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die Feststellung des einen oder anderen Straffalles unwesentlich, so ist die Untersuchung nur wegen der schwereren Straffälle einzuleiten. Die nachträgliche Verfolgung der leichteren Straffälle ist nur innerhalb zweier Mopate nach Rechtskraft des Erkenntnisses zulässig.

§ 11.

Wird unter Betheiligung von Personen verhandelt, welche der deutschen Sprache nicht mächtig sind, so ist ein Dolmetscher zuzuziehen. Die Führung eines Nebenprotokolls in der fremden. Sprache findet nicht statt, jedoch sollen Aussagen und Erklärungen in fremder Sprache, wenn und soweit dies mit Rücksicht auf die Wichtigkeit der Sache erforderlich erscheint, auch in der fremden Sprache in das Protokoll oder in eine Anlage niedergeschrieben werden. In den dazu geeigneten Fällen soll dem Protokoll eine durch den Dolmetscher zu beglaubigende Uebersetzung beigefügt werden. Die Zuziehung eines Dolmetschers kann unterbleiben, wenn die betheiligten Personen sämmtlich der fremden Sprache mächtig sind.

$ 12.

Dem Angeschuldigten steht in jedem Falle das Recht zu, sich zu vertheidigen oder durch eine andere Militärperson vertheidigen zu lassen. Ist die Handlung mit dem Tode oder lebenslänglicher Freiheitsstrafe bedroht, so muß ein Vertheidiger zugezogen werden. Die Vertheidigung darf nur zum gerichtlichen Protokoll oder mündlich vor dem Spruchgericht erfolgen.

§ 13.

Bietet die Führung der Untersuchung voraussichtlich keine Schwierigkeiten, und sind sowohl der Angeschuldigte, als auch die Beweismittel und gegebenenfalls der Vertheidiger zur Hand, so kann der Gerichtsherr mit der Einleitung der förmlichen Untersuchung die Anordnung des Spruchgerichts verbinden.

$ 14.

In den Fällen des § 13 findet mündliche Verhandlung vor dem Spruchgericht statt. Der Angeschuldigte wird zunächst durch den Auditeur oder untersuchungsführenden Offizier vernommen und, sofern dies nicht schon geschehen ist, über seine Vertheidigungsbefugnisse belehrt. Darauf folgen: die Beweiserhebung, der Vortrag des Auditeurs oder untersuchungsführenden Offiziers und die Vertheidigung. Dem Angeschuldigten gebührt das leßte Wort. Die Aburtheilung schließt sich unmittelbar an. Sie erfolgt in Abwesenheit des Angeschuldigten und des Vertheidigers. Als Protokollführer wird eine durch Handschlag an Eidesstatt zu verpflichtende Militärperson zugezogen. Ueber die Verhandlung ist ein Protokoll aufzunehmen, welches von dem Vorsitzenden, von dem die Verhandlung führenden Auditeur oder Offizier und von dem Protokollführer zu unterschreiben ist. Dasselbe muß enthalten:

1. den Ort und den Tag der Verhandlung:

2. die Namen der Mitglieder des Gerichts, des Auditeurs oder untersuchungsführenden Offiziers, des Protokollführers und des etwa zugezogenen Dolmetschers, sowie den Vermert über die Beeidigungen:

3. die Namen der Angeschuldigten und ihrer Vertheidiger;

4. die Namen der vernommenen Zeugen und Sachverständigen und den Vermerk über die stattgehabten Beeidigungen.

Das Protokoll muß den Gang und die Ergebnisse der Spruchsißung im Wesentlichen wiedergeben und die Beobachtung aller wesentlichen Förmlichkeiten ersichtlich machen, auch die Bezeichnung der verlesenen Schriftstücke, sowie die im Laufe der Verhandlung gestellten Anträge, die ergangenen Entscheidungen unter Angabe der Abstimmung der einzelnen Richterklassen und die Urtheilsformel enthalten. Von dem Inhalt der Erklärungen des Auditeurs oder untersuchungsführenden Offiziers, des Angeschuldigten und des Vertheidigers, der Zeugen und der Sachverständigen wird nur das Wesentliche in das Protokoll aufgenommen. Insoweit diese Personen bereits im Ermittelungsverfahren vernommen waren, ist in dem Protokoll nur zu vermerken, ob und inwiefern ihre Erklärungen etwa von den früheren Aussagen in erheblichem Punkte abweichen. Kommt es auf die Feststellung eines Vorganges in der Spruchsißung oder des Wortlauts einer Aussage oder einer Aeußerung an, so hat der Präses die vollständige Niederschreibung und Ver lejung anzuordnen. In dem Protokoll ist zu bemerken, daß die Verlesung geschehen und die Genehmigung erfolgt ist oder welche Einwendungen erhoben sind. Im Uebrigen bedarf es der Vorlesung des Protokolls nicht. Hat ausnahmsweise schon vor der Spruchsizung die, cidliche Vernehmung von Zeugen stattgefunden, so kann, wenn die Lage der Sache dies gestattet, von der nochmaligen Vernehmung abgesehen werden. In diesem Falle genügt die Vorlesung des früher aufgenommenen Protokolls.

