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an deren Spize Joh. Brenz und Erhard Schnepf stan den 38), Gegner. Luther selbst trat 1526 zuerst in einer Vor: rede gegen die Schweizer auf 39), und so entbrannte ein Kampf, der die beiderseitigen Reformatoren, die durch gleiches Ziel und gleiche Gefahren auf das innigste håtten ver eint werden sollen, auf das bitterste einander verfeindete. Die Schweizerische Abendmalslehre fand auch außerhalb der Schweiz 40), besonders in Süddeutschland, namentlich in Strasburg 41) und Ulm 42) Anhang: da nichtsdestoweniger diese Kirchen mit der sächsischen in Verbindung blieben, so mußten sie eine zweydeutige Haltung annehmen.

Indeß am meisten schadeten der Reformation in dem of fentlichen Urtheile die ebenfalls in dieser Zeit ausbrechenden wiedertduferischen Unruhen und der Bauernkrieg

vetustissimos auctores expositione lib. 1523. 8. (auch in Pfaffi acta et scripta publ. Eccl. Wirtembergicae p. 41). Er sucht den Tropus in corpus: Hoc est figura corporis mei. 38) Clarissimorum virorum, qui anno 1525 Halae Suevorum convenerunt, syngramma et pium et eruditum super verbis coenae dominicae ad Jo. Oecolampadium dd. 21. Oct. 1525, gewöhnlich Syngramma Suevicum genannt (von Brenz abgefaßt s. Walch XX Hist. Einleit. S. 34), auch bey Pfaff 1. c. p. 153.

39) Vor Agricola 's deutscher Uebersehung des schwäbischen Syngram: f. die Vorrede b. Walch XX, 721.

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40) so in Ostfriesland, wo Georg Aportanus, der erste evange lische Prediger in Emden, sich alsbald derselben zuwendete, f. Git termann in Vaters Kirchenhist. Archiv 1824. III, 36. 43.

41) f. not. 29.

42) wo Conrad Sam (f. §. 1. not. 115) sich für Zwingli erklärte, s. Weyermann die Bürger in Ulm, der Zwinglischen Confession zugethan, in Steudel's Tübinger Zeitschrift für Theologie 1830 I, 142.

Die ersten Anfänge von jenen sind in den Zwickauer Unruhen von 1521 zu suchen. Thomas Münzer 43), der als Pfarrer in Zwickau sehr bey denselben betheiligt, und deshalb abgeseht war, hatte sich nach einem vergeblichen Versuche, unter den Böhmen Anhang zu gewinnen 44), nach Altstädt in Thüringen gewendet, um dort die Wittenbergischen Anfånge weit zurücklassend, in Gleichheit und Gütergemeinschaft das Reich Gottes auf Erden zu gründen, und die Fürsten nöthigenfalls mit Gewalt zur Nachgiebigkeit zu zwingen 45). Als

43) Historie Thomae Münzers von Phil. Melanchthon (Luthers Werke von Walch XVI, 199). Leben, Schriften u. Lehren Thomae Müngers von G. Th. Strobel. Nürnb. u. Altdorf 1795. 8. Thomas Münzer von L. v. Baczko, in Woltmanns Zeitschrift, Geschichte u. Politik 1840. II, 1. Haft Gesch. der Wiedertäufer Münster 1836. S. 58. Weltere mystische Schriften, namentlich des Ubtes Joachim Weissagungen und Taulers Schriften, hatten auf ihn stark eingewirkt, Strobel S. 7 ff. Ein Zeitgenosse schreibt von ihm (Tengels hist. Bericht v. Cyprian II, 334): "Durch diese Taulers Lehr vom Geist und Grunde der Seel, nit wohl verstanden, ist verführt Thomas Münzer und sein Anhang, denn er ihn stets las..

