Page images
PDF
EPUB

Strafrechtszeitung.

Nouvelles pénales.

Strafrecht.

Zum Entwurf des Strafgesetzbuches. Eingabe der Direktion der Volkswirtschaft des Kantons Zürich an das Schweizerische Justiz- und Polizeidepartement.

Die aus Bankdirektoren, Kaufleuten und anderen Fachmännern zusammengesetzte kantonale Kommission für das Handelswesen, welche der unterzeichneten Direktion unterstellt ist, hat in ihrer Sitzung vom 24. September 1902 beschlossen, Ihnen zu Handen der Kommission für Ausarbeitung eines Schweizerischen Strafgesetzbuches nachstehende Vorschläge zu unterbreiten.

[ocr errors]

A. Es möchte in Art. 85 des Vorentwurfes das Wort Börsenspiel « ersetzt werden durch: « Spekulationsgeschäfte in Effekten und Waren ». B. Es möchten nachstehende Bestimmungen neu in den Entwurf aufgenommen werden:

< Bestraft wird (Strafart und -mass vorbehalten):

1. wer in gewinnsüchtiger Absicht auf Täuschung berechnete Mittel anwendet, um auf den Börsen- oder Marktpreis von Wertpapieren oder Waren einzuwirken;

2. wer wissentlich unwahre Angaben in Prospekten oder in öffentlichen Kundgebungen macht, durch welche die Zeichnung von Wertpapieren oder der Ankauf von Wertpapieren oder Waren herbeigeführt werden soll;

3. wer als gewerbsmässiger Vermittler des Verkehrs mit Wertpapieren oder Waren Termingeschäfte abschliesst mit Personen, deren Identität vom Beauftragten nicht zuvor festgestellt worden ist, oder deren Mittellosigkeit oder Zahlungsunfähigkeit bei Abschluss des Geschäftes bekannt ist, oder bei gehöriger Sorgfalt hätte bekannt sein können;

4. wer eine öffentliche Beamtung, mit welcher eine Kautionspflicht verbunden ist, in der Schweiz bekleidet und Termingeschäfte in Wertpapieren oder Waren abschliesst, ebenso wer mit solchen Beamten oder für letztere mit Dritten derartige Geschäfte abschliesst;

5. wer als Angestellter eines Privatgeschäftes in der Schweiz ohne schriftliche Bewilligung des Geschäftsinhabers Termingeschäfte in Wertpapieren oder Waren abschliesst, ebenso wer mit solchen Angestellten oder für letztere mit Dritten derartige Geschäfte abschliesst. >>

Indem wir Ihnen diese Anregung der kantonalen Kommission für das Handelswesen unterbreiten, gestatten wir uns noch einige Bemerkungen. Veranlassung zu erwähntem Beschlusse der Kommission für das Handelswesen bildete eine an die Volkswirtschaftsdirektion gerichtete Eingabe der Bezirksanwaltschaft Zürich, welche gestützt auf Wahrnehmungen in einer Strafuntersuchung gegen den ungetreuen Kassier eines zürcherischen Handelsgeschäftes sich veranlasst glaubte, bei den höheren Instanzen auf die Notwendigkeit staatlicher Kontrolle des Warentermingeschäftes hinzuweisen. Die nähere Prüfung der Eingabe ergab in der Tat, dass das kantonale Börsengesetz (Gesetz betreffend den gewerbsmässigen Verkehr mit Wertpapieren, von 1896) die Warenterminspekulationen nicht berührt. Die Erwägung, ob genanntes Gesetz nun im Sinne einer Ausdehnung auf das börsenmässige Warengeschäft abzuändern sei, führte zu der Überzeugung, dass eigentlich das vereinheitlichte Strafrecht der richtige Ort wäre, wo Strafvorschriften, betreffen sie nun die Effekten- oder die Warenterminspekulation, am wirksamsten untergebracht werden könnten. Eine durch kantonales Recht im Gebiete des Börsenwesens und der Terminspekulation überhaupt aufgestellte Strafbestimmung kann bei den heutigen Verkehrsverhältnissen oft mit Leichtigkeit negiert werden dadurch, dass der Abschluss ausserhalb des Kantons verlegt wird. Wer ein nach zürcherischem Börsenrecht verbotenes Geschäft betätigen will, wendet sich kurzerhand an denjenigen Börsenplatz, wo es erlaubt ist. Eine Strafbestimmung für hierseitigen Platz schützt nicht vor deren Übertretung, sondern sie verschiebt bloss den Ort des Abschlusses, während die schliesslichen zivilrechtlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen des Abschlusses doch in der Hauptsache wieder am Domizil der Beteiligten wirksam werden. Auf dem Gebiete der Spekulation und namentlich des Börsenwesens ist das Bestreben, den Ort der Operation ausserhalb der täglichen gesellschaftlichen Verkehrswelt zu verlegen, besonders gross. Will man daher den Auswüchsen dieser Unternehmungen in wirksamer Weise entgegentreten, so kann dies nur so geschehen, dass ein möglichst grosses Gebiet einheitlichem Rechte unterstellt wird. Aus diesem Grunde würde es die Kommission für das Handelswesen sehr begrüssen, wenn das schweizerische Strafrecht im Sinne deren Anregung eine Erweiterung erführe.

