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bar bliebe, da bei dem Obergericht (§ 5 der Verordnung) eine Verminderung der Zahl von vier Beisißern unter keinen Umständen gestattet ist, die Personen aber, welche in erster Instanz als Beisitzer mitgewirkt haben, von der Mitwirkung in der Berufungsinstanz ausgeschlossen sind.

3. In Schwurgerichtssachen muß der Angeklagte sowohl in der ersten, als in der zweiten Instanz einen Vertheidiger haben (Strafprozeßordnung § 140 Absatz 1, Verordnung vom 2. Juli 1888 § 14 Absatz 4). In diesen Sachen und ebenso in den Fällen, in welchen nach § 140 Absatz 2 der Strafprozeßordnung die Vertheidigung eine nothwendige ist, ist dem Beschuldigten, welcher einen Vertheidiger noch nicht gewählt hat, ein solcher von Amtswegen zu bestellen, sobald das Hauptverfahren eröffnet wird. Beim Mangel geeigneter, zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft zugelassener Personen ist als Vertheidiger ein anderer achtbarer Gerichtseingesessener zu bestellen.

4. Auf das Strafverfahren in der Berufungsinstanz finden, soweit nicht in den SS 36 bis 40 des Geseßes über die Konsulargerichtsbarkeit und in den §§ 5 und 14 der Verordnung vom 2. Juli 1888 etwas Anderes bestimmt ist, die Vorschriften des dritten Abschnitts im dritten Buche der Strafprozeßordnung Anwendung. Da die Mitwirkung einer Staatsanwaltschaft nicht stattfindet, so erfolgt im Falle der Einlegung der Berufung die Uebersendung der Akten (Strafprozeßordnung § 362, Geseß über die Nonjulargerichtsbarkeit § 39) unmittelbar an das Obergericht.

5. Soweit nach der Vorschrift des § 420 der Strafprozeßordnung vor Erhebung der Privatklage wegen Beleidigungen nachgewiesen werden muß, daß die Sühne erfolglos versucht worden, ist für diesen Vergleichsversuch der zur Ausübung der Gerichtsbarkeit ermächtigte Beamte zuständig. Derselbe kann mit der Vornahme solcher Versuche andere Personen allgemein oder im einzelnen Falle beauftragen.

Erscheint der Beschuldigte in dem zur Sühneverhandlung bestimmten Termine nicht, so wird angenommen, daß er sich auf die Sühneverhandlung nicht einlassen wolle. Eine Bescheinigung über die Erfolglosigkeit der Sühneverhandlung kann nur ertheilt werden, wenn der Antragsteller im Termine erschienen ist. Kommt im Termin ein Vergleich zu Stande, so ist derselbe zu Protokoll festzustellen.

$ 9. Kostenwesen.

(3u § 16 der Verordnung vom 2. Juli 1888.)

1. In den Rechtssachen, auf welche die Civilprozeßordnung, die Konkursordnung oder die Strafprozeßordnung Anwendung finden, werden die wirklich aufgewendeten Auslagen erhoben. Die Gebühren der Zeugen und Sachverständigen sowie die Tagegelder und Reisekosten der Gerichtsbeamten werden. in jedem einzelnen Falle unter Berücksichtigung der Umstände desselben fest= gesetzt.

Außerdem werden in den bezeichneten Rechtssachen Gebühren nach Maßgabe des angehängten Tarifs erhoben.

Bei jedem Antrag auf Vornahme einer Handlung, mit welcher baare Auslagen verbunden sind, kann, in Straffachen jedoch nur, soweit es sich um

das Verfahren auf erhobene Privatklage handelt, dem Antragsteller die Zahlung eines zur Deckung der Auslagen erforderlichen Vorschusses auferlegt werden. Die Ausführung der Zwangsvollstreckung (§ 7 Nr. 7 dieser Anweisung) kann in allen Fällen von der vorgängigen Zahlung eines solchen Vorschusses abhängig gemacht werden.

In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten und in Privatklagesachen kann, insoweit es sich um ein gebührenpflichtiges Verfahren handelt, der Antragsteller zur Zahlung eines entsprechenden Gebührenvorschusses verpflichtet werden.

Schuldner der entstandenen Auslagen und Gebühren ist derjenige, welchem durch gerichtliche Entscheidung die Kosten des Verfahrens auferlegt find, oder welcher dieselben durch eine vor der Gerichtsbehörde abgegebene oder derselben mitgetheilte Erklärung übernommen hat. In Ermangelung eines anderen Schuldners ist derjenige, welcher das Verfahren beantragt hat, Schuldner der entstandenen Auslagen und Gebühren. Die Verpflichtung zur Zahlung vorzuschießender Beträge (Absatz 3 und 4) bleibt bestehen, wenn auch die Kosten des Verfahrens einem Anderen auferlegt oder von einem Anderen übernommen sind.

2. In den Angelegenheiten, welche zu der streitigen Gerichtsbarkeit nicht gehören, werden vorbehaltlich der Vorschriften in den folgenden Abfäßen Kosten nur nach Maßgabe der Bestimmungen des Geseßes, betreffend die Gebühren und Kosten bei den Konsulaten des Deutschen Reichs, vom 1. Juli 1872 (Reichs-Gesetzbl. S. 245) erhoben.

