sie wendet sich gegen die Beantwortung der Tatfrage. Allein das Kassationsgericht ist zur Überprüfung einer Tatfrage nicht befugt, sofern nicht einer der Nichtigkeitsgründe des § 1091, Gesetz über die Rechtspflege, vorliegt.

9. Urteil vom 10. Juli 1900 in Sachen des Rechtsagenten Wilhelm Streuli von Horgen wegen Pfändungsbetrugs.

1. Rudolf Wettstein von Russikon, ursprünglich Schlosser, später Wirt und Bierspediteur, war gegen Ende des Jahres 1898 und zu Anfang des Jahres 1899 von einer Anzahl Gläubiger auf Pfändung betrieben. Er liess sich nun durch den heutigen Beschwerdesteller namens seines Stiefvaters Heinrich Weber-Elmer in Rüti für die Summe von Fr. 2200 betreiben und ferner zwei Pferde im Schätzungswerte von Fr. 900 ebenfalls durch Streuli namens W.-E. zu Eigentum ansprechen, während Weber bloss cine Forderung von Fr. 1000 an seinen Stiefsohn hatte und ein Eigentumsrecht des Weber an den beiden Pferden gar nicht zu Recht bestand. Diese beiden Pferde hatte Rudolf Wettstein durch Vertrag vom 15. April 1898 (Akt. 44) von Baumeister Albert Strikler zum Preise von Fr. 1700 erworben unter Eigentumsvorbehalt des Verkäufers Strikler bis zur gänzlichen Tilgung des Kaufpreises, der mit Fr. 500 sofort in bar, der Rest in 4 Akzepten zu tilgen war. Durch eine vom 27. Oktober 1898 datierte, von der Hand des Beschwerdestellers herrührende Zession wurde der Kaufvertrag von A. Strikler an Heinrich Weber in Rüti abgetreten um die Summe von Fr. 1000, welche angeblich sofort bei Unterzeichnung bezahlt worden sein soll. In der betreffenden Abtretungsurkunde erklärte Strikler, dass mit diesem Verkauf das Eigentumsrecht an den beiden Pferden auf Weber übergegangen sei (Akt. 43). Gleichzeitig stellte Strikler eine fälschliche Quittung über angeblich von Weber erhaltene Fr. 1000 aus. Diese Aktenstücke sollten in einem allfälligen Vindikationsprozesse als Beweismittel dafür dienen, dass Weber wirklich Eigentümer der beiden Pferde sei.

2. Die Bezirksanwaltschaft erhob hierauf beim Bezirksgericht Zürich Anklage gegen Rudolf Wettstein, Streuli und Strikler, gegen

den Beschwerdesteller Streuli wegen Anstiftung zu einem Pfändungsbetrugsversuch im Sinne der §§ 206 und 37 des Strafgesetzbuches. Nach Inhalt der Anklage hat sich derselbe dadurch dieses Vergehens schuldig gemacht, dass er:

a) als Rechtsbeistand des Rudolf Wettstein diesem den Rat gab, den Stiefvater Heinrich Weber für den Betrag von Fr. 2200, statt bloss für seine berechtigte Forderung von Fr. 1000, an der Pfändung teilnehmen und denselben die beiden Pferde zu Eigentum ansprechen zu lassen;

b) für den Fall, als diese betrüglichen Manöver von den Gläubigern angefochten werden sollten, Rat und Anleitung gegeben habe, die mit Strikler abgeschlossenen Verträge anzufertigen. 3. Das Bezirksgericht Zürich, IV. Abteilung, sprach den Beschwerdesteller mit Urteil vom 28. Dezember 1899 frei, indem es davon ausging, dass durch die Depositionen des R. Wettstein und der Frau Weber der Beweis nicht als geleistet betrachtet werden könne, dass Streuli sie zu den erwähnten Manipulationen angestiftet habe, da man diesen Zeugen um so weniger Glaubwürdigkeit beimessen könne, als sie selbst ein grosses Interesse daran gehabt haben, den Beschwerdesteller zu belasten, um nicht selbst in Anklagezustand versetzt zu werden, bezw. um in besserem Lichte zu erscheinen. Übrigens liege eventuell nur das nach dem Strafgesetzbuch nicht mit Strafe bedrohte Vergehen der Gehülfenschaft beim Versuch eines Pfändungsbetruges vor, da der Beschwerdesteller lediglich dem Wettstein bei der Verübung des Pfändungsbetruges behülflich gewesen sei, indem er ihm Ratschläge erteilt und bezügliche Rechtshandlungen vorgenommen habe. Die Absicht, Aktiven zu beseitigen, resp. seine Gläubiger zu verkürzen, sei bei Wettstein schon vorhanden gewesen, bevor er sich an Streuli gewendet habe. Die Hülfe des letztern habe er nur nötig gehabt, um seine Absicht durchzuführen.

4. Auf die Appellation der Staatsanwaltschaft hin erklärte dagegen die III. Appellationskammer des Obergerichtes mit Urteil vom 25. April 1900 den Beschwerdesteller im Sinne der Anklage schuldig der Anstiftung zu einem Pfändungsbetrugsversuch und verurteilte denselben zu 3 Monaten Gefängnis, unter Abrechnung von 57 Tagen erstandenen Verhaftes.

