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gerade das die Hehlerei von der Begünstigung (§ 40) unterscheidende Merkmal sein und deshalb allemal nur Begünstigung angenommen werden dürfen, wenn dieses Merkmal fehlt.

3. Wie jedoch schon Gretener in seiner Abhandlung über Begünstigung und Hehlerei (München 1879, Seite 66, Note 126) bemerkte, ist die Benzsche Auffassung nicht haltbar. Die Ansicht, dass der Thatbestand der Hehlerei sich wesentlich durch das Merkmal der gewinnsüchtigen Absicht von der als Teilnahme-Form gedachten Begünstigung des § 40 unterscheide, wird durch das Gesetz keineswegs unterstützt. Die Sachenhehlerei des § 184 unterscheidet sich vielmehr dadurch von der Begünstigung, dass in subjektiver Beziehung der Vorsatz des Thäters nicht auf die Begünstigung des Verbrechers der Vorthat gerichtet zu sein braucht, während dies für die Begünstigung wesentlich ist. In objektiver Beziehung aber hat der Gesetzgeber für ganz bestimmte, typische und von ihm als besonders gefährlich betrachtete Handlungen eine specielle Androhung geschaffen; diese Handlungen, das Ankaufen, zu Pfand Nehmen und Verheimlichen solcher Sachen, von welchen der Thäter weiss, dass sie durch ein Verbrechen erlangt sind, verdienen nach den Motiven des Benzschen Entwurfes selbst (15. Titel, 2. Absatz) eine besondere strafrechtliche Behandlung deshalb, weil sie wesentlich zur Erleichterung der Vermögensverbrechen beitragen und deshalb besonders gefährlich sind („ohne Hehler keine Stehler“). Von den unter § 40 fallenden Begünstigungshandlungen unterscheiden sie sich objektiv ganz einfach durch die in § 184 enthaltene Specialisierung. Dass die gewinnsüchtige Absicht nicht das wesentliche Unterscheidungsmerkmal sein kann, ergiebt die Betrachtung, dass der Begünstiger, dessen That nicht unter die in § 184 aufgezählten Handlungen subsumiert werden kann, nicht weniger Begünstiger bleibt, wenn ihn ausser der Absicht der Begünstigung auch noch das Motiv des Eigennutzes bewegt hat; gerade wie umgekehrt der Thatbestand der Sachenhehlerei nach dem Gesetze nicht ausgeschlossen erscheint, wenn das Ankaufen, zu Pfand Nehmen oder Verheimlichen aus Begünstigungsabsicht geschehen ist. Die Sachenhehlerei ist in letzterm Falle eine qualifizierte Art der Begünstigung, während sie das allerdings nicht regelmässig zu sein braucht. Es giebt also nach zürcherischem Strafrecht sowohl eine eigennützige Begünstigung, als auch eine uneigennützige Sachenhehlerei. Die Personenhehlerei erscheint nach dem Gesetze stets als eine Begünstigungshandlung; von der Begünstigung des § 40 unterscheidet sie sich wesentlich dadurch, dass subjektiv noch die gewinnsüchtige Absicht erforderlich ist, und dass objektiv die Begünstigungshandlung sich auf ein Vermögensdelikt beziehen muss. Wer aus Eigennutz einen Mörder der Bestrafung zu entziehen sucht, kann nicht wegen Personenheblerei, sondern nur wegen Begünstigung bestraft werden: wiederum ein Beweis dafür, dass die gewinnsüchtige Absicht nicht das unter

scheidende Kriterium zwischen Begünstigung und Hehlerei sein kann. In der That ist denn auch der Eigennutz in einer ganzen Reihe von Strafgesetzbüchern nicht als Thatbestandsmoment der Sachenhehlerei aufgenommen worden (so Sachsen 1868, Art. 292. Solothurn, 153, Neuenburg, Waadt, $ 229, Freiburg, § 253, Genf, § 334); umgekehrt sah sich der preussische Gesetzgeber veranlasst, die gewinnsüchtige Absicht nachträglich (Gesetz vom 14. April 1856, siehe Gretener, Seite 54) in den Thatbestand der Sachenhehlerei aufzunehmen, offenbar weil er sich sagen musste, dass die angebliche Selbstverständlichkeit dieses Momentes nicht genügen konnte, damit dasselbe von der Praxis als begriffliches Erfordernis der Sachenhehlerei hätte anerkannt werden können. In der gemeinrechtlichen Theorie galt der Eigennutz keineswegs als notwendiges Thatbestandsmoment der Hehlerei, wie die von der Staatsanwaltschaft angezogene Stelle aus der zweiten Auflage des Strafrechtslehrbuches von Berner (1863, Seite 382: „Eigennützige Absicht kann man nicht unbedingt als Merkmal der Hehlerei fordern, besonders bei der Verheimlichung und Annahme der entwendeten Sachen") zeigt. Neuerdings wird de lege ferenda sogar umgekehrt empfohlen, den Begriff der Hehlerei im Sinne einer eigennützigen Begünstigung fallen zu lassen. (Vgl. Gretener, Seite 131; Stooss, Die Grundzüge des schweizerischen Strafrechts, 2. Bd., S. 107.)