Bei Vormundschaften, mit Ausnahme der geseßlichen Vormundschaft, ist von dem Kapitalbetrag des Vermögens des Mündels, auf welches sich die Vormundschaft erstreckt, insofern dasselbe über 150 Mark beträgt, zu erheben: a) von je 50 Mark des Betrages bis zu 300 Mark,

b) von je 100 Mark des Mehrbetrages bis zu 600 Mark,
c) von je 150 Mark des Mehrbetrages bis zu 1500 Mark,

d) von je 300 Mark des Mehrbetrages 50 Pfennige.

3. Der Ansah der Gebühren und Auslagen erfolgt durch die Gerichtsbehörde der Instanz.

Gegen die in Kostensachen ergehenden Entscheidungen der Gerichtsbehörden erster Instanz findet Beschwerde an die Gerichtsbehörde zweiter Instanz statt.

Tarif

für die Erhebung von Gebühren in bürgerlichen Rechtsstreitig= keiten, Konkurssachen und Strafsachen.

I. Bürgerliche Rechtsstreitigkeiten.

Eine Gebühr wird erhoben:

1. für das Verfahren in erster Instanz;

2. für das Verfahren in der Berufungsinstanz;

3. für die Ausführung der Zwangsvollstreckung.

Die Erhebung der Gebühr erfolgt nach dem Werthe des Streitgegen= standes, im Falle der Nr. 3 nach dem Werthe des zur Zwangsvollstreckung stehenden Anspruchs. Für die Werthsberechnung sind die Vorschriften der Civilprozeßordnung §§ 3 bis 9 und der Konkursordnung § 136 maßgebend.

Bei nicht vermögensrechtlichen Ansprüchen wird der Werth zu 2000 Mark, ausnahmsweise niedriger oder höher, jedoch nicht unter 200 Mark und nicht über 50 000 Mark angenommen.

1. Verfahren in erster Instanz.

A. Soweit das Verfahren durch Endurtheil erledigt ist, werden erhoben:

a) von einem Streitgegenstande bis zum Betrage von 150 Mark ein-
schließlich . .
von jeder Mark 10 Pfennige,
b) von dem Mehrbetrage bis zu 1500 Mark einschließlich .
von jeder Mark 5 Pfennige,

c) von dem Mehrbetrage . . . von jeder Mark 1 Pfennig. Die im vorhergehenden Absatz bezeichneten Säße ermäßigen sich auf die Hälfte, wenn die Erledigung durch Versäumnißurtheil oder durch ein auf Grund Anerkenntnisses oder Verzichts erlassenes Urtheil erfolgt ist.

B. Soweit nach Erhebung der Klage das Verfahren in anderer Weise erledigt ist, wird die Gebühr nach dem Ermessen der Gerichtsbehörde, jedoch nicht über die in Nr. 1A, Schlußabsaß, bezeichneten Säße hinaus, bestimmt.

2. Verfahren in der Berufungsinstanz.

A. Soweit das Verfahren durch Endurtheil erledigt ist, wird die um ein Viertheil erhöhte Gebühr unter 1A erhoben.

B. Soweit nach Zustellung der Berufungsschrift das Verfahren in anderer Weise erledigt ist, findet die Vorschrift unter 1B mit der Maßgabe Anwendung, daß die Gebühr nicht die um ein Viertheil erhöhten Säße unter 1A, Schlußabsaß, übersteigen darf.

3. Ausführung der Zwangsvollstreckung.

Für das Verfahren von dem Beginn der Ausführung einer Zwangsvollstreckung (§ 7 Nr. 7 dieser Anweisung) bis zu der durch die betreffende Handlung und die aus ihr sich ergebenden weiteren Vollstreckungshandlungen zu erlangenden Befriedigung des Gläubigers wird die Gebühr unter 1A, Schlußabsaz, erhoben.

Die Gebühr wird nach dem Ermessen der Gerichtsbehörde, jedoch nicht über die Hälfte der im vorhergehenden Absaß bezeichneten Säße, bestimmt, soweit das Verfahren

a) durch Zurücknahme des Antrags oder durch Leistung an die Person, welche die Zwangsvollstreckung ausführt, erledigt oder

b) zufolge der Vorschrift des § 691 der Civilprozeßordnung eingestellt oder beschränkt und demnächst nicht fortgesezt oder

c) wegen Mangels eines geeigneten Gegenstandes ohne Erfolg geblieben ist.

II. Konkurssachen.

Für das Konkursverfahren wird erhoben:

1. wenn dasselbe auf Grund der Schlußvertheilung aufgehoben ist, die Gebühr unter I 2 A.,

2. wenn dasselbe auf Grund eines Zwangsvergleichs aufgehoben oder wenn es eingestellt ist, die Hälfte dieser Gebühr.

Die Gebühr wird nach dem Betrage der Aktivmasse erhoben. Auf die Werthsfestseßung findet der § 3 der Civilprozeßordnung entsprechende An= wendung.

