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§ 7.

Zuwiderhandlungen gegen diese Verordnung unterliegen den im § 25 (neue Fassung, alte 24) der Verordnung vom 15. August 1888 angedrohten Strafen.

Stephansort, den 19. November 1891.

Der Kaiserliche Kommissar.

Rose.

213. Strafverordnung für die Eingeborenen.

Auf Grund der Kaiserlichen Verordnung, betreffend die Gerichtsbarkeit über die Eingeborenen im Schußgebiete der Neu-Guinea - Kompagnie vom 7. Juli 1888 (D. R.-A. 1888 Nr. 176) wird nachstehende Strafverordnung für die Eingeborenen erlassen:

§ 1.

Voraussetzungen der Anwendung.

Eingeborene des Schußgebietes, sowie die ihnen gleichgestellten Angehörigen anderer farbigen Stämme, sofern sie nicht durch Naturalisation die Reichsangehörigkeit erworben haben und infolge dessen der ordentlichen Gerichtsbarkeit unterstellt sind, können von den dafür einzusehenden Gerichten der Neu-Guinea-Kompagnie wegen rechtswidriger Handlungen verfolgt und bestraft

werden.

§ 2.

Strafbare Handlungen.

Die Strafverfolgung ist nur zulässig wegen Handlungen, welche nach den Gesezen des Deutschen Reiches als Verbrechen oder Vergehen strafbar sind. Durch diese Bestimmung werden Strafvorschriften, welche auf Grund des § 11 des Gesetzes, betreffend die Rechtsverhältnisse der deutschen Schußgebiete (Reichs-Gejezbl. 1888 S. 75) für die Eingeborenen erlassen werden, nicht berührt.

$ 3.

Entscheidung über die Verfolgung.

Ob die nach § 2 strafbaren Handlungen zur Strafverfolgung geeignet sind, oder ob diese Verfolgung zu unterbleiben hat, wird von dem dafür zuständigen Beamten (Gerichtsvorsteher) nach den Umständen des Falles entschieden.

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§ 5. Todesstrafe.

Die Todesstrafe wird durch Erhängen vollstreckt.

$ 6.

Gefängniß mit Zwangsarbeit.

Die zu Gefängniß mit Zwangsarbeit Verurtheilten werden zu Arbeiten, welche ihren Körperkräften entsprechen, unter Aufsicht angehalten und, soweit die Arbeiten nicht im Freien geschehen, in zur Absperrung geeigneten Räumen ein oder nöthigenfalls angeschlossen. Sie erhalten keine Löhnung, jedoch die zur Lebenserhaltung nothwendige Beköstigung.

§ 7.

Zwangsarbeit ohne Gefängniß.

Die zur Zwangsarbeit ohne Verwahrung im Gefängniß Verurtheilten haben die ihnen auferlegten Arbeiten in der dafür bestimmten Zeit pünktlich zu verrichten. Sie erhalten keine Löhnung und müssen sich selbst beköstigen oder für die ihnen gereichte Beköstigung eine dafür festzuseßende Entschädigung entrichten. Finden sie sich zur Arbeit nicht ein oder entziehen sie sich der selben, so können sie in Haft genommen werden und werden gleich den zu Gefängniß mit Zwangsarbeit Verurtheilten behandelt.

§ 8.

Behandlung der zur Zwangsarbeit Verurtheilten.

Ueber die Dauer der täglichen Arbeitszeit, die zu gewährenden Rubepausen, die zu verabreichende Kost, die dafür event. zu entrichtende Vergütung, die Einrichtung des Gefängnisses und die zur Erhaltung der Disziplin anzuwendenden Mittel wird durch besondere Reglements Bestimmung ge troffen.

$ 9.

Dauer der Freiheitsstrafen.

Die Gefängnißstraße mit Zwangsarbeit beträgt mindestens drei Tage und geht bis zu fünf Jahren. Die Zwangsarbeit ohne Verwahrung im Gefängniß beträgt mindestens einen Tag und geht bis zu einem Jahre.

§ 10.

Geldstrafen; Betrag; Beitreibung.

