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eine Anekdote vor, die Athenaeus p. 520 von den Pferden der Sybariten erzählt1). Man hat vom Fandango, sagt W. Grimm, eine ähnliche Erzählung; Papst und Kardinäle, die ihn verdammen wollen, müssen ihn anheben und freisprechen.

Wir wenden uns nun zur Betrachtung der einzelnen Aufzeichnungen des Märchens.

1) Das Gedicht "The Friar and the Boy' und die daraus abgeleiteten Schwänke (A-E).

A) Englisches Gedicht The Friar and the Boy in sechszeiligen Strophen mit der Reimstellung aabccb. Anfang God, that deyde ffor vs all. Die Recension der im 15. Jahrhundert entstandenen Cambridger Handschrift (Ms. More Ee 4. 35) ist im Dialekt von Shropshire geschrieben und enthält 87 Strophen. Der älteste Druck W. de Wordes, der sonst einen besseren und vollständigeren Text bietet, hat einen kürzeren Schluss, nämlich statt Str. 74-87 30 Verse (451-480) in sechs- und vierzeiligen Abschnitten. Über zwei weitere Handschriften, die F. Madden (Syr Gawayne 1839 p. LXIV) erwähnt, Oxford, Ms. Rawlinson C 86, Bl. 52-58 und Ms. Porkington 10, Bl. 139, fehlt genauere Kunde. Eine vierte, Cotton Ms. Vitellius D XII, ist durch Brand zerstört. Drucke: a) Here Begyneth a Mery Geste of the Frere and the Boye. [Holzschnitt wie in B 1 und 2: Mönch im Busch und flötender Knabe. Drei jüngere Nachbildungen bei Ashton, Chap-books p. 237. 238 und 242]. 7 Bl. 4°o. Am Schlusse Thus endeth the Frere and ye Boye. Enprynted at London in Flete strete at the sygne of the sonne by Wynkyn de Worde (also vor 1535 gedruckt. Cambridge, Public Library). b) London, E. Alde c. 1585. 4o. (Oxford). c) ebd. 1617. 12o.

1) E. Rohde, Der griech. Roman S. 264. Vgl. F. Liebrecht, Zur Volkskunde (1879) S. 110 f. Ein andres Beispiel der Einwirkung des Athenaeus auf die Litteratur des 15.-16. Jahrh. bespricht O..Crusius im Hermes XXV, 469 (1891).

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d) London, Jane Bell 1655. 8o. e) o. O. 1698. 18°. Nach Collier, Extracts from the Registers of the Stationers' Company I, 200 existierten auch Drucke von John Wally 1557—8, John Alde 1568-9 und Edward White 1586-7. Eine spätere Umarbeitung um 1680 in derselben Strophe beginnt There dwelt a man in my countrie (Pepys Collection Nr. 358. Auch ein jüngerer Dubliner Druck). In einer weiteren Umformung zu dem gewöhnlichen achtzeiligen Balladenmetrum (printed in Aldermary Church-yard und öfter; vgl. J. Ashton, Chapbooks of the 18. Century (1882) p. 237-244. Liebrecht, Zur Volkskunde (1879) S. 484. Halliwell, Popular English Histories (1848) p. 51) mit dem Anfange An honest man in Lancashire und dem Titel The Merry Piper, or the Friar and his Boy ist ein zweiter Teil hinzugefügt, in dem Jack drei neue Wundergaben empfängt. - Einen Neudruck nach der Cambridger Handschrift lieferte Thomas Wright, The Tale of The Basyn and The Frere and the Boy (London, Pickering 1836) kl. 80. Die Ausgabe W. de Wordes ist wiederholt von J. Ritson, Pieces of Ancient Popular Poetry (London 1791 und 1833) p. 35 und von W. C. Hazlitt, Remains of the Early Popular Poetry of England III, 51-81 (1866). Den von Liebrecht, Göttinger gel. Anz. 1868, 1917 citierten Abdruck (507 Verse) in Percy's Folio-Manuscript ed. by Hales and Furnivall IV, 9 (1868) habe ich nicht gesehen. Inhalt. Der kleine Jack wird von seiner bösen Stiefmutter arg gehasst. Da ihr Mann ihn nicht ganz aus dem Hause stossen will, bringt sie es dahin, dass Jack das Vieh hüten muss, und giebt ihm nur verdorbene Speise mit. Ein alter Mann, dem er von seinem Essen mitteilt, verspricht ihm zum Lohne drei Wünsche zu erfüllen; als er nun einen Bogen und eine Pfeife begehrt, schenkt ihm der Alte einen nie fehlenden Bogen und eine Pfeife, durch die er jedermann zum Tanze zwingen kann, und gewährt auch Jacks dritten Wunsch, dass die Stiefmutter bei jedem Scheltworte gegen ihn noch ein andres Geräusch, das die gute Sitte verbietet, von sich geben soll. Als dies daheim am Abend zu allgemeinem Gelächter wirklich geschieht, sendet die Stiefmutter am andern Tage den Mönch Tobias, der Jack abstrafen soll, aufs Feld. Jack aber fordert diesen auf, einen von ihm geschossenen

