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138. Verordnung, betreffend Ausführungsbestimmungen zu der Generalakte der Brüsseler Antisklaverei-Konferenz. Vom 17. Februar 1893.

(Reichs-Gesezblatt S. 13.)

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen 2c., verordnen auf Grund des Gesezes, betreffend die Rechtsver hältnisse der deutschen Schußgebiete (Reichs-Gesezbl. 1888 . 75), für Deutsch Ostafrika zur Ausführung der Artikel 50 bis 59 der Generalakte der Brüsseler Antisklaverei-Konferenz, vom 2. Juli 1890 (Reichs-Geseßbl. 1892 S. 605), im Namen des Reichs, was folgt:

1.

Für das Verfahren gegen ein unter deutscher Flagge fahrendes Schiff, welches gemäß Artikel 49 der Generalakte von dem Befehlshaber eines fremden Kreuzers angehalten und in einen Hafen des Schußgebietes geführt worden ist, gelten die nachstehenden Bestimmungen:

I. Untersuchungsverfahren.

§ 2.

Die Untersuchung des Falls erfolgt durch den zur Ausübung der Gerichtsbarkeit erster Instanz für den Bezirk, in welchem der Hafen liegt, ermächtigten Beamten.

§ 3.

Der Beamte hat das Schiff, sobald es ihm überantwortet ist, zu besichtigen und für Aufnahme eines Inventars, sowie für Sicherung von Schiff, Schiffspapieren und Ladung Sorge zu tragen.

Er hat mit möglichster Beschleunigung alle Thatsachen, welche für die Frage, ob ein Fall von mißbräuchlicher Flaggenführung oder von Sklavenhandel vorliegt, von Bedeutung sind, unter Aufnahme der erforderlichen Beweise festzustellen.

§ 4.

Gegen die Entscheidung, daß ein Fall von mißbräuchlicher Flaggen führung vorliegt, steht dem Führer des angehaltenen Schiffs die sofortige Beschwerde zu, welche binnen einer Frist von drei Tagen nach der Zustellung einzulegen ist. Ueber die Beschwerde entscheidet der zur Ausübung der Ge richtsbarkeit zweiter Instanz ermächtigte Beamte.

§ 5.

Ergiebt die Untersuchung, daß ein Fall von Sklavenhandel vorliegt, so ist das Verfahren behufs Verurtheilung des Schiffs mittelst Ueberweisung an die Gerichtsbehörde erster Instanz einzuleiten. In dem Beschlusse sind, unter Anführung der Beweismittel, die Thatsachen anzugeben, in welchen ein Fall von Sklavenhandel gefunden wird.

$ 6.

Ergeht in Gemäßheit des Artikels 53 der Generalakte die Entscheidung, daß das Schiff zu Unrecht angehalten worden sei, so ist hiermit die Festsehung der dem Schiffe zukommenden Entschädigung zu verbinden. Giebt

der Offizier des fremden Kreuzers binnen dreier Tage nach der Zustellung die Erklärung ab, daß er sich bei der Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Anhaltung nicht beruhige, so ist die Sache der Gerichtsbehörde erster Instanz zu überweisen. Im anderen Falle ist das Schiff freizugeben.

II. Spruchverfahren.
$7.

Die Gerichtsbehörde, welcher die Sache überwiesen ist, kann jederzeit die Vornahme weiterer Erhebungen veranlassen.

$ 8.

Die mündliche Verhandlung erfolgt unter Zuziehung von zwei Beisißern. Dieselbe beginnt mit dem Vortrag eines Berichterstatters. Hierauf werden der Offizier des fremden Kreuzers und der Führer des angehaltenen Schiffes mit ihren Ausführungen und Anträgen gehört. Auch in Abwesenheit des Offiziers sowie des Schiffers kann zur Verhandlung geschritten werden, falls der Ausgebliebene ordnungsmäßig geladen ist. Das Urtheil wird mit der Verkündung rechtskräftig und soll dem Offizier und dem Schiffer zugestellt werden.