Der Mindestbetrag der Geldstrafe ist eine Mark, der Höchstbetrag dreihundert Mark.

Kann eine Geldstrafe wegen Unvermögens des Verurtheilten nicht beigetrieben werden, so ist der Betrag von den nächst fällig werdenden Lohnbezügen desselben derart in Abzug zu bringen, daß eine zur Befriedigung der unentbehrlichen Lebensbedürfnisse ausreichende Summe, in der Regel die Hälfte des Arbeitslohnes, ihm verbleibt.

Steht der Verurtheilte nicht in einem festen Arbeitsverhältniß, so kann ihm die Entrichtung der Geldstrafe in Naturalien nach einem von dem Gerichtsvorsteher zu bestimmenden Werthsverhältniß gestattet werden.

Ist die Geldstrafe auf keinem dieser Wege einzuziehen, so wird sie in Zwangsarbeit ohne Gefängniß oder nach Umständen in Zwangsarbeit mit Gefängniß umgewandelt.

§ 11.

Mildernde Umstände.

Beim Vorhandensein mildernder Umstände kann unter den angedrohten Mindestbetrag der Freiheitsstrafe und statt der Freiheitsstrafen auf Geldstrafe erkannt werden.

$ 12.

Strafumwandlung.

Bei Strafumwandlungen ist der Betrag einer Mark gleich einem Tage Zwangsarbeit ohne Gefängniß, und drei Tage solcher Zwangsarbeit sind einem Tage Zwangsarbeit mit Gefängniß gleich zu achten.

§ 13.

Versuch; Theilnahme; Strafausschließung und Strafmilderung. In Betreff des Versuches einer strafbaren Handlung, der Theilnahme an einer solchen und der Strafausschließungs- und Milderungsgründe sind die Bestimmungen des deutschen Strafgesetzbuches zum Anhalt zu nehmen.

$ 14.

Todeswürdige Verbrechen.

Auf Todesstrafe darf nur erkannt werden:

1. wegen des vollendeten Verbrechens des Mordes oder Todtschlags, 2. wegen Brandstiftung im Falle des § 307 Nr. 1 des Strafgejezbuches,

3. wegen der in den §§ 312, 322 bis 324 des Strafgesetzbuches bezeichneten Handlungen, wenn dadurch der Tod eines Menschen verursacht worden ist.

$ 15.

Andere schwere Verbrechen.

Auf Gefängniß mit Zwangsarbeit nicht unter sechs Monaten ist zu erkennen:

1. wegen Aufruhrs,

2. wegen schwerer Körperverletzung,

3. wegen Nothzucht,

4. wegen Raubes.

Ist in den vorgedachten Fällen durch die strafbare Handlung der Tod eines Menschen verursacht worden, so ist auf Gefängniß mit Zwangsarbeit nicht unter zwei Jahren zu erkennen.

$ 16.

Bestrafung sonstiger Verbrechen und Vergehen.

Im Uebrigen hat das erkennende Gericht nach den Umständen des Falles zu beurtheilen, ob die strafbare Handlung mit Gefängniß und

Zwangsarbeit, mit Zwangsarbeit ohne Gefängniß, oder mit Geldstrafe, oder gleichzeitig mit der einen und der anderen dieser Strafen zu ahnden.

§ 17.

Entschädigung des Verleßten.

Wo nach den Anschauungen und Gewohnheiten der Eingeborenen dem Verletzten von dem Thäter eine Entschädigung zu leisten ist, kann in dem Urtheil zugleich auf die Gewährung einer solchen Entschädigung erkannt werden.

$ 18.

Verfahren. Stationsgerichte.

Für die Verhandlung und Entscheidung der Strafsachen sind Stations gerichte zuständig, welche aus einem Gerichtsvorsteher und einem Gerichtsschreiber bestehen.

Der Landeshauptmann bestimmt Siß und Bezirk jedes Gerichts und ernennt den Vorsteher desselben, sowie für Fälle der Behinderung einen Stellvertreter.

$ 19.

Mitwirkung von Beisißern.

