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b) eine Voruntersuchung stattfindet, deren Regelung der Verordnung vorbehalten bleibt,

c) der § 9 Absag 1 des Gesezes über die Konsulargerichtsbarkeit keine Anwendung findet;

5. die Bestimmung des § 232 der Strafprozeßordnung mit der Maßgabe erweitert werden, daß dem Gericht die Ermächtigung, den Angeklagten von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung zu entbinden, nur für solche Fälle ertheilt werden darf, in welchen nach dem Ermessen des Gerichts voraussichtlich keine andere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu 6 Monaten oder Geldstrafe oder Einziehung, allein oder in Verbindung miteinander, zu erwarten steht;

6. angeordnet werden, daß in Strafsachen, wenn der Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens eine Handlung zum Gegenstande hat, welche zur Zuständigkeit der Schöffengerichte oder zu den in den §§ 74, 75 des Gerichtsverfassungsgesetzes bezeichneten Vergehen gehört, in der Hauptverhandlung eine Zuziehung von Beisißern nicht erforderlich ist;

7. die Gerichtsbarkeit in den zur Zuständigkeit der Schwurgerichte gehörenden Sachen den Gerichten der Schußgebiete in der Weise übertragen werden, daß für diese Sachen, soweit nicht auf Grund der Nr. 3*) etwas Anderes bestimmt wird, die Vorschriften Anwendung finden, welche für die im § 28 des Geseßes über die Konsulargerichtsbarkeit bezeichneten Straffachen gelten;

8. an Stelle der Enthauptung eine andere, eine Schärfung nicht ent= haltende Art der Vollstreckung der Todesstrafe angeordnet werden; 9. als Berufungs- und Beschwerdegericht ein Konsulargericht oder ein Gerichtshof im Schußgebiet bestimmt und über die Zusammenseßung des lezteren Gerichtshofes sowie über das Verfahren in Berufungsund Beschwerdesachen, welche vor einem dieser Gerichte zu verhandeln sind, mit der Maßgabe Anordnung getroffen werden, daß das Gericht mindestens aus einem Vorsißenden und vier Beisizern bestehen muß;

10. für die Zustellungen, die Zwangsvollstreckung und das Kostenwesen die Anwendung einfacherer Bestimmungen vorgeschrieben werden;

11. insoweit die Kosten der Rechtspflege von einer mit einem Kaiserlichen Schußbriefe versehenen Kolonialgesellschaft zu bestreiten sind, bestimmt werden, daß die Vorschrift im § 46 des Gesetzes über die Konsulargerichtsbarkeit außer Anwendung bleibt;

12. die Verlängerung aller zur Geltendmachung von Rechten und zur Erfüllung von Pflichten geseßlich festgestellten Fristen angeordnet werden.

*) hier liegt ein durch Zufäße des Reichstags zu dem ursprünglichen Entwurf verursachtes Redaktionsversehen vor. Es müßte heißen: „Nr. 4." Von den in Nr. 4 ertheilten Befugnissen ist bisher kein Gebrauch gemacht worden.

$ 4.

Das Gesez, betreffend die Eheschließung und die Beurkundung des Personenstandes von Reichsangehörigen im Auslande, vom 4. Mai 1870 (Bundes-Gesezbl. S. 599) findet für die Schutzgebiete mit der Maßgabe Anwendung, daß dasselbe durch Kaiserliche Verordnung auch auf andere Personen als auf Reichsangehörige ausgedehnt werden kann und an Stelle des Konsuls der von dem Reichskanzler zur Eheschließung und zur Beurkundung des Personenstandes ermächtigte Beamte tritt.

Der Zeitpunkt des Inkrafttretens wird durch Kaiserliche Verordnung bestimmt.

§ 5.

Die Befugnisse, welche den deutschen Konsuln im Auslande nach anderen als den beiden im § 2 und § 4 bezeichneten Gesezen zustehen, können durch den Reichskanzler Beamten in den Schußgebieten übertragen werden.

$ 6.

Ausländern, welche in den Schußgebieten sich niederlassen, sowie Eingeborenen kann durch Naturalisation die Reichsangehörigkeit von dem Reichskanzler verliehen werden. Der Reichskanzler ist ermächtigt, diese Befugniß einem anderen Kaiserlichen Beamten zu übertragen.

Auf die Naturalisation und das durch dieselbe begründete Verhältniß der Reichsangehörigkeit finden die Bestimmungen des Gesches über die Erwerbung und den Verlust der Bundes- und Staatsangehörigkeit vom 1. Juni 1870 (Bundes Gesezbl. S. 355), sowie Artikel 3 der Reichsverfassung und § 4 des Wahlgefeßes für den Deutschen Reichstag, vom 31. Mai 1869 (Bundes-Geseßbl. S. 145) entsprechende Anwendung.

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Im Sinne des § 21 des bezeichneten Gesezes sowie bei Anwendung des Gesezes wegen Beseitigung der Doppelbesteuerung vom 13. Mai 1870 (Bundes-Gesezbl. S. 119) gelten die Schußgebiete als Inland.