44) f. in Prag angeschlagene Intimatio f. b. Strobel S. 19, 45) Characteristisch für seine Lehre ist die Verachtung des geschriebenen Wortes Gottes, des todten Buchstabens: der Mensch muß das ewige Wort des Vaters von innen reden hören, Gott spricht sein heiliges Wort, das ist seinen eingebornen Sohn, ein in das inwendige der Seele: die Menschen werden durch diese Menschwerdung Christi unmittelbar von Gott ganz vergöttert, und annoch in diesem Leben gleichsam in den Himmel versezt. Dagegen eifert er ge= gen den bloßen Mundglauben und das Vertrauen auf die äußerliche Taufe: der Glaube wird nicht allein denen, die mit Wasser begos= sen sind, gegeben, Strobel S. 43. 154. 159. Bullinger giebt in seiner Wiedertäufergeschichte (Füßli's Beyträge V, 136) Münzers Lehre also an: "Alle Prediger, die zur selbigen Zeit das Evangelium predigten, wären nicht von Gott gesandt, predigten auch

die Unruhen immer bedenklicher wurden, mußte Münzer 1524 Altstådt verlassen 46), und begab sich über Nürnberg nach Waldshut an der Grånze der Schweiz, wo er bereits durch Briefwechsel Verbindungen angeknüpft hatte 47).

Auch in der

nicht das wahre göttliche Wort, sondern wären nur Schriftgelehrten, und predigten den todten Buchstaben der Schrift. Die Schrift und das äußerliche Wort wären nicht das rechte wahre Wort Gottes, denn dasselbige wäre innerlich und himmlisch, und ging ohne alle Mittel von und aus dem Munde Gottes. Durch dasselbige müßte man innerlich berichtet werden, und nicht durch die Schrift und Predigt. Also achtete er auch die Wassertaufe gering, ja er hielt darfür, die Kindertaufe wär nicht aus Gott, darum müßte man mit einem geistlichen und rechteren Tauf wiedertaufen, wiewol er noch zur selbigen Zeit, als dem Anfange seiner Wiedertaufe, nicht selbst soll wiedergetauft haben, daran er etwan verhindert worden: also daß seine Jünger vor ihm anhoben wiederzutaufen. Et ward auch zuvor mit seinem eigenen Blut getauft, das ist getödtet. Er lehrete auch, es wär erlogen, daß Christus vor uns genugge than hätte, wie die zarten Schriftgelehrten sagten, Die Ehe und das eheliche Bett der Unglaubigen und Fleischlichen wär kein unbe fleckt Bett, sondern ein Hurenbett und teuflisches Hurenhaus. Er lehrete, Gott eröfnete seinen Willen durch Träume, und hielt selbst viel auf Träumen, und gab es denn dar, als ob es des heil. Geis stes Eingebung wär. Daher wurde er und die Seinigen genannt die himmlischen Propheten, und Spirituosen, oder Geistler.“ Er errichtete in Altstädt ein Bündniß zur Errichtung des Reiches Gottes auf Erden, zerstörte einen benachbarten Wallfahrtsort, und forderte die Fürsten auf, ihm beyzutreten, wenn ihnen nicht das Schwert genommen werde solle, Strobel S. 45. 46. 51. 46) Darauf gab Münzer seine Schmähschrift gegen Luther in Nürnberg heraus: "Hochverursachte Schußrede und Antwort wider das geistlose sanftlebende Fleisch zu Wittenberg, welches mit erklärter Beyße durch den Diepstal der heil. Schrift die erbermdliche Christenheit also ganz jämerlichen besudelt hat." 4. Strobel S. 64. 162. 47) namentlich mit Conrad Grebel. Ueber dessen Brief an Münzer in Altstädt v. 5ten Sept. 1524 s. Zwinglis Werke II, 1, 374.

Schweiz waren Mehrere, welche nach einer rascheren und durchgreifenderen Reformation der Kirche verlangten 48), und insbesondere die Kindertaufe, welche auch Zwingli'n eine Zeitlang Bedenken machte, für verwerflich hielten 49). An diesen Berührungspunct knüpfte nun Münzer seine übrigen schwärmerischen Lehren, Waldshut wurde der Vereinigungspunct von Echwärmern 50), welche von hier aus bald die Schweiz über

Mit sol

48) So besonders Grebet, Zwingli's Werke II, I, 373. chen Forderungen traten auf dem zweyten Züricher Gespräch d. 26ten Oct. 1523 schon Conrad Grebel, Simon Stumpf, u. Balthasar Hub meyer auf, s. die Acten in Zwingli's Werken I, 528. 530. Wirz II, 163. Alle diese, und auch die fanatischen Bilderstürmer, Niclas Hottinger u. 2. (§. 2. not. 74) wurden nachher Wiedertäufer. Das Dorf Zollikon, wo schon Pfingsten 1524 Bilder und Altäre in der Kirche zerschlagen waren (Füßli II, 58), wurde nachmals ein Hauptsig der Wiedertäufer.