§ 15.

Ueber das Ergebniß der Beweisaufnahme entscheiden die Spruchgerichte nach ihrer freien, aus dem Inbegriff der Verhandlungen geschöpften Ueberzeugung. Aus den Erkenntnißgründen muß stets genau hervorgehen, welche Thatsachen vom Spruchgericht für festgestellt erachtet sind.

§ 16.

Kein Richter darf die Abstimmung über eine Frage verweigern, weil er über eine vorhergegangene Frage in der Minderheit geblieben ist.

$ 17.

Die Ausfertigungen der Erkenntnisse werden nur von dem Präses und dem Referenten unterzeichnet. Einer Untersiegelung bedarf es nicht.

$ 18.

Der Kommandeur der Schußtruppe hat das Bestätigungsrecht eines Marinestationschefs, der Reichskanzler (Reichs-Marine-Amt) dasjenige des fommandirenden Admirals. Die Erkenntnisse wider obere Militärbeamte bedürfen, wie die Erkenntnisse wider Offiziere, Meiner Bestätigung.

§ 19.

Die Begutachtung eines Erkenntnisses erfolgt: wenn dasselbe durch den Reichskanzler (Reichs-Marine-Amt) zu bestätigen ist, durch einen Auditeur Meiner Marine, wenn dasselbe durch den Kommandeur der Schußtruppe zu bestätigen ist, durch einen Auditeur Meiner Marine oder durch einen zur Ausübung des Richteramts befähigten deutschen Konsul oder einen anderen hierzu befähigten Beamten.

§ 20.

Erfolgt die Aufhebung eines Erkenntnisses, so darf zu dem neuen Spruchgericht der frühere Referent als solcher wieder zugezogen werden. Das neue Spruchgericht hat die rechtliche und militärdienstliche Beurtheilung, welche der Aufhebung des Erkenntnisses zu Grunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zu Grunde zu legen.

§ 21.

Die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten einschließlich erfolgt, soweit dies angängig, an Ort und Stelle; die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe von längerer Dauer erfolgt in der Heimath und ist vom Reichskanzler (Reichs-Marine-Amt) nach Maßgabe der für die Angehörigen Meiner Marine bestehenden Vorschriften zu veranlassen.

$ 22.

Die Geschäfte des Generalauditoriats und des Generalauditeurs werden von dem Generalauditoriat und dem Generalauditeur Meiner Marine wahrgenommen.

Urkundlich haben Wir diese Verordnung Allerhöchstselbst vollzogen und mit Unserem Insiegel versehen lassen.

Gegeben an Bord M. Y. „Meteor" Kiel, den 3. Juni 1891.

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133. Allerhöchste Ordre, betreffend die Ehrengerichte der deutschen Offiziere der Kaiserlichen Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika.

Ich befehle hierdurch, daß bei der Kaiserlichen Schußtruppe für DeutschOstafrika die anliegende Verordnung über die Ehrengerichte der deutschen Offiziere dieser Truppe in Kraft treten soll.

Sie haben hiernach die weitere Bekanntmachung an die Schußtruppe zu veranlassen.

Potsdam, Neucs Palais, den 16. Juni 1891.

An den Reichskanzler (Reichs-Marine-Amt).

Wilhelm.

Verordnung über die Ehrengerichte der deutschen Offiziere der Kaiserlichen Schußtruppe für Deutsch-Oftafrika.

Auf den Mir gehaltenen Vortrag bestimme Ich hiermit, daß die Verordnung über die Ehrengerichte der Offiziere Meiner Marine vom 2. November 1875 auf die deutschen Offiziere der Schußtruppe in Deutsch-Ostafrika mit folgenden Abweichungen Anwendung zu finden hat.

1. In Deutsch Östafrika besteht ein Ehrengericht über Hauptleute und Subalternoffiziere. Zu demselben gehören alle deutschen Offiziere der Schußtruppe, welche nach ihrem Range innerhalb der Marineinfanterie Hauptleute und Subalternoffiziere sind, sowie die sonst der

Schußtruppe etwa zugetheilten deutschen Offiziere der vorgedachten
Chargen.

(§ 8 der Verordnung über die Ehrengerichte der Offiziere in der

Kaiserlichen Marine.)

2. Die in Deutschland sich aufhaltenden, oben genannten Offiziere werden auf Antrag ihrer direkten Vorgeseßten einem an Land befindlichen Ehrengerichte der Marine unterstellt.

(§ 12 der genannten Verordnung.)

3. Die zur Schußtruppe abkommandirten Stabsoffiziere unterstehen dem Ehrengerichte der Stabsoffiziere der Marine.

(§ 15 der genannten Verordnung.)