III. Allgemeine Bestimmungen.

$ 9.

Soweit sich aus dieser Verordnung nicht ein Anderes ergiebt, finden auf das Verfahren die Bestimmungen entsprechende Anwendung, welche für das Verfahren in Strafsachen in Geltung sind.

§ 10.

Der Offizier des fremden Kreuzers hat Anspruch auf Anwesenheit bei sämmtlichen Vernehmungen und sonstigen zur Ermittelung des Thatbestandes erfolgenden Erhebungen.

§ 11.

Der Offizier des fremden Kreuzers und der Führer des angehaltenen Schiffes können sich durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen.

Kann eine Zustellung an die im Absatz 1 bezeichneten Personen nicht am Siße der Gerichtsbehörde erster Instanz bewirkt werden, so erfolgt sie durch Anheftung an die Gerichtstafel. Die Zustellung gilt als bewirkt mit dem Ablauf des zweiten Tages nach erfolgter Anheftung.

$ 12.

Die Beeidigung der Zeugen und Sachverständigen erfolgt bei der ersten Vernehmung. Ob der Führer und sonstige zur Besatzung des angehaltenen Schiffes gehörige Personen zu beeidigen sind, ist nach freiem Ermessen zu bestimmen.

§ 13.

Das Verfahren ist gebühren und stempelfrei.

Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und bei= gedrucktem Kaiserlichen Insiegel.

Gegeben Schillig Rhede, den 17. Februar 1893,
an Bord Meines Panzerschiffes König Wilhelm“.

"

(L. S.)

Wilhelm.
Graf v. Caprivi.

III. Allgemeine Verwaltung.

139. Vertrag zwischen der Reichsregierung und der DeutschOstafrikanischen Gesellschaft.

Zwischen der Kaiserlichen Regierung einerseits und der Deutsch-Ostafri tanischen Gesellschaft mit dem Siß zu Berlin, vertreten durch ihren Vorstand, andererseits wird, nach erfolgter Zustimmung der Hauptversammlung der Mitglieder der Gesellschaft, folgender Vertrag abgeschlossen, in dessen Text unter der „Gesellschaft“ stets die „Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft“ verstanden wird.

$ 1.

Die Kaiserliche Regierung beabsichtigt den Abschluß eines Staatsvertrages, durch welchen die Hoheitsrechte über das der deutschen Interessen. sphäre in Ostafrika vorgelagerte Küstengebiet, sammt dessen Zubehörungen und der Insel Mafia gegen Entschädigung Seiner Hoheit des Sultans von Zanzibar an Seine Majestät den Deutschen Kaiser abgetreten werden sollen. Das gegenwärtige Uebereinkommen tritt nur unter der Voraussetzung in Rechtswirkung, daß der vorgedachte Vertrag spätestens am 1. Dezember 1890 zum Abschluß gelangt ist, und daß in diesem Vertrage der Uebergang der Hoheitsrechte von Seiten des Sultans von Zanzibar auf keinen späteren Zeitpunkt, als den 1. Januar 1891, festgesetzt wird.

$ 2.

Zum Zweck der Bezahlung der dem Sultan von Zanzibar für die Abtretung Seiner Hoheitsrechte zu gewährenden Entschädigung verpflichtet sich die Gesellschaft, der Kaiserlichen Regierung spätestens am 28. Dezember 1890 den Betrag von vier (4) Millionen Mark Deutscher Reichswährung in Gold zur Verfügung zu stellen und auszuzahlen.

Die Kaiserliche Regierung wird dafür besorgt sein, daß der Gesellschaft zum Zweck der Ausbringung der Mittel für diese Zahlung, sowie zu den in § 3 dieses Vertrages bezeichneten weiteren Zwecken rechtzeitig die nach dem preußischen Gesetz vom 17. Juni 1833 (Gesez Sammlung 1833, G. 75: erforderliche landesherrliche Genehmigung zur Aufnahme einer mit 5 Prozent jährlich verzinslichen und halbjährlich mit 0,3257 Prozent ihres Nennbetrages zuzüglich der aus den ersparten Zinsen tilgbaren Nominalbeträge zu amorti sirenden, zum Kurse von 105 Prozent rückzahlbaren Darlehnsschuld in auf jeden Inhaber lautenden Schuldverschreibungen und die nach § 37, Ziffer 4 und § 42, Ziffer 3, der Sagungen der Gesellschaft nöthige Genehmigung ihrer Aufsichtsbehörde ertheilt werden.