Das zweitinstanzliche Gericht ging hierbei von der Annahme aus, dass es sich nicht bloss um Gehülfenschaft handeln könne, sondern um Anstiftung; denn der Beschwerdesteller erscheine als der intellektuelle Urheber bei allen Machinationen, die dem Wettstein zur Last gelegt werden und deren sich derselbe schuldig erklärt habe. Nach der Darstellung der Eheleute Wettstein und Weber habe Streuli für die Eheleute Weber die Betreibung gegen Wettstein eingeleitet, und zwar ohne von denselben Vollmacht oder Auftrag zu besitzen.

Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht. 15. Jahrg.

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5. Gegen dieses Urteil ist die vorliegende Kassationsbeschwerde gerichtet. Dieselbe wird auf § 1091, Ziffern 4, 5 und 6, des Gesetzes betreffend die Rechtspflege gestützt.

Allein die Beschwerde erscheint in allen drei Richtungen als unbegründet.

Was zunächst den ersten Kassationsgrund der wesentlichen Beeinträchtigung der Rechte der Verteidigung anbelangt, so soll derselbe darin liegen, dass die Appellationskammer die von der Verteidigung angerufenen Zeugen Keller und Hess nicht einvernommen habe. Allein der angerufene Kassationsgrund würde nur dann zutreffen, wenn der anerbotene Beweis, für welchen die beiden Zeugen angerufen wurden, erheblich gewesen wäre und der Richter das Beweisanerbieten als unerheblich zurückgewiesen hätte. Dies ist aber nicht der Fall. Die Appellationskammer erklärte mit vollem Recht, dass es völlig gleichgültig sei, ob der Beschwerdesteller persönlich beim Betreibungsamt die Eigentumsansprache des Stiefvaters Weber an den beiden Pferden angemeldet habe, oder ob dies, wie der Beschwerdesteller behauptet und durch den Zeugen Keller bezeugen lassen will, durch den Schuldner selbst geschehen sei; denn wenn auch das letztere der Fall gewesen sein sollte, so wäre doch mit der Appellationskammer anzunehmen, dass die Anmeldung durch Wettstein auf Veranlassung bezw. Anstiftung des Beschwerdestellers erfolgte.

Ebenso hat die Appellationskammer die Einvernahme des Heuhändlers Hess mit vollem Recht abgelehnt. Was Wettstein zu Hess im Gefängnis gesagt haben soll, berechtigt nicht zu dem Schlusse, dass Wettstein ohne Anstiftung seitens Streuli gehandelt habe, um so weniger, als es, wie der Vorderrichter zutreffend ausführt, zur Herstellung des Schuldbeweises gegenüber dem Beschwerdesteller des Zeugnisses des Wettstein nicht bedarf. Die vom Richter für die Nichtzulassung der angerufenen Beweismittel angeführten Gründe sind durchaus zutreffend und mithin der Kassationsgrund der wesentlichen Beeinträchtigung der Rechte der Verteidigung nicht gegeben.

6. Der Kassationsgrund der Verletzung gesetzlicher Prozessformen, § 1091, Ziffer 5, soll nach der Behauptung des Beschwerdestellers darin liegen, dass, entgegen der Vorschrift des § 784 des Gesetzes betreffend die Rechtspflege, die Zeugen Wettstein (Akt. 28) und Frau Weber (Akt. 47) einvernommen worden sind, ohne dass der Beschwerdesteller, der doch damals schon in Verhaft war, beigezogen wurde.

Allein der Beschwerdesteller übersieht hierbei, dass Wettstein und Frau Weber in Akt. 28 und 47 nicht als Zeugen, sondern als Angeschuldigte einvernommen worden sind, und dass bei allen spätern Verhandlungen, bei denen die Person des Beschwerdeführers in Frage kam, der Untersuchungsbeamte der Vorschrift

des § 784 entsprechend denselben zuzog und ihm Gelegenheit gab, an die Zeugen Fragen zu richten, welche zur Aufklärung der Sache dienten.

Übrigens wäre der Kassationsgrund des § 1091, Ziffer 5, nur dann gegeben, wenn sich mit Wahrscheinlichkeit ergäbe, dass die Verletzung der gesetzlichen Prozessform auf das Schulderkenntnis von nachteiligem Einfluss gewesen sei. Das ist jedoch nicht der Fall. Sowohl Wettstein als Frau Weber haben, später als Zeugen gegenüber Streuli in dessen Gegenwart einvernommen, ihre frühern Angaben, die sie als Angeklagte gemacht haben, bestätigt, und es ist nicht einzusehen, dass sie, wenn der Beschwerdesteller schon zur ersten Einvernahme beigezogen worden wäre, demselben günstigere Aussagen gemacht hätten.

