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Die sieben Mächte, welche den Pariser Frieden geschlossen,

vereinigten sich, für den Fall künftiger Kriege, über die Declaration vom 16. April 1856 (No. I) in Betreff des Seerechts und forderten in Folge derselben diejenigen Staaten, welche an dem Congress nicht theilgenommen, zur bindenden Anerkennung der als untheilbares Ganzes bezeichneten vier Grundsätze der Declaration förmlich und feierlich auf (No. II). Ihren Beitritt erklärten der deutsche Bund und die einzelnen deutschen Staaten; Belgien, Dänemark, Griechenland, Niederlande, Parma, Portugal, Rom, Schweden-Norwegen, Schweiz, beide Sicilien, Toscana; Argentinische Republik, Brasilien, Chili, Ecuador, Guatemala, Haiti, Peru (No. III). Brasilien regte, indem es beitrat, den weiteren internationalen Fortschritt an, der mittlerweile von anderer Seite, jedoch als Vorbedingung der Annahme der Pariser Declaration, geltend gemacht worden war und seither den Gegenstand practischer und theoretischer Bestrebungen ausgemacht hat (No. III, Anmerkung). - Die Vereinigten Staaten von Amerika hatten nämlich unter dem 14. Juli 1856 diejenigen Regierungen, welchen die Pariser Declaration zur Annahme vorgelegt war, vor dem Beitritt gewarnt, die Unvereinbarkeit jener Declaration mit bestehenden Verträgen hervorgehoben und insbesondere zu erkennen gegeben, dass Handelsstaaten, welche die Lasten einer starken Marine nicht tragen noch tragen wollen, das unbestrittne Recht der Kaperei, das Graf Walewski am 8. April 1856 in der 22. Sitzung des Congresses als piraterie organisée" bezeichnet, nicht zu entbehren vermögen es müsse denn ein Schritt weiter gegangen, auch das Prisenrecht der Kriegsschiffe aufgehoben, somit alles Privateigenthum zur See in Kriegszeiten für unverletzlich erklärt werden (No. IV). Vierzehn Tage später fanden die hier angedeuteten Ideen eine eingehende Ausführung in der berühmten Circular-Note des Staatssecretair des Auswärtigen an die zu Washington beglaubigten Gesandten Frankreichs,

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Oesterreichs, Preussens, Russlands und Sardiniens, die man gewöhnlich „die Note Marcy's an Sartiges" nennt, vom 28. Juli 1856 (No. V). *) Die Note wendet sich zunächst gegen die Vereinbarung der sieben Mächte, wonach die vier Punkte ein unzertrennbares Ganzes bilden sollen, sodann dagegen, dass künftig ein Staat, welcher die Pariser Declaration unterzeichnet. oder ihr beigetreten, keinen Vertrag in Betreff der Rechte der Neutralen eingehen dürfe, der nicht die gesammten vier Punkte der Declaration zur Grundlage hat. Darauf billigt die Note den zweiten und dritten Satz, welcher die alte Ansicht der Vereinigten Staaten wiedergibt, **) wie sie noch neuerdings in den Verträgen derselben mit Russland vom 22. Juli 1854, mit Beiden Sicilien vom 13. Januar 1855 (Art. 1) Ausdruck gefunden und den Gegenstand von Verhandlungen bilde, denen nun die Pariser Declaration in den Weg getreten sei, bezeichnet den vierten Satz als nichtssagend und werthlos und wendet sich gegen den ersten Satz von der Abschaffung der Kaperei. Diese wird in ausführlicher Weise als vollkommen berechtigt, als unbestritten, als gebilligt von Staatenpraxis und öffentlicher Meinung, als wesentlich für die Freiheit der Meere nachgewiesen. Die Note bedauert, dass die allgemeine Anerkennung des von den Vereinigten Staaten von jeher vertretenen zweiten und dritten Satzes gefährdet sei durch die Verbindung mit jenem andern unannehmbaren Prinzip, dass die Verwerfung dieses einen das Scheitern aller zur nothwendigen Folge haben solle. Gegen die drei letzten Sätze würde von keiner Seite ein Einwand erhoben worden sein; gegen den ersten wäre ein energischer Widerstand (vigorous resistance) zu gewärti gen gewesen. Die Declaration führe nicht Gründe an für die Abschaffung der Kaperei; es gezieme sich aber zu vermuthen, dass der leitende Gedanke gewesen sei, Privat-Eigenthumn zur See in Kriegszeiten auf gleiche Weise sicher zu stellen, wie das Privat-Eigenthum zu Lande. Dieser Gedanke würde jedoch, wie schon die Präsidenten-Botschaft vom 4. December 1854, Preussen gegenüber ***) ausgeführt, nicht durch die Aufhebung der Kaperei allein, sondern nur dadurch verwirklicht, dass auch das Prisenrecht der Kriegsschiffe aufhöre und die volle Immunität des Privat-Eigenthums zur See in Kriegszeiten Anerkennung finde. Die Vereinigten Staaten betrachteu mächtige stehende Heere zu Land und See als verderblich für den Nationalwohlstand, als gefahrbringend für die bürgerliche Freiheit. Daher können sie keinen völkerrechtlichen Grundsatz annehmen, der sie entweder nöthigt, ihre tradi

