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wird, getroffen werden. Dieselben können sich beziehen auf die Personen, durch welche die Zustellungen zu bewerkstelligen sind, und die Uebermittelung der Aufträge an dieselben; auf Ort und Zeit der Zustellungen; auf diejenigen Personen, welchen an Stelle des Empfängers das zuzustellende Schriftstück bezw. die Abschrift desselben übergeben werden darf, wenn der Empfänger nicht angetroffen wird; auf das Verfahren, wenn keine Person angetroffen wird, an welche die Uebergabe bewirkt werden kann; auf den Nachweis der erfolgten Zustellung. Ein solcher Nachweis ist stets schriftlich zu den Akten zu bringen (§ 6 Absatz 7 der Verordnung). Bei den Anordnungen bezüglich der Form dieses Nachweises ist zu beachten, daß durch den Letteren festgestellt werden muß, welches Schriftstück in Ausfertigung oder Abschrift übergeben ist. Bei Zustellungen auf Betreiben einer Partei ist dafür Sorge zu tragen, daß die Partei, an welche zugestellt wird, Kenntniß davon erhält, wer den Zustellungsauftrag ertheilt hat, soweit dies nicht aus dem Inhalte des zuzustellenden Schriftstückes hervorgeht.

9. Zustellungen, welche in einer bei der Gerichtsbehörde erster Instanz im Schußgebiete anhängigen Rechtsangelegenheit erforderlich werden, aber außerhalb des Schutzgebietes zu bewirken sind, erfolgen im Wege des Ersuchens (§ 6 Absatz 5 der Verordnung).

10. Das Ersuchen ist zu richten:

a) bezüglich einer im Deutschen Reiche zu bewirkenden Zustellung: an den Gerichtsschreiber des Amtsgerichts, in dessen Bezirk die Zustellung ausgeführt werden soll (§§ 162 des Gerichtsverfassungsgesetzes); b) bezüglich einer in einem anderen deutschen Schuhgebiete oder im Bezirke eines deutschen Konsulargerichts zu bewirkenden Zustellung: an die Gerichtsbehörde des betreffenden Schußgebietes bezw. an den betreffenden Konsul;

c) bezüglich einer in einem ausländischen Staate zu bewirkenden Zustellung: an die in §§ 182 bis 184 der Civilprozeßordnung bezeichneten Behörden und Beamten.

11. Die öffentliche Zustellung erfolgt in den bei der Gerichtsbehörde des Schußgebietes anhängigen Rechtsangelegenheiten nach den Vorschriften in SS 186 bis 189 der Civilprozeßordnung. Jedoch kann die Gerichtsbehörde bei Bewilligung der öffentlichen Zustellung einer Ladung anordnen, daß eine Einrückung in öffentliche Blätter nicht erforderlich sei (§ 6 Absatz 4 der Verordnung). In einem solchen Falle gilt die Ladung als zugestellt, wenn seit der Anheftung des Schriftstückes an die Gerichtstafel zwei Wochen verstrichen sind (§ 189 Absah 2 der Civilprozeßordnung). Eine öffentliche Zustellung ist unzulässig, wenn die Partei im Deutschen Reich, in einem deutschen Schußgebiete oder im Bezirke eines deutschen Konsulargerichts, dessen Gerichtsbarkeit sie unterworfen ist, einen bekannten Aufenthalt hat.

12. Die in § 190 der Civilprozeßordnung bezüglich des Eintritts der Wirkungen der Zustellung für Zustellungen mittelst Ersuchens anderer Behörden oder Beamten und für öffentliche Zustellungen gegebene Vorschrift ist durch § 6 Absaß 3 der Verordnung auf alle Zustellungen ausgedehnt, welche in den bei der Gerichtsbehörde des Schußgebietes anhängigen Rechtsangelegenheiten auf Betreiben der Parteien erfolgen.

13. Im Schußgebiete zu bewirkende Zustellungen in einer bei einem deutschen Gerichte anhängigen Rechtsangelegenheit erfolgen auf Ersuchen dieses

Gerichts in der in Nr. 5 bis 8 bezeichneten Weise. Der zur Ausübung der Gerichtsbarkeit ermächtigte Beamte hat auf Grund des Nachweises der Zustellung (vergl. Nr. 8) das in § 185 Absatz 2 der Civilprozeßordnung bezeichnete Zustellungszeugniß auszustellen und nur dieses, nicht auch den Nach weis oder die sonst etwa bei der Gerichtsbehörde entstandenen Akten, dem ersuchenden Gerichte zu übersenden.

