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Auftrag unter Beifügung der vollstreckbaren Ausfertigung dem Gerichtsschreiber desjenigen Amtsgerichts übersendet, in dessen Bezirk der Auftrag ausgeführt werden soll (§ 674, Absatz 2 der Civilprozeßordnung; § 162 des Gerichtsverfassungsgesetzes).

11. Soll die Zwangsvollstreckung aus einem der in Nr. 10 bezeichneten Titel in einem anderen deutschen Schutzgebiet erfolgen, so hat die Gerichtsbehörde erster Instanz auf Antrag des Gläubigers die Gerichtsbehörde des betreffenden Schußgebietes um die Zwangsvollstreckung zu ersuchen (§ 700 Absaz 2 der Civilprozeßordnung).

In gleicher Weise ist zu verfahren, wenn die Zwangsvollstreckung im Bezirk eines deutschen Konsulargerichts erfolgen soll; jedoch ist dem an den Konsul zu richtenden Ersuchungsschreiben eine vollstreckbare Ausfertigung beizufügen.

12. Mit der Zwangsvollstreckung, welche aus einem der in Nr. 10 bezeichneten Titel in einem ausländischen Staate erfolgen soll, hat die Gerichtsbehörde sich nicht zu befassen, deren Betrieb vielmehr dem Gläubiger zu überlassen.

13. Ersucht ein deutsches Gericht gemäß § 700 Absatz 2 der Civilprozeßordnung um Bewirkung einer Zwangsvollstreckung im Schutzgebiet, so ist dieselbe auf Grund des Ersuchens anzuordnen, ohne daß die Vollstreckbarkeit nachzuprüfen ist. Die Vollstreckung erfolgt in der in Nr. 7 bis 9 bezeichneten Weise.

$ 8.

Bestimmungen für Strafsachen.

(Zu den §§ 10 bis 14 der Verordnung und § 21 des Gesezes über die
Konsulargerichtsbarkeit.)

1. Die Verfügung, durch welche der Angeklagte vom Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden wird (§ 11 der Verordnung), fann, wenn sie von Amtswegen erfolgt oder ein bezüglicher Antrag von dem Beschuldigten schon vorher gestellt war, gleichzeitig mit der Mittheilung des Termins der Hauptverhandlung an den Angeklagten erfolgen. Die Verfügung wird von dem zur Ausübung der Gerichtsbarkeit ermächtigten Beamten erlassen. Derselbe hat dabei zu prüfen, ob die im § 11 der Verordnung bezeichneten Voraussetzungen vorliegen. Erscheint in der Hauptverhandlung nach Ansicht des Gerichts die Verhängung einer höheren Strafe als der im § 11 bestimmten angezeigt, so muß die Verhandlung vertagt und der Angeklagte zu dem neuen Termin vorgeladen und eventuell vorgeführt werden.

Unter allen Umständen muß, wenn ohne die Anwesenheit des vom Erscheinen entbundenen Angeklagten verhandelt werden soll, derselbe, falls seine richterliche Vernehmung nicht schon im Vorverfahren erfolgt ist, durch einen ersuchten oder beauftragten Richter über den Gegenstand der Anschuldigung vernommen werden (Strafprozeßordnung § 232 Abs. 2, 3). Nöthigenfalls ist diese Vernehmung nach Maßgabe des § 2 Nr. 6 dieser Anweisung einer anderen geeigneten Person zu übertragen. Für das im § 231 der Strafprozeßordnung vorgesehene Ungehorsamsverfahren bedarf es hingegen einer vorgängigen richterlichen Vernehmung des Angeklagten nicht.