Bezüglich der Strafarten und des Strafmasses glaubt die Kommission für das Handelswesen von Vorschlägen absehen zu sollen; ebenso will sie nicht in Erörterungen darüber eintreten, an welchem Orte des Entwurfes die vorgeschlagenen Bestimmungen am besten unterzubringen seien.

a

[ocr errors]

Bei der für Art. 85 vorgeschlagenen Änderung des Wortes Börsenspiel in Spekulationsgeschäfte etc. war die Erwägung massgebend, dass bei Anwendung des Wortes Börsenspiel» in der Praxis die Gefahr entstehe, die technische Bedeutung des Spieles beim Tatbestand des Börsenspieles in einer unzutreffenden Weise vorauszusetzen oder derselben doch einen Einfluss auf dessen Beurteilung zu ermöglichen. Verleitung zu Spielgeschäften kann trotzdem bestraft werden, da ja der Ausdruck «Glückspiel neben dem neu vorgeschlagenen stehen bleiben soll.

Noch wollen wir bemerken, dass die Vorschläge der Kommission für das Handelswesen sich anlehnen an Bestimmungen, welche im Basler, im Zürcher oder im deutschen Börsenrechte sich vorfinden, bezw. im Basler Strafgesetz und Polizeistrafgesetz enthalten sind.

Bundesstrafrecht. Verherrlichung von Verbrechen. Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend den Erlass eines Bundesgesetzes zur Ergänzung des Bundesstrafrechtes der schweizerischen Eidgenossenschaft vom 4. Februar 1853. (Vom 15. Dezember 1902.)1)

Die Vereinheitlichung des schweizerischen Strafrechtes hat in der jüngsten Zeit einen wesentlichen Fortschritt gemacht dadurch, dass die Revision des Stoossschen Vorentwurfes durch eine vom Justiz- und Polizeidepartement bestellte Expertenkommission zu Ende geführt wurde. Das Resultat der Beratungen soll demnächst der Öffentlichkeit übergeben werden. Die Revision des Vorentwurfes bot die erwünschte Gelegenheit, genauer zu untersuchen, ob nicht gewisse Erscheinungen im Leben der Neuzeit Ursache zur Ergänzung bestehender Lücken im jetzigen Bundesstrafrecht bieten. Im Jahr 1901 schon hat der Bundesrat Veranlassung genommen, gestützt auf gewisse Vorgänge in Genf den eidgenössischen Räten eine Vervollständigung des geltenden Bundesstrafrechtes vorzuschlagen durch Strafandrohung gegen Zivilpersonen wegen Verleitung von Militärpflichtigen zu Dienstpflichtverletzungen. Dabei konnte er sich an bereits im Stoossschen Vorentwurf enthaltene Bestimmungen anlehnen. Während der Beratungen der Revisionskommission aber tauchte weiter die Frage auf, ob der schweizerische Gesetzgeber nicht auch Vorsorge zu treffen habe zur Bestrafung der Verherrlichung von Verbrechen, wie dies in verschiedenen Gesetzbüchern anderer Staaten bereits geschehen ist.

Gerade das Strafrecht hat ja nicht bloss nationale Bedeutung, wenigstens soweit es sich nicht um Verbrechen politischer Art handelt; es ist oder sollte wenigstens sein der Spiegel der ganzen Kulturentwicklung eines Zeitalters darüber, was von den Zeitgenossen nicht bloss als unmoralisch verpönt, sondern was als strafrechtlich ahndungswürdig betrachtet wird.