Vogel aus dem Gebüsche zu holen, und spielt ihm dann zum Tanze auf. Blutig geschunden und ergrimmt, kehrt der Mönch ins Haus zurück. Abends stellt der Vater Jack zur Rede, erfreut sich aber an den Wirkungen der wunderbaren Pfeife so, dass er nicht daran denkt, ihn zu strafen. Auch der Official, der Vertreter des Bischofs, vor dessen Gericht am nächsten Freitage Stiefmutter und Mönch ihre Klage wegen Zauberei anbringen, will die Pfeife hören und muss so lange tanzen, bis er Jack ungeschädigt zu entlassen gelobt. Wie die zahlreichen Drucke und die von Hazlitt gesammelten Anspielungen in andern Werken ergeben, war dieser Schwank in England ausserordentlich beliebt. Einen Nachklang finden wir noch in einem schon 1729 angeführten Kinderliede von Toms Dudelsack, der ein Milchmädchen, eine Eierfrau und einen Packesel tanzen lässt, bei Halliwell, The Nursery Rhymes of England 3. ed. 1844 S. 60 Nr. 106 Tom he was a piper's son. Ebenso in dem Volksbuche The History of Jack Horner, containing the Witty Pranks he played from his Youth to his Riper Year (Halliwell, Descriptive Notices of Popular English Histories [1848] S. 52 und Ashton [1882] S. 245) Ch. 6. Hier zaubert Jack, um dem verschuldeten Gastwirt zu helfen, bei Nacht die Wirtin, ihren Buhlen, einen reichen Quäker, und ihre Magd an dem Chamber-pot fest und führt sie nach seiner Wunderpfeife tanzend in den Wald, wo der Quäker sich vom Gastwirte loskaufen muss. Benutzt ist dabei ausserdem das Gedicht The Basyn (bei Wright 1836; bei Hazlitt, Remains III, 42) und eine Stelle aus der History of Friar Bacon (W. J. Thoms, Early English Prose Romances [1858] I, 223), wo Bacons Diener Miles mit Pfeife und Trommel, wie Ariel in Shaksperes Sommernachtstraum, mehrere Diebe zu tanzen nötigt und durch Felder und Gräben führt, bis sie erschöpft niedersinken. In einem nordenglischen Märchen ist nach Hazlitt, Remains III, 56 der alte Schwank vom Mönche (wie auch unten in J, N, Q) auf einen Juden übertragen.

B1) Niederländisches Gedicht in Reimpaaren: I Vande Jongen ge- heeten Jacke: die sijns | Vaders beesten wachte int velt, ende vande | brueder dye daer quam om Jacke te | castien. | [Holzschnitt wie in A: Jack sitzt flötend, einen Bogen zu seinen

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Füssen, inmitten seiner Schafe, ihm gegenüber steht ein Mönch mit ausgebreiteten Armen in Buschwerk.] 2 Bogen 4o (Brüssel). Auf Bl. B4b steht Gheprent Tantwerpen Bi. M. H. Int iaer van . xxviij. Der Druck ist also 1528 von Michel Hillen hergestellt, der um 1480 zu Hoogstraten geboren ward, 1508 in Antwerpen das Bürgerrecht erwarb und 1558 dort starb. Vgl. G. van Havre, Marques typographiques des Imprimeurs Anversois I, 213 (1883). Das Büchlein wurde, worauf mich F. van Duyse in Gent freundlichst aufmerksam machte, 1876 von dem Buchhändler Olivier in Brüssel für 800 Francs ausgeboten und, wie mir später die Königliche Bibliothek in Brüssel auf eine Anfrage mitteilte, von derselben erworben. Der ausserordentlichen Güte des Conservateur en Chef, Herrn Fétis, verdanke ich es, dass ich den kostbaren Band in Berlin benutzen konnte. Ein Abdruck des darin enthaltenen, 435 Verse umfassenden Gedichtes folgt unten als Text I nebst den Varianten von B2. Ich habe die wenigen Abkürzungen aufgelöst und die Interpunktion hinzugefügt. Da das Gedicht mit der bei Hazlitt abgedruckten Fassung von A übereinstimmt, kann man zunächst zweifeln, ob die englische oder die niederländische Dichtung das Original sei, besonders da verschiedene nld. Werke seit dem Ende des 15. Jahrhunderts in England Aufnahme fanden. Schon 1481 übersetzte Caxton den Reynard the Foxe (Neudruck von E. Arber 1878) nach der Goudaer Prosaauflösung des nld. Reinaert von 1479. Jan Duisborowghe in Antwerpen gab um 1510 den Parson of Kalenborouw nach einer nd. (oder nld.) Vorlage1), um 1517 das nld. Drama Marieken von Nijmegen (ed. J. van Vloten, 's Gravenhage 1854), 1518 die nach Boccaccios Decam. 2, 9 bearbeitete Novelle2) Van heer Frederick van Jenuen in englischer Sprache heraus3). Die vielbewunderte Moralität Everyman ist, wie Kalff4) nachweist, eine Übersetzung des wahrscheinlich von Petrus Dorlandus um 1495 verfassten nld.