7. Zur Begründung des Antrages auf Kassation des Urteils wegen Verletzung materieller Gesetzesvorschriften wird darauf abgestellt, dass der Beschwerdesteller Streuli die in Ziffern 2 und 3 der Anklage aufgeführten Akten im guten Glauben und ohne rechtswidrige Absicht habe erstellen helfen, eventuell sei deren Herstellung noch keine Versuchshandlung als solche, da diese Dokumente nie gebraucht und weder von Wettstein, noch von Streuli, noch von anderer Seite ein Versuch hierzu gemacht worden sei; mithin liege auch eine strafbare Anstiftung seitens des Beschwerdestellers nicht vor. Zudem habe auch die Anklage nur behauptet, Streuli habe den Rat und die Anleitung gegeben, die erwähnten Dokumente anzufertigen; und es enthalte die Anklage kein Wort davon, dass oder welche eine Anstiftung begründende Handlung Streuli vorgenommen habe; Rat und Anleitung aber konsumieren nach § 39 des Strafgesetzbuches nur den Tatbestand der Gehülfenschaft.

Allein dieser Argumentation kann nicht beigetreten werden. Zunächst ist zu bemerken, dass der Richter aus den Akten den durchaus gerechtfertigten Schluss gezogen hat, dass der Beschwerdesteller die in Ziffern 2 und 3 der Anklage erwähnten Akten in bösem Glauben und in rechtswidriger Absicht erstellt hat, bezw. hat erstellen helfen; sodann liegt aber in der Geltendmachung der Eigentumsansprache an den beiden Pferden durch Wettstein für seinen Stiefvater Weber eine förmliche Versuchshandlung, und die Herstellung der Beweismittel für diese Ansprache stellt sich keineswegs als blosse Vorbereitungshandlung dar, die Angeklagten haben vielmehr alles getan, um den beabsichtigten Pfändungsbetrug zu vollenden, und es ist nur der Initiative des inzwischen aus dem Strafverhaft entlassenen Weber zu verdanken, dass es beim blossen Versuche geblieben ist. Unter diesen Umständen kommt nichts darauf an, dass tatsächlich die zur Herstellung des Beweises für die Eigentumsansprache des Weber an den beiden Pferden erstellten Beweismittel nicht verwendet worden sind. Dass hierbei der Beschwerdesteller als Anstifter zu betrachten sei, geht keineswegs

über die Anklage hinaus, da diese ausdrücklich auf Anstiftung gerichtet ist und nur in den vorausgehenden Erörterungen von Rat und Anleitung spricht, zumal letzteres keineswegs die Anstittung ausschliesst, vielmehr im Erteilen von Rat und Anleitung in allen den Fällen wirklich Anstiftung liegt, wo dieselben spontan, d. h. ohne Ansuchen des physischen Täters, stattgefunden haben. Übrigens wäre nach den zutreffenden Ausführungen des Vorderrichters in Erwägung 1 des angefochtenen Urteils Gehülfenschaft bei Versuch eines Verbrechens dann strafbar, wenn der Versuch selbst bestraft wird und die Absicht des Täters und Gehülfen von Anfang an auf Vollendung gerichtet war, so dass also, auch wenn blosse Gehülfenschaft angenommen würde, eine Schuldigerklärung des Beschwerdestellers und Bestrafung desselben erfolgen müsste. Demnach hat das Kassationsgericht beschlossen :

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.

10. Urteil vom 25. März 1901 in Sachen des Theodor Wiest von Wertach, Bayern, gegen die Staatsanwaltschaft betreffend leichtsinnigen Bankerott, Nichtigkeitsbeschwerde gegen ein Urteil der III. Appellationskammer des Obergerichtes vom 24. Januar 1901.

1. Der Beschwerdesteller hat seit dem Jahre 1894 auf dem Platze Zürich einen Holzhandel betrieben und sich im Jahr 1897 ins Handelsregister eintragen lassen. Am 1. Juli 1899 wurde über denselben Konkurs eröffnet, dieser aber mangels Aktiven wieder eingestellt.

Mit Eingabe vom 23. Januar 1900 denunzierte ihn die Firma Gebrüder Arnold & Cie. in Bürglen bei der Bezirksanwaltschaft wegen betrüglichen Bankerottes, da der Beschwerdesteller dem Konkursbeamten gegenüber Aktiven verheimlicht habe. Die Richtigkeit dieser Behauptung konnte jedoch durch die Untersuchung nicht festgestellt werden. Dagegen wurde zufolge Anweisung der Staatsanwaltschaft vom 10. Mai 1900 (Akt. 75) gegen den Beschwerdesteller Anklage wegen leichtsinnigen Bankerottes beim Bezirksgericht Zürich gestellt, welches denselben mit Urteil vom 17. August 1900 dieses Vergehens schuldig erklärte und zu drei Wochen Gefängnis, sowie zur Tragung der Kosten verurteilte.

2. Die gegen dieses Urteil ergriffene Berufung wurde von der III. Appellationskammer des Obergerichtes am 24. Januar 1901 verworfen und das erstinstanzliche Urteil bestätigt.

3. Gegen dieses Urteil ist die vorliegende Kassationsbeschwerde gerichtet. Als Kassationsgründe werden geltend gemacht § 1091, Ziffern 6 und 4, des Gesetzes betreffend die Rechtspflege.

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