Die anarchistischen Verbrechen, die Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts in verschiedenen Staaten Europas und in Nordamerika verübt wurden, gaben mancherorts Anlass zur Erweiterung der Strafgesetze durch Bedrohung der Verwendung von Sprengstoffen, des Anfertigens und Inbesitznehmens solcher zu verbrecherischen Zwecken. Auch die Schweiz bezweckte mit dem Spezialgesetz vom 12. April 1894, sich eine Waffe zum Schutze gegen diese Gefahr, die der Rechtssicherheit bevorzustehen schien, zu verschaffen. Glücklicherweise ist bisanhin die Anwendung derselben noch nicht notwendig geworden. Durch Art. 4 des eben genannten Gesetzes wurde auch Strafe angedroht gegenüber der Anreizung und Aufmunterung zu Verbrechen gegen die Sicherheit von Personen oder Sachen, sofern solche geschieht, um Schrecken zu

1) Siehe Bundesblatt 1902, Bd. V, 837.

verbreiten oder die allgemeine Sicherheit zu erschüttern. Dieser Artikel trat durch Beschluss der Bundesversammlung an die Stelle des Vorschlages des Bundesrates, welcher in Art. 1 seines Gesetzentwurfes nicht nur die Aufmunterung und Anleitung zu gemeingefährlichen Verbrechen gegen die staatliche oder gesellschaftliche Ordnung unter Strafe stellen wollte, sondern auch die offene oder verdeckte Aufmunterung oder Anleitung zu verbrecherischen Handlungen anderer Art, welche das Leben von Menschen in Gefahr bringen. In der Botschaft zu dem Gesetze ist speziell bemerkt, es werde auch die Verherrlichung anarchistischer Taten unter Umständen eine verdeckte Aufmunterung zur Nachfolge in sich schliessen (Bundesbl. 1893, V, 763 und 766).

Der Art. 4 des Bundesgesetzes vom 12. April 1894 ist in einem Spezialfall Gegenstand der Auslegung durch das Bundesstrafgericht geworden, und zwar bei der Entscheidung der Anklage gegen die Anarchisten Bertoni, Frigerio und Held vom 29. Mai 1900 (Entscheidungen, Bd. XXVI/I, pag. 227 u. ff.). Dabei wurde vom Gericht erklärt, um dieses Gesetz anwenden zu können, sei es notwendig, dass die Aufforderung, Verbrechen gegen Personen und Eigentum zu begehen, charakterisiert und bestimmt sei durch die Absicht, in der Bevölkerung Schrecken zu verbreiten und die öffentliche Sicherheit zu erschüttern. Diese Wirkungen dürfen nicht einfach bloss das Resultat der Verübung des Verbrechens sein, das auf Verletzung eines bestimmten Rechtes gerichtet sei, sie müssen vielmehr der unmittelbare Zweck des Verbrechens selbst sein (pag. 233/34 cit.).

Durch diese Interpretation des Gesetzes, welche der Anwendung des zitierten Artikels sehr enge Schranken zieht, ist festgestellt, dass die Verherrlichung von Verbrechen, möchte sie auch in ihrer Tendenz noch so deutlich eine Aufforderung zu deren Wiederholung in sich schliessen, von dem bestehenden Gesetze schwerlich je erfasst würde. Das schweizerische Strafrecht entbehrt daher einer Bestimmung, welche das Einschreiten gegen die Apologie von Verbrechen direkt ermöglichen würde. Andere europäische Staaten besitzen derartige Strafsanktionen, die einen in ihren allgemeinen Strafgesetzbüchern, die andern als Bestandteil der sogenannten Sprengstoff

gesetze.

I. Das deutsche Reichsgesetz vom 9. Juni 1884 gegen den verbrecherischen und gemeingefährlichen Gebrauch von Sprengstoffen erklärt:

Wer öffentlich vor einer Menschenmenge oder wer durch Verbreitung oder öffentlichen Anschlag oder öffentliche Ausstellung von Schriften oder andern Darstellungen, oder wer in Schriften oder andern Darstellungen zur Begehung einer der nach §§ 5 und 6 bezeichneten strafbaren Handlungen oder zur Teilnahme an denselben auffordert, wird mit Zuchthaus bestraft.

