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bei einer anderen Gerichtsbehörde erster Instanz innerhalb des Schußgebietes eingeleitet worden war.

5. In den Fällen, in welchen der Gläubiger eine vollstreckbare Aus fertigung nicht beizubringen hat (Nr. 4 Absaß 2), darf die Zwangsvollstreckung nur unter denselben Voraussetzungen angeordnet werden, unter welchen nach §§ 664, 665 der Civilprozeßordnung die Ertheilung einer vollstreckbaren Ausfertigung zulässig ist. Auf die Anordnung der Zwangsvollstreckung finden die Vorschriften über Anhörung des Schuldners, über die Klage auf Ertheilung der Vollstreckungsklausel, über Einwendungen gegen die Lettere, über die Bemerkung der erfolgten Ertheilung auf der Urschrift des Urtheils (§§ 666 bis 668, 670 der Civilprozeßordnung) entsprechende Anwendung.

6. Die Vorschriften über den Beginn der Zwangsvollstreckung (§§ 671 bis 673 der Civilprozeßordnung) finden auf Zwangsvollstreckungen in dem Schutzgebiete mit der Maßgabe Anwendung, daß in den in Nr. 5 bezeichneten Fällen an Stelle der Vollstreckungsklausel (§ 671 a. a. D.) die Anordnung der Zwangsvollstreckung tritt.

7. In dem Schutzgebiete erfolgt die Ausführung der Zwangsvollstreckung auch in den Fällen, in welchen sie nach der Civilprozeßordnung den Gerichtsvollziehern zugewiesen ist, durch den zur Ausübung der Gerichtsbarkeit ermächtigten Beamten; derselbe kann mit der Ausführung andere Personen beauftragen, welche nach seinen Anweisungen zu verfahren haben (§ 9 Absay 2 der Verordnung). Der Auftrag ist schriftlich zu ertheilen. Der schriftliche Auftrag tritt bei Anwendung der Vorschriften der S$ 675 bis 677 der Civilprozeßordnung an die Stelle der vollstreckbaren Ausfertigung. Die Vorschriften der §§ 678 bis 683 kommen nicht zur Anwendung; an ihre Stelle treten die Anweisungen, welche der zur Ausübung der Gerichtsbarkeit ermächtigte Beamte den mit der Ausführung der Zwangsvollstreckung be auftragten Personen ertheilt hat. Bei Ertheilung dieser Anweisung ist dafür Sorge zu tragen, daß über jede Vollstreckungshandlung eine schriftliche Nachricht zu den Akten gebracht wird.

8. Die mit der Ausführung der Zwangsvollstreckung beauftragte Person (Nr. 7) hat die in der Civilprozeßordnung (§§ 712, 713, 716, 720 bis 725, 727, 746, 751, 769 bis 771, 777) dem Gerichtsvollzieher zugewiesenen Befugnisse und Obliegenheiten, soweit nicht durch die ihr ertheilten Anweisungen. (Nr. 7) etwas Anderes bestimmt wird.

9. Auf die in den §§ 730, 739 und 744 der Civilprozeßordnung vorgesehenen Zustellungen bei der Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen in Forderungen und andere Vermögensrechte finden die §§ 6 und 7 (vergl. insbesondere § 7 Absatz 1) der Verordnung und § 6 dieser Anweisung Anwendung. Im Falle des § 739 Absatz 3 sind die Erklärungen des Drittschuldners stets an die Gerichtsbehörde zu richten.

10. Soll im Deutschen Reich eine Zwangsvollstreckung auf Grund einer in dem Schußgebiete erlassenen Entscheidung oder einer dort aufgenommenen vollstreckbaren Urkunde erfolgen, so hat der Gläubiger sich eine vollstreckbare Ausfertigung des Titels ertheilen zu lassen (Nr. 1, 2) und auf Grund derselben die Zwangsvollstreckung selbst zu betreiben. Ein Ersuchen an deutsche Gerichte seitens der Gerichtsbehörde des Schußgebietes findet nicht statt. Jedoch kann, soweit die Zwangsvollstreckung durch einen deutschen

Gerichtsvollzieher zu bewirken ist, der Gläubiger zur Beauftragung desselben sich der Vermittelung der Gerichtsbehörde bedienen, welche ihrerseits den Auftrag unter Beifügung der vollstreckbaren Ausfertigung dem Gerichtsschreiber desjenigen Amtsgerichts übersendet, in dessen Bezirk der Auftrag ausgeführt werden soll (§ 674 Absatz 2 der Civilprozeßordnung; § 162 des Gerichtsverfassungsgesetzes).