$ 7.

Durch Kaiserliche Verordnung können Eingeborene der Schußgebiete in Beziehung auf das Recht zur Führung der Reichsflagge (Gesez, betreffend die Nationalität der Kauffahrteischiffe und ihre Befugniß zur Führung der Bundesflagge, vom 25. Oktober 1867, Bundes-Gesezbl. S. 35) den Reichsangehörigen gleichgestellt werden.

Die Führung der Reichsflagge infolge der Verleihung dieses Rechts hat nicht die Wirkung, daß das betreffende Schiff als deutsches Seefahrzeug im Sinne des § 1 Absatz 1 Nr. 1 und § 2 Absatz 1 des Gesezes, betreffend die Unfallversicherung der Seeleute und anderer bei der Seeschifffahrt betheiligter Personen, vom 13. Juli 1887 (Reichs-Gesezbl. S. 329) gilt.

$ 8.

Deutschen Kolonialgesellschaften, welche die Kolonisation der deutschen Schußgebiete, insbesondere den Erwerb und die Verwerthung von Grundbesig, den Betrieb von Land- oder Plantagenwirthschaft, den Betrieb von

Bergbau, gewerblichen Unternehmungen und Handelsgeschäften in denselben zum ausschließlichen Gegenstand ihres Unternehmens und ihren Sit entweder im Reichsgebiet oder in den deutschen Schutzgebieten haben oder denen durch Kaiserliche Schußbriefe die Ausübung von Hoheitsrechten in den deutschen Schußgebieten übertragen ist, kann auf Grund eines vom Reichskanzler genehmigten Gesellschaftsvertrages (Statuts) durch Beschluß des Bundesraths die Fähigkeit beigelegt werden, unter ihrem Namen Rechte, insbesondere Eigenthum und andere dingliche Rechte an Grundstücken zu erwerben, Verbindlichkeiten einzugehen, vor Gericht zu klagen und verklagt zu werden. In solchem Falle haftet den Gläubigern für alle Verbindlichkeiten der Kolonialgesellschaft nur das Vermögen derselben.*)

Der Beschluß des Bundesraths und im Auszuge der Gesellschaftsvertrag sind durch den Reichsanzeiger zu veröffentlichen.

$ 9.

Der Gesellschaftsvertrag hat insbesondere Bestimmungen zu enthalten: 1. über den Erwerb und den Verlust der Mitgliedschaft;

2. über die Vertretung der Gesellschaft Dritten gegenüber;

3. über die Befugnisse der die Gesellschaft leitenden und der die Leitung beaufsichtigenden Organe derselben;

4. über die Rechte und Pflichten der einzelnen Mitglieder;

5. über die Jahresrechnung und Vertheilung des Gewinns;

6. über die Auflösung der Gesellschaft und die nach derselben eintretende Vermögensvertheilung.

§ 10.

Deutsche Kolonialgesellschaften, welche die im § 8 erwähnte Fähigkeit durch Beschluß des Bundesraths erhalten haben, unterstehen der Aufsicht des Reichskanzlers. Die einzelnen Befugnisse desselben sind in den Gesellschaftsvertrag aufzunehmen.

§ 11.

Der Reichskanzler hat die zur Ausführung des Gesezes erforderlichen Anordnungen zu erlassen.

*) Derartige Gesellschaften sind:

a) die Deutsch Ostafrikanische Gesellschaft (Beschluß des Bundesraths vom 4. Juli 1889);

b) die Kamerun-Land- und Plantagen-Gesellschaft (Beschluß des Bundesraths vom 14. November 1889);

c) die Kaiser Wilhelmsland - Plantagengesellschaft (Beschluß des Bundesraths vom 5. Februar 1891);

d) die Eisenbahn-Gesellschaft für Deutsch-Ostafrika [Usambara-Linie] (Beschluß des Bundesrathes vom 29. Oktober 1891);

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e) die Astrolabe Kompagnie (Beschluß des Bundesraths vom 22. Dezember 1891).

Das Recht der Korporationen nach preußischem Landrecht ist verliehen:

a) der Deutschen Kolonialgesellschaft für Südwestafrika (Alerhöchste Ordre vom 13. April 1885);

b) der Neu-Guinea-Kompagnie (Allerhöchste Ordre vom 12. Mai 1886). Daneben bestehen Gesellschaften nach bürgerlichem Recht, Kommanditgesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien und Aktiengesellschaften.

Der Reichskanzler ist befugt, für die Schußgebiete oder für einzelne Theile derselben polizeiliche und sonstige die Verwaltung betreffende Vorschriften zu erlassen und gegen die Nichtbefolgung derselben Gefängniß bis zu drei Monaten, Haft, Geldstrafe und Einziehung einzelner Gegenstände anzudrohen.