2. Das Verfahren in den nach § 12 der Verordnung bezeichneten, Gerichtsbehörden erster Instanz übertragenen Schwurgerichtssachen regelt

sich nach den Vorschriften, welche für die im § 28 des Gesetzes über die Konsulargerichtsbarkeit bezeichneten Straffachen gelten. Es findet daher auch der § 9 des bezeichneten Gesezes Anwendung, wonach in dem Falle, daß die Zuziehung von vier Beisißern nicht ausführbar ist, die zuziehung von zwei Beisißern genügen soll. Dieser Fall wird auch dann als gegeben anzusehen sein, wenn infolge der Zuziehung von vier Beisißern in erster Instanz nach Lage der Verhältnisse eine ausreichende Zahl von Beisißern für die eventuelle Verhandlung in der Berufungsinstanz nicht verwendbar bliebe, da bei dem Obergericht (§ 4 der Verordnung) eine Verminderung der Zahl von vier Beisißern unstatthaft ist, die Personen aber, welche in erster Instanz als Beisißer mitgewirkt haben, von der Mitwirkung in der Berufungsinstanz ausgeschlossen sind.

3. In Schwurgerichtssachen muß der Angeklagte sowohl in der ersten als in der zweiten Instanz einen Vertheidiger haben (Strafprozeßordnung § 140 Abs. 1, § 13 Abs. 4 der Verordnung).

In diesen Sachen und ebenso in den Fällen, in welchen nach § 140 Abs. 2 der Strafprozeßordnung die Vertheidigung eine nothwendige ist, ist dem Beschuldigten, welcher einen Vertheidiger noch nicht gewählt hat, ein solcher von Amtswegen zu bestellen, sobald das Hauptverfahren eröffnet wird. Beim Mangel geeigneter, zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft zugelassener Personen ist als Vertheidiger ein anderer achtbarer Gerichtseingesessener zu bestellen.

4. Auf das Strafverfahren in der Berufungsinstanz finden, soweit nicht in den §§ 36 bis 40 des Gesezes über die Konsulargerichtsbarkeit und in den §§ 4 und 13 der Verordnung etwas Anderes bestimmt ist, die Vorschriften des dritten Abschnitts im dritten Buche der Strafprozeßordnung Anwendung. Da die Mitwirkung einer Staatsanwaltschaft nicht stattfindet, so erfolgt im Falle der Einlegung der Berufung die Uebersendung der Akten (Strafprozeßordnung § 362, Geseß über die Konsulargerichtsbarkeit § 39) unmittelbar an das Obergericht.

5. Soweit nach der Vorschrift des § 420 der Strafprozeßordnung vor Erhebung der Privatklage wegen Beleidigungen nachgewiesen werden muß, daß die Sühne erfolglos versucht worden, ist für diesen Vergleichsversuch der zur Ausübung der Gerichtsbarkeit ermächtigte Beamte zuständig. Derselbe kann mit der Vornahme solcher Versuche andere Personen allgemein oder im einzelnen Falle beauftragen.

Erscheint der Beschuldigte in dem zur Sühneverhandlung bestimmten Termin nicht, so wird angenommen, daß er sich auf die Sühneverhandlung nicht einlassen wolle. Eine Bescheinigung über die Erfolglosigkeit der Sühneverhandlung kann nur ertheilt werden, wenn der Antragsteller im Termin erschienen ist. Kommt im Termin ein Vergleich zustande, so ist derselbe zu Protokoll festzustellen.

$ 9. Kostenwesen.

(3u 15 der Verordnung.)

1. In den Rechtssachen, auf welche die Civilprozeßordnung, die Konturs ordnung oder die Strafprozeßordnung Anwendung finden, werden die wirklich aufgewendeten Auslagen erhoben. Die Gebühren der Zeugen und Sach

verständigen, sowie die Tagegelder und Reisekosten der Gerichtsbeamten werden in jedem einzelnen Falle unter Berücksichtigung der Umstände desselben festgesetzt.

Außerdem werden in den bezeichneten Rechtssachen Gebühren nach Maßgabe des angehängten Tarifs erhoben.

Bei jedem Antrag auf Vornahme einer Handlung, mit welcher baare Auslagen verbunden sind, kann, in Strafsachen jedoch nur, soweit es sich um das Verfahren auf erhobene Privatklage handelt, dem Antragsteller die Zahlung eines zur Deckung der Auslagen erforderlichen Vorschusses auferlegt werden. Die Ausführung der Zwangsvollstreckung (§ 7 Nr 7 dieser Anweisung) kann in allen Fällen von der vorgängigen Zahlung eines solchen Vorschusses abhängig gemacht werden.