11. Soll die Zwangsvollstreckung aus einem der in Nr. 10 bezeichneten Titel in einem anderen deutschen Schußgebiete erfolgen, so hat die Gerichtsbehörde erster Instanz auf Antrag des Gläubigers die Gerichtsbehörde des betreffenden Schußgebietes um die Zwangsvollstreckung zu ersuchen (§ 700 Absatz 2 der Civilprozeßordnung).

In gleicher Weise ist zu verfahren, wenn die Zwangsvollstreckung im Bezirk eines deutschen Konsulargerichts erfolgen soll; jedoch ist dem an den Konsul zu richtenden Ersuchungsschreiben eine vollstreckbare Ausfertigung beizufügen.

12. Mit der Zwangsvollstreckung, welche aus einem der in Nr. 10 bezeichneten Titel in einem ausländischen Staate erfolgen soll, hat die Gerichtsbehörde sich nicht zu befassen, deren Betrieb vielmehr dem Gläubiger zu überlassen.

13. Ersucht ein deutsches Gericht gemäß §700 Absaß 2 der Civil prozeßordnung um Bewirkung einer Zwangsvollstreckung im Schußgebiete, so ist dieselbe auf Grund des Ersuchens anzuordnen, ohne daß die Vollstreckbarkeit nachzuprüfen ist. Die Vollstreckung erfolgt in der in Nr. 7 bis 9 bezeichneten Weise.

§ 8.

Bestimmungen für Strafsachen.

(Zu den §§ 11 bis 15 der Verordnung und § 21 des Gesezes über die
Konsulargerichtsbarkeit.)

1. Die Verfügung, durch welche der Angeklagte vom Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden wird (§ 12 der Verordnung), kann, wenn sie von Amtswegen erfolgt oder ein bezüglicher Antrag von dem Beschuldigten schon vorher gestellt war, gleichzeitig mit der Mittheilung des Termins der Hauptverhandlung an den Angeklagten erfolgen. Die Verfügung wird von dem zur Ausübung der Gerichtsbarkeit ermächtigten Beamten erlassen. Derselbe hat dabei zu prüfen, ob die im § 12 der Verordnung bezeichneten Voraussetzungen vorliegen. Erscheint in der Hauptverhandlung nach Ansicht des Gerichts die Verhängung einer höheren Strafe als der im § 12 bestimmten angezeigt, so muß die Verhandlung vertagt und der Angeklagte zu dem neuen Termin vorgeladen und eventuell vorgeführt werden.

Unter allen Umständen muß, wenn ohne die Anwesenheit des vom Erscheinen entbundenen Angeklagten verhandelt werden soll, derselbe, falls seine richterliche Vernehmung nicht schon im Vorverfahren erfolgt ist, durch einen ersuchten oder beauftragten Richter über den Gegenstand der Anschuldigung vernommen werden (Strafprozeßordnung § 232 Abs. 2, 3). Nöthigenfalls ist diese Vernehmung nach Maßgabe des § 2 Nr. 6 dieser Anweisung einer anderen geeigneten Person zu übertragen. Für das im § 231 der Straj prozeßordnung vorgesehene Ungehorsamsverfahren bedarf es hingegen einer vorgängigen richterlichen Vernehmung des Angeklagten nicht.

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2. Das Verfahren in den nach § 13 der Verordnung bezeichneten Gerichtsbehörden erster Instanz übertragenen Schwurgerichtssachen regelt sich nach den Vorschriften, welche für die im § 28 des Gesezes über die Konjulargerichtsbarkeit bezeichneten Strafsachen gelten. Es findet daher auch der § 9 des bezeichneten Gesezes Anwendung, wonach in dem Falle, daß die Zuziehung von vier Beisißern nicht ausführbar ist, die Zuziehung von zwei Beisißern genügen soll. Dieser Fall wird auch dann als gegeben anzusehen sein, wenn infolge der Zuziehung von vier Beisißern in erster Instanz nach Lage der Verhältnisse eine ausreichende Zahl von Beisißern für die eventuelle Verhandlung in der Berufungsinstanz nicht verwendbar bliebe, da bei dem Obergericht (§ 5 der Verordnung) eine Verminderung der Zahl von vier Beisißern unstatthaft ist, die Personen aber, welche in erster Instanz als Beisiger mitgewirkt haben, von der Mitwirkung in der Berufungsinstanz ausgeschlossen sind.