Die Ausübung der Befugniß zum Erlasse von Ausführungsbestimmungen (Absatz 1) und von Verordnungen der im Absatz 2 bezeichneten Art kann vom Reichskanzler der mit einem Kaiserlichen Schußbriefe für das betreffende Schußgebiet versehenen Kolonialgesellschaft, sowie den Beamten des Schußgebietes übertragen werden.

16. Gesetz über die Konsulargerichtsbarkeit.
Vom 10. Juli 1879.
(Reichs-Gesezblatt S. 197.)

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen 2c., verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesraths und des Reichstags, was folgt:

I. Allgemeine Bestimmungen.

§ 1.

Die Konsulargerichtsbarkeit wird in den Ländern ausgeübt, in welchen ihre Ausübung durch Herkommen oder durch Staatsvertrag gestattet ist.

Der Konsulargerichtsbarkeit sind die in den Konsulargerichtsbezirken wohnenden oder sich aufhaltenden Reichsangehörigen und Schußgenossen unterworfen.

§ 2.

Die Konsulargerichtsbezirke werden von dem Reichskanzler nach Vernehmung des Ausschusses des Bundesraths für Handel und Verkehr bestimmt.

§ 3.

In Betreff des bürgerlichen Rechts ist anzunehmen, daß in den Konsulargerichtsbezirken die Reichsgeseße, das preußische Allgemeine Landrecht und die das bürgerliche Recht betreffenden allgemeinen Geseze derjenigen preußischen Landestheile, in welchen das Allgemeine Landrecht Gesezeskraft hat, gelten.

In Handelssachen kommt zunächst das in dem Konsulargerichtsbezirke geltende Handelsgewohnheitsrecht zur Anwendung.

$ 4.

In Betreff des Strafrechts ist anzunehmen, daß in den Konsulargerichtsbezirken das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich und die sonstigen Strafbestimmungen der Reichsgeseze gelten.

Die in den Konsulargerichtsbezirken geltenden Strafgesetze der Landesregierungen bleiben außer Anwendung, insofern nicht durch Staatsverträge oder Herkommen etwas Anderes bestimmt ist.

Der Konsul ist befugt, für seinen Gerichtsbezirk oder einen Theil desselben polizeiliche Vorschriften mit verbindlicher Kraft für die seiner Gerichtsbarkeit unterworfenen Personen zu erlassen und die Nichtbefolgung derselben mit Geldstrafen bis zum Betrage von einhundertfünfzig Mark zu bedrohen. Diese Vorschriften sind sofort in Abschrift dem Reichskanzler mitzutheilen.

Der Reichskanzler ist befugt, die von dem Konsul erlassenen polizeilichen Vorschriften aufzuheben.

Die Verkündung der polizeilichen Vorschriften sowie die Verkündung der Aufhebung derselben erfolgt in der für konsularische Bekanntmachungen ortsüblichen Weise, jedenfalls durch Anheftung an die Gerichtstafel.

§ 5.

Die Konsulargerichtsbarkeit wird durch den Konsul (§ 2 des Geseßes, betreffend die Organisation der Bundeskonsulate, vom 8. November 1867 Bundes-Gesezbl. S. 137 ) und durch das Konsulargericht ausgeübt. Der Konsul ist zur Ausübung der Gerichtsbarkeit befugt, wenn er dazu von dem Reichskanzler ermächtigt ist.

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Der Reichskanzler kann neben dem Konsul, sowie an Stelle desselben einem anderen Beamten die Befugnisse des Konsuls bei Ausübung der Gerichtsbarkeit übertragen.

§ 6.

Das Konsulargericht besteht aus dem Konsul als Vorsitzenden und zwei Beisißern, insoweit dieses Geseß nicht die Zuziehung von vier Beisigern vorschreibt.

Den Beisitzern steht ein unbeschränktes Stimmrecht zu.

$ 7.

Der Konsul ernennt für die Dauer eines jeden Jahres aus den achtbaren Gerichtseingesessenen oder in Ermangelung solcher aus sonstigen achtbaren Einwohnern seines Bezirks vier Beisiger und mindestens zwei Stellvertreter.

§ 8.

Die Beeidigung der Beisißer erfolgt bei ihrer ersten Dienstleistung in öffentlicher Sizung. Sie gilt für die Dauer des Geschäftsjahres. Der Vorsigende richtet an die zu Beeidigenden die Worte: Sie schwören bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden, die Pflichten eines Beisißers des deutschen Konsulargerichts getreulich zu erfüllen und Ihre Stimme nach bestem Wissen und Gewissen abzugeben."

Die Beisißer leisten den Eid, indem Jeder einzeln, unter Erhebung der rechten Hand, die Worte spricht: „Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe.” Ist ein Beisiger Mitglied einer Religionsgesellschaft, welcher das Gesetz den Gebrauch gewisser Betheuerungsformeln an Stelle des Eides gestattet, so wird die Abgabe einer Erklärung unter der Betheuerungsformel dieser Religionsgesellschaft der Eidesleistung gleich geachtet. Ueber die Beeidigung wird ein Protokoll aufgenommen.

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