VIII. Zwangsvollstreckungen.

(3u §§ 7, 8 der Verordnung vom 5. Juni 1886 und § 2 der Verordnung vom 13. Juli 1888.)

1. Aus welchen Titeln eine Zwangsvollstreckung stattfindet, unter welchen Voraussetzungen insbesondere von der Gerichtsbehörde in dem Schußgebiete erlassene Urtheile vollstreckbar sind, bestimmt sich nach §§ 644 bis 661, 702 der Civilprozeßordnung.

2. Die Ertheilung der vollstreckbaren Ausfertigung (Civilprozessordnung §§ 662 ff.) einer von einer Gerichtsbehörde des Schutzgebietes erlassenen Entscheidung, eines vor derselben abgeschlossenen Vergleichs oder einer von derselben aufgenommenen Urkunde der im § 702 No. 5 der Civilprozessordnung bezeichneten Art kann, abgesehen von den unter No. 4 bezeichneten Fällen, erforderlich werden, wenn die Parteien dieselbe zum Zwecke einer Zwangsvollstreckung ausserhalb des Schutzgebietes (s. unten No. 10, 11) beantragen.

Die Ertheilung einer vollstreckbaren Ausfertigung erfolgt nach Maassgabe der §§ 662 bis 670 der Civilprozessordnung, jedoch in allen Fällen (nicht bloss in denen der §§ 666, 669) nur auf Anordnung des zur Ausübung der Gerichtsbarkeit ermächtigten Beamten (§ 8 der Verordnung vom 5. Juni 1886).

3. Die Zwangsvollstreckung innerhalb des Schutzgebietes ist in allen Fällen Sache der Gerichtsbehörden erster Instanz. Die Zwangsvollstreckung wird von dem betreffenden, zur Ausübung der Gerichtsbarkeit erster Instanz ermächtigten Beamten angeordnet (§ 2 der Verordnung vom 13. Juli 1888).

4. Der Gläubiger, welcher eine Zwangsvollstreckung im Schutzgebiete beantragt, hat den Titel, aus welchem dieselbe erfolgen soll, nur dann vorzulegen, wenn sich der Titel nicht in den Akten der Gerichtsbehörde, an welche der Antrag gerichtet wird, befindet.

Die Beibringung einer vollstreckbaren Ausfertigung liegt dem Glāubiger nicht ob, soweit diese Ausfertigung von dem Gerichtsschreiber der bezeichneten Gerichtsbehörde zu ertheilen sein würde (§ 2 der Verordnung vom 13. Juli 1888). Die Beibringung ist danach insbesondere erforderlich, wenn zur Zeit der Stellung des Antrages der Rechtsstreit noch bei dem Obergericht des Schutzgebietes anhängig ist (§ 662 Absatz 2 der Civilprozessordnung), oder wenn derselbe bei einer anderen Gerichtsbehörde erster Instanz des Schutzgebietes anhängig war.

4a. In den Fällen, in welchen der Gläubiger eine vollstreckbare Ausfertigung nicht beizubringen hat (No. 4 Absatz 2), darf die Zwangsvollstrekung nur unter denselben Voraussetzungen angeordnet werden, unter welchen nach §§ 664, 665 der Civilprozessordnung die Ertheilung einer vollstreckbaren Ausfertigung zulässig ist. Auf die Anordnung der Zwangs

vollstreckung finden die Vorschriften über Anhörung des Schuldners, über die Klage auf Ertheilung der Vollstreckungsklausel, über Einwendungen gegen die Letztere, über die Bemerkung der erfolgten Ertheilung auf der Urschrift des Urtheils (§§ 666 bis 668, 670 der Civilprozessordnung) entsprechende Anwendung.

5. Die Vorschriften über den Beginn der Zwangsvollstreckung (§§ 671 bis 673 der Civilprozeßordnung) finden auf Zwangsvollstreckungen im Schutzgebiete mit der Maßgabe Anwendung, daß an Stelle der Vollstreckungsklausel (§ 671 a. a. C.) die Anordnung der Zwangsvollstreckung (Nr. 3) tritt.