Gleiche Strafe trifft denjenigen, welcher auf die vorbezeichnete Weise zur Begehung der in Absatz 1 gedachten strafbaren Handlungen, insbesondere dadurch anreizt oder verleitet, dass er dieselben anpreist oder als etwas Rühmliches darstellt.

Ebenso wendet sich ein österreichisches Spezialgesetz vom 27. Mai 1885 nicht nur gegen Gebrauch und Besitz u. s. w. von Sprengstoffen, sondern

auch gegen die Aufforderung zu Sprengstoffverbrechen, die Anreizung oder Rechtfertigung derselben. Dänemark bedroht durch Gesetz vom 2. Dezember 1886 die öffentliche Anreizung, Anpreisung und Verherrlichung von Verbrechen. Frankreich besitzt besondere Strafgesetze über Apologie von Verbrechen durch die Presse vom Jahre 1893. Spanien ein solches von 1894 über Verherrlichung von Sprengstoffverbrechen.

II. Art. 247 des italienischen Strafgesetzes vom Jahre 1889 bestimmt: Wer öffentlich eine Tat, welche das Gesetz als ein Vergehen ansieht, verherrlicht (fa l'apologia), wird mit Gefängnis bis zu einem Jahr und mit Geldstrafe von 50 bis 1000 Lire bestraft.

Nach dem italienischen Sprengstoffgesetze vom 19. Juli 1894 sollen diese Strafen um die Hälfte erhöht werden, wenn eine Anreizung zu Sprengstoffverbrechen durch die Presse oder durch bildliche Darstellung geschieht.

Bei solcher Sachlage rechtfertigt sich daher wohl eine erneute Prüfung der Frage, ob nicht für unser Land durch weitere Ergänzung des Bundesstrafrechtes die Möglichkeit geschaffen werden solle, die Verherrlichung von Verbrechen unter gewissen näheren Kautelen mit Strafe zu bedrohen, da dies mit Art. 4 des Gesetzes von 1894 nicht geschehen kann. Grund dazu bieten neuere Vorkommnisse im öffentlichen Leben und speziell der Charakter gewisser Pressorgane. Gleich wie aufreizende Zeitungsartikel zum Antrag auf gesetzgeberische Massnahmen gegen die Verleitung von Militärpersonen zu Dienstpflichtverletzungen führen, so liegt auch genügender Grund vor, die Apologie von gemeinen Verbrechen mit Strafe zu bedrohen, nachdem solche bereits tatsächlich in der Schweiz vorgekommen sind.

Dies geschah nach der Ermordung der Kaiserin Elisabeth durch die Druckschriften, die aus der Druckerei des Anarchisten Germani in Neuenburg hervorgingen, speziell durch Artikel in der kommunistisch-anarchistischen Zeitung «Agitatore» (vergl. den Bericht des Bundesrates zum Rekurs Germani vom 8. Juni 1899, Bundesbl. 1899, III, 996). Es geschah auch von seiten des Schweizerbürgers Luigi Bertoni nach der Ermordung des italienischen Königs Umberto, durch das in Genf erscheinende anarchistische Blatt Réveil, Risveglio. Aus naheliegenden Gründen können die anstössigen Artikel, welche nach dem Verbrechen von Monza in dieser Zeitung publiziert wurden, hier nicht in extenso zitiert werden. Aber mit kurzen Worten darf unter Berufung auf dieselben festgestellt werden, dass der Redaktor Bertoni systematisch darauf hinarbeitete, durch die in sein Publikationsorgan aufgenommenen Artikel die Ermordung des italienischen Königs als einen Akt verdienstvoller Vergeltung begangener Missetaten und den Mörder Bresci als Märtyrer einer guten Sache darzustellen, dass in dem nämlichen Blatte fort und fort die Beseitigung aller Träger staatlicher und gesellschaftlicher Ordnung, auch mittelst Gewalt, als notwendiges und erstrebenswertes Mittel zur Erreichung der Ziele der anarchistischen Bestrebungen hingestellt wurde. Ähnlich war die Haltung des Redaktors des « Réveil nach der Ermordung des nordamerikanischen Präsidenten Mac Kinley, und bei dem bekannten Charakter der Vertreter der anarchistischen Lehren ist nicht daran zu zweifeln, dass sie sich in Zukunft ganz gleich verhalten werden.

« PreviousContinue »