3. In Schwurgerichtssachen muß der Angeklagte sowohl in der ersten als in der zweiten Instanz einen Vertheidiger haben (Strafprozeßordnung § 140 Abs. 1, § 14 Abs. 4 der Verordnung).

In diesen Sachen und ebenso in den Fällen, in welchen nach § 140 Abs. 2 der Strafprozeßordnung die Vertheidigung eine nothwendige ist, ist dem Beschuldigten, welcher einen Vertheidiger noch nicht gewählt hat, ein solcher von Amtswegen zu bestellen, sobald das Hauptverfahren eröffnet wird. Beim Mangel geeigneter, zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft zugelassener Personen ist als Vertheidiger ein anderer achtbarer Gerichtseingesessener zu bestellen.

4. Auf das Strafverfahren in der Berufungsinstanz finden, soweit nicht in den §§ 36 bis 40 des Gesetzes über die Konsulargerichtsbarkeit und in den §§ 5 und 14 der Verordnung etwas Anderes bestimmt ist, die Vorschriften des dritten Abschnitts im dritten Buche der Strafprozeßordnung Anwendung. Da die Mitwirkung einer Staatsanwaltschaft nicht stattfindet, so erfolgt im Falle der Einlegung der Berufung die Uebersendung der Akten (Strafprozeßordnung § 362, Gesetz über die Konsulargerichtsbarkeit § 39) unmittelbar an das Obergericht.

5. Soweit nach der Vorschrift des § 420 der Strafprozeßordnung vor Erhebung der Privatklage wegen Beleidigungen nachgewiesen werden muß, daß die Sühne erfolglos versucht worden, ist für diesen Vergleichsversuch der zur Ausübung der Gerichtsbarkeit ermächtigte Beamte zuständig. Derselbe kann mit der Vornahme solcher Versuche andere Personen allgemein oder im einzelnen Falle beauftragen.

Erscheint der Beschuldigte in dem zur Sühneverhandlung bestimmten Termin nicht, so wird angenommen, daß er sich auf die Sühneverhandlung nicht einlassen wolle. Eine Bescheinigung über die Erfolglosigkeit der Sühneverhandlung kann nur ertheilt werden, wenn der Antragsteller im Termin erschienen ist. Kommt im Termin ein Vergleich zustande, so ist derselbe zu Protokoll festzustellen.

§ 9. Kostenwesen.

(3u § 16 der Verordnung.)

1. In den Rechtssachen, auf welche die Civilprozeßordnung, die Konkursordnung oder die Strafprozeßordnung Anwendung finden, werden die wirklich

aufgewendeten Auslagen erhoben. Die Gebühren der Zeugen und Sachverständigen, sowie Tagegelder und Reisekosten der Gerichtsbeamten werden in jedem einzelnen Falle unter Berücksichtigung der Umstände desselben festgesetzt.

Außerdem werden in den bezeichneten Rechtssachen Gebühren nach Maßgabe des angehängten Tarifs erhoben.

Bei jedem Antrag auf Vornahme einer Handlung, mit welcher baare Auslagen verbunden sind, kann, in Strafsachen jedoch nur, soweit es sich um das Verfahren auf erhobene Privatklage handelt, dem Antragsteller die Zahlung eines zur Deckung der Auslagen erforderlichen Vorschusses auferlegt werden. Die Ausführung der Zwangsvollstreckung (§ 7 Nr 7 dieser Anweisung) kann in allen Fällen von der vorgängigen Zahlung eines solchen Vorschusses abhängig gemacht werden.

In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten und in Privatklagesachen kann, insoweit es sich um ein gebührenpflichtiges Verfahren handelt, der Antragsteller zur Zahlung eines entsprechenden Gebührenvorschusses verpflichtet werden.

Schuldner der entstandenen Auslagen und Gebühren ist derjenige, welchem durch gerichtliche Entscheidung die Kosten des Verfahrens auferlegt sind, oder welcher dieselben durch eine vor der Gerichtsbehörde abgegebene oder derselben mitgetheilte Erklärung übernommen hat. In Ermangelung eines anderen Schuldners ist derjenige, welcher das Verfahren beantragt hat, Schuldner der entstandenen Auslagen und Gebühren. Die Verpflichtung zur Zahlung vorzuschießender Beträge (Abs. 3 und 4) bleibt bestehen, wenn auch die Kosten des Verfahrens einem Anderen auferlegt oder von einem Anderen übernommen sind.