In den Fällen der §§ 14 und 15 haben bei der Entscheidung zwei Beisiger mitzuwirken, nachdem sie an der mündlichen Verhandlung theil genommen haben. In allen anderen Fällen verhandelt und entscheidet der Gerichtsvorsteher ohne Zuziehung von Beisißern.

$ 20.

Ernennung des Gerichtsschreibers und der Beisißer.

Den Gerichtsschreiber ernennt der Gerichtsvorsteher aus den Stations beamten oder den achtbaren Weißen seines Bezirkes. Er beruft aus denselben auch die Beisißer, wenn deren Zuziehung erforderlich wird.

$ 21.

Theilnahme des Gerichtsschreibers.

Der Gerichtsschreiber ist zu jeder richterlichen Verhandlung zuzuziehen.

$ 22. Dolmetscher.

Der Zuziehung eines Dolmetschers bedarf es nur, wenn keine der an der Verhandlung theilnehmenden Personen des Gerichts der Sprache des Angeschuldigten mächtig ist.

$ 23.

Beweismittel. Geständniß.

Das Geständniß des Angeschuldigten kann als Grundlage des Verfahrens nur dienen, wenn es freiwillig, unumwunden und glaubhaft ist.

Lediglich auf Grund des Geständnisses kann die Verurtheilung nur ausgesprochen werden, wenn der Angeschuldigte dasselbe vor dem erkennenden Gericht wiederholt.

$ 24. Zeugen.

Die Ladung der Zeugen erfolgt durch den Gerichtsvorsteher in möglichst einfacher Form. Daß und wie sie erfolgt sei, ist in den Akten zu vermerken. Auch Farbige sind Zeugniß abzulegen verpflichtet. Ein Farbiger, welcher ohne genügenden Grund ausbleibt, ist nöthigenfalls zwangsweise vorzuführen. Verweigert er sein Zeugniß, so kann er mit Geldstrafe bis zu dreißig Mark belegt werden, welche, wenn sie nicht beizutreiben ist, in Gefängniß mit Zwangsarbeit umgewandelt wird.

$ 25.

Verpflichtung und Vereidigung der Zeugen.

Weiße werden von dem Gerichtsvorsteher in der Hauptverhandlung vor der Vernehmung durch Handschlag verpflichtet,

nach bestem Wissen die reine Wahrheit zu sagen, nichts zu verschweigen und nichts hinzuzusehen.

Erachtet das erkennende Gericht die Aussage eines weißen Zeugen tro der Verpflichtung durch Handschlag nicht für gewissenhaft, dessen Zeugniß aber für dergestalt wesentlich, daß von ihm die Entscheidung der Sache abhängt, so kann es die Verhandlung aussehen und bei dem richterlichen Beamten des Bezirkes die eidliche Vernehmung des Zeugen beantragen, sofern dies nach der Reichs-Strafprozeßordnung zulässig ist.

Sißt der richterliche Beamte des Bezirkes vor, so kann er, bezw. das Stationsgericht, die Vereidigung des Zeugen beschließen.

§ 26. Augenschein.

Die Einnahme des Augenscheins ist durch den Gerichtsvorsteher regelmäßig vorzunehmen, wenn eine zur Verfolgung geeignete strafbare Handlung bekannt wird, welche Spuren am Thatort hinterlassen hat. Der vorgefundene Thatbestand ist in dem darüber aufzunehmenden Protokoll sorgfältig niederzulegen. Zu einer Leichenschau ist ein Arzt, wenn ein solcher in der Nähe sich befindet, zuzuziehen, welcher in geeigneten Fällen auch die Leichenöffnung und weitere Untersuchung innerer Theile vorzunehmen hat.

$ 27.

Durchsuchungen und Beschlagnahme.

Durchsuchungen werden unter Leitung des Gerichtsvorstehers und, sofern keine besonderen Gründe entgegenstehen, im Beisein des Angeschuldigten vorgenommen.

Gegenstände, welche als Beweismittel für die Untersuchung von Bedeutung sein können, sind von dem Gerichtsvorsteher mit Beschlag zu belegen.

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