In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten und in Privatklagesachen kann, insoweit es sich um ein gebührenpflichtiges Verfahren handelt, der Antragsteller zur Zahlung eines entsprechenden Gebührenvorschusses verpflichtet werden.

Schuldner der entstandenen Auslagen und Gebühren ist derjenige, welchem durch gerichtliche Entscheidung die Kosten des Verfahrens auferlegt sind, oder welcher dieselben durch eine vor der Gerichtsbehörde abgegebene oder derselben mitgetheilte Erklärung übernommen hat. In Ermangelung eines anderen Schuldners ist derjenige, welcher das Verfahren beantragt hat, Schuldner der entstandenen Auslagen und Gebühren. Die Verpflichtung zur Zahlung vorzuschießender Beträge (Abs. 3 und 4) bleibt bestehen, wenn quch die Kosten des Verfahrens einem Anderen auferlegt oder von einem Anderen übernommen sind.

2. In den Angelegenheiten, welche zu der streitigen Gerichtsbarkeit nicht gehören, werden, vorbehaltlich der Vorschriften in den folgenden Absägen, Kosten nur nach Maßgabe der Bestimmungen des Gesezes, betreffend die Gebühren und Kosten bei den Konsulaten des Deutschen Reichs, vom 1. Juli 1872 (Reichs-Geseßbl. S. 245) erhoben.

Bei Vormundschaften, mit Ausnahme der gesetzlichen Vormundschaft, ist von dem Kapitalbetrag des Vermögens des Mündels, auf welches sich die Vormundschaft erstreckt, insofern dasselbe über 150 Mark beträgt, zu erheben:

a) von je 50 Mark des Betrages bis zu 300 Mark,

b) von je 100 Mark des Mehrbetrages bis zu 600 Mark,

c) von je 150 Mark des Mehrbetrages bis zu 1500 Mark,

d) von je 300 Mark des Mehrbetrages

fünfzig Pfennig.

3. Der Ansah der Gebühren und Auslagen erfolgt durch die Gerichtsbehörde der Instanz.

Gegen die in Kostensachen ergehenden Entscheidungen der Gerichtsbehörden erster Instanz findet Beschwerde an die Gerichtsbehörde zweiter Instanz statt.

§ 10. Geschäftsgang.

1. Das Geschäftsjahr ist das Kalenderjahr.

2. Jeder zur Ausübung der Gerichtsbarkeit von dem Reichskanzler ermächtigte Beamte hat demselben am Schlusse des Geschäftsjahres eine

Geschäftsübersicht einzureichen. Die Berichte der Gerichtsbehörden erster Instanz sind durch Vermittelung des Kaiserlichen Kommissars einzureichen. 3. Der Geschäftsverkehr der zur Ausübung der Gerichtsbarkeit erster Instanz ermächtigten Beamten mit Behörden und Beamten außerhalb des Schußgebietes, sowie mit dem Reichskanzler erfolgt ausschließlich durch Vermittelung des Kaiserlichen Kommissars.

4. Die Anordnungen der zur Ausübung der Gerichtsbarkeit erster Instanz ermächtigten Beamten bedürfen der Zustimmung des Kaiserlichen Kommissars, soweit sie betreffen:

1. die dauernde Uebertragung einzelner richterlicher Geschäfte anf andere Personen (§ 2 Nr. 6);

2. die Ernennung von Beisigern (§ 3);

3. die Bestellung und Entlassung von ständigen Gerichtsschreibern (§ 4);

4. die Zulassung von Rechtsanwälten (§ 5);

5. die allgemeine Beauftragung von Personen mit der Vornahme von Sühneversuchen (§ 8 Nr. 5).

Berlin, den 27. August 1890.