III. Straffachen.

1. Für das Verfahren auf erhobene Privatklage werden in erster Instanz erhoben:

a) wenn das Verfahren vor Beginn der Hauptverhandlung
erledigt ist

b) wenn nach Beginn der Hauptverhandlung Einstellung
des Verfahrens erfolgt ist

c) wenn außer dem Falle unter b die Instanz durch Ur-
theil beendigt ist

Dieselben Säße sind für die Berufungsinstanz zu erheben.

10 Mark,

20 =

50 =

2. In anderen Strafsachen wird nach rechtskräftig erkannter Strafe eine Gebühr für das gesammte Verfahren, einschließlich der Berufungsinstanz, erhoben. Der Betrag der Gebühr wird nach dem Ermessen der Gerichtsbehörde, jedoch nicht über 500 Mark, festgesezt.

§ 10. Geschäftsgang.

1. Das Geschäftsjahr ist das Kalenderjahr.

2. Jeder zur Ausübung der Gerichtsbarkeit von dem Reichskanzler ermächtigte Beamte hat demselben am Schlusse des Geschäftsjahres eine Geschäftsübersicht einzureichen. Die Berichte der Gerichtsbehörden erster Instanz sind durch Vermittelung des Gouverneurs von Kamerun einzureichen.

3. Der Geschäftsverkehr mit Behörden und Beamten außerhalb des Schußgebiets erfolgt ausschließlich durch die zur Ausübung der Gerichtsbarfeit ermächtigten Beamten.

§ 11.

Besondere Bestimmung für das Schußgebiet von Kamerun.

In dem Schußgebiete von Kamerun bedürfen die Anordnungen des zur Ausübung der Gerichtsbarkeit erster Instanz ermächtigten Beamten der Zustimmung des Gouverneurs, soweit sie betreffen:

1. die dauernde Uebertragung einzelner richterlicher Geschäfte auf andere Personen (§ 2 Nr. 5);

2. die Ernennung von Beisißern (§ 3);

3. die Bestellung und Entlassung von ständigen Gerichtsschreibern (§ 4) 4. die Zulassung von Rechtsanwälten (§ 5);

5. die allgemeine Beauftragung von Personen mit der Vornahme von Sühneversuchen (§ 8 Nr. 5).

Berlin, den 7. Juli 1888.

Der Reichskanzler.

In Vertretung: Graf v. Bismarck.

36. Verfügung des Reichskanzlers, betreffend die Führung der Grundbücher und das Verfahren in Grundbuchsachen in den Schutzgebieten von Kamerun und Togo. Vom 7. Juli 1888.

Für die Schutzgebiete von Kamerun und Togo wird auf Grund des § 19 der Kaiserlichen Verordnung, betreffend die Rechtsverhältnisse in den Schuhgebieten von Kamerun und Togo, vom 2. Juli d. J. (Reichs-Gesezbl. S. 211) das Folgende verfügt:

I. Einrichtung der Grundbücher.

§ 1.

Für jedes der beiden Schußgebiete wird ein Grundbuch angelegt, in welches die durch Nichteingeborene erworbenen Grundstücke eingetragen werden. $ 2.

Die Grundbücher werden nach dem Formular in Anlage A eingerichtet. Jedes Grundstück enthält ein eigenes Grundbuchblatt. Es kann jedoch für mehrere in demselben Grundbuchbezirk liegende Grundstücke desselben Eigenthümers ein gemeinschaftliches Grundbuchblatt angelegt werden, wenn daraus nach dem Ermessen der Grundbuchbehörde keine Verwirrung zu besorgen ist.

Die Grundbuchblätter eines Grundbuches erhalten fortlaufende Nummern nach dem Zeitpunkt der Anlegung.

§ 3.

Jedes Grundbuchblatt besteht aus einem Titel und drei Abtheilungen.
Der Titel giebt in der ersten Hauptspalte an:

1. die Bezeichnung des Grundstücks nach Lage und Begrenzung, nach
seinem etwaigen besonderen Namen und sonstigen Kennzeichen unter
Bezugnahme auf die bei den Grundakten befindliche Karte (§§ 21, 36),
sowie thunlichst die Eigenschaft des Grundstücks nach Kultur und
Art der Benußung;

2. die Größe des Grundstücks.

Die für die Bezeichnung des Grundstücks nach dem Steuerbuch be= stimmte Unterspalte ist vorläufig noch offen zu lassen.

Sind mehrere Grundstücke in demselben Grundbuchblatt vereinigt, so sind dieselben unter fortlaufenden Nummern gesondert in der ersten Hauptspalte aufzuführen.

Die zweite Hauptspalte ist zu Abschreibungen bestimmt.

$ 4.

In die erste Spalte der ersten Abtheilung ist einzutragen:

der Eigenthümer nach Vor- und Zunamen, nach Stand, Gewerbe oder anderen unterscheidenden Merkmalen, Wohnort oder Aufenthaltsort; eine juristische Person nach ihrer geseßlichen oder in der

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