4. Die Anordnung eines ehrengerichtlichen Verfahrens über einen Stabsoffizier steht nur dem Reichskanzler (Reichs-Marine-Amt) zu.

(§ 31 der genannten Verordnung.)

5. Vor Anordnung eines ehrengerichtlichen Verfahrens über den Kom-
mandeur der Schußtruppe ist Meine Entscheidung einzuholen.
(§ 31 der genannten Verordnung.)

6. Zur Spruchsißung eines Ehrengerichtes über Hauptleute und Sub-
alternoffiziere soll die Anwesenheit des Kommandeurs und sechs
stimmberechtigter Mitglieder genügen, sofern die Heranziehung aller
oder einer größeren Zahl Mitglieder des Ehrengerichtes wesentlichen
Zeitaufwand verursachen würde.

(§ 46 und § 47 der genannten Verordnung.)

7. Die in Deutsch-Ostafrika sich dauernd aufhaltenden, im Hauptmannsund Subalternoffiziersrang stehenden inaktiven Offiziere werden sofern sie einem Ehrengerichte in der Heimath unterworfen sind auf Antrag des Kommandeurs der Schußtruppe dem Ehrengerichte der Schußtruppe zugetheilt.

(§ 4 und § 13 der genannten Verordnung.)

II. Rechtspflege.

134. Verordnung, betreffend die Rechtsverhältnisse in dem Schutzgebiet der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft.

Vom 18. November 1887.
(Reichs-Gesehblatt S. 527.)

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen 2c., verordnen auf Grund des Gesezes, betreffend die Rechtsverhältnisse der deutschen Schußgebiete, vom 17. April 1886 (Reichs-Geseßbl. S. 75) im Namen des Reichs, was folgt:

Einziger Paragraph.

Das Gesetz über die Konsulargerichtsbarkeit vom 10. Juli 1879 (Reichs-Gesezbl. S. 197) tritt für das Schutzgebiet der Deutsch-Ost

afrikanischen Gesellschaft in Gemäßheit des § 2 des Gesetzes, betreffend die Rechtsverhältnisse der deutschen Schußgebiete, am 1. Februar 1888 in Kraft. Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und bei gedrucktem Kaiserlichen Insiegel.

Gegeben Berlin, den 18. November 1887.

(L. S.)

Wilhelm.

Graf . Bismarck.

135. Verordnung, betreffend die Rechtsverhältnisse in

Deutsch-Ostafrika.

Vom 1. Januar 1891.
(Reichs-Gesezbl. S. 1.)

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen 2c., verordnen auf Grund des Gesetzes, betreffend die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete (Reichs-Gejezbl. 1888 S. 75), für Deutsch-Ostafrika im Anschluß an die Verordnung vom 18. November 1887 (Reichs-Geseßbl. S. 527) im Namen des Reichs, was folgt:

§ 1.

Das Gesez über die Konsulargerichtsbarkeit vom 10. Juli 1879 (ReichsGejetbl. S. 197) kommt in Gemäßheit des § 2 des Gesezes, betreffend die Rechtsverhältnisse der deutschen Schußgebiete, in den Gebieten, auf welche sich die Verordnung vom 18. November 1887 bezieht, sowie in dem seitens des Sultans von Zanzibar abgetretenen Küstengebiet sammt dessen Zubehörungen und der Insel Mafia vom 1. Januar 1891 ab mit den in dieser Verordnung vorgesehenen Abänderungen zur Anwendung.*)

§ 2.

Der Gerichtsbarkeit (§ 1 Absatz 2) unterliegen alle Personen, welche in dem Schutzgebiete wohnen oder sich aufhalten, oder bezüglich deren, hiervon abgesehen, ein Gerichtsstand innerhalb des Schußgebietes nach den zur Geltung kommenden Gesetzen begründet ist, die Eingeborenen jedoch nur, insoweit sie nach der bisherigen Uebung der Gerichtsbarkeit des Reichskommissars unterstellt waren.

§ 3.

Der Gouverneur bestimmt mit Genehmigung des Reichskanzlers, wer als Eingeborener im Sinne dieser Verordnung anzusehen ist, und inwieweit Eingeborene der Gerichtsbarkeit über das im § 2 bezeichnete Maß hinaus zu unterstellen sind.

$ 4.

Die Size und Bezirke der Gerichtsbehörden erster Instanz werden von dem Reichskanzler bestimmt.**)

§ 5.

Als Berufungs- und Beschwerdegericht wird an Stelle des Reich gerichts (Gejet über die Konsulargerichtsbarkeit §§ 18, 36, 43) eine Gerichts behörde zweiter Jnstanz am Site des Gouverneurs errichtet, welche aus dem

*) Vergl. § 3 des Gesezes, betreffend die Rechtsverhältnisse der deutschen Schuz gebiete (Nr. 15). **) Bergl. Nr. 15 § 2.

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