Tarif

Der Reichskanzler.

v. Caprivi.

für die Erhebung von Gebühren in bürgerlichen Rechtsstreitig keiten, Konkurssachen und Strafsachen.

(Der Tarif ist gleichlautend mit dem in der Dienstanweisung für Kamerun und Togo (Nr. 35) enthaltenen).

100. Verfügung, betreffend die Verleihung von Minenkonzessionen durch Häuptlinge des Schutzgebietes.

Auf Grund der mit den Häuptlingen des südwestafrikanischen Schußgebietes abgeschlossenen Verträge erläßt der unterzeichnete stellvertretende Reichskommissar für das füdwestafrikanische Schußgebiet folgende Verfügung:

Da nur Weiße, d. h. Angehörige eines civilisirten Staates bei der Regelung der Minenkonzessionen in dem südwestafrikanischen Schutzgebiete betheiligt sind, und da ein öffentliches Interesse vorliegt, daß eine sachtundige Bergbehörde diese Regelung in die Hand nimmt, so verfüge ich hiermit, daß von heute ab die Häuptlinge in dem diesseitigen Schußgebiet nur mit Zustimmung der Bergbehörde Konzessionen verleihen oder die etwa schon vorhandenen modifiziren können.

Verleihung von Konzessionen oder Modifizirung von etwa schon bestehenden sind ohne Mitwirkung der Bergbehörde nichtig. Als Bergbehörde fungirt vorläufig der Kaiserliche Reichskommissar in dem diesseitigen Schuß gebiete.

Walfischbai, den 19. April 1886.

Der stellvertretende Reichskommissar für das südwestafrikanische Schutzgebiet.

Nels.

101. Bekanntmachung, betreffend die Verleihung von Minenkonzessionen durch Häuptlinge in der Interessensphäre.

Es wird hiermit zur öffentlichen Kenntniß gebracht, daß die Verfügung des stellvertretenden Kaiserlichen Kommissars vom 19. April 1886, wonach die Ertheilung von Minenkonzessionen seitens der eingeborenen Häuptlinge nur mit Genehmigung des Reichskommissars rechtsgültig erfolgen kann, auch für die deutsche Interessensphäre in Südwestafrika Geltung hat.

Usap, den 1. April 1890.

Der Kaiserliche Kommissar.
Dr. Goering.

102. Verordnung, betreffend den Erwerb von
Grundeigenthum.

Im Geltungsbereiche der deutschen Interessensphäre wird bis zur anderweiten Regelung der Grundeigenthumsverhältnisse verboten, ohne Genehmigung des Kaiserlichen Kommissars herrenloses Land in Besitz zu nehmen oder Kaufverträge mit den Eingeborenen über Grundstücke abzuschließen und von Lezteren Besiß zu ergreifen.

Zuwiderhandlungen werden mit Geldstrafe bis zum Betrage von zweitausend Mark bestraft. Auch erkennt die deutsche Reichsregierung solche Besizergreifungen als rechtsbeständig nicht an.

Der Kaiserliche Kommissar behält sich vor, den Erwerb an bestimmte Bedingungen zu knüpfen und die Genehmigung in jedem einzelnen Falle zu ertheilen, sobald der Erwerb nicht durch Uebervortheilung der Eingeborenen erfolgt ist und dem allgemeinen Interesse des Schutzgebietes nicht widerspricht. Otyimbingue, den 1. Oktober 1888.

Der Kaiserliche Kommissar.
Dr. Goering.

103. Nachtragsverordnung zu der Verordnung über den Erwerb von Grundeigenthum im südwestafrikanischen Schutzgebiete vom 1. Oktober 1888, betreffend den Abschluß von Pachtverträgen daselbst.

Die Bestimmungen der Verordnung vom 1. Oktober 1888 finden in gleicher Weise auf den Abschluß von Pachtverträgen mit Eingeborenen über Grundstücke Anwendung.

Windhoek, den 1. Mai 1892.

Der stellvertretende Kaiserliche Kommissar.

Im Auftrage:

Köhler, Regierungs Assessor.

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