2. In den Angelegenheiten, welche zu der streitigen Gerichtsbarkeit nicht gehören, werden, vorbehaltlich der Vorschriften in den folgenden Absäßen, Kosten nur nach Maßgabe der Bestimmungen des Gesetzes, betreffend die Gebühren und Kosten bei den Konsulaten des Deutschen Reichs, vom 1. Juli 1872 (Reichs-Gesezbl. S. 245) erhoben.

Bei Vormundschaften, mit Ausnahme der gefeßlichen Vormundschaft, ist von dem Kapitalbetrage des Vermögens des Mündels, auf welches sich die Vormundschaft erstreckt, insofern dasselbe über 150 Mark beträgt, zu erheben: a) von je 50 Mark des Betrages bis zu 300 Mark,

b) von je 100 Mark des Mehrbetrages bis zu 600 Mark,

c) von je 150 Mark des Mehrbetrages bis zu 1500 Mark,

d) von je 300 Mark des Mehrbetrages

fünfzig Pfennig.

3. Der Ansatz der Gebühren und Auslagen erfolgt durch die Gerichtsbehörde der Instanz.

Gegen die in Kostensachen ergehenden Entscheidungen der Gerichtsbehörden erster Instanz findet Beschwerde an die Gerichtsbehörde zweiter Instanz statt.

§ 10. Geschäftsgang.

1. Das Geschäftsjahr ist das Kalenderjahr.

2. Jeder zur Ausübung der Gerichtsbarkeit von dem Reichskanzler ermächtigte Beamte hat demselben am Schlusse des Geschäftsjahres eine

Geschäftsübersicht einzureichen. Die Berichte der Gerichtsbehörden erster Instanz sind durch Vermittelung des Gouverneurs einzureichen.

3. Der Geschäftsverkehr der zur Ausübung der Gerichtsbarkeit erster Instanz ermächtigten Beamten mit Behörden und Beamten außerhalb des Schußgebietes sowie mit dem Reichskanzler erfolgt ausschließlich durch Vermittelung des Gouverneurs.

4. Die Anordnungen der zur Ausübung der Gerichtsbarkeit erster Instanz ermächtigten Beamten bedürfen der Zustimmung des Gouverneurs, soweit sie betreffen:1

1. die dauernde Uebertragung einzelner richterlicher Geschäfte auf andere Personen (§ 2 Nr. 6);

2. die Ernennung von Beisißern (§ 3);

3. die Bestellung und Entlassung von ständigen Gerichtsschreibern (§ 4);

4. die Zulassung von Rechtsanwälten (§ 5);

5. die allgemeine Beauftragung von Personen mit der Vornahme von Sühneversuchen (§ 8 Nr. 5).

Berlin, den 12. Januar 1891.

Tarif

Der Reichskanzler.

v. Caprivi.

für die Erhebung von Gebühren in bürgerlichen Rechtsstreitig keiten, Konkurssachen und Strafsachen.

(Gleichlautend mit dem Tarif für Kamerun und Togo S. 196.)

137. Verordnung, betreffend Eigenthumserwerb an
Grundstücken.

§ 1.

Innerhalb der deutschen Interessensphäre von Ostafrika, wie sie durch das deutsch-englische Abkommen vom 1. Juli 1890 festgesezt ist, mit Ausschluß des früher zum Sultanat Zanzibar gehörigen Küstenstreifens und der Landschaften Usagara, Nguru, Usegua und Ukami sowie der Insel Mafia,*) steht das Recht, herrenloses Land in Besitz zu nehmen, allein der Regierung zu.

§ 2.

Verträge über Grunderwerb unterliegen innerhalb des durch das deutsch englische Abkommen begrenzten Gebietes der Genehmigung des Gouverneurs.

$ 3.

Diese Verordnung tritt mit dem heutigen Tage in Kraft.

Dar-es-Salâm, den 1. September 1891.

Der Kaiserliche Gouverneur.
Freiherr v. Soden.

*) Diese ausgenommenen Gebiete bilden das eigentliche Schuhgebiet.

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