daß

49) Hubmeyer warf Zwinglin vor, daß er 1523 in einem Gespräche mit ihm auch die Kindertaufe verworfen habe, s. Füßli's Beyträge 1, 252. Anm. In s. Uslegung der Schlußreden Art. XVIII (Werke I, 239) sagt Zwingli wirklich: "Wie wol ich weiß, man von Alter har die Kind etwan getouft hat, ist es doch nit also gemein gsyn als zu unsern Zyten, funder man hat sy offenlich mit einandren gelehrt das Wort des Heils. Und so sy dem fe=

sten Glouben im Herzen gegeben habend, und mit dem Mund verjähet, hat man sy getouft." Zwingli gesteht auch 1525 in der Schrift "Vom Touf, vom Wiedertouf und vom Kindertouf» (Werke II, I, 245): "der Irrthum hat ouch mich vor etwas Jahren verführt, daß ich meinte, es wäre vil wäger, man toufte die Kindli erst, so sy zu gutem Alter kommen wärend.” Wilhelm Röubli, Pfarrer in Wytykon, wurde schon im August 1524, weil er in seinen Predigten die Kindertaufe verworfen hatte, gefänglich einges zogen (Füßli II, 64).

50) Die Empfänglichkeit für die Schwärmerey wurde damals in Waldshut noch durch äußern Druck verstärkt. Diese Stadt hatte nämlich den Balthasar Hubmeyer gegen den Willen der öftreichischen

strömten. Unglücklicherweise bereitete sich gerade damals der große Bauernaufstand 51) im südlichen Deutschlande \ vor, und gab den Wiedertäufern zu gewaltthätigem Verfahren Ermuthigung.

Schon vor der Reformation hatte harter Druck die Bauern mehreremal zu Empörungen gebracht 52). Die Verweige

Regierung zum Prediger berufen: und als die Leştere denselben mit Gewalt entfernen wollte, riefen die Waldshuter die reformirten Schweizer dem bedroheten Evangelio zu Hülfe, und viele Züricher zogen dorthin troz des Verbotes des Rathes. Bullinger I, 223. Müller-Hottinger VII, 10. Hier bildete sich also ein zahlreicher und empfänglicher Hörerkreis für Münzers Evangelium vom freyen Geiste: Wiedertaufe war Münzern Nebensache (s. Bullinger not. 45), und entwickelte sich erst in diesem Kreise als Partheyzeichen.

51) Schriftenverzeichniß in Strobels Beyträgen zur Literatur II, 43. Bef. Petri Gnodalii seditio repentina vulgi, praecipue rusticorum anno 1525 exorta. Basil. 1580. 8. auch in Schardii Scriptt. rer. Germ. II, 1031. 6. Sartorius Gesch. des deut schen Bauernkrieges. Berlin 1795. 8. Materialien zur Gesch. des Bauernkriegs, 3 Lieferungen. Chemnig 1791-94. F. F. Dechsle Beiträge zur Gesch. des Bauernkrieges in den schwäbisch - fränkischen Grenzlanden. Heilbronn 1830. B. Wachsmuth der deutsche Bauernkrieg, in dess. Darstellungen aus der Gesch. des Reformations - Zeitalters Th. 1. Lief. 1. Leipzig 1834. 8. Das Breisgau im Bauernkriege, in Schreibers Taschenbuch f. Geschichte u. Alterthum in Süddeutschland. Freiburg 1839. S. 233. Ranke's deutsche Gesch. im Zeitalter d. Ref. II, 182.

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52) Dechsle S. 74 ff. Wachsmuth's Aufstände und Kriege der Bauern im Mittelalter, in Raumer's hift. Taschenbuch. Jahrg. 5. 1834. S. 281. Ranke's deutsche Gesch. im Zeitalter der Reform. I, 214. Im J. 1476 im Würzburgischen, 1492 die Bauern des Abts zu Kempten und in den Niederlanden, 1493 im Elsaß, seit 1502 der Bundschuh im Bisthum Speyer, 1513 der arme Konz in

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