*) Den Gesandten Frankreichs, Preussens und Russlands in Washington übergeben am

6. August 1856: so berichtete der Bremische Minister-Resident, Washington den 7. Aug. 1856. **) „A doctrine which, from the very commencement of our being, has been a cherished idea of the statesmen of this country". Botschaft des Präsidenten der Vereinigten Staaten, Herrn Pierce, vom 4. December 1854. (LVI, 7.)

***) Dem Vorschlag der Vereinigten Staaten, einen Vertrag in Betreff der Rechte der Neutralen (wie mit Russland 22. Juli 1854) abzuschliessen, hatte Preussen sich geneigt gezeigt, aber den Antrag gestellt, vertragsmässig der Kaperei zu entsagen. Hierauf erfolgte die obige Erwiederung.

tionelle Politik zu verlassen und ein Militärstaat zu werden, oder der sie wehrlos macht gegenüber den grossen Seemächten. Letztere könnten leicht darein willigen, der Kaperei zu entsagen, falls die Staaten, welche keine gewaltigen Flotten besitzen, ein Gleiches thäten; denn sie würden dadurch ihr Uebergewicht zur See erhöhen, sie gewönnen die Herrschaft der Meere, die das Gemeingut aller Nationen sind. Die Freiheit des Meeres schliesse solche Herrschaft aus. Befestigt aber werde diese Freiheit durch die Immunität alles Privat-Eigenthums in Seekriegen. Daher stelle der Präsident den Antrag, den ersten Satz der Declaration mit folgendem Zusatz zu versehen: „Und soll das Privat-Eigenthum von Unterthanen oder Bürgern eines kriegführenden Staats auf hoher See der Wegnahme durch Kriegsschiffe des andern kriegführenden Theils nicht unterliegen, mit einziger Ausnahme von Kriegs-Contrebande." Mit dieser Aenderung seien die Vereinigten Staaten bereit, den ersten Satz und somit den ganzen Inhalt der Declaration anzunehmen. Werde dagegen dieses Amendement verworfen, so würden die Vereinigten Staaten den ersten Satz ablehnen, den übrigen drei Grundsätzen beipflichten.

Neue Verhandlungen schienen folgen zu sollen. Einstweilen aber gehörten der grossen Staatengemeinschaft, in welcher die Pariser Declaration als internationales Recht galt, weder die Vereinigten Staaten, noch Mexico, noch Spanien an.

Für die innere Begründung des Amerikanischen Verlangens darf angeführt werden, dass zwei Monate vor dem Marcy'schen Amendement im Englischen Oberhause, am 22. Mai 1856, Earl Clarendon hervorhob, England gewinne durch die Untersagung der Kaperei mehr, als es durch den Satz frei Schiff, frei Gut" aufgebe, und dass ebenda Lord Derby bemerkte, die Consequenz der Pariser Erklärung müsse mit Nothwendigkeit dahin führen, überhaupt alles Privat-Eigenthum zur See wie zu Lande zu respectiren und die Kauffahrer in Kriegszeiten unbehindert ihren Lauf zwischen den Kriegsschiffen nehmen zu lassen.

Dieser Grundsatz der Freiheit alles Privat-Eigenthums zur See in Kriegszeiten, theoretisch gegen die Mitte des vorigen Jahrhunderts von dem Abt Bonnot de Mably behauptet *), dann von dem Geistlichen Galiani nur eben angedeutet **), fand die erste officielle Anerkennung im Artikel 23 des Vertrages zwischen Preussen und den Vereinigten Staaten, welchen im Jahre 1785 Friedrich der Grosse mit Franklin abschloss. ***)

*) Droit public de l'Europe fondé sur les traités, 2me édition, 1748, t II, p. 310. **) De' doveri de' principi neutrali verso i principi guerregianti e di questi verso i neutrali 1782, capo X, § 2 del corseggiare, p. 429-436, p. 277. Anm. Vergl. auch Linguet, Annales politiques t. V, p. 505.

***) Martens Recueil des Traités t. IV, p. 47. Die Erneuerung des Vertrags im Jahre 1799 statuirt nur die Immunität des Privat-Eigenthums zu Lande; Art. 23, vgl. Martens a. O., t. VI, 689. Der fernere Vertrag zwischen Preussen und den Vereinigten Staaten vom 1. Mai 1828 bekräftigt die Art. 13-24 des Vertrags von 1799 und erneuert von dem Vertrage des Jah

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