6. Im Schutzgebiete erfolgt die Zwangsvollstreckung auch in den Fällen, in welchen sie nach der Civilprozeßordnung den Gerichtsvollziehern zugewiesen ist, durch den zur Ausübung der Gerichtsbarkeit ermächtigten Beamten; derselbe kann mit der Ausführung andere Personen beauftragen, welche nach seinen Anweisungen zu verfahren haben (§ 7 Absatz 2 der Verordnung). Der Auftrag ist schriftlich zu ertheilen. Der schriftliche Auftrag tritt bei Anwendung der Vorschriften der SS 675 bis 677 der Civilprozeßordnung an die Stelle der vollstreckbaren Ausfertigung. Die Vorschriften der §§ 678 bis 683 fommen nicht zur Anwendung; an ihre Stelle treten die Anweisungen, welche der zur Ausübung der Gerichtsbarkeit ermächtigte Beamte den mit der Ausführung der Zwangsvollstreckung beauftragten Personen ertheilt hat. Bei Ertheilung dieser Anweisung ist dafür Sorge zu tragen, daß über jede Vollstreckungshandlung eine schriftliche Nachricht zu den Akten gebracht wird.

7. Die mit der Ausführung der Zwangsvollstreckung beauftragte Person (Nr. 6) hat die in der Civilprozeßordnung (§§ 712, 713, 716, 720 bis 725, 727, 746, 751, 769 bis 771, 777) dem Gerichtsvollzieher zugewiesenen Befugnisse und Obliegenheiten, soweit nicht durch die ihr ertheilten Anweisungen (Nr. 6) etwas Anderes bestimmt wird.

8. Bei der Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen in bewegliche förperliche Sachen (§§ 712 bis 728 der Civilprozeßordnung) bleibt es dem Ermessen des zur Ausübung der Gerichtsbarkeit ermächtigten Beamten überlassen, ob er der mit der Pfändung beauftragten Person die Entscheidung über die Belassung der Pfandstücke im Gewahrsam des Schuldners (§ 712 Absatz 2), die Benachrichtigung des Schuldners von der Pfändung (§ 712 Absay 3), die Versteigerung (§§ 716 bis 720), den Verkauf von Gold- und Silbersachen (§ 721), die Uebertragung von Werthpapieren aus freier Hand (SS 722 bis 724), die Bewirkung der Aberntung von Früchten (§ 725) überlassen, oder ob er diese Verrichtungen selbst wahrnehmen oder mit denselben eine andere Person beauftragen will.

9. Auf die in den §§ 730, 739 und 744 der Civilprozeßzordnung vorgesehenen Zustellungen bei der Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen in Forderungen und andere Vermögensrechte finden die §§ 5 und 6 der Verordnung und Nr. VII dieser Anweisung Anwendung. Im Falle des § 739 Absatz 3 sind die Erklärungen des Drittschuldners stets an die Gerichtsbehörde zu richten.

10. Soll im Deutschen Reich eine Zwangsvollstreckung auf Grund einer in dem Schutzgebiete erlassenen Entscheidung oder einer dort aufgenommenen vollstreckbaren Urkunde erfolgen, so hat der Gläubiger sich eine vollstreckbare Ausfertigung des Titels ertheilen zu lassen (vergl. Nr. 1, 2, 4) und auf Grund

derselben die Zwangsvollstreckung selbst zu betreiben. Ein Ersuchen an deutsche Gerichte seitens der Gerichtsbehörde des Schußgebietes findet nicht statt. Jedoch kann, soweit die Zwangsvollstreckung durch einen deutschen Gerichtsvollzieher zu bewirken ist, der Gläubiger zur Beauftragung desselben sich der Vermittelung der Gerichtsbehörde bedienen, welche ihrerseits den Auftrag unter Beifügung der vollstreckbaren Ausfertigung dem Gerichtss schreiber desjenigen Amtsgerichts übersendet, in dessen Bezirk der Auftrag ausgeführt werden soll (§ 674 Absay 2 der Civilprozeßordnung; § 162 des Gerichtsverfassungsgeseßes).

11. Soll die Zwangsvollstreckung aus einem der in Nr. 10 bezeichneten Titel in einem anderen deutschen Schußgebiete oder im Bezirk eines deutschen Konsulargerichts erfolgen, so hat die Gerichtsbehörde auf Antrag des Gläubigers die Gerichtsbehörde des betreffenden Schußgebietes bezw. den betreffenden Konsul unter Uebersendung einer vollstreckbaren Ausfertigung um die Zwangsvollstreckung zu ersuchen (§ 700 der Civilprozeßordnung).

12. Mit der Zwangsvollstreckung, welche aus einem der in Nr. 10 bezeichneten Titel in einem ausländischen Staate erfolgen soll, hat die Gerichtsbehörde sich nicht zu befassen, deren Betrieb vielmehr dem Gläubiger zu überlassen.

13. Ersucht ein deutsches Gericht gemäß § 700 der Civilprozeßordnung um Bewirkung einer Zwangsvollstreckung im Schußgebiete, so ist dieselbe anzuordnen, ohne daß die Vollstreckbarkeit nachzuprüfen ist. Die Vollstreckung erfolgt in der in Nr. 6 bis 9 bezeichneten Weise.