4. Es liegen also keinerlei zwingende Gründe vor, die gewinnsüchtige Absicht, welche der Gesetzgeber bei § 184 nur in den Thatbestand der Personenhehlerei, nicht aber in denjenigen der Sachenhehlerei aufgenommen hat, beim letztern als stillschweigend vorausgesetzt anzunehmen. Im Gegenteil wird man nach den gewöhnlichen Regeln der Auslegung sagen müssen, dass das Gesetz gerade damit, dass es jenes Moment nur bei der einen Art der Hehlerei, nicht aber auch bei der andern aufstellt, bei der letztern die gewinnsüchtige Absicht nicht als wesentliches Requisit behandelt wissen will. Der Unterschied zwischen der Sachenhehlerei und der Begünstigung ergiebt sich nach den frühern Ausführungen mit genügender Klarheit ohne die Heranziehung des Momentes der gewinnsüchtigen Absicht. Auf die Ansichten oder Absichten des Gesetzesredaktors aber kann es nicht ankommen; entscheidend ist einzig der Wortlaut und der Sinn des Gesetzestextes.

Danach ist die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gutzuheissen und die gegen Kutter gerichtete Anklage auf Hehlerei zuzulassen, ohne dass auf die weitern, eventuellen Beschwerdepunkte eingetreten zu werden braucht,

beschlossen:

1. Die Beschwerde wird gutgeheissen und demnach die von der Staatsanwaltschaft am 17. Mai 1901 gegen Karl Kutter erhobene Anklage uneingeschränkt zugelassen.

2. Die Kosten werden auf die Gerichtskasse genommen.

Obergericht des Kantons Bern.

Mitgeteilt von Herrn I. Kammerschreiber Dr. Thormann in Bern.

a. Urteil der Polizeikammer des Appellations- und Kassationshofes des Kantons Bern, vom 11. April 1901, wegen Widerhandlung gegen das Gesetz betreffend die Störung des religiösen Friedens, vom 31. Oktober 1875.

Durch Urteil des Polizeirichters von Laufen vom 14. Dezember 1900 wurden F. J. K., J. K., C. M. Sch., O. F., S. Sch. und B. V. schuldig erklärt der Widerhandlung gegen das Gesetz betreffend die Störung des religiösen Friedens vom 31. Oktober 1875, und verurteilt:

1. Polizeilich jeder zu einer Geldbusse von Fr. 3.

2. Alle 6 Angeschuldigte solidarisch zu den Kosten des Staates, bestimmt auf Fr. 20. 60.

Gegen dieses Urteil erklärten die sämtlichen Angeschuldigten die Appellation.

Von dem oberinstanzlichen Termin wurde den Beteiligten in gehöriger Weise Anzeige gemacht, infolge welcher Anzeige am 23. Februar 1901 erschienen:

1. Der Angeschuldigte J. K., persönlich;

2. Fürsprecher Dr. Brüstlein in Bern namens der Angeschuldigten F. J. K., C. M. Sch., O. F., S. Sch. und B. V.;

3. Generalprokurator Kernen als Staatsanwalt.

Fürsprecher Dr. Brüstlein beantragt namens der von ihm vertretenen Angeschuldigten :

Es sei das angefochtene Urteil aufzuheben. Die Angeschuldigten seien von Schuld und Strafe freizusprechen; die Kosten seien dem Staat aufzuerlegen, und es sei den Angeschuldigten eine angemessene Entschädigung für ihre Verteidigungskosten zuzusprechen.

Der Angeschuldigte J. K., Pfarrer in Grellingen, bringt ebenfalls seine Verteidigung vor und schliesst sich den Anträgen des Verteidigers Dr. Brüstlein an.

Der Staatsanwalt beantragt Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils, unter Kostenfolge.

Hierauf trifft das Gericht die

Verfügung:

Die Beurteilung der Sache wird auf unbestimmte Zeit verschoben. Das Urteil wird den Angeschuldigten durch das Richteramt Laufen eröffnet werden.

Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht. 15. Jahrg.

5

Eröffnet:

Am 11. April 1901 hat die Polizeikammer in geheimer Beratung und Abstimmung

ters

in Erwägung gezogen:

I. Nachdem durch Erkenntnis der Polizeikammer vom 21. November 1900 das sämtliche 6 Angeschuldigte wegen Widerhandlung gegen das Gesetz betreffend Störung des religiösen Friedens (speciell § 5 desselben) schuldig erklärende Urteil des Polizeirichvon Laufen vom 17. Oktober 1900 wegen Formwidrigkeiten im Verfahren, die eine Verletzung der Verteidigungsrechte der Angeschuldigten bedeuteten, kassiert worden war, fällte der Polizeirichter von Laufen nach neu durchgeführtem Strafverfahren am 14. Dezember 1900 nochmals in dieser Sache ein Urteil und verurteilte die 6 Angeschuldigten wegen obgenannter Gesetzesübertretung zu je Fr. 3 Busse, sowie solidarisch zur Tragung der Staatskosten. Gegen dieses Urteil erklärten sämtliche Angeschuldigte sofort die Appellation an die Polizeikammer des Kantons Bern.