§ 3.

Zur Aufbringung der Mittel für die nach § 2 an die Kaiserliche Re gierung zu leistende Zahlung, sowie zur Verwendung für dauernde wirth schaftliche Anlagen in dem deutsch-ostafrikanischen Gebiet und zur Beförderung des Verkehrs nach demselben verpflichtet sich die Gesellschaft gegenüber der Kaiserlichen Regierung, eine Anleihe im Gesammtbetrage von 10 556 000 Mark zu schaffen.

Die Gesellschaft ist gehalten, aus dem Erlöse der Anleihe, soweit sie die in § 2 vorgesehene, sofort zu leistende Zahlung übersteigt, die Betonnung der Häfen im Küstengebiete nach Maßgabe des unter dem 27. Mai 1890 von Seiten des Reichs- Marine-Amts ausgearbeiteten Planes (Anlage) aus zuführen, sowie Beleuchtungsanlagen im Höchstbetrage von 250 000 Mark zu machen. Mit dieser Arbeit wird spätestens am 1. April 1891 begonnen werden.

Eine Verwendung des Erlöses der Anleihe muß, sofern diese Verwendung sich nicht innerhalb der in Absatz 1 gedachten Zweckbestimmung hält, auf Verlangen der Kaiserlichen Regierung unterbleiben.

Die Verwendung muß innerhalb der ersten zehn Jahre erfolgen, soweit die Kaiserliche Regierung eine Verlängerung nicht eintreten läßt.

$ 4.

Der von der Gesellschaft am 28. April 1888 mit Seiner Hoheit dem Sultan von Zanzibar abgeschlossene und durch das NachtragsUebereinkommen vom 13. Januar 1890 modifizirte Vertrag wird mit dem Zeitpunkt der Zahlung der Abfindungssumme (§ 2) außer Kraft gesezt, insoweit seine Festsetzungen nicht durch den gegenwärtigen Vertrag ausdrücklich aufrecht erhalten werden.

Die Kaiserliche Regierung übernimmt von diesem Zeitpunkte ab die Verwaltung des Küstengebietes und seiner Zubehörungen, der Insel Mafia, sowie des Schutzgebietes.

Der Kaiserlichen Regierung fallen dementsprechend alle vom Zeitpunkte der Uebernahme der Verwaltung ab eingehenden Zölle, sowie die etwa zur Hebung gelangenden Steuern und sonstigen öffentlichen Gefälle jeder Art zu.

$ 5.

Dagegen verpflichtet sich die Kaiserliche Regierung, vom 1. Januar 1891 ab bis dahin, daß die von der Gesellschaft aufzunehmende Anleihe (§§ 2 und 3) zur völligen planmäßigen Tilgung gelangt ist, an die von der Gesellschaft zu bezeichnende Stelle zum Zweck der Verzinsung und Amortisation der aufzunehmenden Anleihe aus den von der Kaiserlichen Regierung ver einnahmten Bruttozollerträgen der Ein- und Ausfuhr in das Küstengebiet bezw. aus demselben ohne jeden Abzug und ohne jede Aufrechnung unter allen Umständen den Jahresbetrag von Sechshunderttausend (600 000) Mark zu zahlen.

Die Zahlung erfolgt in halbjährlichen Raten von je 300 000 Mark an jedem 20. Juni und 20. Dezember.

Vier Wochen nach Abschluß jeder Monatsaufstellung der Zolleingänge wird der Gesellschaft von ihrem Betrage Kenntniß gegeben.