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1) E. Schröder, Niederdeutsches Jahrbuch XIII, 129.

2) Kalff, Geschiedenis der nld. Letterkunde in de 16. Eeuw I, 387 (1889) und Tijdschrift voor nld. Taal- en Letterk. V. 72.

3) Die Titel bei Lowndes, Bibliographer's Manual p. 1498. 837.

4) Tijdschrift IX, 12. Den Text des Elckerlijck hat H. Logeman in Gent soeben neu herausgegeben und die Person des Dichters festgestellt,

Schauspiels Elckerlijck. Der Wiedertäufer Hendrick Niclaes fand für seine zahlreichen Traktate und Dichtungen ebenso wie der grosse Satiriker Philipp Marnix englische Übersetzer 1); um 1550 legte William Copland die um 1525 gedruckte Antwerpener Bearbeitung des Ulenspiegel seinem englischen Howleglass zu Grunde 2); auch das deutsche Volksbuch von Fortunat wurde von Thomas Churchyard († 1604) aus dem Holländischen ins Englische übertragen3). Dagegen liegt aus dem 16. Jahrhundert nur ein englisches Werk in niederländischer Übersetzung vor: Vanden tien Esels, Antwerpen 15584). Trotzdem spricht eine Vergleichung der Texte A und B1 entschieden für die Priorität von A. Hier ist die metrische Form kunstvoller, die Diktion knapper, der Dialog rascher und lebendiger. In B sind die Verse zwar geringer an Zahl, aber zugleich bedeutend länger; der Niederländer wird oft breit, so im Prologe, verwendet mehr Pathos bei der Ausmalung des Details, doch auch mehr müssiges Flickwerk. Man vergleiche die Schilderung des Sonnenuntergangs B 135 mit der kurzen Bemerkung A 133 Than drewe it towarde the night. Die Wechselrede ist in B öfter vereinfacht; vgl. B 179–195 mit A 193-204, B 339 mit A 391, B 371 mit A 424. Weggelassen sind in B alle Anrufungen der Maria; so A 304 By our lady, 320. 454 Mary, god forbede, 468 Mary milde, auch 191 by Saynt John. Ebenso das Citat des Liedes Away the mare in A 50. Für A 438 In all Orlyaunce ist in B 375 Montpellier eingesetzt. Ob Anglicismen oder Missverständnisse in B vorkommen, .mögen andere untersuchen; ich mache nur auf A 270 harneys (= mem

1) Van der Aa, Biographisch Woordenboek der Nederlanden XIII, 177. XII, 264 und Lowndes p. 1678. 1480.

2) C. H. Herford, Literary Relations of England and Germany in the 16. Century (1886) p. 285.

3) Lowndes p. 823. Ebenso mag es beim Faustbuche (Thoms, Early Engl. Prose Rom. (1858) III, 151) hergegangen sein. Das Verhältnis der engl. Ballade Morelles skine (Hazlitt, Remains IV, 179) zu der nld. Posse Moorkens vel (Kalff, Geschiedenis I, 291) bleibt noch zu untersuchen.

4) Kalff, Geschiedenis II, 158. Vgl. etwa Lydgates Order of Fools (ed. Furnivall 1869. EETS. Extra Ser. VIII, 79) und The XXV. Orders of Fooles in A Collection of 79 Black-Letter-Ballads and Broadsides (London 1867) p. 88,

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