II. Den Akten ist folgender Thatbestand zu entnehmen:

a) Laut Strafanzeige des Landjägers Duwang in Grellingen vom 17. Juni 1900 wurde am Donnerstag den 14. Juni 1900, als am Fronleichnamstage, im Dorfe Grellingen eine Prozession abgehalten, an der beinahe die ganze Gemeinde teilnahm. Sie fing um 9 Uhr an und dauerte eine Stunde. Unter Absingen von Chorliedern bewegte sie sich in den Dorfstrassen herum und machte an verschiedenen Orten, wo Altäre errichtet waren, Halt. Die Blechmusik des Dorfes spielte dabei. Pfarrer K., der Ortsgeistliche, leitete die Prozession und lief hierbei im Zuge unter einem sogenannten Himmel.

In ihrer Abhörung gaben die 6 hiervor bezeichneten Angeschuldigten, sämtlich Mitglieder des Kirchenrates von Grellingen, die Thatsache der Abhaltung der Prozession zu, welche vom Kirchenrate von Grellingen durch einen einstimmigen Beschluss angeordnet. wurde. Sie machen im ferneren geltend, dass die Prozession, welche einen feierlichen und imposanten Verlauf nahm, im Einverständnisse der ganzen Bevölkerung, welche aus 93% Katholiken und 7% Protestanten bestehe, ausgeführt worden sei. Dadurch sei der religiöse Friede anderer Konfessionen keineswegs gestört worden; gegenteils haben sogar protestantische Familien Blumentöpfe zur Ausschmückung der Altäre freiwillig geliefert. Die Angeschuldigten bestreiten, gegen das citierte Gesetz gehandelt zu haben, da dasselbe zum Zweck habe, die Störung des religiösen Friedens zu verhindern und in casu keine solche Störung eingetreten sei; folglich könne in diesem Falle das Gesetz nicht zur Anwendung gelangen; falle der Zweck fort, so falle auch das Gesetz dahin.

Im übrigen stützt sich der Kirchgemeinderat von Grellingen auf Art. 49 und 50 der Bundesverfassung, sowie bezüglich des gefassten Beschlusses auf § 19, Ziffer 4, des kantonalen Kirchengesetzes vom 18. Januar 1874.

b) Bei der oberinstanzlichen Verhandlung vor der Polizeikammer wiederholt der persönlich erschienene Ortspfarrer K. die vor dem erstinstanzlichen Richter gemachten Depositionen, mit dem Beifügen, dass die Prozessionen einen wesentlichen Bestandteil des katholischen Ritus bilden und zu den gottesdienstlichen Handlungen im Sinne des Art. 50 B.-V. zu zählen seien. Er schliesst deshalb auf Freisprechung.

c) Namens der 5 übrigen Angeschuldigten und Appellanten beantragt Fürsprecher Dr. Brüstlein ebenfalls Freisprechung, indem er die Verfassungsmässigkeit des Gesetzes betreffend Störung des religiösen Friedens bestreitet. Speciell stehe § 5 dieses Gesetzes im Widerspruch mit Art. 50, 2, der Bundesverfassung. Denn auch wenn dieses Gesetz früher als ein Bedürfnis angesehen werden konnte, so sei dies heutzutage nicht mehr der Fall, da die im Jahre 1875 vorhanden gewesenen Voraussetzungen zur Aufstellung einer solchen speciellen Gesetzesnorm dahingefallen seien. Der Rechtsgrund der Notlage des Staates sei obsolet geworden.

d) Der Generalprokurator des Kantons Bern beantragt Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils, unter Kostenfolge, vom Standpunkte ausgehend, dass der § 5 leg. cit. stets noch Gesetzeskraft besitze.

III. Unbestrittenermassen bildet der vorstehend ausgeführte und von den Angeschuldigten als richtig anerkannte Thatbestand eine Widerhandlung gegen den § 5 des citierten Gesetzes vom 31. Oktober 1875, indem die fragliche kirchliche Prozession am Fronleichnamstage des Jahres 1900 in Grellingen auf der offenen Strasse, demnach ausserhalb der in § 5 leg. cit. aufgeführten geschlossenen Räumlichkeiten stattfand. Die 6 Angeschuldigten sind auch zugestandenermassen als Urheber dieser Widerhandlung zu betrachten.

Nun wird jedoch von seiten der Verteidigung die Verfassungsmässigkeit dieser Gesetzesbestimmung, gegen welche sich die Angeschuldigten vergangen haben, bestritten, und es ist deshalb dieser Punkt einer nähern Prüfung zu unterwerfen.

IV. Das Gesetz betreffend Störung des religiösen Friedens vom 31. Oktober 1875 bezweckt den Schutz der Rechte des Staates gegenüber Übergriffen von kirchlicher Seite und konfessionellen Friedensstörungen, es stellt in Ausführung von Art. 50, Alinea 2, der Bundesverfassung von 1874 die Schranken auf, innerhalb welcher die freie Ausübung gottesdienstlicher Handlungen gewähr Diese gesetzlichen Schranken gelten daher gegenüber

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