IX. Vergleichsbehörde.

(3u § 21 des Gesezes über die Konsulargerichtsbarkeit.)

1. Soweit nach der Vorschrift des § 420 der Strafprozeßordnung vor Erhebung der Privatklage wegen Beleidigung nachgewiesen werden muß daß die Sühne erfolglos versucht worden, ist für diesen Vergleichsversuch der zur Ausübung der Gerichtsbarkeit ermächtigte Beamte zuständig. Derselbe kann mit der Vornahme solcher Versuche andere Personen allgemein oder im einzelnen Falle beauftragen.

2. Erscheint der Beschuldigte in dem zur Sühneverhandlung bestimmten Termin nicht, so wird angenommen, daß er sich auf die Sühneverhandlung nicht einlassen wolle. Eine Bescheinigung über die Erfolglosigkeit der Sühneverhandlung kann nur ertheilt werden, wenn der Antragsteller im Termin erschienen ist. Kommt im Termin ein Vergleich zu Stande, so ist derselbe zu Protokoll festzustellen.

X. Vorläufiges Einschreiten bei den zur Zuständigkeit des Reichsgerichts oder der Schwurgerichte gehörigen Verbrechen. (3u § 31 des Gesezes über die Konsulargerichtsbarkeit.)

Wie der Transport eines verhafteten Beschuldigten nach Deutschland auszuführen sei, ist nach den Umständen zu ermessen. In Zweifelsfällen ist die Weisung des Reichskanzlers einzuholen.

XI. Geschäftsgang.

1. Von der durch den Landeshauptmann vorgenommenen Geschäftsvertheilung unter die außer ihm zur Ausübung der Gerichtsbarkeit ermächtigten Beamten, sowie von der Bestimmung über die Amtssige dieser Beamten (vergl. Nr. III 1 unter b) ist dem Reichskanzler Mittheilung zu machen. 2. Das Geschäftsjahr ist das Kalenderjahr.

3. Jeder zur Ausübung der Gerichtsbarkeit von dem Reichskanzler ermächtigte Beamte hat demselben am Schlusse des Geschäftsjahres eine Geschäftsübersicht einzureichen.

4. Der Geschäftsverkehr der außer dem Landeshauptmann zur Ausübung der Gerichtsbarkeit ermächtigten Beamten mit Behörden und Beamten außerhalb des Schußgebietes, sowie mit der Direktion der Neu- GuineaKompagnie erfolgt durch Vermittelung des Landeshauptmanns.

5. (Bezog sich auf den geschäftlichen Verkehr mit dem Reichsgericht und dem deutschen Konsulargericht in Apia als Berufungs- und Beschwerdegerichte.)

6. Die dem Reichskanzler mitzutheilenden polizeilichen Vorschriften, sowie die in dieser Dienstanweisung (Nr. III 3; IV 3; V 1; VI 1; X; XI 1, 3) vorgesehenen Mittheilungen xc. an den Reichskanzler sind durch den Landeshauptmann der Direktion der Neu-Guinea-Kompagnie zur Weiterbeförderung einzureichen.

XII. Schlußbestimmung.

Von den in dieser Dienstanweisung erwähnten Befugnissen des zur Ausübung der Gerichtsbarkeit ermächtigten Beamten stehen ausschließlich dem Landeshauptmann zu Anordnungen, welche betreffen:

a) die dauernde Uebertragung einzelner richterlicher Geschäfte auf andere Personen (Nr. III 4);

b) die Ernennung von Beisigern (Nr. IV);

c) die Bestellung und Entlassung von ständigen Gerichtsschreibern (Nr. V);

d) die Zulassung von Rechtsanwälten (Nr. VI);

e) allgemeine Vorschriften über Zustellungen (Nr. VII 8) und Zwangsvollstreckungen (Nr. VIII 6);

f) die allgemeine Beauftragung von Personen mit der Vornahme von Sühneversuchen (Nr. IX).

Berlin, den 1. November 1886.

Der Reichskanzler.

In Vertretung: Graf v. Bismarc.

181. Dienstanweisung, betreffend die Ausübung der Gerichtsbarkeit im Schutzgebiete der Neu-Guinea-Kompagnie. Vom 3. August 1888.

Zur Ausführung der Vorschriften über die Ausübung der Gerichtsbarkeit im Schußgebiete der Neu-Guinea-Kompagnie, welche durch das Gefeß

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