$ 6.

So lange die Verpflichtung der Kaiserlichen Regierung zu der in § 5 bedungenen Zahlung besteht, wird die Kaiserliche Regierung Aenderungen der zur Zeit des Vertragsschlusses an der Küste geltenden Zollsäße nicht eintreten lassen, sofern eine solche Aenderung das Aufkommen eines Bruttozollerträgnisses von mindestens 600 000 Mark jährlich gefährdet.

Werden Zollstellen seitens der Kaiserlichen Regierung außerhalb des Küstengebietes errichtet, so werden für die Dauer der Vertragszeit auch die

Erträgnisse dieser Zollstellen zur Aufbringung der vorerwähnten 600 000 Mark verwendet werden.

Falls in einem Jahre oder in einer Mehrheit von Jahren der für den Dienst der Anleihe erforderliche Betrag von 600 000 Mark durch die Bruttoerträgnisse der Zölle nicht erbracht werden sollte, ist die Differenz aus den den Betrag von 600 000 Mark überschreitenden Erträgnissen späterer Jahre nachzuzahlen (§ 5).

$ 7.

Die Kaiserliche Regierung räumt der Gesellschaft als

gelt für die Aufgabe ihrer Rechte aus dem Vertrage vom

die folgenden Befugnisse ein:

ein ferneres Ent28. April 1888

13. Januar 1890

1. Unbeschadet der von der Gesellschaft außerhalb des Küstengebietes, seiner Zubehörungen und der Insel Mafia (§ 1), sowie außerhalb des Gebietes, für welches der Kaiserliche Schußbrief ertheilt ist, vertragsmäßig erworbenen Rechte tritt die Kaiserliche Regierung der Gesellschaft für das Küstengebiet, dessen Zubehörungen, die Insel Mafia und das Gebiet des Schußbriefes das ausschließliche Recht auf den Eigenthumserwerb durch Ergreifung des Besizes (Offupationsrecht) an herrenlosen Grundstücken und deren unbeweglichen Zubehörungen, vornehmlich also auch das Okkupationsrecht an Wäldern ab, jedoch mit dem Vorbehalt

a) der wohlerworbenen Rechte Dritter an dergleichen herrenlojen Grundstücken,

b) des Rechtes der Kaiserlichen Regierung, herrenlose Grundstücke, insoweit solche nach ihrem Ermessen zu öffentlichen Bauten im Interesse der Verwaltung und der Sicherung des Küsten- und des Schußgebietes erfordert werden, durch Okkupation für das Reich zu Eigenthum zu erwerben,

c) des Rechtes der Kaiserlichen Regierung, für die Ausnußung der Wälder auch für die Gesellschaft verbindliche Geseze und Verordnungen im Interesse der Landes- und Forstkultur zu erlassen. 2. In Bezug auf die Gewinnung von Mineralien werden der Gesellschaft für das Küstengebiet, dessen Zubehörungen, die Insel Mafia und das Gebiet des Kaiserlichen Schußbriefes, gleichviel, ob die Gesellschaft selbst oder ein Anderer der Finder ist, die gleichen Vortheile insbesondere auf die Verleihung von Feldern eingeräumt, welche die in jenen Gebieten jeweilig geltende Gesetzgebung dem Finder zugesteht. Außerdem verpflichtet sich die Kaiserliche Regierung, bei Verleihung von Feldern an Andere, als die Gesellschaft, dem Beliehenen, insofern er nicht der Finder ist, eine Abgabe von fünf (5) Prozent der von ihm geförderten Mineralien zu Gunsten der Gesellschaft aufzuerlegen.

3. Bei der Konzessionirung des Baues und Betriebes von Eisenbahnen im Küstengebiete, dessen Zubehörungen, auf der Insel Mafia und i dem Gebiete des Kaiserlichen Schußbriefes soll der Gesellschaft im Falle der Uebernahme und der Erfüllung der gestellten Konzessionsbedingungen ein Vorrecht vor anderen Bewerbern zustehen.

Die

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